Die Ärztliche Begutachtung
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Verfasst von:
Frank Festner
Publiziert am: 24.05.2022

Berufung in ein Beamtenverhältnis und Beurteilung der Dienstfähigkeit

Die gesundheitliche Eignung ist eine der Grundvoraussetzungen für die Berufung in ein und den Verbleib in einem Beamtenverhältnis. Bei der Feststellung der gesundheitlichen Eignung steht dem Dienstherrn kein Beurteilungsspielraum zu. Sie muss einer gerichtlichen Überprüfung standhalten. Neben der Darstellung der Voraussetzungen für die Berufung in ein Beamtenverhältnis werden die Anforderungen an ein ärztliches Gutachten und die Grundzüge der Beurteilung einer Dienstfähigkeit bzw. Dienstunfähigkeit dargestellt.

Grundvoraussetzungen für die Berufung in ein Beamtenverhältnis

Nach Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte. § 9 Bundesbeamtengesetz legt demzufolge fest, dass sich die Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu richten hat. Der Dienstherr ist also gehalten, die Eignung festzustellen. Neben der Persönlichkeit und den charakterlichen Eigenschaften, die für ein bestimmtes Amt von Bedeutung sind (vgl. § 2 Bundeslaufbahnverordnung), umfasst die Eignung auch die aktuelle und die prognostizierte Gesundheit der Bewerberinnen und Bewerber. Der gleichberechtigte Zugang zu öffentlichen Ämtern steht demnach unter dem Vorbehalt, dass eine Bewerberin oder ein Bewerber neben fachlichen Kriterien über eine für die Ausübung des Amtes erforderliche körperliche und psychische Verfassung verfügen muss.
Die Festlegung dieser Auswahlkriterien dient in erster Linie der Bestenauslese und der Qualitätssicherung; nur diejenigen Bewerberinnen und Bewerber sollen für die Ausübung eines Amtes gewonnen werden, die dazu in jeder Hinsicht in der Lage sind. Hintergrund für diese Regelung ist angesichts des in der Regel lebenslangen Dienst- und Treueverhältnisses aber auch, absehbare Fürsorge- und Versorgungsansprüche aufgrund einer wahrscheinlichen vorzeitigen Dienstunfähigkeit zu vermeiden.
Wann ein Bewerber gesundheitlich geeignet ist, lässt sich den gesetzlichen Regelungen aus nachvollziehbaren Gründen nicht entnehmen. Aufgrund der Vielschichtigkeit der Aufgaben des öffentlichen Dienstes variieren auch die Anforderungen an die körperliche und psychische Verfasstheit der Bewerberinnen und Bewerber. Es liegt auf der Hand, dass bei der Feststellung der gesundheitlichen Eignung an eine potenzielle Polizistin oder einen potenziellen Polizisten ein anderer Maßstab angelegt werden muss als an eine Verwaltungsbeamtin oder einen Verwaltungsbeamten.
Maßgebend für die Praxis zu der Frage, was unter gesundheitlicher (Nicht-)Eignung zu verstehen ist, sind vor allem die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichtes, das in seinem Urteil vom 25. Juli 2013 zur Prognose hinsichtlich des vorzeitigen Eintritts der Dienstunfähigkeit wie folgt entschieden hat:
Ein Beamtenbewerber ist gesundheitlich nicht geeignet, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vom Eintritt einer Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze auszugehen ist (BVerwG, Urteil vom 25.07.2013 – 2 C 12.11).
Diese Entscheidung hat die bisherige Rechtsprechung aufgegeben und den Maßstab zugunsten der Beamtenbewerberinnen und Beamtenbewerber neu definiert. Im Anschluss an dieses Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht ergänzend festgestellt:
Die gesundheitliche Eignung fehlt auch, wenn er mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze über Jahre hinweg regelmäßig krankheitsbedingt ausfallen und deshalb eine erheblich geringere Lebensdienstzeit aufweisen wird (BVerwG, Urteil vom 30.10.2013 – 2 C 16.12).
Nach der bis dahin geltenden Rechtsprechung war eine Beamtin oder ein Beamter zur Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nur dann geeignet, wenn der Eintritt der Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze oder häufigere Erkrankungen während des Beamtenverhältnisses mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden konnten. Die gesundheitliche Eignung (der aktuell dienstfähigen Bewerberinnen und Bewerber) darf nach der neueren Rechtsprechung hingegen nur dann verneint werden, wenn der Eintritt einer Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze mit überwiegender Wahrscheinlichkeit prognostizierbar ist. Das Bundesverwaltungsgericht gesteht dem Dienstherrn andernfalls zu, dass dieser unter Berufung auf den gesundheitlichen Zustand der Bewerberin oder des Bewerbers die Begründung eines Beamtenverhältnisses ablehnt, wenn absehbar ist, dass bei diesem das angemessene Verhältnis von Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit voraussichtlich spürbar gestört sein wird.
Ein Spannungsverhältnis ergibt sich bei der Beurteilung der Eignung von Bewerberinnen und Bewerbern, die aufgrund einer Schwerbehinderung körperlich eingeschränkt sind. So kann hinsichtlich des Prognosezeitraums bei schwerbehinderten Menschen ein kürzerer Zeitraum betrachtet werden. Daneben ist in § 9 BBG normiert, dass gesetzliche Maßnahmen zur Förderung schwerbehinderter Menschen den aufgestellten Auswahlkriterien nicht entgegenstehen. Beispielhaft kann hier § 5 Bundeslaufbahnverordnung genannt werden, nach dem von schwerbehinderten Menschen nur ein Mindestmaß an körperlicher Eignung verlangt werden darf.

Das ärztliche Gutachten

In seinem Urteil vom 30. Oktober 2013 stellt das Bundesverwaltungsgericht zur Rolle des Sachverständigen fest:
Zur Beurteilung der gesundheitlichen Eignung müssen die körperlichen und psychischen Veranlagungen des Bewerbers festgestellt und deren Auswirkungen auf sein Leistungsvermögen bestimmt werden. Das individuelle Leistungsvermögen muss in Bezug zu den körperlichen Anforderungen der Dienstposten gesetzt werden, die den Statusämtern der betreffenden Laufbahn zugeordnet sind. Diese Beurteilungsvorgänge erfordern in aller Regel besondere medizinische Sachkunde, über die nur ein Arzt verfügt. Für die Prognose über die voraussichtliche Entwicklung des Gesundheitszustandes des Bewerbers muss in aller Regel ein Mediziner eine fundierte medizinische Tatsachenbasis auf der Grundlage allgemeiner medizinischer Erkenntnisse und seiner Verfassung erstellen.
Die Prognose muss also im Rahmen eines ärztlichen Gutachtens getroffen werden. Hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung wird im Rahmen der amtsärztlichen Begutachtung eine Prognose über die gesundheitliche Entwicklung erwartet, die einen sehr langen Zeitraum umfassen kann (bis zu ca. 50 Jahren). Das Bundesverwaltungsgericht stellt an das amtsärztliche Gutachten allgemein folgende Anforderungen:
Für die vom Gericht in vollem Umfang zu überprüfende Prognose über die voraussichtliche Entwicklung des Gesundheitszustandes einer Bewerberin muss in aller Regel ein Mediziner eine fundierte medizinische Tatsachenbasis auf der Grundlage allgemeiner medizinischer Erkenntnisse und seiner Verfassung erstellen. Der Arzt muss das Ausmaß der Einschränkungen feststellen und deren voraussichtliche Bedeutung für die Leistungsfähigkeit sowie für die Erfüllung der dienstlichen Anforderungen medizinisch fundiert einschätzen. Er muss in seiner Stellungnahme Anknüpfungs- und Befundtatsachen darstellen, seine Untersuchungsmethoden erläutern und seine Hypothesen sowie deren Grundlage offenlegen. Auf dieser Grundlage hat er unter Ausschöpfung der vorhandenen Erkenntnisse zum Gesundheitszustand der Bewerberin eine Aussage über die voraussichtliche Entwicklung des Leistungsvermögens zu treffen, die den Dienstherrn in die Lage versetzt, die Rechtsfrage der gesundheitlichen Eignung eigenverantwortlich zu beantworten.
Als Grundlage für die vom Dienstherrn oder vom Gericht zu treffende Entscheidung über die gesundheitliche Eignung einer Bewerberin reicht die nicht näher belegte Einschätzung eines Mediziners über den voraussichtlichen Verlauf der bei einer Bewerberin bestehenden Erkrankung nicht aus. Sofern statistische Erkenntnisse über die gewöhnlich zu erwartende Entwicklung einer Erkrankung herangezogen werden sollen, sind diese nur verwertbar, wenn sie auf einer belastbaren Basis beruhen. Dafür muss über einen längeren Zeitraum hinweg eine signifikante Anzahl von Personen beobachtet worden sein. Zudem ist es bei der medizinischen Bewertung zu berücksichtigen, wenn der individuelle Krankheitsverlauf der Betroffenen Besonderheiten gegenüber den statistischen Erkenntnissen aufweist (BVerwG, Beschluss vom 13.12.2013 – 2 B 37.13).
Die Beurteilung der gesundheitlichen Eignung muss einer gerichtlichen Überprüfung standhalten. Die Entscheidung über die Berufung einer Bewerberin oder eines Bewerbers in ein Beamtenverhältnis verbleibt dabei grundsätzlich in der Kompetenz des Dienstherrn, auch wenn er sich der Expertise einer fachkundigen Person bedient, die eine Prognoseentscheidung trifft. Hierbei ist er rechtlich frei, falls er Zweifel an der Richtigkeit der Prognoseentscheidung hat, von der ärztlichen Beurteilung abzuweichen oder eine weitergehende ärztliche Stellungnahme einzuholen. Bei einer Abweichung von dem Votum des beauftragten Arztes ist – allein schon aus haushaltsrechtlichen Gründen – eine aktenmäßige Begründung zu dokumentieren.
Ein mögliches Rechtsmittel des Bewerbers gegen die Entscheidung des Dienstherrn muss sich aus diesem Grund auch gegen die Dienststelle und kann sich nicht isoliert gegen die Prognose des untersuchenden Arztes richten. Für eine Klage ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben, ebenso wie bei allen anderen Rechtsstreitigkeiten, die in das beamtenrechtliche Grundverhältnis eingreifen.

Besonderheit bei Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf

Der einen langen Zeitraum umfassende Prognosemaßstab ist damit begründet, dass der Schutzgedanke, der den Dienstherrn vor den finanziellen Folgen der Berufung in ein Beamtenverhältnis ohne eine entsprechende Dienstleistungserbringung bewahren soll, mit fortgesetzter Dauer und Bindungsstärke des Beamtenverhältnisses immer stärker zum Tragen kommt. Schließlich erlangen Beamtinnen und Beamte nach einer Dienstzeit von mindestens 5 Jahren oder wenn sie infolge Krankheit, Verwundung oder sonstiger Beschädigung, die sie sich ohne grobes Verschulden bei Ausübung oder aus Veranlassung des Dienstes zugezogen haben, dienstunfähig geworden sind, einen Anspruch auf Ruhegehalt. Im Beamtenverhältnis auf Widerruf entsteht ein solcher Anspruch nicht.
Das Beamtenverhältnis auf Widerruf dient der Ableistung eines Vorbereitungsdienstes oder der vorübergehenden Wahrnehmung hoheitsrechtlicher Aufgaben oder von Aufgaben, die zur Sicherung des Staates oder des öffentlichen Lebens nicht ausschließlich Personen übertragen werden dürfen, die in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis stehen (vgl. § 6 Abs. 4 Bundesbeamtengesetz). Im Regelfall wird dieses Beamtenverhältnis nur zu Ausbildungszwecken (Vorbereitungsdienst) eingegangen. Der Prognosemaßstab – Zeitraum bis Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze – gilt zwar nicht nur für die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit und auf Probe, sondern auch, wenn die Ausbildung auf eine spätere Verwendung im öffentlichen Dienst begrenzt ist – auf Widerruf (BVerwG, Beschluss vom 12.07.2018 – 2 B 17.18). Ist die spätere Verwendung allerdings nicht auf den öffentlichen Dienst begrenzt, würden die hohen Anforderungen an die gesundheitliche Eignung einer nicht zu vernachlässigenden Zahl von Bewerberinnen und Bewerbern einen Berufsabschluss verwehren. Beispielhaft seien hier zu nennen: Bewerberinnen und Bewerber für das Lehramt (Referendare), den Abschluss als Volljurist (juristische Referendare) oder die fachspezifischen Vorbereitungsdienste. Soweit bei solchen Bewerberinnen und Bewerbern festgestellt wird, dass die Voraussetzungen für eine Verbeamtung auf Lebenszeit nicht vorliegen, ist also eine Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf zumindest nicht ausgeschlossen.

Beurteilung der Dienstfähigkeit

Die Beurteilung der Dienstfähigkeit von Beamtinnen und Beamten folgt denselben Prinzipien wie bei der Einstellung in ein Beamtenverhältnis. Aufgabe der Amtsärztin oder des Amtsarztes oder einer Ärztin oder einem Arzt, die oder der als Gutachterin oder Gutachter zugelassen ist, ist lediglich, den medizinischen Sachverhalt zu prüfen, sich daraus ggf. ergebende Einschränkungen der Leistungsfähigkeit vor dem Hintergrund der konkret zu bewältigenden Dienstaufgaben zu beschreiben und eine Prognose abzugeben, welche Tätigkeiten die Beamtin oder der Beamte künftig möglicherweise noch wahrnehmen kann. Ggf. ist auch festzustellen, ob überhaupt noch eine Dienstfähigkeit gegeben ist.
Dienstunfähigkeit liegt vor, wenn Beamte dauerhaft nicht in der Lage sind, ihre Dienstpflichten zu erfüllen, sofern keine begrenzte Dienstunfähigkeit vorliegt. Von einer dauerhaften Dienstunfähigkeit ist grundsätzlich auszugehen, wenn Beamte innerhalb eines Zeitraumes von 6 Monaten mindestens 3 Monate infolge einer Erkrankung ihren Dienst nicht leisten konnten und keine Aussicht besteht, dass sie innerhalb weiterer 6 Monate wieder voll dienstfähig werden. Entscheidend ist die medizinische Prognose.
Eine begrenzte Dienstfähigkeit liegt vor, wenn Beamte ihre Dienstpflichten noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen können. Mit Zustimmung der Beamtin oder des Beamten ist bei begrenzter Dienstfähigkeit auch eine Verwendung in einer nicht dem Amt entsprechenden Tätigkeit möglich.
Die Ärztin oder der Arzt teilt der Behörde auf Anforderung im Einzelfall die tragenden Gründe des Gutachtens mit, soweit deren Kenntnis für die Behörde unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit für die von ihr zu treffende Entscheidung erforderlich ist. Diese Mitteilung ist in einem gesonderten und versiegelten Umschlag zu übersenden und versiegelt zur Personalakte zu nehmen. Die Entscheidung über die dienstrechtlichen Folgen der ärztlichen Feststellung zur Dienstfähigkeit obliegt auch hier ausschließlich dem Dienstherrn. Der Dienstherr ist verpflichtet, in regelmäßigen Abständen zu prüfen, ob die Voraussetzungen, die zur Dienstunfähigkeit geführt haben, weiterhin vorliegen (vgl. § 46 Absatz 1 Satz 2 Bundesbeamtengesetz). Beamtinnen und Beamte sind verpflichtet, sich zur Prüfung der Dienstfähigkeit nach Weisung der Behörde ärztlich untersuchen zu lassen (vgl. § 46 Absatz 7 Satz 1 Bundesbeamtengesetz).