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DGIM Innere Medizin
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Verfasst von:
Alexander Kasper und Edelgard Lindhoff-Last
Publiziert am: 09.04.2016

Venöse Thromboembolie (VTE): Epidemiologie, Pathophysiologie und natürlicher Verlauf

Die Lungenembolie und Venenthrombose bilden die Manifestationsformen der prinzipiell gleichen Erkrankungsentität - der venösen Thromboembolie (VTE) die mit mit einer altersgemittelten Inzidenz von 1/1000 Personen/Jahr zu den häufigen Erkrankungen zählt. Im Bereich des Venensystems wird unter anatomischen wie prognostischen Aspekten zwischen „major“ Thrombosen des proximalen tiefen Leitvenensystems und „minor“ Thrombosen im Unterschenkel- und epifaszialen Venensystem unterschieden. Die Prognose und Schwere der klinischen Präsentation einer Lungenembolie korreliert mit der abhängig vom Ausmaß der Querschnittsverlegung der Lungenstrombahn und evt. vorbestehender kardialer Beinträchtigung einhergehenden Rechtsherzbelastung. Vom Prinzip schon als Virchow-Trias im 19. Jahrhundert erkannt, ist das Auftreten einer venösen Thromboembolie ein multifaktorielles Geschehen bei dem es im Zusammenspiel patientenseitiger (dispositioneller) und durch die Umwelt auf den Patienten einwirkender (expositioneller) Faktoren zu einer hämostaseologischem Imbalance und im Gefolge zu einer partiellen oder vollständigen Verlegung der venösen Strombahn kommt. Ebenso lange ist insbesondere die Assoziation zwischen dem Auftreten venöser Thromboembolien und malignen Erkrankungen als Trousseau-Syndrom bekannt. Frauen besitzen ein höheres VTE-Risiko aufgrund der Exposition gegenüber hormonellen Risikofaktoren im Rahmen einer Schwangerschaft, kombiniert-hormoneller-Kontrazeption oder postmenopausaler Hormonersatztherapie. Seit Ende des 20. Jahrhunderts konnten zwar einige genetisch determinierte Risikofaktoren identifiziert werden, die jedoch den Stellenwert der Risikostratifizierung unter klinischen Aspekten bis heute nicht ersetzen können.

Einführung

Die Lungenembolie und tiefe Beinvenenthrombose (TBVT) bilden die klinischen Manifestationen der prinzipiell gleichen Erkrankungsentität, der venösen Thromboembolie (VTE).

Epidemiologie

Exakte bundesdeutsche Daten zur Inzidenz der VTE fehlen. Anhand europäischer und amerikanischer Bevölkerungsdaten gehört die venöse Thromboembolie mit einer über alle Altersgruppen gemittelten Inzidenz von 1/1000 Personen/Jahr in der kaukasischen Bevölkerung zu den häufigen Erkrankungen (Abb. 1) (White 2003; Heit 2006; Encke et al. 2009).
Die VTE ist aber vorrangig eine Erkrankung des fortgeschrittenen Alters. Das mittlere Alter des Auftretens einer ersten VTE liegt bei etwa 60 Jahren und zwei Drittel der Patienten mit VTE sind >60 Jahre (Torbicki et al. 2008). Mit steigendem Alter kommt es zu einem exponentiellen Anstieg des jährlichen Thromboserisikos. Nach einem Gipfel in der Neugeborenenperiode (5/100.000 pro Jahr) findet sich im Kindes- und Jugenalter eine Inzidenz von ca. 1/100.000 (Encke et al. 2009), 1/10.000 im Alter zwischen 20 und 40 Jahren, 1/1000 bei 50- bis 60-Jährigen sowie etwa 1/100 pro Jahr bei Patienten >70 Jahre (White 2003; Nordstrom et al. 1992). Das Risiko verzehnfacht sich somit etwa alle 25 Lebensjahre. Dabei zeigt das Risiko einer Erst-VTE keine Geschlechtsspezifität (White 2003) und der Faktor Alter gilt sowohl für spontane als auch risikoassoziierte Ereignisse.
Daraus resultiert eine Lebenszeitprävalenz für eine TBVT in der erwachsenen deutschen Bevölkerung von 3–5 % (Rabe et al. 2009). In Sektionsstudien finden sich VTE sogar in bis zu 20–25 % der Fälle (Torbicki et al. 2008; Nordstrom und Lindblat 1998).
Dabei ist die Inzidenz einer symptomatischen TBVT etwa doppelt so hoch wie die einer symptomatischen Lungenembolie, während sich in entsprechenden Autopsiestudien etwa gleiche Raten infolge teils asymptomatischer Lungenembolieereignisse finden (White 2003). Zwei Drittel der VTE treten im Rahmen von erworbenen, zeitlich begrenzten Risikosituationen (Operationen, Immobilisation, Krankenhausaufenthalt, Tumorerkrankung) auf (Heit et al. 2001).
Im Vergleich zur kaukasischen Bevölkerung findet sich bei asiatischer Abstammung ein deutlich geringeres Risiko (relatives Risiko [RR] ca. 0,2-0,3) (White 2003).
Obwohl sich die Behandlung zumindest der TBVT in den vergangenen Jahren überwiegend in den ambulanten Bereich verlagert hat, erfolgten in Deutschland noch 2006 ca. 50.000 stationäre Behandlungsfälle aufgrund einer akuten TBVT und etwa halb so viele aufgrund postthrombotischer Spätfolgen (Rabe et al. 2009).

Pathophysiologie und natürlicher Verlauf der venösen Thromboembolie

Virchows Postulat (Virchow 1856), dass Schäden der Gefäßwand, eine gestörte venöse Hämodynamik (Stase) und eine gestörte Gerinnbarkeit des Blutes (Hyperkoagulabilität) ursächlich für das Auftreten von Thrombosen sind, hat bis heute Gültigkeit (Abb. 2).
Das Auftreten einer venösen Thromboembolie ist ein multifaktorielles Geschehen und Folge des Zusammenspiels patientenseitiger (dispositioneller) Faktoren und externer, aus dessen Umwelt auf den Patienten einwirkender (expositioneller) Risikofaktoren, sodass es zu einer partiellen oder vollständigen Verlegung der venösen Strombahn kommt (Abb. 3, Abb. 4).
Diese Thromben können unbehandelt zu appositionellem Wachstum und zur Embolisierung neigen, sodass die Lungenembolie in der Regel als sequenzielles Geschehen auf dem Boden von primär in der venösen Peripherie entstandenen und sekundär embolisierten Blutgerinnseln beruht. Bei anatomisch vorbestehendem Rechts-Links-Shunt (auf kardialer oder pulmonaler Ebene) kann es darüber hinaus zur Embolisierung in die arterielle Strombahn im Sinne einer paradoxen Embolie kommen.
Der Verlauf einer VTE ohne Antikoagulation lässt sich nur grob abschätzen, da sich die heutigen Therapiestrategien über Jahrzehnte entwickelt und etabliert haben und placebokontrollierte Studien – zumindest in Zusammenhang mit proximalen TBVT (d. h. proximal der tiefen Unterschenkelleitvenen) und Lungenembolie proximal der Subsegmentebene – aus ethischen Gründen heute nicht mehr durchführbar sind.

Risikofaktoren für eine venöse Thromboembolie

Die Intensität des thrombogenen Stimulus wird einerseits von expositionellen (wie Trauma, Operation, Immobilisation) und andererseits von dispositionellen (wie Alter, Karzinom, Thrombophilien) Faktoren beeinflusst (Schellong 2011).
Die endogenen, individuellen, in ihrer Gesamtheit aber nur zum Teil erfassbaren Komponenten können als Erklärung dienen, warum bei gleichem expositionellem Risikofaktor manche Patienten eine VTE entwickeln, andere aber nicht, und warum nach TBVT häufig ein erneutes Rezidivereignis meist in einer erneuten TBVT besteht. Nach einer Lungenembolie besteht das Rezidivereignis mit einer dreifach höheren Wahrscheinlichkeit in einer erneuten Lungenembolie (Schellong 2011).

Pathophysiologie und natürlicher Verlauf der tiefen Venenthrombosen

Unter anatomischen Aspekten wird im Bereich des tiefen Venensystems zwischen proximalem (popliteo-femoro-iliaco-caval bzw. axillo-subklaviäre Thrombosen) und distalem (Unterschenkelleitvenen und Muskelvenen bzw. Armvenen distal der V. axillaris) tiefen Venensystem sowie dem epifaszialen Venensystem unterschieden.
Sofern nicht explizit anderweitig deklariert, wird in Zusammenhang mit dem Begriff der tiefen Venenthrombose in der Literatur in der Regel eine proximale tiefe Leitvenenthrombose (Major-Thrombosen) verstanden. Epifasziale Thrombosen/Thrombophlebitiden und isolierte Unterschenkelvenenthrombosen können unter dem Begriff Minor-Thrombosen oder „minmal thrombotic disease“ zusammengefasst werden und unterscheiden sich bzgl. Risiko des Progresses, des Auftretens einer Lungenembolie sowie auch in Hinsicht auf den Schweregrad eines postthrombotischen Syndroms substanziell von proximalen tiefen Venenthrombosen.
Die Ausbildung einer TBVT beginnt meist in den Unterschenkelvenen, von wo aus sie zu einer proximalen TBVT aszendieren und ungünstigenfalls embolisieren kann. Im Weiteren resultiert eine zunächst entzündliche Reaktion und ggf. eine bindegewebige Organisation evtl. nicht vollständig endogen lysierter Thromben mit unvollständiger Rekanalisation. Aus einer persistierenden Drainagestörung resultiert eine chronisch thrombembolische Hypertonie (CTEPH) nach Lungenembolie bzw. eine chronisch ambulatorische venöse Hypertonie nach TBVT. Letztere kann ebenso durch Zerstörung der Venenklappen trotz Rekanalisation des Venensegments als Spätfolge einer TBVT auftreten. Als Folge kann sich ein mehr oder weniger schwer ausgeprägtes postthrombotisches Syndrom entwickeln.
Alle Stadien der VTE können – müssen aber nicht – symptomatisch verlaufen. Die Entwicklung von Symptomen hängt von der Ausdehnung der Thrombose, der Kollateralisierung sowie dem Ausmaß der vaskulären Obstruktion und sekundären Entzündungsreaktion ab (Kearon 2003).
Jedoch nimmt eine Thrombose keinen zwangsläufig progredienten Verlauf. Wenn die hämostaseologische Balance – z. B. bei frühem Sistieren der prothrombotischen Risikofaktoren – wieder eintritt, kann der Progress auch zum Stillstand kommen und die endogene Fibrinolyse einen spontan-abortiven Verlauf herbeiführen. Was in diesem Zusammenhang fehlt, sind verlässliche Prädiktoren einer Aszension, die für das valide Abschätzen des Risikos eines Progresses und einer Lungenembolie im individuellen Fall zwingend erforderlich sind (Schellong 2011).
Man muss davon ausgehen, dass lediglich ca. 15–25 % der symptomatischen isolierten Unterschenkelvenenthrombosen unbehandelt zu einer proximalen TBVT aszendieren. Diese Aszension tritt meist innerhalb der ersten 1–2 Wochen auf (Kearon 2003; Kearon et al. 2012; Torbicki et al. 2008; Kap. Venöse Thromboembolie (VTE): Primärprophylaxe und Therapie). Darüber hinaus kommt es bei isolierten Unterschenkelvenenthrombosen nur sehr selten zu einer symptomatischen Lungenembolie (Kearon 2003).
Dies ist wahrscheinlich durch die wesentlich geringeren Gefäßdurchmesser der paarig angelegten Unterschenkelvenen im Vergleich zu den proximalen, meist singulär verlaufenden Beinvenen bedingt. Embolien aus den Unterschenkelvenen sind kleiner und können wahrscheinlich daher eher klinisch asymptomatisch verlaufen und durch das endogene Fibrinolysesystem klinisch unbemerkt wieder lysiert werden.
Auch distale Thrombosen in Zusammenhang mit chirurgischen Eingriffen führen selten zu Aszensionen. Ein Großteil der Thrombosen entsteht bereits intraoperativ in den Unterschenkelvenen. Etwa die Hälfte dieser isolierten, klinisch asymptomatischen Unterschenkelvenenthrombosen (iUVT) lösen sich unter medikamentöserThromboseprophylaxe innerhalb von drei Tagen spontan auf, und nur etwa ein Sechstel aszendiert zu einer proximalen Leitvenenthrombose (pTBVT) (Kearon 2003). Das Risiko einer postoperativen VTE ist nach größeren Eingriffen in den ersten zwei bis drei postoperativen Wochen am höchsten, bleibt jedoch auch darüber hinaus für die Dauer von zwei bis drei Monaten erhöht. Das Risiko ist abhängig von der Art des Eingriffs und dem Ausmaß persistierender prothrombotischer Risikofaktoren (Kearon 2003; Torbicki et al. 2008).
Das Aszensionsrisiko isolierter Muskelvenenthrombosen zu einer proximalen TBVT ist noch niedriger anzusetzen (Kearon et al. 2012; Kap. Venöse Thromboembolie (VTE): Primärprophylaxe und Therapie) und liegt in ähnlicher Größenordnung wie das Risiko einer epifaszialen Thrombose/Thrombophlebitis, aus der sich im Verlauf ohne antikoagulatorische Behandlung in lediglich etwa 5 % eine TBVT/Lungenembolie entwickelt. Allerdings ist bei etwa 25 % der Patienten mit epifaszialen Thrombosen bereits zum Zeitpunkt der Diagnosestellung zusätzlich eine – nicht selten klinisch asymptomatische – TBVT nachweisbar (Lautz et al. 2010; MacDonald et al. 2003; Schwarz et al. 2001, 2010; Decousus et al. 2010a, b).
Dies ist insbesondere für die Entscheidung für oder gegen eine Therapie bei Minor-Thrombosen und/oder sehr hohem Blutungsrisiko von Relevanz, da ein substanzieller Teil der Patienten mit isolierter Unterschenkelvenenthrombose keiner Behandlung bedarf und damit unnötig einem behandlungsbedingten Blutungsrisiko ausgesetzt werden würde.
Bei einer proximalen TBVT oder Lungenembolie sind dagegen unbehandelt ein symptomatisches Rezidiv oder ein Progress innerhalb von drei Monaten in ca. 50 % der Fälle zu erwarten (Kearon 2003; Torbicki et al. 2008).
Eine TBVT lässt sich bei 70–80 % der Patienten mit symptomatischer Lungenembolie nachweisen (Kearon 2003; Torbicki et al. 2008; Schellong 2011), zwei Drittel davon beziehen die proximalen Leitvenen mit ein. Weniger als ein Viertel dieser Thrombosen ist symptomatisch (Kearon 2003).
Umgekehrt lässt sich bei 40–50 % der Patienten mit einer proximalen TBVT bildgebend eine – oft asymptomatische – Lungenembolie nachweisen (Kearon 2003; Torbicki et al. 2008).

Pathophysiologie der Lungenembolie

Die unterschiedlichen klinischen Präsentationen der Lungenembolie von blanden asymptomatischen Verläufen bis hin zum Schock und Kreislaufstillstand und somit die Frühletalität sind abhängig vom Ausmaß der Verlegung des Querschnitts der pulmonalarteriellen Strombahn und der daraus resultierenden Rechtsherzbelastung sowie von einer evtl. vorbestehenden kardialen Beeinträchtigung (Schellong 2011).
Eine Lungenembolie wird hämodynamisch relevant, wenn sie mit einer pulmonalarteriellen Querschnittsverlegung >30–50 % einhergeht (Torbicki et al. 2008).
Dabei wird die Schwere einer Lungenembolie heute nicht mehr nach morphologischen (Ausdehnung der Lungenembolie), sondern funktionellen Kriterien (Schock, Hypotonie, echokardiographische Rechtsherzbelastung, BNP/NT-pro-BNP, Toponin T/I) eingeteilt. Diese berücksichtigen die vorbestehende kardiopulmonale Reserve und korrespondieren besser mit der Prognose als eine morphologische Schweregradeinteilung (Tab. 1) (Torbicki et al. 2008).
Tab. 1
Risikostratifizierung entsprechend der erwarteten lungenembolieassoziierten Frühmortalität (modifiziert nach Konstantinides et al. 2014)
30-Tages-Mortalität
Risikomarker und -scores
Schock
oder
Hypotonie1
PESI Klasse III-V
oder sPESI ≥1 Punkt
RV
Dysfunktion2
kardiale Biomarker3
 
hoch
3–25 %
+
(+) 4
+
(+)4
intermediär
intermediär-hoch
-
+
beides positiv
intermediär-niedrig
-
+
keines oder nur eines von beiden positiv
 
niedrig
≤1 %
-
-
Bestimmung optional; falls bestimmt, dann beides negativ
PESI = pulmonary embolism severity Index; sPESI simplified pulmonary embolism severity Index
1Definiert als systolischer Blutdruck <90 mmHg oder systolischer Druckabfall ≥40 mmHg für >15 min und sofern nicht verursacht durch neu aufgetretene Arrhythmie, Hypovolämie oder Sepsis
2Rechtsventrikuläre Dysfunktion bildgebend echokardiographisch (RV-Dilatation, Hypokinesie der freien RV-Wand, erhöhter systolisch pulmonalarterieller Druck PAPsyst.) oder computertomographisch (RV-Dilatation)
3erhöhtes kardiales Troponin I oder T (Myokardschaden) oder BNP/NT-proBNP (ventrikuläre Dysfunktion)
4bei klinischen Hochrisiko-Kriterien (Schock, Hypotonie) ist es nicht notwendig, eine weitere Risikostratifizierung anhand Scores oder Biomarkern vorzunehmen
5im Falle sekundär auftretender klinisch-hämodynamischer Dekompensation
Eine ausgedehnte Embolie kann den pulmonalvaskulären Widerstand und damit die rechtsventrikuläre Nachlast über das Maß erhöhen, das der rechte Ventrikel kompensieren kann. Die Frühmortalität einer symptomatischen Lungenembolie liegt bei ca. 10 % in der ersten Stunde (Kearon 2003) – typischerweise unter dem Bild einer elektromechanischen Entkoppelung. Bis zu 90 % der Todesfälle nach Lungenembolie ereignen sich in den ersten 24 Stunden. Die Mortalität der Lungenembolie lässt sich durch eine adäquate Antikoagulation von 30 % auf 2–8 % senken (Torbicki et al. 2008).
Der nicht an eine erhöhte Nachlast adaptierte rechte Ventrikel kann in der Regel einen mittleren pulmonalarteriellen Druck >40 mmHg nicht kompensieren (Torbicki et al. 2008). Bei 5–10 der Patienten mit Lungenembolie sinkt das Herzzeitvolumen dadurch unter eine kritische Grenze, und sie präsentieren sich im kardiogenen Schock (Kearon 2003). Etwa die Hälfte der kreislaufstabilen Patienten mit symptomatischer Lungenembolie weisen Zeichen einer Rechtsherzbelastung (Echokardiographie, BNP) bzw. des Myokardschadens (Troponin) auf (Kearon 2003; Torbicki et al. 2008).

Mortalität venöser Thromboembolien

Die Mortalität nach VTE ist hoch mit einer 30-Tages-Frühmortalität nach erster TBVT von 5–10 % und nach Lungenembolie 10–15 % (White 2003), wobei die Mortalität insbesondere bei sekundären Lungenembolien infolge Begleiterkrankungen 25–30 % erreichen kann.
Im längerfristigen Verlauf gleicht sich die Mortalität zwischen TBVT und Lungenembolie an und liegt bei etwa 15 % nach einem Jahr und bei 25–30 % nach drei Jahren, wobei Alter und Tumorerkrankungen die wesentlichen unabhängigen Risikofaktoren darstellen (White 2003).
Risikofaktoren für ein reduziertes Überleben nach VTE sind definiert durch ein höheres Alter, männliches Geschlecht, niedriges Körpergewicht, Herzinsuffizienz, chronische Lungenerkrankung, schwere neurologische Erkrankung sowie aktive Tumorerkrankung (Heit 2006). Bezogen auf die Lungenembolie sind die folgenden Symptome mit einer erhöhten Mortalität assoziiert: Synkope, Hypotonie (Heit 2006) sowie Zeichen der Rechtsherzbelastung (Echokardiographie, Troponin, BNP) bei normotensiven Patienten (Heit 2006).

Rezidivrisiko venöser Thromboembolien

Während Antikoagulation einen effektiven Schutz vor einem Rezidiv bietet (Risikoreduktion 80–90 %) (Agnelli et al. 2013; Schulman et al. 2013; EINSTEIN-Investigators 2010), beeinflusst die Dauer der Antikoagulation nach Beendigung jenseits initialen Konsolidierungsphase von drei Monaten das langfristige Rezidivrisiko nicht (Heit 2006; Agnelli et al. 2001).
Nach VTE-Ereignis zeigt das Rezidivrisiko nach Beendigung der Antikoagulation einen zeitabhängigen Verlauf und ist nach spontanem Ereignis mit 8–12 % im ersten Jahr am höchsten (Agnelli et al. 2013; Schulman et al. 2013; EINSTEIN-Investigators 2010; White 2003; Heit 2006). Nach fünf Jahren steigt das Rezidivrisiko kumulativ auf 20–30 % an, liegt nach zehn Jahren bei 30–50 % (White 2003; Heit 2006) und ist nach Lungenembolie und TBVT etwa gleich hoch (Kearon 2003). Verschiedene Faktoren modifizieren die Höhe des Rezidivrisikos (Abb. 5). Dabei ist die relative Risikoerhöhung durch hereditäre Thrombophilien wie die heterozygote Faktor-V- und Faktor-II-Mutation mit 1,0-1,5-fach nur gering, und ausgeprägter auf das 1,5- bis 2,5-Fache für Inhibitormängel oder das Antiphospholipid-Syndrom erhöht. Die resultierende absolute Risikoerhöhung für das Rezidivthromboserisiko liegt jedoch damit deutlich höher als die absolute Risikoerhöhung für das Auftreten eines ersten venösen Thromboseereignisses, da dieses primäre absolute Risiko meist lediglich um 1–2 % (1:1000/Jahr als basales Risiko × relative Risikoerhöhung entsprechend thrombophilem Risikofaktor) pro Jahr liegt.
Bei Patienten mit einer Lungenembolie kommt es in ca. 60–70 % der Fälle erneut zu einer Lungenembolie, wohingegen bei Patienten mit isolierter TBVT im Rahmen eines Rezidives in etwa 80 % der Fälle mit einer erneuten TBVT zu rechnen ist (White 2003; Kearon 2003). Damit ist das Mortalitätsrisiko im Rahmen einer Rezidiv-VTE nach Lungenembolie als Initialmanifestation 2- bis 3-fach höher anzusetzen als nach initialer TBVT (Kearon 2003).

Venöse Thromboembolien und Malignome

Eine enge Assoziation zwischen dem Auftreten venöser Thromboembolien und malignen Erkrankungen ist seit den Erstbeschreibungen von Jean-Baptiste Bouillard 1823 und Armand Trousseau 1865 bekannt (Abb. 6).
Mit Diagnose einer VTE besteht bei etwa 20 % der Patienten eine bekannte, aktive maligne Grunderkrankung (Wun und White 2009; Timp et al. 2013; Blättler et al. 2010), und eine VTE kann die Erstmanifestation einer bis dahin noch undiagnostizierten TU-Erkrankung darstellen.
Je nach Ausmaß des Screeningprogrammes („limited“ in Form von Anamnese, klinischer Untersuchung, Basislabor, Röntgen-Thorax vs. „extensiv“ mit zusätzlicher Durchführung einer Sonographie des Abdomens oder einer CT sowie Bestimmung von Tumormarkern) lassen sich 50 % bzw. 70 % dieser okkulten Malignome detektieren. Somit lassen sich bei ca. 4 % der Patienten bereits kurzfristig nach stattgehabter idiopathischer VTE Tumoren nachweisen, innerhalb eines Jahres liegt die Rate bei etwa 6 %.
Dabei ist das Risiko eines okkulten Malignoms nach idiopathischer VTE drei- bis viermal höher als nach einer risikoassoziierten VTE (Detektionsrate 2 % vs. 6 % direkt nach Auftreten der Thrombose bzw. 2,5 % vs. 10 % nach 12 Monaten). Kein Konsens besteht dagegen bzgl. des Umfangs des Screeningprogrammes, da unklar ist, ob sich hierdurch tatsächlich die Mortalität reduzieren lässt bzw. eine Kosteneffektivität besteht (Carrier et al. 2008). Üblicherweise wird daher ein limitiertes Screeningprogramm (s.o.) unter ggf. zusätzlicher Aktualisierung der alters- und geschlechtsspezifischen Vorsorgeuntersuchungen empfohlen (Blättler et al. 2010). Eine weiterführende Diagnostik ist nur im Einzelfall bei sich aus den Screeninguntersuchungen ergebenden Verdachtsmomenten erforderlich (Tab. 2).
Tab. 2
Untersuchungen nach Krebsfrüherkennungsrichtlinie (www.g-ba.de)
Untersuchung
Alter
Geschlecht
Häufigkeit
Erläuterungen
Genitaluntersuchung
(zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs)
Ab dem Alter von 20 Jahren
Frauen
Jährlich
Gezielte Anamnese
Inspektion des Muttermundes
Zytologische Untersuchung (Pap-Test)
Gynäkologische Tastuntersuchung
Beratung
Brustuntersuchung
(zur Früherkennung von Brustkrebs)
Ab dem Alter von 30 Jahren
Frauen
Jährlich
Gezielte Anamnese
Inspektion und Palpation der Brust und der regionalen Lymphknoten
Anleitung zur Selbstuntersuchung
Beratung
Hautkrebsscreening
Ab dem Alter von 35 Jahren
Frauen und Männer
Alle 2 Jahre
Gezielte Anamnese
Standardisierte Ganzkörperinspektion einschließlich des behaarten Kopfes und aller Körperhautfalten
Beratung
Im Falle eines verdächtigen Befundes weitere Abklärung durch dermatologischen Facharzt
Prostatauntersuchung
Ab dem Alter von 45 Jahren
Männer
Jährlich
Gezielte Anamnese
Inspektion und Palpation des äußeren Genitale
Tastuntersuchung der Prostata und der regionalen Lymphknoten
Beratung
Dickdarm- und Rektumuntersuchung
Im Alter von 50–54 Jahren
Frauen und Männer
Jährlich
Gujak-Test auf okkultes Blut im Stuhl
Beratung
Ab dem Alter von 55 Jahren
Frauen und Männer
Zwei Untersuchungen im Abstand von 10 Jahren
Zwei Koloskopien im Abstand von 10 Jahren
oder Gujak-Test alle zwei Jahre
Beratung
Mammographiescreening
Im Alter von 50–69 Jahren
Frauen
Alle zwei Jahre
Gezielte Anamnese
Mammographie
Doppelbefundung der Röntgenaufnahme durch zwei unabhängige Untersucher
Das Risiko des Auftretens einer Thrombose im Verlauf einer Tumorerkrankung liegt 4- bis 7-fach höher als bei nicht onkologischen Patienten (Timp et al. 2013; Horsted et al. 2012; SISET-Leitlinie von Imberti et al. 2009), das absolute Risiko ist mit 1–8 % pro Jahr(Timp et al. 2013) sehr variabel und liegt durchschnittlich bei 2 % (Metaanalyse von Horsted et al. 2012). Das Thromboserisiko hängt dabei wesentlich von der Tumorentität und dem Stadium der Tumorerkrankung ab, ist in den ersten Monaten nach Diagnose der Erkrankung am höchsten und nimmt im weiteren Verlauf stetig ab.
Darüber hinaus hängt möglicherweise das Risiko einer VTE mehr von der Proliferationsrate des Tumors ab als von seiner Ausdehnung (Wun und White 2009).
Die 1-Jahres-Sterblichkeit erhöht sich mit Auftreten einer Thrombose (Hazard Ratio ca. 2- bis 3-fach erhöht im metastasierten Stadium und 2- bis 10-fach erhöht im lokoregionären Stadium (Abb. 7) (Wun und White 2009).
Tumorassoziierte Thrombosen treten gehäuft bilateral auf und sind doppelt so häufig iliacocaval oder in den proximalen Armvenen lokalisiert im Vergleich zu Patienten ohne Tumoren (8,5 vs. 4,6 %; 22,6 vs. 14 % bzw. 9,9 vs. 4,8 %) (Timp et al. 2013).
Das Rezidivrisiko nach stattgehabter VTE liegt bei Tumorpatienten 2- bis 3-fach höher als bei Patienten ohne Karzinom. Dies gilt auch für das Rezidivrisiko unter Antikoagulation (Timp et al. 2013; ESMO-Leitlinie von Mandala et al. 2011; Lee und Peterson 2013). Hier zeigen sich Vitamin-K-Antagonisten nur etwa halb so effektiv wie die Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin, sodass unter Vitamin-K-Antagonisten mit einem Rezidivrisiko in der Größenordnung von 10–15 % nach sechs Monaten und 15–20 % nach zwölf Monaten zu rechnen ist (Lee et al. 2003; Prandoni et al. 2002; CLOT: Lee et al. 2003; Main-Lite; Hull et al. 2006; CANTHENOX: Meyer et al. 2002; ONCENOX: Deitcher et al. 2006). Die Effektivität neuer/direkter oraler Antikoagulazien in diesem Zusammenhang wird zur Zeit noch im Rahmen entsprechender Studienprogramme untersucht.
Neben dem Einfluss der Tumorerkrankung selbst, erhöht sich das Thromboserisiko auch behandlungsbedingt (z. B. durch die Tumoroperation, Chemotherapie, Hormontherapie, antiangiogenetische Faktoren, hämatopoetische Wachstumsfaktoren, zentralvenöse Katheter) (Timp et al. 2013):
  • Operation: etwa 2-fache Risikoerhöhung (Timp et al. 2013)
  • Chemotherapie: etwa 7-fache Risikoerhöhung im Vergleich zu Karzinompatienten ohne Chemotherapie (ESMO-Leitlinie von Mandala et al. 2011)

Venösen Thromboembolien und Chemotherapie

Das chemotherapieassoziierte Thromboserisiko bleibt auch mit Abnahme der Tumormasse bestehen (Lechner und Weltermann 2009), was darauf hindeutet, dass die Chemotherapie selbst einen unabhängigen prothrombotischen Risikofaktor darstellt (Tab. 3).
Tab. 3
Khorana-Score: Risiko einer venösen Thromboembolie in den ersten 2–3 Monaten unter Chemotherapie. (Nach Khorana et al. 2008)
Patientencharakteristika
Score
Tumorlokalisation
 
- Sehr hohes Risiko (Magen, Pankreas)
2
- Hohes Risiko (Lunge, Lymphom, gynäkologisches Malignom, Harnblase, Hoden)
1
Thrombozytenzahl vor Chemotherapie ≥350/nl
1
Hämoglobin <10 g/dl oder Einsatz erythropoietischer Wachstumsfaktoren
1
Leukozytenzahl vor Chemotherapie >11/nl
1
Body-Mass-Index ≥35 kg/m2
1
Score von 0: <1 % VTE-Risiko
Score von 1–2: 2 % VTE-Risiko
Score von >2: 7 % VTE-Risiko
Die zugrunde liegenden Pathomechanismen sind komplex, nur wenig verstanden und das spezifische Risiko einzelner Substanzen kaum abzuschätzen, da diese meist im Rahmen einer Polychemotherapie eingesetzt werden (Tab. 4) (Übersicht bei Lechner und Weltermann 2009).
Tab. 4
Risiko einer venösen Thromboembolie assoziiert mit verschiedenen Chemotherapeutika. (Nach Lechner und Weltermann 2009 und Mandala und Tondini 2012)
Chemotherapeutikum
 
Risiko im Verlauf der Behandlung
Cisplatin-basierte Regime
 
10–20 %
5-Fluoruracil
 
15 %
Methothrexat
 
?
Vincaalkaloide und Taxane
 
Eher nicht erhöht
L-Asparaginase
 
Erhöht nach initialer Hypofibrinogenämie (2–30 %)
All-trans-Retinolsäure
 
Erhöht
 
Erhöht
Selektive Östrogenrezeptormodulatoren (Tamoxifen)
 
1–3 % (2–4× erhöht)
 
+ Chemotherapie
Um 10 %
Aromataseinhibitoren
 
Eher nicht erhöht
Thalidomid und Analoga
Mono
<5 %
 
+ Steroide
3–26 %
 
+ Steroide und Chemotherapie
12–28 %
Bevacizumab
 
Erhöht
Tyrosinkinaseinhibitoren
 
Eher nicht erhöht

Frauenspezifische Aspekte der venösen Thromboembolie

Frauen und Männer haben ein vergleichbares Lebenszeitrisiko bzgl. der Entwicklung einer venösen Thromboembolie. Jedoch besitzen Frauen ein höheres VTE-Risiko während der Reproduktionsphase aufgrund der Exposition gegenüber hormonellen Risikofaktoren im Rahmen hormoneller Kontrazeption oder einer Schwangerschaft.
Das basale absolute Risiko einer VTE liegt im reproduktionsfähigen Alter zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr in der Größenordnung von 3/10.000 pro Jahr (Lidegaard et al. 2011).
Bei der Anwendung hormoneller Kontrazeptiva ist das Risiko am größten zeitnah zum Beginn der Anwendung (Starter-Effekt) (Middeldorp 2013), d. h. etwa doppelt so hoch wie in der langfristigen Anwendung und bleibt nach dem ersten Jahr auf konstantem Niveau dauerhaft erhöht.
Das relative Risiko ist zwar in Zusammenhang mit der postmenopausalen Hormonersatztherapie geringer (relatives Risiko: 2-fach erhöht), jedoch liegt das basale VTE-Risiko bereits mit 1,5/1000 Patientenjahre altersbedingt höher (Encke et al. 2009).

Hormonelle Kontrazeption

Bis vor einem Jahrzehnt beruhte die hormonelle Kontrazeption vorrangig auf dem Einsatz oraler Kontrazeptiva. Die Dosis des enthaltenen Ethinylestradiol wurde dabei im Verlauf der letzen 30 Jahre stetig reduziert, sodass heutzutage keine oralen Kontrazeptiva mit hohem (50 μg Ethinylestradiol) Östrogenanteil mehr eingesetzt werden. Parallel dazu wurden neue Progesteronderivate entwickelt (Lidegaard 2013). Zunehmend mehr werden auch bei jungen Frauen östrogenfreie s.c. Implantate und Spiralen zur Kontrazeption eingesetzt (ACOG 2011).
Bei Vorhandensein einer hereditären (oder erworbenen) Thrombophilie erhöht sich das absolute Risiko aufgrund des höheren basalen Risikos. Dabei ist zu unterscheiden, in welchem Setting die Thrombophilie nachgewiesen wurde: Frauen haben ein 2-fach höheres Risiko allein aufgrund der Tatsache, dass eine VTE bereits bei einem erstgradigen Verwandten vor dem 50. Lebensjahr aufgetreten ist im Vergleich zu Frauen, bei denen die Veranlagung im Rahmen eines ungezielten Screenings zufällig nachgewiesen wurde. Bei mehr als einem betroffenen erstgradigen Verwandten ist das Thromboserisiko bereits 4-fach erhöht (Tab. 5).
Tab. 5
Ungefähre Zahl der Frauen, die auf eine hormonelle Kontrazeption verzichten müssten, um eine VTE zu verhindern (nach Middeldorp 2013)
Personengruppe
Anzahl
Allgemeinbevölkerung
5000
Ein erstgradiger Verwandter mit VTE vor dem 50. Lebensjahr
2000
Mehr als ein erstgradiger Verwandter mit VTE vor dem 50. Lebensjahr
1500
Faktor-V-Leiden, heterozygot
200–400
Prothrombin 20210A, heterozygot
200–400
Inhibitormangel
50
Da jedoch auch eine ungewollte Schwangerschaft mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergeht, liegt das VTE-Risiko unter der alleinigen Kontrazeption mit Kondomen auf ähnlichem Niveau wie das unter kombiniert hormoneller Kontrazeption (Middeldorp 2013).
Nach bereits stattgehabter VTE liegt das Rezidivrisiko 2- bis 3-fach höher, wenn die kombiniert-hormonelle Kontrazeption fortgeführt wird, und ist 4-fach erhöht bei Anwendung eines postmenopausalen Hormonersatzes. Eine östrogenhaltige Kontrazeption gilt daher nach stattgehabter VTE als kontraindiziert (Tab. 6 und 7).
Tab. 6
Klassifizierung der Gestagene
1. Generation
Norethisteron
2. Generation
Levonorgestrel
Norgestimat
3. Generation
Desogestrel
Gestodene
4. Generation
Drospirenon
Nicht klassifiziert
Cyproteronacetat
Chlormadinonacetat
Dienogest
Etonogestrel
Medroxyprogesteron
Tab. 7
Hormonelle Kontrazeptiva und relative Risikoerhöhung bezüglich venöser Thromboembolie (nach Lidegaard 2013; Lidegaard et al. 2009, 2011, 2012; van Hylckama Vlieg et al. 2009, 2010; Stegemann et al. 2013)
Kontrazeptivum
Relatives Risiko (ca.)
Keine hormonelle Kontrazeption
1
Orale hormonelle Kontrazeptiva
Östrogen-Gestagen-Kombinationen
>50 μg Ethinylestradiol
+ Gestagen der. 1. oder 2. Generation
5–6
<50 μg Ethinylestradiol
+ Gestagen der 1. oder 2. Generation
2–3
+ Gestagen der 3. oder 4. Generation
oder
+ Cyproteronacetat
4–6
Gestagenmonopräparate
 
Desogestrel
Levonorgestrel
Norethisteron
<1
Parenterale hormonelle Kontrazeptiva
Pflaster
Ethinylestradiol
Norelgestromin
7–8
Vaginalring
Ethinylestradiol
Etonogestrel
6–7
i.m. Depot
 
Medroxyprogesteron
3,5
s.c. Implantat
 
Etonogestrel
1,5
Gestagenbeschichtetes Intrauterinpessar
 
Levonorgestrel
<1

Venösen Thromboembolien und Schwangerschaft

Eine Schwangerschaft geht physiologisch mit Veränderungen einher, die das Risiko für VTE erhöhen. Dies beinhaltet einen Anstieg prokoagulatorischer Faktoren (Faktor II, VII, VIII und X, von Willebrand Faktor, PAI 1 und 2), einen Abfall antikoagulatorischer Faktoren (Protein S) sowie auch anatomische Veränderungen im Sinne einer venösen Stase durch Kompression der Beckenvenen und der V. cava inferior durch den graviden Uterus. Während Blutungskomplikationen in Entwicklungsländern die führende Ursache der mütterlichen Sterblichkeit darstellen, ist in der westlichen Welt die Lungenembolie und die schwangerschaftsassoziierte TBVT eine relevantere Ursache kurz- wie langfristiger Morbidität.
In allen Trimena vergleichbar ist das VTE-Risiko während der Schwangerschaft ca. 5-fach erhöht und verkompliziert damit 1–2 von 1000 Schwangerschaften (Middeldorp 2013; Lidegaard 2013; James et al. 2006). Die Hälfte dieser Ereignisse tritt präpartal, die andere Hälfte im Wochenbett auf (ACOG 2011; James et al. 2006). Zu 80 % handelt es sich um eine isolierte TBVT (Lidegaard 2013; James 2011; James et al. 2006), die wiederum zu 70–80 % das linke Bein betrifft (Lidegaard 2013).
Während im 1. und 2. Trimenon die Thrombosen meist distal im Unterschenkelbereich beginnen und dann nach proximal aszendieren, entstehen die Thrombosen im 3. Trimenon primär im Beckenbereich vor allem links, bedingt durch die Kompression der Iliakalvenen durch den Uterus sowie durch die linke Vena iliaca communis überkreuzende Beckenarterie.
Postpartal liegt das venöse Thromboserisiko deutlich höher und ist im Vergleich zu nicht schwangeren Frauen um den Faktor 20–80 erhöht (Jackson et al. 2011). Nach Sectio liegt das Risiko 2- bis 5-fach höher als nach unkomplizierter vaginaler Entbindung (Encke et al. 2009; James 2011), ist aber ohne zusätzliche Risikofaktoren mit 1/1000 Postpartalphasen absolut gesehen dennoch auf einem niedrigen Niveau, sodass dies nicht per se eine medikamentöse Thromboseprophylaxe peri- und postoperativ rechtfertigt.
Den wichtigste Risikofaktor für das Auftreten einer schwangerschaftsassoziierten Thrombose stellt eine bereits stattgehabte venöse Thromboembolie dar. Das in diesem Rahmen ohnehin erhöhte Rezidivrisiko ist dann additiv im Rahmen einer Schwangerschaft noch einmal zusätzlich um das 3- bis 4-Fache erhöht.
Das Risiko einer VTE muss die Risiken und Unannehmlichkeiten aufwiegen, die mit einer eventuellen medikamentösen Thromboseprophylaxe einhergehen. Daher ist eine entsprechende Prophylaxe nicht grundsätzlich bei jeder Art von Thrombophilie indiziert, sondern die Indikation ist abhängig von dem zu erwartenden absoluten Risiko während der Schwangerschaft bzw. in der Postpartalphase (Bates et al. 2012a, b; Lussana et al. 2012).
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