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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 13.12.2014

Vocal Cord Dysfunction (VCD)

Verfasst von: Klaus Kenn
Die Vocal Cord Dysfunction (VCD) ist eine intermittierende, funktionelle, in der Regel sehr plötzlich auftretende, atemnotinduzierende laryngeale Obstruktion während In- oder Exspiration, die zu Atemnotzuständen unterschiedlicher Intensität führen kann. Die Dyspnoe tritt dabei von einem Atemzug zum anderen auf und kann eine als lebensbedrohlich erlebte Intensität aufweisen. Insbesondere die Kombination von VCD-Beschwerden mit einem gleichzeitig bestehenden Asthma bronchiale bietet ein oft verwirrendes klinisches Bild. Wichtigster Bestandteil der Diagnostik ist eine subtile Anamnese. Die endoskopische Untersuchung des Larynx mit Darstellung eines VCD-Anfalls gilt als diagnostischer Goldstandard. Eine medikamentöse Behandlung von VCD-Symptomen ist wirkungslos. Die heute verfügbaren und hinsichtlich ihrer Effektivität noch nicht evaluierten VCD-Therapiekonzepte stellen Expertenempfehlungen dar.

Definition

Das Krankheitsbild Vocal Cord Dysfunction (VCD) ist in der Literatur noch nicht konsentiert definiert. Für den Bereich der Pneumologie ist hierunter eine intermittierende, funktionelle, in der Regel sehr plötzlich auftretende, atemnotinduzierende laryngeale Obstruktion während In- oder Exspiration zu verstehen, die zu Atemnotzuständen unterschiedlicher Intensität führen kann. Die Dyspnoe wird typischerweise halsbezogen erlebt und kann oft ein für die Patienten als lebensbedrohlich empfundenes Ausmaß annehmen. VCD kann isoliert als alleinige Atemnotursache auftreten. Vielfach manifestiert sie sich begleitend zu anderen dyspnoeinduzierenden Erkrankungen, allen voran dem Asthma bronchiale. Bezeichnungen wie z. B. „Larynx-Asthma“, „hysterischer Croup“, „psychogener Stridor“ wurden in der Literatur als Synonyme benutzt. Laryngologen und Phoniater gehen bei diesem Begriff eher von einer Stimmstörung aus, was erklärt, dass sich häufig sprachliche Verwirrungen ergeben.

Pathophysiologie

Funktionell gesehen stellt der Larynx aufgrund seiner neuromuskulären Strukturen und komplexen Bewegungsmuster den wohl störanfälligsten Bereich des Atemtraktes dar. Obwohl die Pathophysiologie der VCD bislang nicht exakt aufgeklärt ist, gehen Experten von keiner einheitlichen Genese der VCD aus, sondern sehen die Erkrankung als eine klinische Symptomatik unterschiedlicher Ursachen an. Die anfänglich monokausale Sichtweise der VCD mit ausschließlich psychosomatischer Genese im Sinne eines Fehlalarms der zentralen Atemsteuerung mit Angst- und Panikneigung und häufigen Hyperventilationssymptomen wird der Komplexität der Störung nicht gerecht. Von größerer Bedeutung finden sich rein organische Pathomechanismen wie „post nasal drip“ (PND), gastroösophagealer Reflux (GER) und vor allem laryngopharyngealer Reflux (LPR) mit Mikroaspirationen, Schluckstörungen sowie irritative Inhalationsreize.
Letztere stellen eine Bedrohung für die unteren Atemwege sowie die Lungenstrukturen dar, sodass die reaktive Adduktion der Stimmlippen als ein primär sinnvoller Schutzmechanismus anzusehen ist. Es wird diskutiert, dass rezidivierende physikalisch-chemische Irritationen der laryngopharyngealen Schleimhaut dazu führen können, die Auslösungsschwelle für lokale Schutzreflexe abzusenken, sodass geringe Stimuli ausreichen, um eine VCD-Attacke zu induzieren. Akute Laryngitiden oder auch Schädigungen des N. recurrens können für die Erstmanifestation begünstigend wirken. Somit ist die Vocal Cord Dysfunction nicht monokausal pathophysiologisch klar umrissen, sondern als ein komplexes, multifaktorielles Krankheitsbild zu betrachten.

Epidemiologie

Exakte Angaben zur Inzidenz und Prävalenz der VCD liegen noch nicht vor. Innerhalb der Gruppe der Asthmatiker wird international angenommen, dass ca. 3–5 % an einer VCD als alleinige oder - zusätzlich zum Asthma - als eine das klinische Bild komplizierende Atemnotursache leiden. Unter den sog. intraktablen Asthmatikern, die selbst auf eine hoch dosierte Asthmatherapie nicht ausreichend ansprechen, steigt der Anteil an VCD-Patienten bei subtiler differenzialdiagnostischer Reevaluation auf bis zu 30 % an. Auffallend und noch nicht erklärt ist die Tatsache, dass der Anteil an weiblichen Patienten ca. 75 % beträgt. VCD-ähnliche Mechanismen kommen auch als Ursache für therapieresistente, belastungsinduzierte inspiratorische Atemnot bei Sportlern und Spitzenathleten in Betracht. Kinder und Jugendliche sind in ähnlichem Ausmaß wie Erwachsene betroffen. Hochgerechnet resultiert daraus für Deutschland immerhin eine Zahl von mehr als 250.000 VCD-Patienten, sodass in jeder Hausarztpraxis mit solchen Patienten zu rechnen ist.

Klinik

Mehrheitlich tritt die durch VCD bedingte Atemnot anfallartig während der Inspiration auf und zeichnet sich durch einen raschen, in der Regel perakuten Beginn aus. Die Dyspnoe tritt dabei von einem Atemzug zum anderen auf und kann eine als lebensbedrohlich erlebte Intensität aufweisen. Die Symptomatik ist selbstlimitierend und hält meist zwischen 30 Sekunden bis zu wenigen Minuten, nur vereinzelt länger an. Die Atemwegeinengung wird meist im Hals- oder oberen Trachealbereich erlebt. Als Trigger kommen inhalative Irritanzien (z. B. Parfüm, Reinigungsmittel), Verschlucken, körperliche Anstrengung und/oder psychische Erregung infrage. Typisch ist die unmittelbare Auslösung einer VCD durch Husten. Wenn Patienten über plötzliche, massive Dyspnoe aus dem Schlaf heraus berichten, ist eine Refluxsymptomatik, vor allem ein laryngopharyngealer Reflux (LPR) zu eruieren. Stridoröse Atemgeräusche sind ebenso typisch wie eine Dys- oder Aphonie während oder nach einer Dyspnoeattacke. Diese Symptomatik ist nicht willkürlich auslösbar. Sekundär entwickelt sich häufig eine ausgeprägte Angst- und Panikkomponente, die mitunter das klinische Bild und den Verlauf dominiert. VCD-Anfälle können wegen den agitierten, stridorös atmenden, wenig kooperationsfähigen Patienten als akute Notfallsituationen imponieren. Auskultatorische Phänomene sind wenig verlässlich, da laryngeale Geräusche thorakal fortgeleitet und als Giemen fehlinterpretiert werden können. In Einzelfällen führen VCD-Attacken immer wieder zu notärztlichen Interventionen mit Intubation und Beatmung.

Abgrenzung der VCD zum Asthma bronchiale

Im Alltag wird das klinische Bild der VCD erheblich kompliziert, wenn gleichzeitig ein Asthma bronchiale besteht. Die Auslösemechanismen beider Erkrankungen sind ähnlich, was die diagnostische Abgrenzung ggf. erschwert (Tab. 1). Anfallscharakter und Heftigkeit der VCD-Atemnot sowie die Variabilität der Befunde erfüllen formal die Asthmakriterien. Bei beiden Erkrankungen können Reizhusten und Säurereflux auslösend sein, ohne dass Refluxsymptome zu realisieren wären. Bei unbefriedigendem oder fehlendem Effekt einer leitlinienkonformen Asthmatherapie ist der Krankheitsverlauf über sechs Monate durch einen ausgewiesenen Experten kritisch zu reevaluieren. Erweist sich der Verlauf als asthmauntypisch, so muss die Vordiagnose infrage gestellt und das führende klinische Symptom Atemnot neu hinterfragt werden.
Tab. 1
Gegenüberstellung der klinischen Symptomatik und der Auslöser bei Asthma und VCD.
 
Asthma
VCD
Entwicklung
Oft rasch (in Minuten)
Meist perakut (in Sekunden)
Atemnot bei
Exspiration
Inspiration (sehr selten Exspiration)
Lokalisation
Thorax, untere Atemwege
Hals, obere Atemwege
Medikamente
Hoch wirksam
Ineffektiv
Auslöser
Irritanzien, Allergene, Stress, Anstrengung
Irritanzien, Stress, körperliche Anstrengung
Begleitend (auslösend)
Auslösend, begleitend

Diagnostik

Anamnese

Wichtigster Bestandteil der Diagnostik ist eindeutig eine subtile Anamnese, die wegweisende Hinweise geben kann. Entscheidend ist dabei, das Symptom Atemnot in allen Facetten exakt zu hinterfragen. Plötzlich auftretende, inspiratorische, halsbezogene Dyspnoe, die sich von einem Atemzug zum nächsten manifestiert und nach zwei Minuten spontan sistiert, charakterisiert eine typische VCD-Attacke. Es finden sich hierzu jedoch viele Varianten, die sich dennoch meist ausreichend klar von einem echten Asthmaanfall unterscheiden lassen. Wichtig ist dabei, nach möglichen Auslösern zu fragen, da diese im Rahmen der Diagnostik genutzt werden können, um die Diagnose zu sichern. Die meisten Patienten sind in der Lage, auf gezieltes Nachfragen ihre Problematik exakt zu schildern, sodass die Betroffenen selbst bei der Diagnosestellung eine zentrale Rolle spielen.

Lungenfunktion

Lungenfunktionsmessungen sind zwar unverzichtbar, aber diagnostisch selten wegweisend. Eine Messung zum Zeitpunkt einer akuten Symptomatik ist fast nie möglich. Weder Spirometrien noch Bodyplethysmographien zeigen in der Regel im symptomfreien Intervall VCD-typische Auffälligkeiten. Bei aufmerksamer Interpretation lassen sich bisweilen diskrete Hinweise für eine inspiratorische Limitation finden. Daher sollten die Lungenfunktionen longitudinal im Hinblick auf VCD-Anzeichen geprüft werden. Hierzu zählen diskret nach rechts gekippte Atemwegwiderstandsschleifen oder eine mitt- bis endinspiratorische Limitation der inspiratorischen Fluss-Volumen-Kurve. Unspezifische inhalative Provokationsuntersuchungen (z. B. Metacholintests) können eine bronchiale wie auch laryngeale Hyperreagibilität hervorrufen. Daher ist genau zu klären, ob ein FEV-1-Abfall durch eine exspiratorische, asthmatypische Obstruktion mit erniedrigtem Tiffeneau-Index oder durch eine VCD-induzierte Reduktion der Vitalkapazität zustande gekommen ist. Eine exspiratorische VCD ist sehr selten und deren Nachweis schwierig, da eine physiologische Adduktion der Stimmlippen während der Ausatmung - insbesondere beim Asthmatiker - endoskopisch kaum von einer exspiratorischen Stimmlippendysfunktion zu unterscheiden ist. Die Lungenfunktion zeigt ggf. neben einer dreieckförmigen exspiratorischen Resistanceschleife eine Abflachung der exspiratorischen Fluss-Volumen-Kurve unmittelbar nach dem Peak-Expiratory-Flow (PEF).

Endoskopie als diagnostischer Goldstandard

Die endoskopische Untersuchung des Larynx mit Darstellung eines VCD-Anfalls gilt als diagnostischer Goldstandard. Die Indikation zur Laryngoskopie ist bei einem durch ein Asthma nicht ausreichend erklärten therapieresistenten Verlauf von Atemnotsymptomen zu stellen. Die Untersuchung wird bei nur nasaler Schleimhautanästhesie transnasal ohne Prämedikation durchgeführt, um eine pharmakologische Beeinflussung der Larynxfunktion auszuschließen.
Zur Atemnotauslösung werden während der Endoskopie anamnestisch angegebene Irritanzien eingesetzt (u. a. Geruchsirritanzien, taktile Reize, Ergometerbelastung). Ein iatrogener Laryngospasmus darf nicht als VCD fehlinterpretiert werden. Die ausgelöste Atemnot muss mit der dem Patienten bekannten Dyspnoequalität übereinstimmen. Als spezielles Verfahren zur verbesserten Diagnosesicherung steht die Endospirometrie zur Verfügung, bei der endoskopisches Bild und Spirometriekurven synchron auf einen Monitor (Abb. 1) projiziert werden. Eine unauffällige Laryngoskopie schließt niemals eine VCD aus, denn trotz aller Provokationsversuche sind VCD-Attacken nicht beliebig auslösbar.

Differenzialdiagnosen

Differenzialdiagnostisch sind kongenitale, allergische, nervale, neuromuskuläre, tumoröse, posttraumatische und akut entzündliche Larynxveränderungen mit Glottiseinengung auszuschließen. Hierzu empfiehlt es sich, neben der endoskopischen Evaluation des Larynx auch das Bronchialsystem subtil hinsichtlich möglicher Atemnotursachen zu untersuchen.

Therapiemöglichkeiten

Eine medikamentöse Behandlung von VCD-Symptomen ist wirkungslos. Die heute verfügbaren und hinsichtlich ihrer Effektivität noch nicht evaluierten VCD-Therapiekonzepte stellen Expertenempfehlungen dar. In der akuten Atemnotsituation führt eine Heliox-Inhalation (20 % Sauerstoff +80 % Helium) zur sofortigen Atemnotreduktion. Midazolam i.v. kann insofern eine Sofortwirkung zeigen, indem der VCD-Anfall durch die Sedierung beendet wird. Effektivster Therapieansatz ist die Aufklärung der Patienten, möglichst anhand der eigenen Videoaufzeichnung, um ein Verständnis für die Symptomatik zu erzielen. Der scheinbare Widerspruch einer lebensbedrohlich erlebten Atemnot bei vergleichsweise harmloser Störung kann hierdurch aufgelöst werden. Ein ausreichendes Krankheitsverständnis ermöglicht den Patienten dann, ihre Angst vor dem Ersticken zu verlieren und nachfolgend symptomlösende oder -verhindernde Atemtechniken zu erlernen. Hierzu gehören zwerchfellbetonte Atemstrategien und spezielle Techniken im Sinne von „throat relaxed breathing“.
Beim Vorliegen eines gleichzeitigen Asthmas ist dieses leitlinienkonform zu behandeln. Begleiterkrankungen wie PND oder LPR müssen konsequent medikamentös, ggf. auch mittels chirurgischer Sanierung therapiert werden. Logopädische Übungsbehandlungen und entspannende Maßnahmen bis hin zur Psychotherapie können ergänzend sinnvoll sein. Die Gabe von Psychopharmaka ist meist verzichtbar.

Zusammenfassung

Nach wie vor wird die Vocal Cord Dysfunction als Ursache von nicht behandelbaren Atemnotsymptomen unterschätzt. Dies kann in Einzelfällen zu tragischen Verläufen führen. Als Schlüssel zur Diagnose ist die gezielte Anamnese anzusehen, die eine zielführende Diagnostik ermöglicht. Der endgültige diagnostische Beweis kann sich mitunter schwierig gestalten. Insbesondere die Kombination von VCD-Beschwerden mit einem gleichzeitig bestehenden Asthma bronchiale bietet selbst für den Experten ein oft verwirrendes klinisches Bild. VCD-Atemnotanfälle sind kaum elektiv auslösbar und diagnostisch wegen der raschen Selbstlimitierung oft nicht zu beweisen. Die Lungenfunktion bietet selten hinweisgebende Befunde. Daher muss die Diagnose unter Einbeziehung der Anamnese mitunter klinisch im Sinne ausreichender Wahrscheinlichkeit gestellt werden. Der möglichst exakten Schilderung der Dyspnoe durch den Patienten kommt dabei zentrale Bedeutung zu, kann doch nur er selbst die Charakteristik der Atemnot exakt beschreiben. Die im Einzelfall erhebliche Komplexität erfordert differenzierte diagnostisch-therapeutische Konzepte, die aufgrund der gravierenden gesundheitlichen und ökonomischen Konsequenzen einer nicht erkannten VCD gerechtfertigt erscheinen. In jedem Fall aber müssen VCD-Patienten mit ihren Atemnotproblemen ernst genommen und keinesfalls unberechtigt in eine „psychosomatische Ecke“ gedrängt werden. Das noch immer limitierte Wissen um die Pathophysiologie der VCD erfordert eine Kooperation verschiedener Fachdisziplinen, um in Zukunft zu einem größeren Verständnis für diese Erkrankung zu gelangen.
Literatur
Balkissoon R, Kenn K (2012) Vocal Cord Dysfunction and other dysfunctional breathing disorders. Semin Respir Crit Care Med 33:595–605PubMedCrossRef
Kenn K, Balkissoon R (2011) Vocal Cord Dysfunction – what do we really know? Eur Respir J 37:194–201PubMedCrossRef
Newman KB, Mason UG, Schmaling KB (1995) Clinical features of Vocal Cord Dysfunction. Am J Respir Crit Care Med 152:1382–1386PubMedCrossRef
Rundell KW, Spiering BA (2003) Inspiratory stridor in elite athlets. Chest 123:468–474PubMedCrossRef