Zu den schwerwiegenden Organbeteiligungen zählen insbesondere die
Lupusnephritis, die Lungen- und Herzbeteiligung, die
Vaskulitis und der neuropsychiatrische Lupus.
Da die größte Evidenz kontrollierter klinischer Studien zur
Lupusnephritis vorliegt, sollen zunächst die Therapieansätze bei der Nierenbeteiligung beschrieben werden.
Wie im Abschn.
4.7 dargestellt, verläuft die Nierenbeteiligung beim
SLE ähnlich bunt wie die Allgemeinsymptomatik: Von der asymptomatischen Mikrohämaturie bis zum rapid-progressiven
Nierenversagen reicht das Spektrum. Die histologische Klassifizierung in sechs Glomerulonephritisformen der
Lupusnephritis (Tab.
1) legt die Frage nahe, ob sich hieraus eine individuelle Therapie ableiten lässt.
Betrachtet man isoliert die Nierenbeteiligung, so steuern die histologischen Formen den Therapieansatz. Während die milden Formen (
Lupusnephritis Typ I und II) nur bei extrarenaler klinischer Aktivität einer immunsuppressiven Therapie bedürfen, sollten die proliferierenden Lupusnephritiden Typ III und Typ IV immunsuppressiv behandelt werden.
In der Therapie der aggressiven diffus-proliferierenden Lupus Nephritis (Typ IV) unterscheidet man die Initialtherapie (Induktionsphase) von der Erhaltungstherapie (Remissionsphase).
Induktionstherapie
Während für viele Manifestationen eines Lupusschubes wie z. B. Arthritis oder Hautexazerbationen eine Stoßtherapie alleine mit
Glukokortikoiden indiziert sein kann, gilt dies nicht für die Typ-IV-Lupusnephritis: Die Steroidmonotherapie ist einer Kombinationstherapie aus Immunsuppressivum mit Steroiden hinsichtlich Mortalität und
Nierenversagen signifikant unterlegen (Bansal und Beto
1997). Für die klassische Induktionstherapie wurde nach dem Schema der amerikanischen National Institutes of Health (NIH) eine hochdosierte intravenöse Cyclophosphamidgabe durchgeführt. Die Effektivität der Cyclophosphamidtherapie wurde jedoch mit einer erheblichen Rate an schwerwiegenden Nebenwirkungen erkauft (Infektionen, Amenorrhoe). In der Euro-Lupusnephritis-Studie konnten Houssiau und Kollegen zeigen, dass für die europäischen – kaukasischen – Patientenkollektive mit differentem ethnischen Hintergrund auch eine niedrigere Cyclophosphamiddosis der Hochdosisstandardtherapie gleichwertig ist. In einer 10-Jahres-Nachbeobachtung beider Behandlungsgruppen konnten die Autoren feststellen, dass auch über diesen langen Zeitraum keine Unterschiede zwischen Hochdosis- und Niedrigdosistherapiegruppe bestehen (Houssiau et al.
2010). Allerdings bleibt zu berücksichtigen, dass besonders schwere Verläufe der Lupusnephritiden von der Studie ausgeschlossen wurden. Zur Induktion kann somit die niedrigdosierte Therapie mit Cyclophosphamid (500 mg i.v. 6× alle 2 Wochen) empfohlen werden. Allerdings ist die Cyclophosphamidtherapie trotz der niedrigeren Kumulativdosis noch mit Nebenwirkungen vergesellschaftet, sodass nach einem Einsatz durch andere
Immunsuppressiva geforscht wurde.
Ginzler und Mitarbeiter haben in einer ersten multizentrischen, randomisierten Studie Mycophenolat-Mofetil
(MMF) als Ersatz für Cyclophosphamid in der Initialtherapie bei Patienten mit diffus-proliferierender
Lupusnephritis untersucht. Hierbei konnte in einer 3-Jahres-Nachbeobachtun gezeigt werden, dass MMF dem Cyclophosphamid nicht unterlegen ist (Ginzler et al.
2005). Ähnliche Ergebnisse zeigt auch die ALMS-Studie (ASPREVA Lupus Management Study), die die Bedeutung von MMF nicht nur in der Induktionstherapie, sondern auch für die Remissionsphase im Vergleich zu Azathioprin untersucht. Afroamerikaner scheinen hierbei sogar besser auf MMF anzusprechen (Appel et al.
2009). Der primäre Endpunkt der Studie (die Überlegenheit von MMF gegenüber Cyclophosphamid in der Induktion) wurde jedoch nicht erreicht. Aufgrund der relativ kleinen Fallzahlen sind Schlussfolgerungen aus den kontrollierten Studien hinterfragt worden. Im Rahmen einer
Metaanalyse wurden die vier bisher publizierten randomisierten, kontrollierten Studien hinsichtlich der Wertigkeit MMF versus Cyclophosphamid in der
Initialtherapie näher untersucht (Walsh et al.
2007). Wenig überrascht das Ergebnis, dass bei vergleichbarer Wirksamkeit unter MMF weniger schwere Infektionen als unter Cyclophosphamid auftraten. Dies wird auch in einer weiteren Metaanalyse (über fünf Induktionsstudien) deutlich (Moore und Derry
2006). Neben einer reduzierten Infektionsrate zeigten sich weniger Leukopenien und Amenorrhoen unter MMF als unter Cyclophosphamid. Aufgrund der Limitationen der bisherigen Studien (Einschluss von Patienten mit nur gering eingeschränkter Nierenfunktion, uneinheitliche remissionserhaltende Therapie nach der MMF- bzw. Cyclophosphamid-Initialtherapie) schlagen die aktuellen EULAR-Richtlinien beide Therapieregime alternativ vor (mit Wechsel auf die Alternative bei Nichtansprechen).
Neben MMF wurde auch das altbekannte Azathioprin in der Lupustherapie untersucht. Zur Induktionstherapie ist Azathioprin der klassischen intravenösen Cyclophosphamidtherapie jedoch unterlegen (Dutch Lupus Nephritis Study) (Grootscholten et al.
2006).
Die Bedeutung einer suffizienten Initialtherapie für die Remissionserhaltung ist noch einmal besonders hervorzuheben (Abschn.
7.2.1): Der wichtigste prognostische Faktor für ein gutes Langzeitergebnis (10 Jahre!) ist der Euro-Lupusnephritis-Studie zufolge das Ansprechen nach den ersten drei und sechs Monaten (Houssiau et al.
2010). Dies würde bedeuten, dass in der Frühphase der Erkrankung bzw. Therapie die entscheidenden Weichen gestellt werden! Ähnliche Schlussfolgerungen werden auch aus anderen Studien gezogen, in denen das Erreichen der Remission der entscheidende Parameter für das 10-Jahres-Überleben der Niere und der Patienten ist (Korbet et al.
2000). Die Initialtherapie mit niedrigdosiertem Cyclophosphamid oder MMF sollte daher individuell angepasst und intensiviert werden, um das Ziel der Remission in den ersten Monaten zu erreichen (bei ungenügendem Ansprechen Wechsel bzw. je nach Aktivität auch Kombination beider plus
Glukokortikoide).
Erhaltungstherapie
Im Rahmen der
remissionserhaltenden Therapie ist MMF eindeutig der Vorzug vor Cyclophosphamid zu geben (Euro-Lupusnephritis-Studie). Die intravenöse Cyclophosphamidbolustherapie sollte nur noch in Ausnahmefällen Anwendung finden. In der ALMS-Studie konnte zudem gezeigt werden, dass MMF in der Induktionsphase die gleiche Wirkung auch auf die extrarenalen Symptome des Lupus hat wie Cyclophosphamid (Ginzler et al.
2010).
Erfreulicherweise sind die Fälle mit hochaggressivem Krankheitsbild deutlich zurückgegangen. In der Frage, ob Azathioprin oder MMF als Medikation in der remissionserhaltenden Therapie eingesetzt werden sollte, kristallisiert sich ein leichter Vorteil für MMF heraus (MAINTAIN und ALMS) (Bertsias et al.
2012).
Entspricht der weitere klinische Verlauf nicht der initialen (histologischen) Einschätzung, ist eine Zweitbiopsie ratsam.