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Die Anästhesiologie
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Publiziert am: 26.07.2017

Anästhesie bei Patienten mit Störungen von Herzrhythmus und Erregungsausbreitung

Verfasst von: Bernhard Zwißler und Kim Alexander Boost
Störungen von Herzrhythmus und Erregungsausbreitung sind häufig Folge einer koronaren Herzkrankheit, einer Herzinsuffizienz oder chronischer Medikamenteneinnahme, seltener stellen Rhythmus- und Leitungsstörungen eine eigenständige Krankheitsentität dar. Bei Patienten mit Herzrhythmusstörungen müssen daher auslösende Faktoren gesucht und wenn möglich präoperativ kausal behandelt werden. Das perioperative anästhesiologische Management richtet sich überwiegend nach der Grunderkrankung und wird für die primären Erkrankungen –Präexzitationssyndrome und Long-QT-Syndrom – in diesem Kapitel erörtert.

Erworbene Störungen

Störungen von Herzrhythmus und Erregungsausbreitung sind meist Folge einer koronaren Herzkrankheit, einer Herzinsuffizienz oder chronischer Medikamenteneinnahme. Bei Patienten mit Herzrhythmusstörungen müssen daher auslösende Faktoren gesucht und wenn möglich präoperativ kausal behandelt werden (Tab. 1).
Tab. 1
Häufige anästhesiologisch relevante Leitungs- bzw. Rhythmusstörungen und deren Ursachen
EKG-Diagnose
Häufigste Ursachen
Herzklappenfehler (Verdacht auf Mitralvitien)
KHK
Linksherzhypertrophie
Herzklappenfehler (v. a. Aortenstenose)
Kardiomyopathie
Rechtsherzhypertrophie
Pulmonale Hypertension unterschiedlicher Genese
Chronische Linksherzinsuffizienz
AV-Blockierungen
• Grad I
• Grad IIA (Mobitz I)
• Grad IIB (Mobitz II)
• Grad III
Vagotonus, Medikamente
Medikamente (Digitalis)
Immer organische Ursache
Immer organische Ursache
Schenkelblockbilder
KHK
Myokardhypertrophie
Herzinsuffizienz
Medikamente
Extrasystolen (ventrikuläre und supraventrikuläre)
Ischämie
Herzinsuffizienz
Myokarditis
Präexzitationssyndrome
Immer angeboren
Angeboren
Medikamente
Elektrolytstörungen
Das perioperative anästhesiologische Management richtet sich dann überwiegend nach der Grunderkrankung. Die Indikation zur Behandlung entspricht den allgemein gültigen Kriterien (Kap. „Häufige perioperative kardiovaskuläre und respiratorische Komplikationen“). Faktoren, die Herzrhythmusstörungen auslösen oder verstärken können, müssen vermieden bzw. rasch behandelt werden:
  • Azidose,
  • Elektrolytverschiebungen (v. a. Hypokaliämie),
  • Arrhythmogene Anästhestika (z. B. Halothan).
Bei Patienten mit symptomatischen bradykarden Rhythmusstörungen bzw. höhergradigen Leitungsblockierungen muss vor der Operation die Frage einer temporären oder permanenten Schrittmachertherapie geklärt werden (Kap. „Anästhesie bei Patienten mit Herzschrittmachern und implantierbaren Kardioverter-Defibrillatoren (ICD)“). Eine Schrittmachertherapie nur in Hinblick auf einen operativen Eingriff ist jedoch in der Regel nicht indiziert.
So zeigten selbst Patienten mit Rechtsschenkelblock und linksanteriorem Hemiblock perioperativ einen unauffälligen Verlauf. Im Zweifel kann die Vorbereitung einer transthorakalen Stimulation die Sicherheit erhöhen. Das Management von Patienten mit Schrittmachern und implantierbaren Kardioverter-Defibrillatoren (ICD) ist in Kap. „Anästhesie bei Patienten mit Herzschrittmachern und implantierbaren Kardioverter-Defibrillatoren (ICD)“ dargestellt.

Primäre Erkrankungen

Nur selten stellen Rhythmus- und Leitungsstörungen eine eigenständige Krankheitsentität dar. Für einige dieser angeborenen Störungen ohne fassbare Grunderkrankung existieren jedoch spezifische, auch perioperativ gültige Behandlungsempfehlungen.

Präexzitationssyndrome

Präexzitationssyndrome (z. B. Wolff-Parkinson-White, WPW; Lown-Ganong-Levine, LGL) können durch paroxysmale supraventrikuläre Tachykardien das Herzzeitvolumen kritisch reduzieren und einen kardiogenen Schock auslösen. Eine perioperative „Prophylaxe“ ist nicht möglich. Die Therapie besteht in der Gabe von Ajmalin (1 mg/kgKG i.v.).

Long-QT-Syndrom

Das Long-QT-Syndrom ist durch eine Verlängerung der frequenzadaptierten QT-Zeit (QTc) auf >0,44 s gekennzeichnet. Es wird zwar meist durch Medikamente induziert, kommt jedoch auch angeboren vor (Jervell-Lange-Nielson; Romano-Ward-Syndrom). Gefährlichste Komplikation sind Torsade-de-pointes-Tachykardien. Präoperativ sollten daher nach kardiologischer Rücksprache QT-Zeit-verlängernde Medikamente abgesetzt werden (Kap. „Häufige perioperative kardiovaskuläre und respiratorische Komplikationen“).
Patienten mit angeborenem Long QT-Syndrom stehen meist unter einer Dauertherapie mit β-Blockern. Diese darf keinesfalls perioperativ unterbrochen werden.
Torsade-de-pointes-Tachykardien ohne Minimalkreislauf erfordern die sofortige Reanimation und Defibrillation. Bei erhaltenem Minimalkreislauf ist die Gabe von Magnesium (Bolus von 4 g; danach ggf. 12–20 mmol/24 h) hochwirksam und die Therapie der Wahl.
Cave
Dehydrobenzperidol (DHB) in hoher Dosierung (z. B. >0,1 mg/kgKG) verlängert die QT-Zeit und ist daher bei betroffenen Patienten kontraindiziert. Ein Zusammenhang zwischen der niedrigdosierten Anwendung von DHB (z. B. 0,625 mg zur Antiemesis) und kardialen Komplikationen ist dagegen nicht belegt.