Die perioperative Betreuung
des Mukoviszidosepatienten ist eine Herausforderung an die interdisziplinäre Zusammenarbeit [
4].
Präoperativ
Die Patienten und ihre Angehörigen sind in der Regel über die Erkrankung sehr gut informiert, aktiv an der Therapie beteiligt und müssen in die Anästhesieplanung einbezogen werden. Bei elektiven Eingriffen sollte die Operation im infektfreien Intervall und am späten Vormittag stattfinden, um dem Patienten bis zur Einleitung der Anästhesie eine hinreichende Sekretmobilisation zu ermöglichen. Hierzu zählt auch der Verzicht auf eine übermäßig sedierende Prämedikation, um eine aktive Sekretentfernung nicht zu behindern. In vielen Fällen sind die persönliche Betreuung des Patienten und eine ausführliche Erklärung des geplanten Vorgehens ausreichend.
Bei gastroösophagealem Reflux (Inzidenz ca. 25 %) sind H2-Rezeptor-Antagonisten und Antazida Bestandteil der Prämedikation.
Die erforderlichen
Voruntersuchungen orientieren sich an den üblichen Empfehlungen. Ein Thoraxröntgenbild sowie eine
Blutgasanalyse haben sich als sinnvoll erwiesen [
12]. Sie dokumentieren die präoperative pulmonale Situation und dienen zur Festlegung intra- und postoperativer Zielwerte. Bei ausgedehnten Operationen oder im fortgeschrittenen Stadium der Krankheit ist eine
Echokardiographie zur Abschätzung der Rechtsherzfunktion sowie eine Lungenfunktionsprüfung indiziert (Tab.
2).
| Residualvolumen ↑ |
Hypokaliämie | Funktionelle Residualkapazität ↑ |
Hypalbuminämie | FEV1 ↓, forcierte Vitalkapazität ↓ |
Hyperglykämie (Glukosetoleranz ↓) | Alveoloarterielle O2-Differenz ↑ |
Hypochlorämische Alkalose | paO2 ↓, paCO2 im Spätstadium ↑ |
Da eine Mehrheit der Patienten mit mehrfach resistenten gramnegativen Keimen (
MRGN 3/MRGN 4) infiziert ist, sind gemeinsam mit der
Klinikhygiene die Maßnahmen zur Vermeidung einer Übertragung der Keime auf andere Patienten oder Personal festzulegen, zu dokumentieren und einzuhalten.
Intraoperativ
Die Anlage eines venösen Zugangs erfordert Geduld und Geschick (schlechte Venenverhältnisse u. a. durch häufige Therapien mit i.v.-Antibiose) und ist dem Fortgeschrittenen vorbehalten. Bei Notwendigkeit eines zentralen Venenkatheters empfiehlt sich primär die sonographiegesteuerte Punktion.
In Abhängigkeit vom Eingriff ist ein Regionalanästhesieverfahren von Vorteil.
Hierdurch wird eine
Beatmung vermieden und ein frühzeitiger postoperativer Beginn der Physiotherapie ermöglicht [
4]. Neuere Fallserien belegen jedoch eine erhöhte Sicherheit moderner
Allgemeinanästhesien [
8].
Bei Erfordernis einer
Allgemeinanästhesie ist immer eine ausreichende Präoxygenierung vor Einleitung erforderlich (Gefahr des schnellen S
aO
2-Abfalls).
Die Indikation zu einer „rapid sequence induction“ ist bei Verdacht auf Reflux großzügig zu stellen.
Bei schlechtem Gefäßstatus ist die inhalative Narkoseeinleitung mit Sevofluran
der intravenösen im Einzelfall vorzuziehen, wobei die Zeitdauer durch das veränderte Ventilations-Perfusions-Verhältnis
und eine erhöhte funktionelle Residualkapazität verlängert sein kann [
12].
Der Einsatz von
Muskelrelaxanzien muss kritisch überprüft werden. Bei erforderlicher Muskelrelaxierung vermindern kurz bis mittellang wirksame Substanzen die Gefahr einer inkompletten neuromuskulären Erholung.
Zum Ausschluss eines postoperativen Relaxanzienüberhangs muss deren Wirkung mittels Nervenstimulator kontrolliert werden. Zu beachten sind die Interaktionen zwischen
Muskelrelaxanzien und
Antibiotika (häufig Dauertherapie!). Hierdurch kann es zu einer Wirkverlängerung kommen. Daher ist der Einsatz von Rocuronium
mit der Möglichkeit der sicheren und schnellen Reversierung durch Sugammadex
zu erwägen.
Bei Hämoptysis
und v. a. bei
Hämoptoe wird ausdrücklich vor der Anwendung von intermittierender Überdruckbeatmung
gewarnt. Die Anästhesie soll, wenn möglich, unter Erhalt der Spontanatmung und Einsatz einer Larynxmaske erfolgen. Die fehlende Möglichkeit, endotracheales Sekret abzusaugen, scheint nicht zu einer verschlechterten postoperativen Lungenfunktion zu führen [
8]. Spontanatmung oder
druckkontrollierte Beatmung und der Verzicht auf N
2O verringern auch die Gefahr einer intraoperativen Pneumothoraxbildung. Dennoch sollten die erforderlichen Materialien zur zügigen Anlage einer
Thoraxdrainage rasch verfügbar sein.
Bei ausgedehnten Eingriffen muss neben einer ausreichenden Flüssigkeitssubstitution auf eine Anfeuchtung der Atemgase geachtet werden [
12]. Zur Sekretabsaugung
können großlumige Absaugkatheter eingesetzt werden. Die Absaugung über ein Fiberbronchoskop ist nicht effektiv (Verlegung des Arbeitskanals!). In der perioperativen Phase sind die Patienten aktiv zu wärmen und vor Wärme- und Flüssigkeitsverlust zu schützen. Insbesondere bei kachektischen Patienten ist auf eine sorgfältige Polsterung potenzieller Druckstellen zu achten.
Postoperativ
Die postoperative Betreuung
hat die Vorbeugung von Komplikationen zum Ziel. Hierzu zählt die Vermeidung einer Nachbeatmung
und einer postoperativen
Obstipation. Beide Faktoren können die Lungenfunktion verschlechtern. Eine schnellstmögliche Aktivierung der Patienten und Fortführung der Physiotherapie muss angestrebt werden. Hierfür ist eine effektive
Schmerztherapie unabdingbar. In Abhängigkeit vom Eingriff sind Lokal- oder Regionalanästhesieverfahren zu bevorzugen. So kann auf den Einsatz von Opiaten weitgehend verzichtet werden [
4,
12].
Eine ausreichende Kalorienzufuhr unter Kontrolle des Serumglukosespiegels ist unabdingbar, da der Kalorienbedarf
im Vergleich zu Patienten, die nicht an
Mukoviszidose erkrankt sind, bei 120–150 % liegt. Eine perioperative Betreuung in einem Mukoviszidosezentrum mit entsprechend abgestimmter Infrastruktur ist daher anzustreben oder fernmündlich abzustimmen, sollte der Eingriff als Notfall wohnortnah und ohne zeitliche Verzögerung durchgeführt werden müssen.
Geburtshilfe
Durch die verbesserte Therapie erreichen an
Mukoviszidose erkrankte Frauen zunehmend das gebärfähige Alter. Die Betreuung betroffener Schwangeren muss immer in einem Zentrum der Maximalversorgung und in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit erfolgen [
6]. Bei Fehlen einer geburtshilflichen Abteilung im Zentrum für Mukoviszidose ist die Bereitstellung eines gynäkologischen Teams durch Zusammenarbeit verschiedener Krankenhäuser sicherzustellen.
Die Letalität scheint primär durch die Schwangerschaft nicht verändert zu sein. Auch das Outcome des Neugeborenen scheint bei optimaler Betreuung während der Schwangerschaft nicht per se verschlechtert zu sein, es besteht jedoch das erhöhte Risiko einer
Frühgeburt (25–46 %) [
2]. Soweit möglich sollte der optimale Entbindungszeitpunkt im interdisziplinären Konsens festgelegt werden.
Eine kleine Fallserie dokumentiert die erfolgreiche Schwangerschaft und operative Entbindung von vier Patientinnen mit einer erheblich eingeschränkten Lungenfunktion (FEV
1 kleiner 40 %) [
1]. In allen Fällen wurde zur geplanten Sectio ein rückenmarksnahes Anästhesieverfahren mit Katheter gewählt (kombinierte spinale „single shot“- und epidurale Katheteranästhesie, spinaler und epiduraler Katheter oder alleinige Periduralanästhesie) und der Katheter weiter zur
postoperativen Schmerztherapie verwendet. Bei einem rückenmarksnahen Anästhesieverfahren zur Sectio kann es zu einer erheblichen Beeinträchtigung der respiratorischen Funktion kommen. Hier ist dann ein Verfahrenswechsel zur
Allgemeinanästhesie erforderlich. Bei erheblich eingeschränkter respiratorischer Funktion und bereits bestehender Notwendigkeit intermittierender nichtinvasiver Ventilation muss die Möglichkeit zu deren Fortsetzung oder invasiven Ventilation sowohl während der Entbindung als auch danach gegeben sein. Je nach Zentrum wird die primär vaginale Entbindung nach medikamentöser Einleitung einer geplanten Sectio vorgezogen [
6]. Die postoperative Betreuung muss eine ausreichende
Schmerztherapie zur frühzeitigen Mobilisation sicherstellen.