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Die Anästhesiologie
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Publiziert am: 19.04.2017

Anästhesie bei Patienten mit Restless Legs Syndrom

Verfasst von: Heidrun Lewald
Das Restless-legs-Syndrom (RLS), synonym M. Willis-Ekbom, zählt zu den extrapyramidalen Hyperkinesien und ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen. Das RLS ist durch einen unkontrollierbaren Bewegungsdrang in Ruhesituationen, v. a. der unteren Extremität, gekennzeichnet. Folgeerscheinungen eines RLS sind eine erheblich eingeschränkte Lebensqualität durch Schlafstörungen, Leistungsinsuffizienz und ein erhöhtes Unfallrisiko. Auf Grund der guten therapeutischen Wirksamkeit dopaminerger Medikamente und Opiaten geht man von einer Beteiligung entsprechender Neurotransmittersysteme aus. Die anästhesiologisch relevanten Aspekte des RLS werden in diesem Kapitel erörtert.

Grundlagen

Das Restless-legs-Syndrom (RLS), synonym M. Willis-Ekbom, zählt zu den extrapyramidalen Hyperkinesien und ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen. Die Inzidenz ist altersabhängig und wird mit bis zu 10 % angegeben, wobei nur ca. 25 % dieser Patienten behandlungsbedürftig ist. Das RLS ist durch einen unkontrollierbaren Bewegungsdrang in Ruhesituationen, v. a. der unteren Extremität, gekennzeichnet. Darüber hinaus klagen Patienten über Parästhesien, Krämpfe und Schmerzen in den betroffenen Extremitäten. Folgeerscheinungen eines RLS sind eine erheblich eingeschränkte Lebensqualität durch Schlafstörungen, Leistungsinsuffizienz und ein erhöhtes Unfallrisiko. Die Pathophysiologie des RLS ist weiterhin unbekannt. Auf Grund der guten therapeutischen Wirksamkeit dopaminerger Medikamente und Opiaten geht man von einer Beteiligung entsprechender Neurotransmittersysteme aus. Unterschieden werden das primäre (idiopathische) und das sekundären (symptomatischen) RLS. Auslöser bzw. Komorbiditäten eines sekundären RLS sind in folgender Übersicht zusammengefasst.
Auslöser bzw. Komorbiditäten eines sekundären RLS
Diagnostik
Das RLS ist eine klinische Diagnose basierend auf einer ausführlichen Anamnese. 50 % der Patienten mit idiopathischem RLS haben eine positive Familienanamnese. Zusatzuntersuchungen sind die Elektromyographie und -neurographie zum Ausschluss von Polyneuropathien. Zum Ausschluss sekundärer RLS-Formen sollten der Serumferritinplasmaspiegel (Wert >50 μg/l) sowie die Nierenretentionswerte bestimmt werden. Unterstützend kann eine Polysomnographie durchgeführt werden. Die klinische Symptomenverbesserung durch Gabe von L-Dopa wird zur Diagnosesicherung v. a. in der Praxis häufig durchgeführt.
Therapie
Die medikamentöse Therapie ist rein symptomatisch. Die Behandlung der zugrunde liegenden oder assoziierten Erkrankung führt häufig zur Beschwerdereduktion (z. B. Eisensubstitution). Medikamente der ersten Wahl sind dopaminerge Präparate. Dazu sind in Deutschland L-Dopa in Kombination mit Benserazid (Restex) und die nichtergolinen Dopaminagonisten Pramipexol (Sifrol), Ropinirol (Adartrel) und Rotirotin (Neupro) zugelassen. Der Ergot-Dopaminagonist Cabergolin wird ebenfalls eingesetzt (off-label use). Aufgrund der Studienlage wird an Opiaten meist Oxycodon und Tramadol verwendet. Insbesondere bei Patienten mit schmerzhaften Symptomen werden die Antikonvulsiva Prägabalin (Lyrica) und Gabapentin (Neurontin) eingesetzt. Benzodiazepine kommen kurzzeitig v. a. bei Schlaflosigkeit zum Einsatz [1, 2].

Anästhesiologisches Vorgehen

Der Patient muss darüber aufgeklärt werden, dass es perioperativ zu einer Verschlechterung der RLS-Symptomatik kommen kann. Mögliche Ursachen dafür sind Schlafmangel, Immobilisation oder Bettruhe sowie ein akuter Eisenmangel durch z. B. Blutverlust, Inflammation oder Dialyse. Durch die Narkose an sich ist keine Verschlechterung des RLS zu erwarten. Ebenso hat nach derzeitigem Kenntnisstand die Anästhesieform (Allgemeinanästhesie, rückenmarknahe Anästhesie, Regionalanästhesie) keinen Einfluss auf den Verlauf des RLS.
Eine perioperative Eisensubstitution sollte v. a. bei einem zu erwarteten größeren Blutverlust in Erwägung gezogen werden. Die RLS-Dauermedikation muss perioperativ weitergeführt werden.
Alle gängigen Injektionsanästhetika, Inhalationsanästhetika, Opiate (Ausnahme: Pethidin), Muskelrelaxanzien, Lokalanästhetika und Nicht-Opioid-Analgetika können sicher bei Patienten mit RLS angewendet werden.
Daneben existieren jedoch eine Vielzahl an Medikamenten mit einer dopaminantagonistischen, opioidantagonistischen oder serotoninergen Wirkung. Diese können eine RLS exazerbieren (oder auslösen) und sollten daher vermieden werden. Dazu gehören u. a.
Vorsicht bei der Anwendung folgender Medikamente
  • Antiemetika (dopaminantagonistisch):
    • Metoclopramid (z. B. Paspertin)
  • Neuroleptika:
    • Haloperidol (z. B. Haldol)
    • Droperidol (z. B. Xomolix)
    • Promethazin (z. B. Atosil)
  • Antihistaminika:
    • Dimenhydrinat (z. B. Vomex A)
    • Dimentinden (z. B. Fenistil)
    • Clemastin (z. B. Tavegil)
  • Opioidantagonisten
    • Naloxon
  • Analgetika
Besondere Vorsicht ist daher bei der Verabreichung von Antiemetika geboten. Sichere Antiemetika bei Patienten mit RLS sind: Glukokortikoide (z. B. Dexamethsason) sowie 5HT3-Antagonisten (z. B. Granisetron) [3].

Postoperative Behandlung

Postoperativ sind die akuten RLS-Symptome nicht immer einfach zu erkennen. So können z. B. Schmerzen, eine Agitation oder ein Delir Symptome eines RLS sein. Die Dauermedikation sollte postoperativ so bald wie möglich weiter gegeben werden, wenn nötig bereits im Aufwachraum. Neu angesetzte Neuroleptika können zu einer Verschlimmerung der Symptomatik führen. Sollte eine Sedierung nötig sein, eignen sich dafür Benzodiazepine. Die Patienten sollten postoperativ so bald als möglich mobilisiert werden [4].
Literatur
1.
Klingelhoefer L, Cova I, Gupta S, Chaudhuri KR (2014) A review of current treatment strategies for restless legs syndrome (Willis-Ekbom disease). Clin Med 14:520–524CrossRef
2.
Krenzer M, Oertel W, Trenkwalder C (2014) Practical guidelines for diagnosis and therapy of restless legs syndrome. Nervenarzt 85:9–10, 12–14, 16–18CrossRefPubMed
3.
Bartelke F, Pfister R, Kammerer W (2013) Perioperative approach to restless legs syndrome. Anaesthesist 62:1023–1033CrossRefPubMed
4.
Raux M, Karroum EG, Arnulf I (2010) Case scenario: anesthetic implications of restless legs syndrome. Anesthesiology 112:1511–1517CrossRefPubMed