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Die Anästhesiologie
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Publiziert am: 06.05.2017

Anästhesie bei Eingriffen am Bewegungsapparat

Verfasst von: Frank Wappler
Patienten mit Erkrankungen des Bewegungsapparats sind häufig durch hohes Alter, chronische Schmerzsyndrome, ein erhöhtes Risiko für thromboembolische Komplikationen sowie anästhesierelevante Begleiterkrankungen charakterisiert. Diese patienteneigenen Faktoren müssen ebenso wie die eingriffsspezifischen Risiken im Sinne einer optimalen Patientenversorgung vom Anästhesisten beachtet werden.
Einleitung
Patienten mit Erkrankungen des Bewegungsapparats sind häufig durch hohes Alter, chronische Schmerzsyndrome, ein erhöhtes Risiko für thromboembolische Komplikationen sowie anästhesierelevante Begleiterkrankungen charakterisiert. Diese patienteneigenen Faktoren müssen ebenso wie die eingriffsspezifischen Risiken im Sinne einer optimalen Patientenversorgung vom Anästhesisten beachtet werden.

Der Patient mit Erkrankungen am Bewegungsapparat

Hohes Alter

Alte Menschen (>65 Jahre) stellen einen wesentlichen und stetig wachsenden Anteil des orthopädischen und traumatologischen Patientenkollektivs [9]. Bei der Betreuung älterer Patienten sind zahlreiche Besonderheiten wie altersbedingte Veränderungen der Organfunktionen, eine erhöhte Inzidenz von Begleiterkrankungen (Diabetes mellitus, demenzielle Erkrankungen, Herzinsuffizienz etc.) sowie veränderte pharmakologische Wirkprofile (Abb. 1) zu berücksichtigen ([61]; Kap. “Anästhesie bei geriatrischen Patienten„). So können die Eliminationshalbwertszeiten einzelner Substanzen im Alter bis zu 4-fach verlängert sein.

Chronische Schmerzen

Erkrankungen des Bewegungsapparats führen zu bewegungsabhängigen und auch Ruheschmerzen. Eine präoperative Schmerzchronifizierung sowie schmerzbedingte psychische Auffälligkeiten können das Ausmaß perioperativer Schmerzen und letztlich das Outcome negativ beeinflussen [60]. Präoperativ ist daher in jedem Fall neben der Schmerz- auch eine Medikamentenanamnese obligat.
Die Langzeittherapie mit Analgetika kann zu einer Toleranzentwicklung führen, die sich in der perioperativen Phase in einem gesteigerten Schmerzmittelbedarf äußert [40].
Die dauerhafte Analgetikatherapie führt nicht selten zu Begleiterkrankungen, wie gastrointestinalen Ulzerationen (z. B. NSAID), Gerinnungsstörungen (z. B. ASS, Marcumar), aber auch physischer und psychischer Abhängigkeit. Bei der Anamneseerhebung muss daher gezielt nach Medikamentennebenwirkungen gefragt und diese ggf. durch weiterführende Untersuchungen abgeklärt werden.
Die präoperative Beurteilbarkeit kann durch chronische Schmerzen eingeschränkt sein. So vermeiden z. B. Patienten mit Koxarthrose häufig schmerzauslösende Belastungen wie das Treppensteigen. Auch eine ergometrische Funktionsdiagnostik zur Überprüfung der kardialen Belastbarkeit ist meist nicht möglich.
Die Lagerung zur Operation kann durch Schmerzsyndrome erheblich erschwert werden. Der Anästhesist muss daher ein wirkungsvolles Analgesiekonzept erstellen, um bereits die Lagerung für die Anästhesieeinleitung zu ermöglichen. Weiterhin muss frühzeitig ein multimodales Analgesiekonzept für die postoperative Phase etabliert werden (Kap. „Postoperative Schmerztherapie: Grundlagen, Organisation und Ausblick“).

Eingriffe mit großem Blutverlust

Operationen an Wirbelsäule, Becken und Hüfte sowie die Tumorchirurgie können mit hohen Blutverlusten einhergehen. Neben einem erweitertem hämodynamischen Monitoring, großlumigen venösen Zugängen und einer postoperativen Intensivüberwachung ist es daher notwendig, perioperative Transfusionskriterien zu definieren sowie für die Bereitstellung ausreichender Mengen von Blutkonserven zu sorgen [69].
Allerdings ist die Gabe von allogenen Konserven u. a. mit den Risiken von transfusionsassoziierten Infektionen, allergischen Reaktionen und einer Immunmodulation verbunden [53]. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, Konzepte zur Einsparung allogener Konserven zu entwickeln.
Maßnahmen zur Einsparung allogener Konserven
  • Präoperativ
    • Eigenblutspende [34]
    • Anwendung eines restriktiven Transfusionstriggers (Hb-Wert für ältere Patienten ohne wesentliche Komorbiditäten 8 g/dl; für jüngere Patienten 7 g/dl; [39, 64])
    • Therapie mit rekombinantem humanen Erythropoetin (EPO; Tab. 1) bei Patienten mit präoperativer Anämie [45]
      Tab. 1
      Konzepte zur Reduktion allogener Transfusionen
      Maßnahme
      Eingriff
      Transfusionsbedarfa
      Eigenblutspende
      Hüft-TEP
      Knie-TEP
      50–86 % ↓ [24]
      22–50 % ↓
      Hämodilution
      Hüft-TEP
      Wirbelsäulenoperation
      34 % ↓
      30–42 % ↓
      Erythropoetin
      Knie-TEP
      Hüft-TEP
      29–37 % ↓
      22–66 % ↓
      Kontrollierte Hypotension
      Hüft-TEP
      Wirbelsäulenoperation
      45 % ↓
      58 % ↓
      Maschinelle Autotransfusion
      Knie-TEP
      Hüft-TEP
      Wirbelsäulenoperation
      22–50 % ↓
      25–38 % ↓
      0 % [17] bis 35 % [6] ↓
      Antifibrinolytika
      Hüft-TEP; Beckenoperation; Femurersatz
      Knie-TEP
      25–56 % ↓ [11]
      55 % ↓ [35]
      Autotransfusion von Wundblut
      Nicht empfehlenswert [55]
      amaximaler Effekt
  • Perioperativ
    • Normovolämische Hämodilution [66]
    • Kontrollierte Hypotension
    • Gabe antifibrinolytisch wirksamer Medikamente wie Tranexamsäure [35]
    • Maschinelle Autotransfusion (MAT) zur Aufbereitung von aus dem Operationsfeld abgesaugtem Wundblut
    • Aufrechterhaltung der Normothermie [31]
Die MAT kann auch im Notfall oder bei unvorhergesehenen Blutungskomplikationen eingesetzt werden, ist jedoch kostenintensiv und bei bakteriell kontaminiertem Wundblut nicht anwendbar. Bei onkologischen Prozessen ist das Verfahren prinzipiell einsetzbar, allerdings muss das gewonnene Blut zur Elimination von Tumorzellen vor der Retransfusion bestrahlt werden. Der Einsatz der MAT in der Tumorchirurgie hat sich daher in der klinischen Praxis nicht etabliert.
Die Rücktransfusion von Drainageblut ist nicht empfehlenswert, da die Qualität des Drainagebluts aufgrund von Hämolyse und Verdünnungseffekten gering ist und die Gefahr einer Gerinnungsaktivierung sowie der Einschwemmung biologisch aktiver Substanzen (z. B. Zytokine) besteht [55].
Auch das Anästhesieverfahren kann den intraoperativen Blutbedarf beeinflussen. So scheint der Blutverlust bei Anwendung der Regionalanästhesie für Knieoperationen geringer zu sein als bei Allgemeinanästhesie [67].
Die höchste Effektivität zur Einsparung allogener Transfusionen liegt jedoch in einer individuell geplanten Kombination mehrerer Maßnahmen, wie z. B. Eigenblutspende, Aufrechterhaltung der Normothermie und MAT [13].

Rheumatoide Arthritis

Die rheumatoide Arthritis (syn. primär chronische Polyarthritis) ist durch eine immunologisch vermittelte Synovialitis, die zu Arthritis, Bursitis und Tendovaginitis führt, charakterisiert. Der progrediente Verlauf induziert eine Erosion von Knorpel- und Knochengewebe, die zur Destruktion der Gelenke mit Deformierung, Subluxation und Instabilität führt [59]. Die Inzidenz beträgt ca. 2 %, wobei Frauen 2- bis 3-mal häufiger betroffen sind als Männer. Der Erkrankungsgipfel liegt zwischen dem 55. und 75. Lebensjahr, es sind aber juvenile Formen beschrieben.
Wesentliche extraartikuläre Organmanifestationen sind Herzinsuffizienz, Perikarditis und pulmonale Fibrose. Zahlreiche Patienten entwickeln eine normozytäre, hypochrome Anämie und Muskelschwäche, im Spätstadium kann eine Amyloidose zur Niereninsuffizienz führen. Kompliziert wird die Krankheit durch eine gestörte Temperaturregulation, eine schwere Granulozytopenie (Felty-Syndrom) sowie ein Sicca-Syndrom.
Die Patienten sind zumeist hochdosiert mit Analgetika und auch Glukokortikoiden behandelt. In schweren Fällen und akuten Schüben erhalten die Patienten zusätzlich Chemotherapeutika oder Immunsuppressiva und sind daher in hohem Maße infektionsgefährdet. Die medikamentöse Therapie kann zudem die Wahl des Anästhesieverfahrens beeinflussen (z. B. ASS).
Präoperativ muss der Patient unter besonderer Berücksichtigung der kardialen und pulmonalen Funktionen gezielt voruntersucht werden (Tab. 2). Die Medikamentenanamnese ist wesentlich, da zahlreiche Patienten unter Nebenwirkungen der Medikation leiden (z. B. Cushing-Syndrom, Analgetikanephropathie; [41]).
Tab. 2
Voruntersuchungen bei Patienten mit rheumatoider Arthritis und ankylosierender Spondylitis. (Nach: [59])
Untersuchunga
Grund: Ausschluss häufiger Begleiterkrankungen
Hämatologie
Anämie bei ineffektiver Erythropoese; gastrointestinale Blutung und Medikamententoxizität
Nierenwerte und Elektrolyte
Niereninsuffizienz; Medikamententoxizität
Leberenzyme, -funktionstests
Hypalbuminämie; Medikamententoxizität
Arrhythmie; Erregungsleitungsstörungen; Ischämie etc.
Thoraxröntgenbild
Pulmonale Fibrose; Herzkontur; Kyphoskoliose
Zusätzlich bei anamnestischen Hinweisen
Echokardiografie
Perikarditis; Herzklappendysfunktion, Kardiomyopathie bei Amyloidose
Lungenfunktionsprüfung, Blutgasanalyse
Ausschluss pulmonaler Funktionsstörungen
HWS-Röntgenbild
Deformität; Wirbelkörpersubluxation
Indirekte Laryngoskopie
Ausschluss einer Beteiligung der Krikoarytenoidknorpel [41]
aIn Abhängigkeit von Erkrankungsschwere und Umfang des operativen Eingriffs
Vor Einleitung der Anästhesie sollte bei fortgeschrittenen Fällen ein Lagerungsversuch des wachen Patienten zur Feststellung der optimalen Lage während der Operation erfolgen, um so das Risiko lagerungsbedingter Frakturen der Wirbelsäule zu reduzieren [59]. Darüber hinaus ist die Positionierung des Kopfs in Protrusionshaltung angeraten, um einer atlantoaxialen Subluxation vorzubeugen [65].
Aufgrund der Deformität und Bewegungseinschränkung der Gelenke ist die Kanülierung von (peripheren) Venen und Arterien häufig problematisch.
Bei Instabilität der HWS oder des atlantoaxialen Überganges sowie bei eingeschränkter Mundöffnungsfähigkeit aufgrund Funktionseinschränkung des Kiefergelenks ist die fiberoptische Intubation beim wachen Patienten die Methode der Wahl (Abb. 2). Weiterhin haben ca. 25 % der Patienten laryngeale Veränderungen bei Beteiligung der Krikoarytenoidknorpel mit Subluxation und Kompression der Stimmbänder, die den Intubationsvorgang erschweren können.
Da die Wirbelsäule nur selten arthritische Veränderungen aufweist, sind rückenmarknahe Anästhesieverfahren empfehlenswert. Allerdings ist die Lagerung auf dem Operationstisch für den rheumatischen Patienten im Wachzustand sehr belastend, besonders bei länger dauernden Operationen.

Ankylosierende Spondylitis

Die ankylosierende Spondylitis (AS; Synonym: M. Bechterew oder Spondylitis ankylopoetica) ist durch eine chronisch-proliferierende Synovitis mit Kapselfibrosen und Ossifikationen insbesondere der Wirbelsäule gekennzeichnet (Abb. 3).
Die AS weist eine Prävalenz von 1 % beim männlichen und 0,5 % beim weiblichen Geschlecht sowie eine familiäre Häufung auf. Die Erkrankung tritt meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auf. Die Ätiologie ist nicht genau geklärt. Eine genetische Disposition wird vermutet, da über 90 % der Patienten das HLA-B27-Antigen tragen. Weiterhin wurden auf zahlreichen Chromosomen (z. B. 1q, 2q, 9p und 10q) Kandidatengene für die AS gefunden [57]. Zudem könnten auch Umweltfaktoren (bislang nicht identifizierte bakterielle und virale Faktoren), Geschlecht, Alter und ethnische Zugehörigkeit zur Auslösung des chronisch entzündlichen Prozesses führen [71].
Klinisch imponieren starke Kreuz- und Gesäßschmerzen sowie eine progrediente Versteifung von Wirbelsäule und Thorax bei ausgeprägter Kyphosierung (Abb. 4). Aufgrund der Ankylosierung des Thorax entwickelt sich häufig eine restriktive Ventilationsstörung. Die Intubation kann durch die reduzierte Beweglichkeit der HWS sowie, in bis zu 30 % der Fälle, durch eine eingeschränkte Mundöffnung bei temporomandibulärer Ankylose erheblich erschwert sein [71].
Cave
Trotz der Ankylosierung der Wirbelsäule sind bereits bei geringen Traumata oder einer Reklination Frakturen von zervikalen Wirbelkörpern möglich.
Bei 25 % der Patienten treten neurologische Störungen auf. Ursachen sind eine Kompression des Rückenmarks und der Spinalnervenwurzeln, ein Cauda-equina-Syndrom und Läsionen der peripheren Nerven.
Bei längerem Krankheitsverlauf treten in bis zu 10 % der Fälle kardiale Reizleitungsstörungen, eine Aortenklappeninsuffizienz sowie eine Aortitis auf. Zudem ist das Risiko eines Myokardinfarkts erhöht.
Die präoperative Patientenevaluierung folgt den Standards der DGAI [19]. Aufgrund der häufigen kardialen Beteiligung ist ein EKG obligat und eine kardiologische Konsiliaruntersuchung zu erwägen. Bei Patienten mit Dyspnoe oder anderen klinischen Zeichen einer Ventilationsstörung kann eine Lungenfunktionsprüfung zur Identifizierung einer pulmonalen Leistungseinschränkung indiziert sein. Bestehende neurologische Defizite sollten präoperativ dokumentiert werden. Da die Patienten zumeist mit NSAID analgetisch therapiert sind, ist eine genaue Medikamentenanamnese wesentlich. Neuere Therapieschemata beinhalten die Gabe von TNFα-Blockern, unklar ist bislang jedoch, ob diese zu einem erhöhten Infektionsrisiko führen und perioperativ abgesetzt werden sollten [71].
Vor der Narkoseeinleitung sollte – wenn möglich – ein Lagerungsversuch zur Feststellung der optimalen Lage während der Operation erfolgen. Die Punktion von zentralen Venen im Kopf-Hals-Bereich kann aufgrund der Versteifung der Gelenke und ausgeprägter Kyphosierung erheblich erschwert sein.
Dem Atemwegsmanagement kommt bei AS-Patienten aufgrund der Ankylosierung der Halswirbelsäule sowie des temporomandibulären Gelenks größte Bedeutung zu. Im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf ist die fiberoptische Intubation beim wachen Patienten zur Sicherung der Atemwege angezeigt. Alternativ können eine (Intubations)larynxmaske aber auch andere technische Hilfsmittel, wie Videolaryngoskope, verwendet werden.
Die Anlage rückenmarknaher Regionalanästhesien ist nicht grundsätzlich kontraindiziert, kann jedoch aufgrund des ossifizierten Bandapparats der Wirbelsäule technisch schwierig oder sogar unmöglich sein. Darüber hinaus ist das Komplikationsrisiko für die Spinal- und Periduralanästhesie insgesamt erhöht. Zur Überwachung der neurologischen Funktionen wird bei ausgeprägter zervikaler Spondylitis oder bei chirurgischer Manipulation an der Wirbelsäule die Ableitung somatosensorisch sowie motorisch evozierter Potenziale empfohlen. Zur klinischen Überprüfung der neurologischen Funktionen sollte die Narkose möglichst zügig beendet werden.

Muskelerkrankungen

Erkrankungen der Skelettmuskulatur sind mit einer Prävalenz von 1:1500 eher selten [20]. Allerdings besteht bei dieser Gruppe von Erkrankungen relativ häufig die Notwendigkeit einer operativen Korrektur von begleitenden knöchernen Fehlbildungen bzw. ligamentären Kontrakturen. Relevant für den Anästhesisten ist dabei die Kenntnis von Komorbiditäten, wie kardialen, pulmonalen sowie metabolischen Störungen (z. B. Glykogenosen). Perioperativ weisen Patienten mit muskulären Erkrankungen eine Vielzahl anästhesierelevanter Besonderheiten auf (Kap. „Anästhesie bei Patienten mit Myopathien“), dies sind u. a.
  • kardiale Störungen (Herzinsuffizienz, Rhythmusstörungen, myokardiale Dilatation etc.),
  • pulmonale Störungen (Restriktion, gestörter Schluckakt, rezidivierende Aspirationspneumonie etc.),
  • anatomische Besonderheiten (Gelenkfehlstellungen, Kontrakturen etc.),
  • Myotonie und Skelettmuskelrigidität,
  • abnorme Reaktionen auf Anästhetika [insbesondere Muskelrelaxanzien, aber auch Barbiturate (myotone Reaktionen) oder Propofol (Cave bei Mitochondriopathien)], Rhabdomyolysen,
  • Disposition zu maligner Hyperthermie (genetisch belegt nur für „Central Core Disease“ und „King-Denborough-Syndrom“),
  • Progression der Erkrankung (z. B. Muskeldystrophie Duchenne).
Präoperativ muss daher bei allen Patienten eine umfassende Anamnese und körperliche Untersuchung erfolgen. Je nach Schweregrad der Komorbiditäten können weitere diagnostische Maßnahmen wie Echokardiographie oder Lungenfunktionsprüfung indiziert sein. Zudem kann ein Lagerungsversuch beim wachen Patienten sinnvoll sein. Es sind sowohl allgemein- als auch regionalanästhesiologische sowie kombinierte Verfahren möglich. Hierbei ist jedoch individuell zu prüfen, welche Technik das beste Konzept bietet. Bei der Medikamentenwahl muss der zugrundeliegenden Pathologie ebenso Rechnung getragen werden (z. B. Kontraindikation für Succinylcholin bei Muskeldystrophie; Kap. „Anästhesie bei Patienten mit Myopathien“) wie der Wahl des Monitorings (TEE, neuromuskuläres Monitoring etc.). Postoperativ empfiehlt sich eine intensivierte Überwachung und frühzeitige Physiotherapie.

Thromboembolische Komplikationen

Cave
Patienten mit großen operativen Eingriffen an der unteren Extremität und traumatologische Patienten gelten als hochgradig gefährdet hinsichtlich thromboembolischer Komplikationen.
Die Letalität durch eine Lungenembolie liegt nach orthopädischen Operationen bei 0,1 %. Während das Risiko einer Thromboembolie bei Operationen der Wirbelsäule und der oberen Extremität mit <5 % gering ist, wurden nach elektivem Hüftgelenkersatz in 40 % und bei Kniegelenkersatz in über 80 % der Fälle Thrombosen nachgewiesen. Diese Raten können bei entsprechender Disposition (Adipositas, Varikosis etc.) sowie bei langen Operationszeiten, Hypothermie, Hypovolämie und großen Blutverlusten weiter ansteigen.
Eine effiziente Thromboembolieprophylaxe ist daher von elementarer Bedeutung. Die Gabe von niedermolekularen (NMH) als auch von unfraktionierten (UFH) Heparinen bewirkt eine Risikominderung von 71 % gegenüber unbehandelten Patienten. Die empfohlene Dosierung des NMH (z. B. Clexane) wird mit 1-mal 4000 IU bis 2-mal 3000 IU täglich angegeben. Aspirin und Dextran haben hingegen nur einen geringen Effekt. Rekombinantes Hirudin konnte die Inzidenz von tiefen Beinvenenthrombosen im Vergleich zum Heparin zwar um 16 % reduzieren, ist aber noch keine klinische Routine [16, 37].
Eine Alternative stellt die perioperative Gabe von Fondaparinux dar. Die Substanz ist ein vollsynthetisch hergestelltes Pentasaccharid, das zu einer selektiven Inhibition von Faktor Xa führt, ohne jedoch Thrombin (Faktor IIa) zu inhibieren. Fondaparinux wird, beginnend nach 6 h, postoperativ in einer Dosierung von 2,5 mg gegeben, höhere Dosierungen senken die Thromboembolierate nicht, steigern allerdings die Häufigkeit von Blutungskomplikationen. Bei schwerer Niereninsuffizienz (Kreatininclearance <30 ml/min) ist Fondaparinux kontraindiziert. Die Sicherheit der Substanz bei kontinuierlichen rückenmarknahen Regionalverfahren ist nicht abschließend geklärt [23]. Auch die neuen Antithrombotika Rivaroxaban und Dabigatran werden erst postoperativ appliziert, wobei hier die empfohlenen Zeitintervalle zwischen Operation und Therapiebeginn einzuhalten sind (Kap. „Intraoperativer Volumenersatz, Transfusion und Behandlung von Gerinnungsstörungen“). Dies gilt insbesondere bei Anlage neuroaxialer Blockadeverfahren (Kap. „Rückenmarknahe Regionalanästhesie: Spinalanästhesie“ und Kap. „Rückenmarknahe Regionalanästhesie: Periduralanästhesie“; [22]).
Bei Patienten mit heparininduzierter Thrombozytopenie ist die Therapie mit Argatroban alternativ möglich [62], welches reversibel am aktiven Zentrum des Thrombins bindet und somit die Gerinnungskaskade hemmt. Vergleichsstudien belegen eine hohe Effektivität mit signifikant reduzierter Rate an thromboembolischen Komplikationen, bei hepatischer Insuffizienz kann es jedoch zur Kumulation kommen.
Auch das Anästhesieverfahren kann die Thromboserate beeinflussen. So traten nach Periduralanästhesien für Hüftarthroplastien signifikant seltener Thrombosen auf als nach Allgemeinanästhesien [44].
Auch wenn das Risiko der Regionalanästhesien bei Patienten unter Antikoagulation als gering einzuschätzen ist, müssen bei der Anlage zentraler Nervenblockaden Vorsichtsmaßnahmen beachtet werden (Kap. „Rückenmarknahe Regionalanästhesie: Anatomie, Physiologie, Kontraindikationen, Komplikationen, Antikoagulation“).
Entsprechend den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) sollte bei UFH eine Zeitspanne von 4 h und bei NMH von 10–12 h zwischen Heparingabe und periduraler/spinaler Punktion eingehalten werden [22]. Zudem müssen Sicherheitsabstände zwischen der Gabe von Antithrombotika und der Entfernung rückenmarknaher Regionalanalgesiekatheter beachtet werden (Kap. „Rückenmarknahe Regionalanästhesie: Anatomie, Physiologie, Kontraindikationen, Komplikationen, Antikoagulation“).

Allgemeine anästhesiologische Aspekte in der Unfallchirurgie und Orthopädie

Lagerung

Ziele der Lagerung sind, einerseits das operative Vorgehen zu ermöglichen und andererseits den individuellen Bedürfnissen des Patienten zu entsprechen (Vermeidung eines Lagerungsschadens). Die Zusammenarbeit von Anästhesist, Chirurg und Pflegedienst ist dabei von elementarer Bedeutung.
Die Lagerung wird in der Regel standardisiert durchgeführt. Allerdings erfordern Vor- und/oder Grunderkrankungen der Patienten häufig Modifikationen (z. B. bei eingeschränkter Beweglichkeit der Gelenke oder Malformationen). Die Lagerung kann in diesen Fällen anspruchsvoll und zeitintensiv sein.
Der Patient sollte im Rahmen der Prämedikationsvisite regelhaft auf seine Lagerungsfähigkeit hin untersucht und über die Besonderheiten sowie Risiken der Lagerung unterrichtet werden. Darüber hinaus muss frühzeitig geklärt werden, ob durch eine spezielle Lagerung auch das intraoperative Monitoring beeinflusst wird.
Vorbereitende Maßnahmen zur Lagerung
  • Anamneseerhebung
  • Körperliche Untersuchung (Wirbelsäule, Gelenkbeweglichkeit etc.)
  • Dokumentation neurologischer Defizite und/oder Bewegungseinschränkungen
  • Aufklärung des Patienten über die Lagerungsmaßnahmen und -risiken
  • Dokumentation der Befunde und Gesprächsinhalte
  • Definition der Lagerungsanforderungen für den Eingriff
  • Einschätzung der Operationsdauer
  • Kontrolle der Lagerungsmaterialien
  • Festlegung des Monitorings in Abhängigkeit von der Lagerung
Voraussetzung für jedes Umlagerungsmanöver ist die genaue Kenntnis der physiologischen Veränderungen durch die Maßnahme, z. B. auf das kardiovaskuläre System oder die Lungenfunktion. Die komplikationslose Durchführung der Umlagerung erfordert geschultes Personal und eine klare Aufgabenverteilung. Der Operationstisch muss den Erfordernissen entsprechend präpariert werden, sämtliche Lagerungsutensilien müssen bereitstehen und vor dem Einsatz auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft werden.
Während des Lagerungsvorgangs kommt der Sicherung des Endotrachealtubus oder alternativen Instrumenten zur Atemwegssicherung (Larynxmaske etc.) beim beatmeten Patienten sowie aller Zugänge größte Bedeutung zu. Zug und Druck auf die Extremitäten sowie Überdehnung der Gelenke müssen vermieden werden. Intraoperativ ist die Lagerung wiederholt zu überprüfen. Lagerung sowie Lagekontrollen müssen vom Anästhesisten detailliert im Anästhesieprotokoll dokumentiert werden.
Am Ende der Operation werden die Patienten wieder auf den Rücken gelagert. Hierbei können intravasale Volumenverschiebungen zur Kreislaufinstabilität führen, sodass vor dem Umlagern der Volumenstatus optimiert werden muss. Spätestens im Aufwachraum ist zu überprüfen, ob lagerungsbedingte Schädigungen vorliegen.

Spezielle Lagerungsformen

Rückenlagerung
Für die Rückenlagerung wird der Kopf so gelagert, dass die Halswirbelsäule eine Neutralposition einnimmt; durch adäquate Polsterung werden Druckstellen vermieden (z. B. Gelring). Die Arme werden zumeist in 60°- bis maximal 90°-Winkelstellung ausgelagert, die Handflächen befinden sich hierbei in Supinationsstellung. Wichtig ist auch hier eine Polsterung, um Schäden an Plexus und peripheren Nerven zu vermeiden. Alternativ werden ein oder beide Arme entsprechend den operativen Planungen angelagert. In diesen Fällen muss ein Armschutz verwendet werden. Die Beine werden leicht angewinkelt (z. B. durch Unterlage einer Knierolle) und die Fersen zur Vermeidung von Drucknekrosen gut gepolstert (Kap. „Perioperative Lagerung des Patienten“).
Seitenlagerung
Die Seitenlage ist eine häufige Lagerung in der Orthopädie und wird bei Hüft-, aber auch bei Wirbelsäulenoperationen genutzt (Abb. 5), die Umlagerung erfolgt koordiniert mit mehreren geschulten Helfern. Beim Lagerungsvorgang wird insbesondere auf eine achsengerechte Drehung von Kopf, Schultern, Rumpf, Becken und Beinen geachtet. Nach der Drehung muss der Patient gehalten werden, bis seitliche Stützen einen festen Halt sichern. Kopf und Thorax müssen mit weichen Rollen unterfüttert werden, zwischen die Beine werden Kissen gelegt (Abb. 6). Um Druckschäden zu verhindern, ist eine weiche Polsterung der abhängigen Körperpartien essenziell. Der obere Arm wird auf eine gepolsterte Stütze gelagert, der untere Arm wird abduziert und druckfrei positioniert.
Bauchlagerung
Nach Einleitung der Anästhesie in Rückenlage erfolgt der Umlagerungsvorgang unter Mithilfe von mindestens vier hierfür ausgebildeten Personen [2]. Bei der Bauchlage (Abb. 7; Kap. „Perioperative Lagerung des Patienten“) kann durch Kompression der intraabdominelle Druck steigen und der venöse Rückfluss behindert werden. Daher muss das Abdomen durch Unterfütterung des Thorax sowie des Hüftgürtels entlastet werden, dies ist insbesondere bei adipösen Patienten essenziell. Die Arme werden seitlich an den Körper angelegt oder auf gepolsterten Armstützen gelagert (Cave: Schäden des Plexus cervicalis und brachialis sowie von peripheren Nerven; Abb. 8; [48]).
Cave
Die Bauchlagerung birgt eine Reihe von speziellen Gefahren, wie Visusverlust durch direkte Bulbuskompression, Läsion von Gesichtsnerven und Haut, Distorsion von Gelenken, Ödembildung sowie Schädigungen des Zervikalmarks [29]. In seltenen Fällen wurde ein Glottisödem nach Bauchlagerung beschrieben.
Es empfiehlt sich die Verwendung von weichen Gesichtskissen mit Aussparungen für Augen, Nase und Tubus (Abb. 9). Durch die Kopflagerung in Neutralposition kann die Gefahr von HWS-Schäden reduziert werden. Auch Verletzungen von Mammae und Genitalien sowie von großen Gelenken sind möglich.
Die Knie-Ellenbogen-Lagerung (Abb. 10) ist eine extreme Variante der Bauchlagerung, die durch eine besondere Belastung für Hüft- und Kniegelenke gekennzeichnet ist. Durch das Abknicken des Gefäß-Nerven-Bündels besteht ein deutlich erhöhtes Risiko für Rhabdomyolysen und Kompartmentsyndrome. Auch letal verlaufende Luftembolien wurden nach dieser Lagerung beschrieben [10].
Beach-Chair-Lagerung
Die sitzende Position ermöglicht bei Schulteroperationen den anterioren und posterioren Zugang zum Schultergelenk bei mobiler oberer Extremität (Abb. 11). Zur Vermeidung einer akzidentellen Extubation müssen Kopf, Endotrachealtubus und Beatmungsschläuche fest fixiert werden. Der Kopf darf nicht weiter als 45° seitwärts geneigt werden, da sonst der Blutfluss in Karotiden und Vertebralarterien verringert werden kann. Das Aufrichten des Oberkörpers sollte langsam unter engmaschiger Kontrolle des Blutdrucks erfolgen, um Hypotensionen zu vermeiden. Diesem Mechanismus kann durch Infusionslösungen und Trendelenburg-Lagerung entgegengewirkt werden. Die Augen sollten zum Schutz vor direkter Kompression mit speziellen Augenklappen abgedeckt werden (Kap. „Anästhesie in der Neurochirurgie“).
Neben den hämodynamischen Nebenwirkungen und dem Risiko von Lagerungsschäden prädisponiert die sitzende Position für Luftembolien. Zur frühzeitigen Detektion eines embolischen Ereignisses empfehlen sich Kapnometrie, präkordialer Doppler und ggf. transösophageale Echokardiographie. Hohe PEEP-Niveaus (≥10 mbar) scheinen keinen Einfluss auf die Inzidenz von Luftembolien zu haben. Wichtige präventive Maßnahmen sind jedoch die Vermeidung intraoperativer Hypovolämien und der Verzicht auf N2O.
Extensionstisch
Der Extensionstisch wird bei der Reposition und Osteosynthese von Hüftgelenk- und Femurfrakturen eingesetzt. Er besteht funktionell aus 3 Teilen: der obere Teil trägt Kopf und Rumpf, der mittlere das Becken, der untere Teil bildet die Fußstütze (Abb. 12). Auf diesem Tisch wird die frakturierte Extremität extendiert, reponiert und osteosynthetisch versorgt. Die Lagerung ist für den Patienten schmerzhaft und nur in Narkose möglich. Eine besondere Gefährdung besteht durch den Dammpfosten als Widerlager; in diesem Bereich kann es zur Drucknekrosen kommen. Auch Kompartmentsyndrome sind nach Einsatz des Extensionstischs beschrieben worden.

Präoperative Schmerztherapie

Nach Traumen des Bewegungsapparats sollte eine präoperative Schmerztherapie mit Leitungs- oder Periduralanästhesie bereits vor der definitiven chirurgischen Versorgung erwogen werden. Neben der Schmerzlinderung kann z. B. durch eine N.-femoralis-Blockade die Lagerung eines Patienten mit Schenkelhalsfraktur deutlich erleichtert werden. Viele der Methoden sind technisch einfach und nebenwirkungsarm. Daher sollte individuell geprüft werden, ob eine präoperative Schmerztherapie möglich ist und die Indikation großzügig gestellt werden.
Bei elektiven Operationen bietet sich eine medikamentöse Therapie gemäß dem Management chronischer Schmerzen, mit NSAID sowie Opioidanalgetika in Kombination mit physikalischen und physiotherapeutischen Maßnahmen an [68]. Bei Operationen mit hohem postoperativen Schmerzniveau (z. B. Knieendoprothetik) und/oder schmerzhaften physiotherapeutischen Maßnahmen sind Katheterverfahren indiziert. Die multimodale Schmerztherapie verbessert dabei das Outcome insbesondere bei Hüft- und Knieendoprothetik [28].
Methoden zur präoperativen Schmerztherapie
  • Medikamentöse Therapie nach WHO-Stufenschema
  • Leitungsanästhesie
  • Plexusanästhesie (z. B. interskalenär vor Schulter- und Armoperationen)
  • Blockade des N. femoralis (z. B. bei Schenkelhalsfraktur)
  • Ischiadikusblockade
  • Periduralanalgesie

Regionalanästhesie vs. Allgemeinanästhesie

In Orthopädie und Traumatologie sind sowohl alle regionalanästhesiologischen Methoden, wie Spinal-, Peridural-, Kaudal-, Plexus- und Leitungsanästhesien, als auch die Allgemeinanästhesie möglich. Die Wahl des Verfahrens ist u. a. von der Präferenz des Patienten, der Lagerung sowie Art und Dauer des operativen Eingriffs abhängig und muss individuell geprüft werden. Sofern keine Kontraindikationen bestehen, scheinen regionalanästhesiologische Verfahren jedoch einige Vorzüge aufzuweisen ([26, 50]; Kap. „Regionalanästhesie: Indikationen, Vorbereitung, Evaluation, Nachsorge, Dokumentation“).
Vorzüge der Regionalanästhesieverfahren bei Eingriffen am Bewegungsapparat
  • Gezielte Anästhesie des Operationsgebiets
  • Geringere hämodynamische und pulmonale Belastung für den Patienten
  • Geringere Inzidenz von tiefen Beinvenenthrombosen und Thromboembolien [70]
  • Möglichkeit der postoperativen Schmerztherapie mit einem Katheterverfahren [50]
  • Bessere postoperative Vigilanz
  • Geringere Inzidenz von Übelkeit und Erbrechen
Zur Stressreduktion kann der Patient perioperativ zusätzlich leicht sediert werden. Gerade bei sehr betagten Patienten ist jedoch Vorsicht bei Gabe von Benzodiazepinen geboten, da paradoxe Reaktionen auftreten können.
Insbesondere bei kürzeren Eingriffen und bei geringem Blutungsrisiko ist die Regionalanästhesie zumeist die Methode der Wahl. Bei langdauernden Operationen und zu erwartenden großen Blutverlusten, bei aufwändigen Lagerungen sowie bei unkooperativen Patienten sollte hingegen die Allgemeinanästhesie, evtl. in Kombination mit einem regionalanästhesiologischen Verfahren, gewählt werden.

Kombination von Allgemein- und Regionalanästhesie

Bei zahlreichen operativen Eingriffen am Bewegungsapparat ist eine Kombination von Allgemein- und Regionalanästhesie indiziert. Die Methoden können sich insbesondere bei Verwendung von Katheterverfahren vorteilhaft ergänzen. So wird der Bedarf an Anästhetika reduziert und der Patient kann auch nach langen Eingriffen frühzeitig spontan atmen und extubiert werden. Zudem wird die Schmerztherapie intra- und besonders postoperativ optimiert und eine schmerzbedingte Sympathikusaktivierung vermieden.

Tourniquet – Ischämie und Reperfusion

Operationen an den Extremitäten werden häufig nach Anlage eines Tourniquets in Blutleere oder -sperre durchgeführt. Ziel ist die Blutfreiheit im Operationsgebiet und damit die Verbesserung der Operationsbedingungen. Nach Hochlagerung der Extremität wird der Tourniquet auf 200 mmHg (Arme) oder 300 mmHg (Beine) bzw. 100–200 mmHg oberhalb des systolischen Blutdrucks aufgepumpt. Den Vorzügen dieser Technik stehen zahlreiche Nebenwirkungen und Gefahren für den Patienten gegenüber.
Ischämie
Während der Ischämie kommt es innerhalb von 30–60 min zu einer Umstellung von aerobem auf anaeroben Stoffwechsel, gefolgt von einem Abfall der energiereichen Substrate ATP und Phosphokreatin sowie des intrazellulären pH auf Werte <6,5 (Tab. 3). Azidose und Hypoxie verursachen eine Störung der zellulären Integrität mit Freisetzung von Myoglobin, Kalium sowie Proteinen und Enzymen. Bei mehr als 60-minütiger Blutsperre bilden sich Sauerstoffadikale und Mediatorenkaskaden werden aktiviert, mit der Folge einer Permeabilitätszunahme insbesondere der postkapillären Venolen.
Tab. 3
Effekte von Ischämie und Reperfusion bei Verwendung von Tourniquets
Neurologische Effekte
• Suppression somatosensorisch evozierter Potenziale (innerhalb 30 min)
Schmerzen (bei Anwendung >60 min)
• Neuropraxie (bei Anwendung >120 min)
• Nervenschäden durch direkte Kompression
Muskulatur
• Zelluläre Hypoxie und Azidose (innerhalb von 8 min)
• Abfall energiereicher Substrate
• Kapilläres Leck
Systemische Effekte bei Anlage des Tourniquets
• Anstieg von arteriellem und pulmonalarteriellem Blutdruck
• Anstieg des zentralvenösen Drucks
• Anstieg der Körperkerntemperatur bei Abkühlung der Extremität
Systemische Effekte bei Ablassen des Tourniquets
• Abfall von arteriellem und pulmonalarteriellem Blutdruck
• Abfall des zentralvenösen Drucks
• Abfall der Körperkerntemperatur
• Metabolische Azidose; Hyperkaliämie
• Einschwemmung von sauren Metaboliten
• Anstieg der endtidalen CO2-Konzentration
• Anstieg des cerebralen Blutflusses
• Zerebrale Mikroembolien [63]
Weiterhin konnte nachgewiesen werden, dass 30 min nach Anlage des Tourniquets die somatosensorisch evozierten Potenziale (SSEP) an der Extremität durch Ischämie oder direkte nervale Kompression komplett unterdrückt wurden [7]. Nach Reperfusion zeigten die SSEP jedoch in der Regel eine vollständige Erholung.
Reperfusion
Cave
Mit Eröffnen des Tourniquets und der Reperfusion werden ischämiebedingte Metabolite in den Systemkreislauf eingeschwemmt, \( \dot{\mathrm{V}} \)O2 und \( \dot{\mathrm{V}} \)CO2 sowie die endtidale CO2-Konzentration steigen vorübergehend um bis zu 60–80 % an [43].
Der Anstieg der CO2-Konzentration könnte eine Zunahme des zerebralen Blutflusses verursachen, sodass vor der Anwendung eines Tourniquets bei Patienten mit erhöhtem intrakraniellen Druck gewarnt wurde. Weiterhin steigen die Laktat- und Kaliumwerte im Serum. Diese Effekte sind abhängig von der Dauer der Tourniquetanlage und bei den unteren Extremitäten stärker ausgeprägt als bei den oberen.
Aus Sicherheitsgründen sollten Blutgase und Elektrolyte im Serum nach längerer Blutsperre innerhalb von 5 min nach Deflation gemessen werden.
Hämodynamische Veränderungen
Das Auswickeln der Extremität bei Anlage des Tourniquets (Blutleere) führt zur Autotransfusion, gefolgt von einem Anstieg von ZVD und Blutdruck bis zu 30 % über den Ausgangswert (Tab. 3). In Allgemeinanästhesie tritt dieser Effekt bei 67 %, bei Spinalanästhesie jedoch nur bei 3 % der Patienten auf. Nach längerer Blutsperre kann der Einsatz von Vasodilatatoren zur Blutdrucksenkung indiziert sein.
Nach Deflation des Tourniquets sinken ZVD und arterieller Blutdruck innerhalb weniger Minuten bis unter die Ausgangswerte. Ursächlich hierfür sind u. a. die plötzliche Abnahme des peripheren Widerstands mit venösem Pooling als auch die ischämiebedingte Mediatorenfreisetzung. Hieraus ergibt sich ein erhöhtes Risiko für Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen.
Risiken der Tourniquetanwendung
Patienten unter Regionalanästhesie können nach mehr als 1-stündiger Blutsperre erhebliche Schmerzen und/oder Brennen in der betroffenen Extremität verspüren. Diese Schmerzsensationen können eine Deflation der Manschette oder die zusätzliche Allgemeinanästhesie erforderlich machen. Die Ursachen hierfür sind vermutlich multifaktoriell, die wahrscheinlichste Erklärung besteht jedoch in einer durch den Manschettendruck vermittelten Suppression inhibitorischer Aδ-Neurone bei unbeeinflusster Schmerzleitung der C-Fasern.
Der Tourniquetschmerz ist jedoch auch abhängig von der Manschettenbreite (schmal > breit), dem Inflationsdruck (hoch > niedrig) und dem spezifischen Gewicht des Lokalanästhetikums bei Leitungsanästhesie (hyperbar > isobar). Zur Vermeidung des Tourniquetschmerzes wurden neben der Berücksichtigung dieser Faktoren auch die intrathekale Verwendung von Clonidin sowie die topische Anwendung von EMLA-Creme empfohlen.
Eine weitere Gefährdung besteht in einer leichten, reversiblen Funktionsstörung (Neuropraxie) bis hin zur direkten Schädigung peripherer Nerven durch Kompression oder axonale Hypoxie [49]. Da dieser Effekt von der Zeitdauer der Anwendung abhängig zu sein scheint, wurde empfohlen, alle 90–120 min den Tourniquet für 5–15 min abzulassen, um eine Blutzirkulation zu ermöglichen.
Cave
Unter Blutsperre entwickeln sich in ca. 10 % der Fälle Venenthrombosen in der betroffenen Extremität [47].
Mehrfach wurden mittels transösophagealer Echokardiographie und transkranieller Dopplersonographie [63] Thromboembolien nach Tourniquetdeflation nachgewiesen, die mit einem Anstieg von pulmonalarteriellem Druck und pulmonalvaskulärem Widerstand assoziiert waren. Die Inzidenz von thromboembolischen Ereignissen betrug unabhängig von der Zeitdauer der Blutsperre und der Art der Operation zwischen 30 und 60 %. Ursächlich hierfür ist offenbar eine durch Mediatoren vermittelte Aktivierung von Koagulation und Fibrinolyse [54].
Es ist daher wesentlich, bei Operationen in Blutsperre eine wirksame Thromboembolieprophylaxe durchzuführen.
Bereits das „Auswickeln“ der Extremität kann zur Lungenembolie führen, wenn präoperativ eine tiefe Beinvenenthrombose bestand. Bei Risikokollektiven sollte daher auf die Blutleere verzichtet oder präoperativ eine Dopplersonographie der Beinvenen zum Ausschluss einer Thrombose durchgeführt werden.

Postoperative Schmerztherapie und Mobilisation

Postoperative Schmerzen beeinträchtigen nicht nur das Wohlbefinden des Patienten, sondern führen auch zu Störungen der pulmonalen, kardiovaskulären, endokrinen und gastrointestinalen Funktionen. Eine erschwerte Mobilisation kann zudem die Rehabilitation verzögern. Es ist Aufgabe des Anästhesisten in Zusammenarbeit mit den operativen Kollegen, geeignete Strategien zur Analgesie zu entwickeln und anzuwenden (Kap. „Postoperative Schmerztherapie: Grundlagen, Organisation und Ausblick“).

Systemische Schmerztherapie

Für die systemische Schmerztherapie stehen eine Vielzahl von Substanzgruppen zur Verfügung, sinnvoll ist eine Differenzierung zwischen Regel- und Bedarfsmedikation (Kap. „Postoperative Schmerztherapie: Systemische Analgesie“). Zur analgetischen Regelmedikation nach Operationen am Bewegungsapparat haben sich nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID), Pyrazolonderivate (Metamizol) und Anilinderivate (Paracetamol) bewährt.
Die NSAID vermitteln über eine Hemmung von Cyklooxygenasen eine Reduktion der Prostaglandinsynthese und wirken dadurch antiphlogistisch, antipyretisch und analgetisch. Postoperativ werden NSAID regelmäßig indiziert, da diese neben der analgetischen Potenz aufgrund der abschwellenden Wirkung die Gelenkbeweglichkeit verbessern und andererseits zu einer Reduktion unerwünschter Ossifikationen im OP-Bereich führen [5]. Allerdings ist der Einsatz dieser Präparate aufgrund zahlreicher Nebenwirkungen und Kontraindikationen eingeschränkt (z. B. Gerinnungsstörungen, Asthma bronchiale).
Bei der Akuttherapie starker postoperativer Schmerzen sind die Opioide intravenös appliziert als Bedarfsmedikation unverzichtbar. Die Applikation kann als Bolus (z. B. Piritramid 0,1 mg/kgKG) oder als PCA („patient controlled analgesia“) über spezielle Spritzenpumpen erfolgen [21].
Cave
Die subkutane, transdermale oder intramuskuläre Opioidgabe ist aufgrund der individuell sehr unterschiedlichen Resorption sowie des langsamen Wirkungseintritts nicht sinnvoll.

Regionale Schmerztherapie

Die peripheren und rückenmarknahen Analgesieverfahren haben in der Orthopädie und Unfallchirurgie einen hohen Stellenwert (Kap. „Postoperative Schmerztherapie: Regionale Analgesie“). Der Vorteil besteht in der zumeist einfachen Anwendung, wie der Infiltration des Wundgebiets, der intraartikulären Applikation von Lokalanästhetika [1, 46] und der Blockade peripherer Nerven [4].
In Kombination mit einem Katheterverfahren können diese Methoden auch zur postoperativen Schmerztherapie und Mobilisation fortgeführt werden. Bupivacain und Ropivacain eignen sich als langwirksame und gut verträgliche Substanzen für periphere als auch peridurale Analgesieverfahren. Eine einfache und effektive Methode zur Schmerzreduktion nach Operationen am Kniegelenk ist z. B. die Blockade des N.femoralis, die als PCA (z. B. Basisrate 5–12 ml/h Ropivacain 0,2–0,33 %; PCA-Bolus 2 ml/20 min in gleicher Konzentration) durchgeführt wird [50].
Die postoperative Schmerztherapie der Schulter sowie eine Schmerzreduktion bei der Physiotherapie kann über einen interskalenären Plexuskatheter erreicht werden. Zur Analgesie können 6–14 ml/h Ropivacain 0,25 % oder Bupivacain 0,25 % in einer Dosierung von 0,25 mg/kgKG/h verwendet werden. Für Arthrolysen können auch höhere Dosierungen indiziert sein, dann jedoch nur als Einzeldosis. Weiterhin sollte eine Gesamtdosis von 35–40 mg/h beim Normalgewichtigen nicht überschritten werden.
Die kontinuierliche peridurale Analgesie hat sich als exzellentes Verfahren in der postoperativen Schmerztherapie nach Eingriffen an der unteren Extremität bewährt. Durch die Möglichkeit, die Analgesie kurzfristig über Bolusgaben zu verstärken, können Bewegungsübungen und die Mobilisation von Gelenken erleichtert werden. Die peridurale Applikation von Analgetika ist auch durch den Patienten selbst möglich („patient-controlled epidural analgesia“, PCEA). Die peridurale Analgesie muss sich an den individuellen Bedürfnissen des Patienten orientieren, zudem bedarf es der Betreuung durch einen qualifizierten „Schmerzdienst“.

Spezielle anästhesiologische Aspekte bei unterschiedlichen Eingriffen

Obere Extremität

Eingriffe an der oberen Extremität können in Allgemein- und/oder Regionalanästhesie durchgeführt werden. Präoperativ eingelegte Plexuskatheter haben den Vorteil, die Schmerztherapie postoperativ effektiv fortführen zu können. Die Operationsdauer der Eingriffe liegt zwischen 5 (z. B. Repositionen, Arthrolysen) und 120 min (z. B. Endoprothetik). Das Blutungsrisiko ist in der Regel gering und besondere anästhesiologische Vorbereitungen zumeist nicht notwendig.

Operationen an Schulter und Oberarm

Operationen am Schultergelenk werden meist in Allgemeinanästhesie durchgeführt.
Die einzige regionalanästhesiologische Methode, die eine Ausschaltung der Nn. supraclaviculares ermöglicht, ist die interskalenäre Plexusblockade ([8]; Kap. „Periphere Regionalanästhesie: Plexus-brachialis-Blockaden“), die jedoch aufgrund der Gefahr einer spinalen oder periduralen Injektion nur vom geübten Anästhesisten angelegt werden sollte. Bei Schnittführung in die Axilla ist nicht selten eine zusätzliche Infiltration der Haut mit Lokalanästhetika notwendig.
Schulteroperationen erfolgen zumeist in Beach-chair-Lagerung, um eine freie Beweglichkeit des Gelenks zu erreichen. Das Aufrichten des Patienten in die sitzende Position sollte nur langsam und nach Volumensubstitution unter engmaschiger Blutdruckkontrolle erfolgen, da es hierbei zu ausgeprägten Volumenverschiebungen kommen kann. Weiterhin besteht in dieser Position prinzipiell die Gefahr von Luftembolien.
Zur postoperativen Schmerztherapie eignen sich neben systemischen Verfahren auch die kombinierte intraartikuläre Zufuhr von Ropivacain (90 mg) sowie Morphin (4 mg; [3]).

Operationen am Ellbogen

Für Operationen im Bereich des Ellbogens ist die supra- oder infraklavikuläre Blockade des Plexus brachialis mit seinen 4 Hauptnerven (N. medianus, N. ulnaris, N. radialis und N. musculocutaneus) das Verfahren der Wahl.
Bei der axillären Plexusblockade gelingt es demgegenüber nicht immer, eine komplette Analgesie zu erzielen. So kann es im Verlauf der Nn. musculocutaneus und intercostobrachialis zu unzureichender Anästhesie kommen, die eine selektive Blockade dieser Nerven erforderlich macht.

Operationen am Unterarm und der Hand

Für operative Eingriffe am Unterarm und der Hand eignen sich besonders die axilläre bzw. vertikal-infraklavikuläre (VIP) Plexusblockade. Bei unzureichender Wirkung können zusätzliche periphere Nervenblockaden den Anästhesieerfolg komplettieren.
Bestimmte Eingriffe können jedoch auch in alleiniger Blockade peripherer Nerven in Höhe des Ellenbogens, der Handwurzel oder der Finger erfolgen. Eingriffe am distalen Arm können auch in intravenöser Regionalanästhesie durchgeführt werden. Hierbei besteht methodisch bedingt die Gefahr, dass es bei akzidentellem Druckverlust des Tourniquets zu einer Einschwemmung von Lokalanästhetika in den Systemkreislauf kommt mit der Folge neurologischer und/oder kardialer Komplikationen.

Untere Extremität

Operative Eingriffe an der unteren Extremität können in Allgemein-, Regional- oder Leitungsanästhesie durchgeführt werden. Regionalanästhesiologische Verfahren weisen dabei einige Vorteile gegenüber der Allgemeinanästhesie auf, wie z. B. geringere hämodynamische und pulmonale Belastungen für den Patienten, eine geringere Inzidenz von tiefen Beinvenenthrombosen und Thromboembolien sowie die Möglichkeit der postoperativen Schmerztherapie durch Katheterverfahren (Abschn. 2.3). Die Spinalanästhesie scheint besonderes geeignet, da Analgesie und Muskelrelaxation besser ausgeprägt sind als bei Periduralanästhesie oder Plexusblockaden (Kap. „Periphere Regionalanästhesie: Spinalanästhesie“).
Die Operationsdauer kann in Abhängigkeit vom Eingriff stark variieren (z. B. Hüftkopfanbohrung vs. Umstellungsosteotomien). Für die anästhesiologische Planung (z. B. Wahl des Anästhetikums, „single-shot“ vs. kontinuierliche Spinalanästhesie, Monitoring) ist die genaue Kenntnis des operativen Ablaufs von großer Bedeutung.
Ähnliche Überlegungen gelten auch für Ausmaß und Zeitpunkt intraoperativer Blutungen. Bei ausgedehnten Tumorresektionen am Oberschenkel kann es bereits während des Eingriffs zu schwersten Blutungen kommen; bei Eingriffen in Blutsperre treten die Blutungen erst nach Lösen des Tourniquets auf. Bereits frühzeitig müssen adäquate Therapiekonzepte, wie präoperative Eigenblutspende, maschinelle Autotransfusion bzw. Bereitstellung von allogenen Blutkonserven, entwickelt werden [53, 55].

Operationen an Hüfte und Oberschenkel

Am häufigsten werden ältere (>65 Jahre) Patienten mit degenerativen Erkrankungen des Hüftgelenks oder Frakturen und entsprechenden altersbedingten Vorerkrankungen, sehr viel seltener Kinder mit angeborenen Fehlbildungen wie Hüftgelenksdysplasien an Hüfte und Oberschenkel operiert.
Bei Coxarthrosen und medialen Schenkelhalsfrakturen setzen die Operateure totale Endoprothesen (TEP) ein. Bei per- und subtrochantären Femurfrakturen werden die Patienten mit dynamischen Hüftschrauben (DHS) oder einem Markraumnagel (γ-Nagel) osteosynthetisch versorgt. Für den Eingriff werden die Patienten mit 2 großlumigen (ID >1,4 mm) Verweilkanülen und ggf. einem zentralvenösen Katheter sowie einem Blasenkatheter ausgestattet.
Bei Patienten mit Schenkelhalsfraktur ist die Anlage einer rückenmarknahen Regionalanästhesie erschwert, da die Patienten nur unter Schmerzen auf die Seite gelagert oder aufgerichtet werden können. Daher muss vor der Punktion für eine ausreichende Analgesie gesorgt werden (z. B. Blockade des N. femoralis). Eine Hilfskraft muss während der Drehung das betroffene Bein extendieren und achsgerecht rotieren, um eine Stauchung bzw. Verdrehung des Frakturspalts zu verhindern. Nach Anlage der Regionalanästhesie müssen die Patienten für den Eingriff auf einem Extensionstisch gelagert werden. Die Eingriffe verlaufen meist schnell (45–90 min) und gehen nur mit geringen Blutverlusten einher.
Eine suffiziente postoperative Schmerztherapie ist wesentlich, um eine zügige Mobilisierung der zumeist sehr alten Patienten zu ermöglichen.

Operationen am Knie

Die häufigsten Operationsindikationen im Bereich des Kniegelenks sind degenerative Erkrankungen sowie Traumata. Gonarthrosen treten im höheren Lebensalter auf und werden in der Regel endoprothetisch versorgt. Traumatische Kniegelenkschäden erleiden meist jüngere Patienten. Die operative Versorgung wird häufig arthroskopisch und in Blutsperre durchgeführt.
Arthroskopien sind meist kurzdauernde Eingriffe (<45 min), für die eine Spinalanästhesie mit kurzwirksamen Lokalanästhetika das Verfahren der Wahl darstellt. Alternativ ist aber auch eine Allgemeinanästhesie möglich, dann sollten kurzwirkende Anästhesiemethoden wie die „TCI“ mit Propofol und Remifentanil angewendet werden. Auf Muskelrelaxanzien kann für Arthroskopien in der Regel verzichtet werden, zur Sicherung der Atemwege eignet sich die Larynxmaske.
Die Implantation von Knieendoprothesen ist sowohl in Allgemein- als auch Regionalanästhesie möglich. Aufgrund der erheblichen postoperativen Schmerzen empfiehlt sich in jedem Fall die Verwendung eines Katheterverfahrens. Neben der Periduralanalgesie gewährleistet auch eine Schmerztherapie mit einem Katheterverfahren des N. femoralis, ggf. in Kombination mit Blockade des N. ischiadicus, eine suffiziente Analgesie und optimiert das funktionelle Operationsergebnis [12]. Die peripheren Techniken werden dabei zunehmend der PDA vorgezogen.
Ist eine längere und schmerzhafte postoperative Mobilisationsphase zu erwarten, sollte ein Periduralkatheter oder ein Katheter im Versorgungsbereich des N. femoralis zur Anästhesie und Schmerztherapie gelegt werden.
Der Blutverlust ist bei endoprothetischen Eingriffen am Knie zumeist geringer als 500 ml, aufgrund der intraoperativen Blutsperre treten Blutungen erst nach Lösen des Tourniquets und daher im Aufwachbereich auf.

Operationen an Unterschenkel und Fuß

Operationen am Unterschenkel und Fuß werden in Rücken- aber auch in Bauchlage (z. B. Achillessehnenoperation) durchgeführt. Bei Operationen in Rückenlage können sowohl die Allgemeinanästhesie als auch Spinal- und Periduralanästhesie, Nervenblockaden und die i.v.-Regionalanästhesie (Kap. „Periphere Regionalanästhesie: Blockaden im Bereich des Kniegelenks“ und Kap. „Periphere Regionalanästhesie: Blockaden im Bereich des Fußes“) eingesetzt werden. Bei Bauchlagerung lehnen einige Anästhesisten regionalanästhesiologische Verfahren, aufgrund der erschwerten Notfallversorgung im Fall von kardiorespiratorischen Komplikationen, ab. Allerdings ist die Inzidenz von Komplikationen bei Beachtung aller Kontraindikationen äußerst gering.
Bei Eingriffen am Fuß hat sich der Fußblock (Blockade der Nn. tibialis, saphenus und peroneus profundus et superficialis im Knöchelbereich, z. B. mit 25–40 ml Ropivacain 0,5 %) bewährt. Vorteile dieser Methode sind die geringe Invasivität, die verkürzte Verweildauer im Aufwachraum und die verlängerte postoperative Schmerzfreiheit für den Patienten.

Becken

Isolierte Beckenfrakturen sind eher selten. Sie sind häufig mit Verletzungen an Extremitäten, Schädel und Hirn sowie, in ca. 12 % der Fälle, an pelvinen Organen vergesellschaftet. In der Orthopädie hingegen werden zumeist bei onkologischen Patienten Teile des Beckens osteosynthetisch ersetzt.
Cave
Unabhängig von den Begleitverletzungen können Operationen am Becken lange dauern (6–12 h) und in diesen Fällen zu erheblichen Volumenverschiebungen führen.
Die Lagerung ist häufig erschwert. Intraoperativ kann es zu Massenblutungen (insbesondere Tumorchirurgie) kommen, neben der Bereitstellung ausreichender Mengen allogenen Bluts ist daher der Einsatz der maschinellen Autotransfusion angeraten.
Die Einleitung der Allgemeinanästhesie beim traumatologischen Patienten sollte immer als „rapid sequence induction“ (RSI) erfolgen, da bei stressbedingtem, paralytischem Ileus und/oder retroperitonealem Hämatom eine erhöhte Aspirationsgefahr besteht.
Der Patient muss mit mindestens zwei großlumigen Verweilkanülen ausgestattet werden, bei schwierigen peripheren Venenverhältnissen können auch Shaldon-Katheter oder großlumige ZVK indiziert sein (Tab. 4).
Tab. 4
Instrumentierung und Monitoring bei orthopädischen und traumatologischen Eingriffen
Kleine Eingriffea
EKG
• Nichtinvasive Blutdruckmessung
• Periphere Verweilkanüle
• Kapnometrie (bei Allgemeinanästhesie)
Optional:
• BIS-Monitoring
Mittlere Eingriffeb
Instrumentierung für kleine Eingriffe plus
• 1 weitere periphere Verweilkanüle
• Blasendauerkatheter
• Kontinuierliche Temperaturmessung
• Wärmemanagement (z. B. BairHugger oder WarmTouch)
• Bauchlage: Spiraltubus und Ösophagusstethoskop
Optional:
• Invasive Blutdruckmessung
• Präoperative Eigenblutspende
• Maschinelle Autotransfusion
• Postoperativ ggf. intensivmedizinische Überwachung
Große Eingriffec
Instrumentierung für mittlere Eingriffe plus
• Invasive Blutdruckmessung
Optional:
• Pulmonalarterienkatheter oder Pulskontouranalyse zur HZV-Messung
• Shaldon-Katheter
• Maschinelle Autotransfusion (Ausnahmen: Tumorchirurgie, Infektionen)
• Postoperativ intensivmedizinische Überwachung
az. B. Repositionen, Materialentfernungen, Arthroskopien, Probeexzisionen, Hand- und Vorfußoperationen
bz. B. Endoprothetik an Hüfte und Knie, Laminektomien, Bandscheibenoperationen
cz. B. Skolioseoperationen, Wirbelkörperresektionen, Beckenteilersatz, Tumorendoprothetik
Beckenringfrakturen werden in Bauch- und Rückenlage versorgt, Acetabulumfrakturen in Seitenlage. Intraoperativ muss der Patient in einigen Fällen umgelagert werden, um unterschiedliche operative Zugänge zu ermöglichen. Neben ausgeprägten Volumenverschiebungen kann aufgrund der langen Operationszeiten eine Hypothermie auftreten, daher ist die Wärmung des Patienten (z. B. WarmTouch) obligat. Die Perfusion der unteren Extremitäten kann bei der Osteosynthese gestört werden; eine zusätzliche Pulsoxymetrie an den Zehen des Patienten ermöglicht einen frühzeitigen Aufschluss über Schädigungen.
Postoperativ muss der Patient auf einer Intensivstation überwacht werden. Aufgrund der äußerst starken postoperativen Schmerzen sollte der Patient einen Periduralkatheter oder eine PCA erhalten.

Wirbelsäule

Indikationen zu operativen Eingriffen an der Wirbelsäule sind u. a. Skoliosen (Abb. 13), Spondylolisthesis, Frakturen und die Resektion von Tumormetastasen. Aus den unterschiedlichen Diagnosen und Operationsindikationen ergeben sich wesentliche Auswirkungen für die Anästhesieführung (z. B. Instrumentierung, Lagerung und Einlungenventilation).
Skoliosen sind in ca. 80 % der Fälle idiopathisch, ca. 20 % sind Folge neuromuskulärer Erkrankungen oder durch kongenitale Syndrome bedingt. Daraus folgt, dass Patienten mit einer Skoliose einerseits eine erhöhte Inzidenz von Begleiterkrankungen aufweisen, andererseits ergeben sich aus der Wirbelsäulendeformität Folgeerkrankungen. Hierbei sind insbesondere kardiorespiratorische Störungen von Bedeutung.
Cave
In Abhängigkeit von der Achsenfehlstellung kann es zu einer erheblichen Einschränkung der pulmonalen Total- und Vitalkapazität mit der Folge einer respiratorischen Globalinsuffizienz und letztlich der Entwicklung eines Cor pulmonale kommen [58].
Die respiratorische Insuffizienz kann noch durch neuromuskuläre Begleiterkrankungen intensiviert werden. Bei Spondylolisthesis, Spondylitiden sowie Wirbelsäulenmetastasen können die Patienten neurologische Störungen bis hin zum Querschnittsyndrom erleiden.
Cave
Bei Beteiligung der Halswirbelsäule (HWS) oder Systemerkrankungen wie dem Morquio-Brailsford-Syndrom kann die Reklination eingeschränkt sein und die Intubation muss fiberoptisch am wachen Patienten erfolgen.
Die Punktionsverhältnisse sind bei ausgeprägten Deformitäten ebenso wie die sachgerechte Lagerung erschwert.

Blutverlust

Cave
Eingriffe an der Wirbelsäule gehen häufig mit großen Blutungen einher. Der größte Blutverlust entsteht bei der Dekortikation der Wirbelsäule mit Präparation der Muskulatur, der Processus spinales und der Wirbelbögen. Die Blutungsmenge ist dabei der Zahl der freipräparierten Wirbelkörper proportional.
Auch im weiteren Operationsverlauf kann es zu ernsthaften Blutungen (>2000 ml), z. B. bei der Resektion von Tumormetastasen, kommen. Die Menge des Blutverlusts ist nur schwer messbar, da ein wesentlicher Teil des Bluts in OP-Tüchern und -Tupfern verbleibt. Daher ist ein adäquates hämodynamisches Monitoring essenziell (Tab. 4).
Strategien zur Reduktion der Blutungsmenge und des Transfusionsbedarfs
  • Präoperativ können eine Eigenblutspende bzw. eine normovolämische Hämodilution erfolgen
  • Maschinelle Autotransfusionssysteme [17]; (können bei Tumor- und Infektionserkrankungen nicht zum Einsatz kommen; Ausnahme: Bestrahlung von tumorzellhaltigem Wundblut vor der Retransfusion)
  • Der Operateur kann durch feste Einbringung von Tamponaden die Blutung aus der Muskulatur verringern
  • Bei der Bauchlagerung sollte das Abdomen nicht aufliegen sondern druckfrei hängen, um eine Stauung periduraler Venen zu vermeiden
  • Der Patient sollte ohne oder nur mit geringem PEEP beatmet werden, um den venösen Rückfluss nicht zu behindern
  • Der Einsatz der kontrollierten Hypotension zur Reduktion der intraoperativen Blutungen wird von einigen Autoren empfohlen [32]
Durch die medikamentös induzierte Hypotension in der blutungsintensiven Präparationsphase kann eine Senkung des Blutverlusts, eine Reduktion des Transfusionsbedarfs sowie eine Verkürzung der Operationszeiten erzielt werden. Allerdings ist die Methode nicht unumstritten, da dieses Verfahren ein potenzielles Risiko für die Perfusion des Rückenmarks darstellt und neurologische Störungen induzieren könnte. Diese These ist jedoch bislang nicht mit wissenschaftlichen Daten belegt.

Distraktion

Bei der Aufrichtung einer Skoliose erfolgt eine Distraktion aller die Wirbelsäule begleitenden Strukturen, wie Medulla, Nerven und Blutgefäße. Dies kann zur Minderperfusion der Medulla (Spinalis-anterior-Syndrom) und zu einer mechanischen Überdehnung von nervalen Strukturen führen. Sensible und motorische Ausfälle in abhängigen Körperpartien bis hin zum kompletten Querschnittsyndrom treten in 1–7 % der Fälle auf. Die zeitnahe Beurteilung der neurologischen Funktionen der unteren Extremität ist daher essenziell. Hierzu stehen 2 verschiedene Methoden zur Verfügung: die Messung somatosensorisch sowie motorisch evozierter Potenziale und ergänzend der intraoperative Aufwachtest [25, 42].
Messung evozierter Potenziale
Durch ein intraoperatives Monitoring mit somatosensorisch evozierten Potenzialen (SSEP) können neurologische Funktionsausfälle auch beim anästhesierten Patienten erfasst werden [42]. Zur Ableitung der SSEP wird der sensorische Reizimpuls an einem peripheren Nerv, z. B. am N. tibialis posterior, appliziert und kortikale Potenziale an der Kopfhaut registriert. Die Potenziale können aber auch subkortikal mit peridural platzierten Elektroden abgeleitet werden.
Cave
Das kontinuierliche Monitoring der SSEP erfasst nur die Signalübertragung der sensorischen Bahnen im posterioren und medialen Anteil des Rückenmarks. Durchblutungsstörungen aufgrund operativer Interventionen entstehen jedoch in der Regel in den anterioren Anteilen des Rückenmarks, sodass SSEP eine Schädigung in diesem Bereich nicht detektieren können. Darüber hinaus ist die Beurteilbarkeit der SSEP bei Hypothermie, Hypotonie und insbesondere bei Anwendung volatiler Inhalationsanästhetika eingeschränkt.
Um dieser Limitation zu begegnen, ist die zusätzliche Ableitung von motorisch evozierten Potenzialen (MEP) indiziert, da hierdurch eine unmittelbare Einschätzung der motorischen Funktionen erreicht wird [72]. Zur besseren Detektion des Signals ist die TIVA balancierten Anästhesieverfahren überlegen.
Intraoperativer Aufwachtest
Das Ziel des intraoperativen Aufwachtests besteht darin, die Patienten nach vollständiger vertebraler Instrumentierung (Abb. 14) kurzfristig erwachen zu lassen, um Sensibilität und Motorik der unteren Körperhälfte noch vor Beendigung der Operation sicher überprüfen zu können. Von entscheidender Bedeutung ist es daher, die Narkose so zu steuern, dass nach Aufforderung durch den Operateur die Patienten zügig erwachen und neurologisch beurteilbar sind.
Das Vorgehen des Aufwachtests muss dem Patienten bei der Prämedikationsvisite detailliert erläutert werden. Mit dem Operateur sollte ein ungefährer Zeitplan abgestimmt werden, an dem sich die Narkoseführung orientieren kann.
Medikamente
Zur Realisierung dieses Konzepts empfiehlt sich die Verwendung einer Kombination von kurzwirksamen Medikamenten. Die total intravenöse Anästhesie (TIVA) mit Propofol scheint eine besonders gute Steuerbarkeit für den Aufwachtest zu gewährleisten, da diese mit kurzen Aufwachzeiten verbunden sind. Mit der „target-controlled-infusion“ (TCI) werden hierbei geringere Dosen an Propofol benötigt, um eine vergleichbare Anästhesietiefe zu erreichen. Hierdurch lassen sich der Anästhetikaverbrauch reduzieren und die Aufwachzeiten beschleunigen [25].
Anstelle des Propofols können jedoch auch Desfluran oder Sevofluran eingesetzt werden, da auch diese Substanzen kurze Aufwachzeiten gestatten. Remifentanil mit einer kontextsensitiven Halbwertszeit von nur 3,5 min stellt eine ideale Ergänzung bei der TCI dar. Ist ein Aufwachtest geplant, muss nach der Lagerung des Patienten die weitere Gabe von Muskelrelaxanzien unterbleiben. Ein neuromuskuläres Monitoring ist obligat.
Technik des Aufwachtests
Nach Einbringen des Osteosynthesematerials wird die Infusion von Propofol beendet und die Infusion von Remifentanil auf 0,05–0,1 μg/kgKG/min reduziert. Der Patient wird in zeitlichen Abständen von 30 s angesprochen und aufgefordert zunächst die Hände zu bewegen. In den meisten Fällen zeigen die Patienten innerhalb von 5 min Reaktionen. Kommt der Patient der Aufforderung die Hände zu heben nach, wird er angewiesen beide Füße und Unterschenkel zu bewegen. Nach abgeschlossener neurologischer Untersuchung wird die Narkose unverzüglich durch Gabe von Propofol (3–4 μg/ml Plasmakonzentration im TCI-Modus) vertieft und die Infusion von Remifentanil auf die ursprünglichen Werte von 0,3–0,5 μg/kgKG/min eingestellt. Darüber hinaus sollte der Patient ein Benzodiazepin zur Amnesie erhalten.
Gefahren des Aufwachtests
Während des Aufwachtests bestehen einige Risiken und Gefahren, wie die Dislokation von Operationsinstrumenten und Kathetern, die akzidentelle Extubation, Bronchospastik sowie Schmerzen und Erinnerung an den Vorgang. Es ist daher wichtig, den Aufwachtest gut vorzubereiten und den Patienten in dieser Phase besonders aufmerksam überwachen.

Wirbelsäulenverletzungen

Einteilung
  • Bänder- und Bandscheibenverletzungen
  • Wirbelkörperfrakturen (Abb. 15 und 16)
  • Frakturen der Wirbelkörperbögen und Gelenkfortsätze
  • Reine Wirbelverrenkungen (betrifft meist die Halswirbelsäule)
  • Frakturen der Quer- und Dornfortsätze
  • Kombinationsverletzungen
Die Therapie der Wirbelsäulenverletzungen ist meist konservativ. Die funktionelle Behandlung zielt auf die Wiederherstellung der Funktion durch mehrwöchige Rückenlagerung kombiniert mit Physiotherapie. Alternativ werden bestimmte Verletzungen durch eine Extensionsbehandlung (Crutchfield-Klemme, Halo-Weste) therapiert. Die Indikation zur operativen Therapie wird bei drohenden oder bestehenden neurologischen Störungen gestellt.
Stabilisierende Eingriffe
Die Stabilisierung von Wirbelsäulenverletzungen kann temporär von dorsal oder als endgültige Fusion kombiniert von ventral und dorsal erfolgen (Spondylodese; Abb. 17).
Bei Verletzungen der Halswirbelsäule (HWS) trägt der Patient häufig einen Stiff-Neck oder eine Halo-Weste (Abb. 18). Diese dürfen zur Narkoseeinleitung nur entfernt werden, wenn eine Hilfsperson den Kopf stützt, bis dieser in einer Crutchfield-Klemme sicher fixiert ist. Die HWS darf zur Intubation nicht überstreckt werden, Standard ist daher die fiberoptische Intubation am wachen Patienten.
Zur dorsalen Stabilisierung müssen die Patienten auf den Bauch gelagert werden. Hierbei ist es von größter Bedeutung, eine Torsion oder Abknicken der Wirbelsäule zu vermeiden. Daher müssen Operateur und Anästhesist gemeinsam mit einer ausreichenden Anzahl von Helfern die Lagerung vornehmen. Für den ventralen Eingriff werden die Patienten erneut umgelagert, hierbei sind die gleichen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.
Bei Spondylodesen im Bereich der Brustwirbelsäule mit dorsoventraler Fusion sollten die Patienten mit einem Doppellumentubus versorgt und seitengetrennt beatmet werden, da die Ausschaltung des ipsilateralen Lungenflügels den ventralen Eingriff wesentlich erleichtert.
Stabilisierende Eingriffe werden zunehmend in 3D-Navigation mittels sog. O-Arm durchgeführt (Abb. 19). Hierbei liegen die Patienten mit angelagerten Armen in dem Gerät. Der Zugang zum Patienten ist für den Anästhesisten kaum möglich, daher müssen alle Zugänge und der Endotrachealtubus besonders gesichert sein.
Für alle stabilisierenden Eingriffe an der Wirbelsäule ist eine schnellstmögliche neurologische Beurteilbarkeit des Patienten wesentlich. Hierzu werden elektrophysiologische Verfahren oder auch der intraoperative Aufwachtest indiziert, die Narkose sollte mit kurzwirksamen Substanzen geführt werden.
Auch bei Wirbelsäulenstabilisierungen kann es zu massiven Blutungen kommen, eine ausreichende Menge allogenen Bluts muss ebenso wie die maschinelle Autotransfusion bereitgestellt werden. Postoperativ ist eine intensivmedizinische Überwachung angezeigt.

Endoprothesen

Hüfte

Die Indikation zur totalen Endoprothese (TEP) der Hüfte sind zumeist chronisch-degenerative Erkrankungen. Ein Großteil der Patienten ist betagt, Patienten mit TEP-Wechsel haben häufig das 75. Lebensjahr überschritten. Das Patientenkollektiv weist dementsprechend eine erhöhte Inzidenz von anästhesierelevanten Begleiterkrankungen auf.
Anästhesiologisches Vorgehen
Die Regionalanästhesie hat sich bei Eingriffen am Hüftgelenk bewährt. Um eine ausreichende Muskelrelaxation zu erzielen, scheint die Spinalanästhesie besser als die Periduralanästhesie geeignet zu sein. Die notwendige Anästhesiehöhe ist Th10. Für länger dauernde Eingriffe und die postoperative Analgesie kann ein Spinalkatheter eingesetzt werden. Dieser kann primär mit 1,5–2,0 ml isobaren Bupivacain 0,5 % beschickt werden, perioperativ wird in 90-minütlichen Abständen 0,6–1,0 ml Bupivacain 0,5 % nachinjiziert. Alternativ kann auch eine kombinierte Spinal-Peridural-Anästhesie (CSE) angewendet werden, die eine schnelle Anschlagszeit mit der Möglichkeit einer regionalen postoperativen Schmerztherapie verbindet. Monitoring und Instrumentierung sind in Tab. 4 dargestellt.
Operatives Vorgehen und Risiken
Die Patienten werden für die Operation auf der Seite oder dem Rücken gelagert. Der Operateur entfernt den Femurkopf und höhlt den Femurschaft mit einer Raspel aus, die Hüftpfanne muss mit einer Fräse erweitert werden. In dieser Phase kann es stark aus den Knochen bluten und es besteht die Gefahr von Luftembolien. Die Blutung aus den Knochen sistiert erst wieder nach Einsetzen von Hüftpfanne und Femurschaft. Gerade in dieser Phase ist das Auffangen des Wundbluts eine effektive Maßnahme zur Vermeidung von Fremdbluttransfusionen. Auch die kontrollierte Hypotension in Verbindung mit der Regionalanästhesie ist zur Reduktion der Blutungsmenge geeignet.
Die Fixierung des Osteosynthesematerials kann zementfrei oder unter Verwendung von Knochenzement mit den weiter unten dargestellten Risiken erfolgen.
Nach Reposition der TEP wird die Wunde verschlossen und der Patient aus der Seitenlage zurück auf den Rücken gelagert. Hierbei ist Vorsicht geboten, um eine Luxation zu vermeiden.
Postoperative Phase
Auch in der postoperativen Phase kann es noch zu Blutungen kommen, eine regelmäßige Kontrolle von Hb, ZVD und Diurese ist daher notwendig. Die Analgesie im Aufwachraum kann über den Spinalkatheter mit repetitiven Gaben von 0,6–1,0 ml Bupivacain 0,25 % erfolgen, einen Periduralkatheter oder über eine Blockade des N. femoralis. Für die Schmerztherapie auf der peripheren Station ist die PCA mit Piritramid in Kombination mit NSAID vorteilhaft. Alternativ kann durch die kontinuierliche Infusion von Ketamin (2 μg/kgKG/min) über 24 h in Kombination mit einem Opioid die Schmerztherapie optimiert und die Inzidenz einer chronischen Schmerzsymptomatik reduziert werden [56].
TEP-Wechsel
Der TEP-Wechsel dauert mit ca. 4 h wesentlich länger als die erstmalige Versorgung mit der Prothese, da zunächst das alte Osteosynthesematerial entfernt werden muss. Die Blutungsmenge kann deutlich erhöht sein. Trotz Anwendung der maschinellen Autotransfusion (Cave: kontraindiziert beim Wechsel einer infizierten TEP) werden häufig Fremdblutkonserven benötigt. Um das Monitoring zu optimieren, sollten die Patienten wie in Tab. 4 dargestellt ausgestattet und postoperativ intensivmedizinisch überwacht werden.

Knie

Einer endoprothetischen Versorgung des Kniegelenks unterziehen sich in erster Linie ältere Patienten sowie Patienten mit chronisch-degenerativen Erkrankungen. Es muss daher mit einer erhöhten Inzidenz von Begleiterkrankungen gerechnet werden.
Je nach Befund werden nur Teile der Gelenkoberflächen, Teilprothesen oder totale Endoprothesen verwendet (Abb. 20). Die Operationsdauer hängt neben dem Ausmaß der Gelenksdestruktion von dem Modell der Endoprothese ab. Bei komplettem Ersatz des Kniegelenks mit speziellem Prothesenmaterial kann der Eingriff 2–4 h dauern.
Zur Narkoseführung empfiehlt sich eine Regionalanästhesie. Die Anästhesiehöhe muss mindestens L1 erreichen. Die Spinalanästhesie kann als kontinuierliches Verfahren individuell gesteuert und im Aufwachraum zur postoperativen Schmerztherapie fortgeführt werden. Allerdings ist diese Form der Analgesie auf der peripheren Station kontraindiziert. Daher bevorzugen viele Anästhesisten die Periduralkatheteranästhesie für Knieoperationen. Alternativ können Katheterregionalanästhesieverfahren der Nn. femoralis und ischiadicus in Kombination mit einer Allgemeinanästhesie verwendet werden. Eine ebenso effektive wie auch preisgünstige Methode ist die lokale Infiltrationsanästhesie (LIA), durch intraoperative Infiltration einer Mischung von z. B. 300 mg Ropivacain, 30 mg Ketorolac und 0,5 mg Adrenalin (Gesamtvolumen 150 ml) in das Operationsgebiet [46].
Für die Operation werden die Patienten auf dem Rücken gelagert, und am Oberschenkel wird eine Blutsperre angelegt. Das Kniegelenk wird über einen Medianschnitt freigelegt und Femur- und Tibiaschaft werden ausgehöhlt, die Kondylen abgefräst und das Osteosynthesematerial eingepasst. Anschließend wird die Prothese mit Knochenzement einzementiert. Vor dem Wundverschluss wird die Blutsperre gelöst und kleinere Blutungen gestillt.
Cave
Nach Öffnen des Tourniquets kommt es einerseits zur Einschwemmung von ischämiebedingten Metaboliten in den Systemkreislauf (Abschn. 2.5) sowie ggf. zu thromboembolischen Ereignissen [30], andererseits sind starke Blutungen zwischen 500 und 1000 ml möglich.
Postoperativ haben die Patienten häufig starke Schmerzen. Besonders für die Mobilisation muss daher ein suffizientes Schmerzkonzept, wie die kontinuierliche Periduralanalgesie (z. B. 6–14 ml/h Ropivacain 0,2 %) oder die kontinuierliche Blockade des Femoralnerven vorliegen. Sofern dies nicht möglich ist, sollten die Patienten eine PCA-Pumpe erhalten.

Tumorendoprothesen

Orthopädische Tumore können sowohl solitär und benigne (z. B. Enchondrome) als auch aggressiv und maligne sein (z. B. Osteosarkome). Entsprechend ihrer Dignität besteht die Behandlung in der Chemo- und Radiotherapie und/oder der operativen Resektion. Die Patienten können sich in gutem Allgemeinzustand befinden, aber auch durch Tumorwachstum oder therapeutische Maßnahmen schwer krank sein. So führt die Chemotherapie nicht selten zu ausgeprägten Störungen der Organfunktionen. Besondere Berücksichtigung bei der präoperativen Abklärung gilt daher dem hämatologischen System sowie den kardialen, pulmonalen und neurologischen Funktionen.
Der Einsatz von Tumorendoprothesen ist zeitaufwändig und mit erheblichen Volumenverschiebungen sowie starken postoperativen Schmerzen verbunden. Prinzipiell ist eine Regionalanästhesie möglich, allerdings kann die Lagerung sehr aufwändig sein und der Eingriff mehrere Stunden dauern. Daher wird es in vielen Fällen sinnvoll sein, eine Kombination aus Allgemein- und Regionalanästhesie zu wählen.
Bei der Präparation mit Weichteilresektion und der im Vergleich zur üblichen Endoprothetik wesentlich ausgedehnteren Knochenresektion sind extreme Blutverluste möglich (z. B. Hypernephrommetastasen). Eine präoperative Embolisation des Tumors kann den Blutverlust deutlich reduzieren. Ausreichende Mengen von Blutkonserven müssen bereitgestellt werden, insbesondere da die maschinelle Autotransfusion nur bei zusätzlicher Bestrahlung der Konserven möglich ist.
Die Patienten sollten entsprechend der Aufstellung in Tab. 4 komplett ausgestattet werden. Bei sehr ausgedehnten Resektionen besteht die Gefahr von Luftembolien, in diesen Fällen sollte das Monitoring durch eine präkordiale Dopplersonde oder besser eine TEE erweitert werden. Intraoperativ sollten in regelmäßigen Abständen die Blutgase und der Hb-Wert gemessen werden. Darüber hinaus kann durch Ableitung von SSEP und pulsoxymetrischer O2-Sättigung frühzeitig eine Schädigung am Gefäßnervenbündel der betroffenen Extremität erkannt werden.
Postoperativ müssen die Patienten intensivmedizinisch betreut werden. Die postoperative Analgesie sollte über einen Periduralkatheter erfolgen. Ist dies nicht möglich, muss der Patient eine PCA-Pumpe zur Schmerztherapie erhalten.

Beckenteilersatz

Ein Beckenteilersatz wird in der Regel bei Patienten mit Tumorerkrankungen (Osteosarkom etc.) durchgeführt. Seltenere Indikationen sind komplizierte Frakturen der Beckenknochen oder des Acetabulums. Die osteosynthetische Versorgung dauert zumeist mehrere Stunden, Operationszeiten zwischen 8 und 12 h sind keine Seltenheit. Die Eingriffe werden in Seiten- oder Bauchlage durchgeführt, intraoperative Umlagerungen sind möglich.
Aufgrund der langen Operationszeiten ist eine besonders gewissenhafte Lagerung wesentlich, intraoperativ muss sie zur Vermeidung von Lagerungsschäden regelmäßig überprüft werden.
Cave
Die Patienten müssen zusätzlich zum Standardmonitoring mit arterieller Kanüle, zentralem Venenkatheter und großlumigen Volumenzugängen ausgestattet werden, da es intraoperativ zu massiven Blutverlusten kommen kann.
Die präoperative Bereitstellung einer ausreichenden Anzahl von Blutkonserven ist obligat. Darüber hinaus ist bei vielen Patienten die Gabe von Frischplasmen, Thrombozytenkonzentraten und Gerinnungsfaktoren (AT III, PPSB etc.) notwendig. Sofern möglich, sollte die maschinelle Autotransfusion eingesetzt werden.
Es besteht die Gefahr der perioperativen Hypothermie mit schwerwiegenden Folgen, wie kardiozirkulatorischen Komplikationen oder auch Gerinnungsstörungen. Einer Auskühlung muss daher mit adäquaten Maßnahmen vorgebeugt werden [31].
Da bei der Operation lumbale und sakrale Nervenwurzeln geschädigt werden können, sollten zum Monitoring der neurologischen Funktion SSEP abgeleitet werden. Zur Überwachung der Perfusion der Extremitäten empfiehlt sich die Messung der pulsoxymetrischen O2-Sättigung an den Zehen.
Postoperativ müssen die Patienten auf der Intensivstation betreut werden. Die postoperative Schmerztherapie kann sich aufgrund der großen Wundflächen und der schwierigen Lagerung problematisch gestalten. Neben der PCA haben sich regionalanalgetische Verfahren bewährt. Letztere sollten jedoch in Abstimmung mit dem Operateur und nach Ausschluss einer Schädigung von Nervenbahnen durchgeführt werden.

Typische Risiken der Endoprothetik

Bei Verwendung von Knochenzement
Cave
Die Verwendung von Knochenzement zur Fixation von Endoprothesen kann mit einer ausgeprägten Hypotension [51], einer Hypoxämie sowie neurologischen Störungen einhergehen.
In 0,3 % der Fälle wurden kardiogene Schockzustände mit letalem Ausgang nach Einbringen des Knochenzements beschrieben [15].
Wesentliche Ursachen für systemische Reaktionen nach Einsatz von Methylmetacrylatzement
  • Luft- und Fettembolien
  • Direkte Myokarddepression durch Einschwemmung von Polymerresten in die Blutbahn
  • Freisetzung von Histamin
  • Direkte Relaxation der glatten Gefäßmuskulatur mit peripherer Vasodilatation
Zur Prophylaxe der knochenzementinduzierten kardiopulmonalen Störungen wurden die Anwendung von Schutzkappen zur Vermeidung der Verteilung des Knochenzements in den distalen Femur, das Absaugen von Luft aus dem Knochenschaft und eine verlängerte Durchhärtung des Materials empfohlen.
Volumenbilanz und Säure-Basen-Haushalt sollten ausgeglichen, eine Anämie rechtzeitig therapiert sein und der Patient sollte während des Einbringens des Knochenzements reinen Sauerstoff einatmen.
Die präoperative Gabe von Histaminrezeptorantagonisten wurde als Prophylaxe empfohlen, neuere Studien konnten eine Effektivität allerdings nicht bestätigen.
Therapie systemischer Reaktionen nach Einsatz von Methylmetacrylatzement
  • Gabe von Vasokonstriktoren (z. B. Noradrenalin)
  • Volumensubstitution
  • O2-Gabe (FiO2 von 1,0)
  • Postoperative Intensivüberwachung
Fettembolie
Fettembolien stellen eine der schwerwiegendsten Komplikationen bei der Implantation von Endoprothesen sowie bei Frakturen von Femur und Tibia dar. Die Inzidenz hämodynamisch wirksamer Embolien beträgt zwischen 0,6 und 10 % [33], wobei diese häufiger bei traumatologischen Operationen auftreten. Dabei ist die Schwere der Embolien vom Zeitpunkt der Frakturversorgung abhängig. So steigt die Gefahr, perioperativ eine Fettembolie zu erleiden, mit jedem Tag der Immobilisation. Ältere Patienten und solche mit kardiovaskulären Erkrankungen haben zudem ein deutlich erhöhtes Risiko.
Ausgelöst werden die Embolien durch Manipulationen im Markraum mit Erhöhung des intramedullären Drucks und Einschwemmung von Knochenmark, Zelltrümmern und Koageln in venöse Kapillaren. Die Menge des austretenden Materials hängt dabei von der Höhe des intramedullären Drucks sowie der Vaskularisierung und der Zusammensetzung der Fettsäuren des Knochenmarks ab [14].
Cave
Bei der massiven FettemboIie entwickelt sich bei Verlegung der Lungenstrombahn ein akutes Rechtsherzversagen sowie ein kardiogener Schock. Bei protrahierten Verläufen führt die Aktivierung von Entzündungsmediatoren zu einem interstitiellen Lungenödem und respiratorischer Insuffizienz.
Fettpartikel gelangen zumeist auch in den Systemkreislauf, in das Gehirn (85 % zerebrale Symptomatik), in Haut und Schleimhäute (60 % petechiale Blutungen) und in die Retina. Im klinischen Verlauf zeigen sich darüber hinaus Tachykardie, Fieber, Ikterus, Niereninsuffizienz, Anämie und Thrombozytopenie.
Einige dieser Symptome sind unspezifisch (respiratorische Insuffizienz), treten erst spät auf (Petechien, Fieber, Beteiligung von Niere und Leber) oder werden nur bei wachen Patienten registriert (zerebrale Symptomatik). Daher müssen bei Operationen mit Eröffnung der Markhöhlen neben dem Standardmonitoring mit EKG, Blutdruckmessung, Pulsoxymetrie und Kapnometrie, regelmäßig Blutgasanalysen vorgenommen werden. Die transösophageale Echokardiographie [52] wurde als sensitives Verfahren zur Detektion von Embolien empfohlen (Abb. 21). Der Pulmonalarterienkatheter sollte hingegen nur bei Patienten mit klinisch relevanten kardiopulmonalen Vorerkrankungen Anwendung finden.
Die Therapie des Fettemboliesyndroms ist rein symptomatisch und umfasst die maschinelle Beatmung mit einem FiO2 von 1,0 und PEEP sowie die Normalisierung des Elektrolyt-, Flüssigkeits- und Säure-Basen-Haushalts. Die Kreislaufparameter müssen bei kardiovaskulärer Instabilität mit Katecholaminen optimiert werden. Postoperativ ist die intensivmedizinische Überwachung des Patienten obligat.

Amputationen

Bei Amputationen werden Gliedmaßen komplett oder teilweise chirurgisch abgetrennt. Ein wesentliches Problem der Amputationschirurgie für den Patienten ist die Projektion von Schmerzempfindungen in eine nicht mehr vorhandene Extremität. Diese können akut auftreten, aber auch im Verlauf chronifizieren. Unter diesen sog. Phantomschmerzen leiden bis zu 70 % der Patienten, die pathophysiologischen Mechanismen sind multifaktoriell.
Das höchste Risiko von Phantomschmerzen besteht, wenn bereits vor der Amputation Schmerzen, chronische Infektionen, schwere Durchblutungsstörungen oder ausgedehnte Gewebsschäden vorlagen.
Faktoren, die Phantomschmerzen induzieren
  • Präoperative Schmerzen
  • Intraoperative Afferenzen durch Inzision von Haut, Muskeln, Nerven und Knochen
  • Postoperative Schmerzen
Aufgrund der hohen Inzidenz von Phantom- und Stumpfschmerzen kommt der Prävention vor elektiven Eingriffen eine große Bedeutung zu. Neben der psychologischen Vorbereitung des Patienten und der chirurgischen Technik wird die gezielte Schmerztherapie in Kombination mit dem Anästhesieverfahren als wesentlicher Bestandteil der Strategien zur Vermeidung der Phantomschmerzen betrachtet [36].
Zur effektiven Schmerzprophylaxe ist die Ausschaltung der afferenten Nervenbahnen essenziell. Hierzu haben sich die Peridural- und Plexusanalgesie bewährt.
So kann die Inzidenz von Phantomschmerzen durch die kontinuierliche Periduralanalgesie signifikant reduziert werden [18].
Ein optimaler Beginn für die Katheteranalgesie ist bislang nicht belegt. So kann die unmittelbar präoperativ oder auch zum Ende der Amputation eingeleitete Periduralanalgesie scheinbar mit ausreichender Sicherheit eine Prophylaxe vor klinisch relevanten Phantomschmerzen (VAS >3) gewährleisten.
Sollte die Anlage eines Periduralkatheters aus technischen Gründen unmöglich sein, kann die Blockade peripherer Nerven in Kombination mit einer systemischen Schmerztherapie erwogen werden. Postoperativ sollte die Katheteranalgesie für mindestens 3–7 Tage fortgeführt werden.
Allerdings wurde dieses Konzept bezüglich des präventiven Charakters kontrovers diskutiert, da sich Phantomschmerzen trotz einer suffizienten Periduralanalgesie entwickeln können. Ungeachtet dessen muss für jeden Patienten und insbesondere bei Kontraindikationen für die Katheteranlage, eine suffiziente Schmerztherapie erfolgen, ggf. mit systemischer Gabe von hochpotenten Analgetika.
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