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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 03.05.2023

Tuberkulose

Verfasst von: Brit Häcker, Ralf Otto-Knapp und Torsten Bauer
Tuberkulose (TB) wird durch Bakterien des Mycobacterium-tuberculosis-Komplexes ausgelöst und zählt weltweit zu den häufigsten Infektionserkrankungen. Die Übertragung erfolgt von Mensch zu Mensch durch erregerhaltige Aerosole. Häufigster Manifestationsort ist die Lunge, es können aber auch andere Organe betroffen sein. In ca. 90 % der Fälle kann das Immunsystem die Infektion begrenzen, dieser Zustand wird als latente tuberkulöse Infektion (LTBI) bezeichnet. Gelingt dies nicht, kommt es zu einer Erkrankung, die durch eine Kombination verschiedener Antibiotika über mehrere Monate behandelt werden muss. Herausforderungen stellen Medikamentenresistenzen und komplexe Krankheitsbilder sowie Komorbiditäten und Koinfektionen dar, deren Behandlung unter Beratung eines TB-Zentrums erfolgen sollte.

Einleitung

Auch wenn Tuberkulose in Deutschland eine seltene Erkrankung ist, bleibt sie weiterhin weltweit eine der häufigsten Infektionskrankheiten. Aufgrund der oft unspezifischen Symptomatik und dem breiten Spektrum der klinischen Manifestationen muss daher an Tuberkulose als Differenzialdiagnose gedacht werden, insbesondere bei Risikogruppen. Die rechtzeitige Diagnosestellung, die rasche und korrekte Therapieeinleitung sind wichtig für den individuellen Therapieerfolg, aber auch zur Verhinderung von Ansteckungen und Folgefällen.

Pathophysiologie

Die Erreger der Tuberkulose sind aerobe, unbewegliche Stäbchenbakterien, welche aufgrund ihrer besonderen Färbeeigenschaften als „säurefest“ bezeichnet werden. Diese werden unter dem Begriff Mycobacterium-tuberculosis-Komplex zusammengefasst und umfassen M. tuberculosis, M. africanum, M. bovis (ssp. bovis und caprae), M. microti und M. pinnipedii. In Deutschland wird die Tuberkulose am häufigsten durch M. tuberculosis verursacht. Außerhalb Europas wurden auch vereinzelt andere Tuberkulosestämme aus Tieren isoliert, die zum Mycobacterium-tuberculosis-Komplex zugerechnet werden. Davon abzugrenzen ist eine Vielzahl nichttuberkulöser Mykobakterien (NTM), die als Umweltkeime ubiquitär vorkommen und nur in seltenen Fällen zu Erkrankungen führen.
Die Übertragung der Tuberkulose erfolgt i. d. R. durch erregerhaltige Aerosole. Diese werden von Personen mit ansteckender Lungentuberkulose abgegeben, wenn der Erkrankungsherd Anschluss an die Luftwege hat. Der Erreger ist dann mikroskopisch, kulturell oder durch molekularbiologische Methoden aus Sputum oder tiefen Atemwegssekreten nachweisbar. Das Infektionsrisiko ist abhängig von der Anzahl der ausgeschiedenen Erreger im Sputum. Es wird auch durch die Menge der inhalierten Erreger beeinflusst. Diese wird durch die kumulative Kontaktdauer zu infektiösen Personen, die Art des Kontaktes (enger Kontakt z. B. beim Zusammenleben oder bei Reanimation), die Anzahl der Erreger pro Volumeneinheit Luft (abhängig von Lüftung und Raumgröße) sowie durch persönliche Schutzmaßnahmen (Mund-Nasen-Schutz) bestimmt (Ziegler et al. 2012).
Nach einer Infektion kommt es innerhalb von 2–6 Wochen zunächst zu einer zellulären, T-Zell-vermitteln Immunantwort des Organismus. Häufig gelingt es der körpereigenen Abwehr, die Erreger unter Ausbildung von zentral nekrotisierenden, epitheloidzelligen Granulomen abzukapseln. Wird dadurch eine Begrenzung der Infektion erreicht, bezeichnet man diesen Zustand als latente tuberkulöse Infektion (LTBI). Die Person ist klinisch gesund und somit auch nicht ansteckend. Bei Immunsuppression und bei Kindern kann diese Infektionskontrolle gestört bzw. noch nicht ausgebildet sein und eine akute Erkrankung an Tuberkulose, unter Umständen mit disseminierter Aussaat der Erreger (Miliartuberkulose), auftreten. Das höchste Progressionsrisiko besteht innerhalb der ersten zwei Jahre nach Infektion, eine Erkrankung ist aber auch noch Jahre später möglich. Das Risiko einer Progression steigt bei Vorliegen von immunsupprimierenden Faktoren, wie einer HIV-Infektion oder einer medikamentösen Immunsuppression, aber auch bei Alkoholabusus, Drogenabusus, Malnutrition, sehr niedrigem oder hohem Lebensalter und Diabetes mellitus, und wird auf 5–10 % geschätzt. Allerdings fehlen Tests, die das individuelle Progressionsrisiko zuverlässig vorhersagen. Daher wird sich an Risikoeinschätzungen und Modellierungen orientiert (Schaberg et al. 2022; Gupta et al. 2020). Die früher typisch beschriebenen Erkrankungsbilder von Primär- und Postprimär-Tuberkulose werden heute in dieser Form kaum noch verwendet, stattdessen werden ineinander übergehende Stadien beschrieben (Drain et al. 2018).

Epidemiologie

In Deutschland ist Tuberkulose mit knapp 4000 Fällen im Jahr 2021 eine seltene Erkrankung (RKI-Bericht zur Epidemiologie der TB in Deutschland 2021), wobei etwa ¾ der Betroffenen im Ausland geboren sind. Männer weisen eine höhere Inzidenz als Frauen auf, der Altersgipfel der Erkrankung liegt im jungen Erwachsenenalter, daneben erkranken vor allem sehr junge und sehr alte Personen. Weltweit zählt Tuberkulose mit ca. 10 Mio. Neuerkrankungen pro Jahr zu den häufigsten Infektionskrankheiten und ist eine der häufigsten Todesursachen in Ländern mit niedrigem Einkommen. Durch die COVID-19-Pandemie kam es zu einem Rückgang der gemeldeten und damit diagnostizierten TB-Fälle, sodass in 2022 sowohl die Anzahl der Neuerkrankungen als auch der durch TB bedingten Todesfälle anstieg (WHO Global Tuberculosis Report 2022b).
Besorgniserregend ist das Auftreten von resistenter und multiresistenter Tuberkulose (MDR-TB = Resistenz gegen mindestens Isoniazid und Rifampicin) mit weltweit geschätzten 450.000 Fällen im Jahr 2021. Hohe MDR-TB-Raten finden sich in vielen Staaten Osteuropas und Zentralasiens, wo bis zu 26 % der neu aufgetretenen TB-Fälle und 57 % der vorbehandelten Patienten einen resistenten Bakterienstamm aufweisen. Auch die Koinfektion mit HIV hat einen bedeutenden Einfluss auf die Inzidenz und die Mortalität der TB, insbesondere bei fehlender ART oder schlechter Immunrekonstitution.

Klinik

Während die latente tuberkulöse Infektion (LTBI) symptomlos ist, wird die klinische Präsentation bei Patientinnen und Patienten mit einer Tuberkuloseerkrankung von der jeweiligen Organmanifestation bestimmt. Der klinische Verlauf ist oft langsam progredient und Betroffene können nur geringe Beschwerden haben oder auch teilweise asymptomatisch sein. Oft treten unspezifische Allgemeinsymptome wie subfebrile Temperaturen, Nachtschweiß, Gewichtsabnahme, Appetitverlust und allgemeine Schwäche auf. Bei ca. 70 % der diagnostizierten TB-Fälle ist die Lunge betroffen, typische Symptome sind ein länger persistierender Husten, z. T. mit Hämoptysen, aber auch Brustschmerzen und Atemnot. Die extrapulmonale Tuberkulose befällt am häufigsten extra- und intrathorakale Lymphknoten und die Pleura, seltenere Manifestationen sind der Verdauungstrakt, Knochen und Gelenke, zentrales Nervensystem (ZNS) und das Urogenitalsystem. Theoretisch kann jedes Organ erkranken, die Beschwerden richten sich dann nach dem betroffen Organsystem. In einigen Fällen, vor allem bei Kindern aber auch bei Immunschwäche, können typische Symptome fehlen. Es kann aber auch zu einem schweren, generalisierten Krankheitsbild (Milartuberkulose) kommen, welches mit einer erhöhten Mortalität assoziiert ist.

Diagnostik

Überblick und radiologische Diagnostik

Die klinische Präsentation ist häufig unspezifisch, so dass insbesondere bei vulnerablen Gruppen an Tuberkulose als Differenzialdiagnose gedacht werden muss. Da die Lunge das am häufigsten betroffene Organ ist, sollte zur initialen Diagnostik eine Röntgenthorax-Aufnahme erfolgen. Auch bei extrapulmonaler Tuberkulose ist der Ausschluss einer pulmonalen Beteiligung mittels Röntgenaufnahme wichtig, um eine Ansteckungsfähigkeit auszuschließen. Die radiologischen Veränderungen können mannigfaltig sein, typisch sind neben Kavernen auch Infiltrate, Rundherde und destruierende Veränderungen (Beispiele unter Abb. 1). Bei komplexen Differenzialdiagnosen, unklaren Befunden sowie bei V. a. extrapulmonale Tuberkulosen ist eine erweiterte Bildgebung notwendig. Laborchemische Veränderungen sind oft unspezifisch, eine geringe CRP-Erhöhung oder Infektanämie können auftreten.

Mykobakteriologischer Erregernachweis

Die Sicherung der Diagnose erfolgt durch den bakteriologischen Erregernachweis mit einer Kombination von Verfahren aus geeignetem Untersuchungsmaterial. Bei V. a. Lungentuberkulose sind dies Sputum oder andere respiratorische Materialien, bei Kindern wird i. d. R. Magensaft aspiriert. Bei Gewebeproben ist die Einsendung von Nativmaterial wichtig, da ein kultureller Nachweis auf formalinfixiertem Gewebe nicht möglich ist und die Sensitivität der molekularbiologischen Methoden deutlich reduziert ist.
Die mikroskopische Untersuchung erfolgt mittels fluoreszenzmikroskopischer Verfahren. Diese ermöglicht eine Einschätzung der Infektiosität und der damit verbundenen Isolationsdauer. Ein negativer Befund schließt eine Tuberkulose allerdings nicht aus, da die Nachweisgrenze der mikroskopischen Untersuchung bei ca. 104 Bakterien pro ml liegt.
Die sensitivste Methode ist die Kultur, die sowohl mit Flüssig- wie auch Festkulturmedien durchgeführt wird und Grundlage für die genaue Speziesdifferenzierung und die phänotypische Resistenztestung ist. Allerdings sind die kulturellen Verfahren sehr langsam und zeigen erst nach 1–2 Wochen für Flüssigkulturen und 3–4 Wochen für Festkulturmedien ein Ergebnis. Für die Bewertung „kulturell negativ“ muss die Gesamtkulturzeit von 8 Wochen abgewartet werden.
Molekularbiologische Verfahren können rasch und mit einer höheren Sensitivität als die Mikroskopie Mykobakterien nachweisen und zusätzlich Informationen über mögliche Resistenzen liefern. Da diese aber auch nach einer Behandlung noch positiv sein können, sind sie nicht zur Verlaufsbeurteilung geeignet. Bei einer mikroskopisch positiven Probe deutet ein negatives molekularbiologisches Ergebnis auf eine Erkrankung mit nichttuberkulösen Mykobakterien (NTM) hin.

Resistenztestung

Bei Nachweis von Tuberkulosebakterien soll immer eine Resistenztestung auf die Medikamente der Standardtherapie erfolgen. Bei Vorliegen von Resistenzen gegen Rifampicin und Isoniazid wird diese um Medikamente der Nichtstandardtherapie erweitert. Durch die molekularbiologische Resistenzbestimmung kann innerhalb kurzer Zeit eine MDR-TB diagnostiziert und eine wirksame Kombinationstherapie ausgewählt werden. Da noch nicht alle Resistenzmutationen geklärt sind, muss sich immer auch eine phänotypische Resistenztestung anschließen. Gesamtgenom-Sequenzierungsverfahren können ein umfassendes Bild über zu möglichen Resistenzen liefern und sind auch zur Einordnung von Ausbruchsuntersuchungen oder Kontaminationen hilfreich.

Immunologische Testverfahren

Immunologische Testverfahren wie der Tuberkulin-Hauttest (THT) und die Interferon-gamma release assays (IGRAs: QuantiFERON-TB und T-Spot-TB) zeigen die Immunreaktion auf TB-spezifische Antigene, d. h. einen Kontakt zu Mykobakterien an. Eine Differenzierung zwischen einer LTBI und einer Erkrankung an Tuberkulose ist nicht möglich. Bei vergleichbarer Sensitivität weisen IGRAs eine bessere Spezifität als der THT auf, da weder eine BCG-Impfung noch nichttuberkulöse Mykobakterien zu einer falsch-positiven Reaktion führen. Da der positiv-prädiktive Wert der immunologischen Tests abhängig von der Tuberkuloseprävalenz ist, sollten diese nur bei Personen mit einem erhöhten Progressionsrisiko eingesetzt werden. In der Diagnostik der Tuberkulose können immunologische Tests nur als Ergänzung betrachtet werden, da dadurch eine Erkrankung weder ausgeschlossen noch zweifelsfrei nachgewiesen werden kann.

Differenzialdiagnostik

Wegen der unspezifischen Symptomatik ist das Spektrum der möglichen Differenzialdiagnosen groß und sollte zu einer rationalen Diagnostik führen, die vor allem regional häufige Erkrankungen, unter Einbeziehung von Herkunftsland und ggf. Fluchtroute, miteinschließt.
Bei der pulmonalen TB sind das Lungenkarzinom, Pneumonien, Erkrankungen durch nichttuberkulöse Mykobakterien (NTM) und pulmonale Aspergillosen einige mögliche Differenzialdiagnosen. Bei Lymphadenopathien ist immer auch an maligne Erkrankungen, Sarkoidose oder NTM-Infektionen zu denken. Auch für andere extrapulmonale Tuberkulosen muss bei Verdacht gezielt an die TB als Differenzialdiagnose gedacht und ein mykobakteriologischer Nachweis versucht werden.

Therapie

Grundprinzipien der Tuberkulosetherapie

Die Behandlung der Tuberkulose erfolgt immer mit einer Medikamentenkombination. Gründe hierfür sind einerseits die unterschiedliche Wirksamkeit der verabreichten Medikamente abhängig von pH-Wert und Oxygenierung des biologisch sehr variablen Gewebes in der tuberkulösen Läsion, und andererseits die Vermeidung von Resistenzen durch spontane Mutationen in der Mykobakterienpopulation. Eine nicht korrekt durchgeführte Therapie kann zur Entwicklung resistenter Mykobakterienstämme sowie zu Therapieversagen und Rezidiven führen.

Medikamentensensible Tuberkulose

Für Patientinnen und Patienten mit einer sensiblen Lungentuberkulose (und auch für verschiedene extrapulmonale Formen) wird eine initiale, gewichtsadaptierte Vierfachtherapie mit Isoniazid (INH), Rifampicin (RMP), Pyrazinamid (PZA) und Ethambutol (EMB) begonnen. Diese wird in der Initialphase über zwei Monate durchgeführt und bei gutem Therapieansprechen in der Kontinuitätsphase mit INH und RMP über weitere vier Monate fortgesetzt. Die Gesamttherapiedauer beträgt dann sechs Monate. Tab. 1 gibt einen Überblick über die Zusammensetzung der Standardtherapie und in Tab. 2 sind die Dosierungen und wichtige unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) dargestellt. Eine Verlängerung der Therapiedauer und ggf. Anpassung ist bei ausgedehnten Befunden, aber auch bei einigen extrapulmonalen Verlaufsformen (Knochen- und Gelenk-TB, ZNS-TB, Miliar-TB) notwendig (Schaberg et al. 2022). Eine Therapieverkürzung auf 4 Monate ist international unter Verwendung von Rifapentin und Moxifloxacin möglich, ist aber aufgrund fehlender Verfügbarkeit von Rifapentin in der EU noch nicht in die deutsche Leitlinie eingeflossen.
Tab. 1
Therapieempfehlung für Erwachsene mit sensibler pulmonaler TB. (Nach Schaberg et al. 2022)
Initialphase
Dauer
Kontinuitätsphase
Dauer
Gesamtdauer
INH, RMP, PZA, EMB
2 Monate
INH, RMP
4 Monate
6 Monate
Tab. 2
Übersicht über Dosierung und wichtige unerwünschte Arzneimittelwirkungen. (Modifiziert nach Schaberg et al. 2022)
Substanz (internationale Abkürzung)
Dosis (mg/kg KG)
Minimal-/Maximaldosis (mg)
Dosis bei 70 kg/KG (mg)
Potenzielle Nebenwirkungen (Auswahl)
Isoniazid
(INH, H)
5
200/300
300
Hepatotoxizität
Kutane UAW, Akne. Polyneuropathie. Konzentrationsstörungen und Verwirrtheitszustände, Depression, Krampfanfälle. Selten Blutbildveränderungen (hämolytische/aplastische Anämie, Agranulozytose)
Rifampicin RMP, R)
10
450/600
600
Hohes Interaktionspotenzial mit anderen Medikamenten. Hepatotoxizität. Übelkeit, Erbrechen. Rotfärbung von Körperflüssigkeiten. Kutane UAW. „Flu-like“-Syndrom, Fieber. Blutbildveränderungen mit v. a. Thrombopenie, aber auch hämolytische Anämie, Leukopenie. Anaphylaxie. Müdigkeit, Kopfschmerzen, Benommenheit, Vertigo
Pyrazinamid (PZA, Z)
25
1500/2500
1750
Hepatotoxizität
Übelkeit, Erbrechen
Hyperurikämie, Arthralgie, Myopathie
Flush-Syndrom
Ethambutol (EMB, E)
15
800/1600
1200
Selten: Retrobulbäre Neuritis. Kutane UAW. Transaminasenerhöhung. Polyneuropathie

Monoresistente Tuberkulose

Eine INH-Resistenz ist die häufigste Monoresistenz und wird für 6 Monate mit Rifampicin, Levofloxacin, Pyrazinamid und Ethambutol behandelt, wobei eine verkürzte Gabe eines oder beider letztgenannter Medikamente möglich ist. Eine Rifampicin-Monoresistenz ist sehr selten und wird wie eine MDR-TB behandelt, wenn keine weiteren Resistenzinformationen vorliegen.

Multiresistente Tuberkulose

Eine MDR-Tuberkulose sollte aufgrund der komplexen Diagnostik und Therapie sowie der oft vorliegenden sozialmedizinischen Herausforderungen in enger Kooperation mit einem spezialisierten Zentrum erfolgen. Die Therapie wird individuell nach Resistogramm zusammengestellt, wobei in der Regel mindestens vier wirksame Medikamente für mindestens 18 Monate ausgewählt werden. Einen Überblick über die MDR-TB-Medikamente und die bevorzugte Zusammenstellung der individuellen Therapie gibt Tab. 3.
Tab. 3
Medikamente zur Behandlung der resistenten Tuberkulose. (Modifiziert nach WHO 2020b und Schaberg et al. 2022)
WHO-Gruppen und Empfehlung
Medikamente
Gruppe A
(wenn möglich alle drei Medikamente verwenden)
Bedaquilin
Levofloxacin/Moxifloxacin
Linezolid
Gruppe B
(eines oder beide Medikamente hinzufügen)
Clofazimin
Terizidon
Gruppe C
(Medikamente hinzufügen, wenn es nicht möglich ist, die Therapie aus Gruppe A und Gruppe B zusammen zu stellen.
Delamanid
Ethambutol
Imipenem/Meropenem in Kombination mit Clavulansäure
Para-Aminosalicylsäure (PAS)
Protionamid
Pyrazinamid
Neue Medikamente und Behandlungsregime sollen helfen, die Therapiedauer zu verkürzen und die Anzahl der mitunter sehr toxischen Medikamente zu reduzieren, wobei sich die Datenlage dazu rasch wandelt (WHO 2022a). Daneben gibt es Forschungsansätze für eine individuelle Anpassung der Therapiedauer (Kontsevaya et al. 2021). Eine Therapieverkürzung sollte daher immer mit einem TB-Behandlungszentrum diskutiert werden.

Verlauf und Prognose

Die Prognose ist bei rechtzeitiger und adäquater Therapie sehr gut, die TB ist dann heilbar. Das Therapieoutcome verschlechtert sich jedoch bei ausgedehnten und destruierenden Veränderungen, bei Vorliegen von Resistenzen, bei mangelnder Compliance sowie bei hohem Alter oder Vorliegen schwerer Begleiterkrankungen. Bei ausbleibendem Therapieansprechen nach 2–3 Monaten sollten nach Ausschluss erworbener Medikamentenresistenzen Spiegelbestimmungen der Medikamente durchgeführt werden. Auch nach Beendigung der Therapie können Symptome persistieren. Diese heterogene Gruppe an Folgeerkrankungen wird unter dem Begriff „Post-TB-lung-disease“ zusammengefasst und erfordert eine weitere Abklärung (Migliori et al. 2021). Eine behandelte Tuberkulose schützt nicht vor einer Reinfektion, auch Rezidive können auftreten. Daher ist eine Nachsorge der Patientinnen un Patienten empfohlen, insbesondere bei resistenter Tuberkulose.
Ohne eine Therapie ist die langfristige Morbidität und Mortalität der Tuberkulose allerdings hoch (Tiemersma et al. 2011).

Besondere Aspekte

Meldepflicht und Infektionsprävention

Bei der Tuberkulose handelt es sich um eine meldepflichtige Erkrankung. Ärztinnen und Ärzte sind nach dem Infektionsschutzgesetz verpflichtet, die Erkrankung oder den Tod an behandlungsbedürftiger Tuberkulose zu melden.
Erkrankte sollten für die Dauer der Ansteckungsfähigkeit isoliert werden, bis mindestens drei aufeinanderfolgende Sputumproben mikroskopisch negativ sind und ein klinisches und radiologischen Ansprechen auf die antituberkulöse Therapie besteht. Bei Vorliegen von Resistenzen, bei komplexen klinischen Fällen oder bei verzögertem Therapieansprechen sollten negative Kulturergebnisse abgewartet werden. Bei Verlassen des Isolationszimmers soll der oder die Erkrankte einen chirurgischen Mund-Nasen-Schutz tragen, Kontaktpersonen wie auch Personal wird eine Atemschutzmaske (FFP-2 oder FFP-3) empfohlen (Schaberg et al. 2022; Ziegler et al. 2012).

Umgebungsuntersuchung und LTBI-Management

Durch das Gesundheitsamt erfolgt eine Umgebungsuntersuchung, bei der relevante Kontaktpersonen zu ansteckenden Tuberkulosefällen ermittelt und weiter untersucht werden. Eine relevante, kumulative Kontaktzeit zu mikroskopisch positiven Erkrankten beträgt mindestens 8 Stunden und zu kulturell positiven Erkrankten mindestens 40 Stunden. Bei extrapulmonaler Tuberkulose besteht i. d. R. keine realistische Ansteckungsgefahr (Diel et al. 2011).
Bei Kontaktpersonen wie auch bei Menschen mit einer HIV-Infektion und anderen Risikofaktoren sowie vor einer Behandlung mit TNF-alpha-Inhibitoren oder ggf. anderen Biologika soll ein immunologischer Test zum Ausschluss oder Nachweis einer LTBI erfolgen. Ist dieser positiv, ist nach Ausschluss einer behandlungsbedürftigen Erkrankung eine präventive Therapie empfohlen, um eine Progression zu verhindern. Bei Menschen aus Hochinzidenzländern, wie auch bei schweren immunsupprimierenden Grunderkrankungen oder bei geplanter Transplantation sollte bei Vorliegen einer LTBI ebenfalls eine präventive Therapie angeboten werden. Diese kann mit Rifampicin über 4 Monate oder Rifampicin und Isoniazid über 3 Monate erfolgen. Alternativ kann auch Isoniazid für 6–9 Monate verwendet werden. Die international empfohlenen Rifapentin-basierten kürzeren präventiven Therapieschemata sind aktuell in der EU nicht verfügbar (WHO 2020a).

Impfung

Die BCG-Impfung schützt vor allem vor schweren Verläufen bei Säuglingen und Kleinkindern, aber nicht ausreichend vor einer Ansteckung oder Progression. Weltweit ist diese Impfung unter einer Risiko-Nutzen-Abwägung daher in Ländern ab einer TB-Inzidenz von 40/100.000 empfohlen. In Deutschland wird diese seit 1998 nicht mehr von der STIKO empfohlen. An einer besser wirksamen Impfung wird geforscht.

Beratung und weitere Informationen

Beratungsmöglichkeiten zu Tuberkulose bieten das DZK und das NRZ/FZB an. Viele weitere Informationen und Materialien zu Tuberkulose, verschiedene Empfehlungen sowie ein Dosierungsrechner finden Sie unter www.dzk-tuberkulose.de.
Literatur
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