Einleitung
Fremdsubstanzen können das gesamte Spektrum akuter und chronischer Lebererkrankungen hervorrufen. Dabei wird die direkt toxische von der immunvermittelten idiosynkratischen bzw. hypersensitiven Leberschädigung unterschieden (Tab.
1). Medikamentös-toxische Effekte werden bei ungefähr jedem 1000. Patienten beobachtet; Einflussfaktoren sind hierbei Alter, Geschlecht,
Body-Mass-Index und Komorbiditäten. Akute Verlaufsformen werden selten mit
Ikterus und Leberausfall manifest.
Tab. 1
Differenzierung zwischen toxischer und idiosynkratisch/hypersensitiver Hepatopathie
Vorhersehbarkeit | Ja | Nein |
Dosisabhängigkeit | Ja | Nein |
| Ja | Nein |
Assoziierte Schädigungen | Möglich | Selten |
Pathogenese
Die Leber ist das erste Organ, das mit intestinal aufgenommenen Substanzen konfrontiert wird, und stellt nicht nur auf diesem Wege das zentrale Stoffwechsel- und Entgiftungsorgan dar. Zwei wesentliche Pathomechanismen sind zu differenzieren. Einerseits können hepatotoxische Substanzen nach Aufnahme aus dem Gastrointestinaltrakt direkte, vorherseh- und reprodzierbar toxische Wirkungen entfalten. Auf der anderen Seite steht die häufigere idiosynkratische, hypersensitive Leberschädigung mit Substanzakkumulation in der Hepatozytenmembran und immunogener Aktivierung des zytotoxischen T-Zellsystems.
Symptomatik
Häufig bleibt die toxische Hepatitis symptomlos und wird erst durch eine Routinelaborkontrolle detektiert. Wenn der hepatotoxische Leberschaden sich symptomatisch äußert, geschieht dies insbesondere im Sinne einer ikterischen Verlaufsform. Zudem können unspezifische Symptome wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit und diffuser abdomineller
Schmerz vorliegen. Durch die immunologischen Reaktionen sind bei der idiosynkratischen Leberschädigung unspezifische Begleitsymptome wie febrile Temperaturen,
Gelenkschmerzen, Exantheme und Blutbildveränderungen möglich.
Bestehen die Symptome dokumentiert länger als 6 Monate, ist die Definition einer chronischen Lebererkrankung erfüllt. Bei toxischer Leberschädigung ist eine eindeutige Diagnosestellung oft erst durch Verlaufsbeobachtung nach selektivem Absetzen von Pharmaka oder Meidung von Noxen möglich; ein beweisender Reexpositionsversuch gestaltet sich im Allgemeinen schwierig.
Diagnostik
Es existieren keine spezifischen Laborparameter, die eine sichere Differenzierung zwischen hepatotoxischer und idiosynkratischer Leberschädigung ermöglichen. Hilfreich ist jedoch die richtige Interpretation klinisch-chemischer Parameter, vor allem der Aminotransferasen (AST
), der alkalischen Phosphatase (AP
) sowie des direkten und indirekten
Bilirubins (Tab.
2).
Tab. 2
Laborchemische Diagnostik bei medikamentös toxischer Hepatopathie. (Nach Dancygier
2003)
ALT | >2-fach oRB | – | <2-fach oRB |
AP | – | >2-fach oRB | >2-fach oRB |
ALT/AP | ≥5 | _ | 2–5 |
Auch histomorphologisch lässt sich bei einer großen Bandbreite klinischer Symptome oft keine eindeutige Charakterisierung des schädigenden Agens vornehmen: Unterschieden werden Leberparenchymalterationen vom hepatitischen, vom cholestatischen, vom granulomatösen und vom tumorösen Typ mit teils fließenden Übergängen. Wichtig ist die Klärung der Kausalität durch detaillierte Arzneimittel- und Fremdstoffanamnese, wobei die Latenz zwischen Ingestion der Fremdsubstanz und dem Auftreten einer Leberschädigung sehr variieren kann. Die Tab.
3 und
4 geben einen Überblick über Leberschädigungen durch gewerbliche
Gifte und Pharmaka.
Tab. 3
Leberschädigungen durch gewerbliche Gifte
Fettleber | Methylalkohol, Chrom, Arsen, Insektizide, Azofarbstoffe, Trinitrotoluol |
Toxische Hepatitis | Halogenkohlenwasserstoffe, Phenole (Toluol, Kresol), Blei, Triorthokresylphosphat, Methylendianilin |
Fettleber mit Zellnekrosen, Leberdystrophie | Tetrachlorkohlenstoff, Phosphor, Dinitrobenzol |
| Methylalkohol, Vinylchlorid |
Bösartige Geschwülste | Arsen, Vinylchlorid, Dimethylnitrosamin |
Tab. 4
Pharmakainduzierte Leberschädigungen
| Oxyphenistatin, α-Methyldopa |
Granulomatöse Hepatitis | |
Unspezifische Drogenhepatitis | |
Akute Leberzellnekrose, Leberdystrophie | |
| |
Leberverfettung, Fettleber | Steroide, Tetrazykline bei hoher Dosierung |
Geschwülste der Leber (Hepatome) | Ovulationshemmer |
Therapie
Als Hauptmaßnahme ist die Elimination der auslösenden Noxe zu nennen. Nur selten ist bei bekanntem schädigenden Agens eine spezifische Therapie mit Antidot möglich (z. B. mit Silibinin im Rahmen einer toxischen Leberschädigung durch α-Amanitin des Knollenblätterpilzes). Zu vermeiden sind leberschädigende Begleitfaktoren wie Alkoholkonsum oder Einnahme sonstiger hepatotoxischer Medikamente.
Gutachterliche Bewertung
Eine Anerkennung als Berufskrankheit kann erfolgen, wenn eine berufsbedingte Noxenexposition gesichert, ein zeitlicher und örtlicher Zusammenhang zu eruieren (Tab.
1) und das histologische Schädigungsmuster mit der jeweiligen Noxe vereinbar ist (Tab.
3 und
4). Die einschlägige Berufskrankheit ist abhängig von der Noxe in der Liste der Berufskrankheiten zu identifizieren, z. B. ist für Toluol BK1304
einschlägig. Konkurrierende außerberufliche Hepatotoxine
sind bei der Bewertung auszuschließen.
Der Grad der Behinderung (GdB) hat sich vor allem an der Schwere der Leberschädigung und der daraus resultierenden Einschränkung der Leberfunktion, dem Ausmaß der Beschwerden sowie der Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes und ihren Auswirkungen für die gesamte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu orientieren. Subjektive Angaben über die Beschwerden müssen hierbei mit objektiven Parametern aus klinisch-chemischer, histologischer und apparativer Diagnostik korreliert werden.
Es besteht keine Einschränkung der Berufs- oder Erwerbsfähigkeit und damit auch kein Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente nach dem SGB VII liegt z. B. bei der häufig chronischen, unkompliziert verlaufenden alkoholischen Steatohepatitis vor; in der Akutphase der toxischen Leberschädigung kann jedoch passager eine Arbeitsunfähigkeit bestehen.