Die Dringlichkeit einer Sectio ist nicht einheitlich definiert und variiert von Krankenhaus zu Krankenhaus. Sie hat einen wesentlichen Einfluss auf die Wahl des Anästhesieverfahrens.
Die beste Einteilung der Dringlichkeit kommt vom Royal College of Obstetrics and Gynaecology (RCOG) aus Großbritannien mit insgesamt 4 Kategorien.
Wahl des Anästhesieverfahrens
Die Wahl des Anästhesieverfahrens richtet sich nach der zur Verfügung stehenden Zeit und somit der Dringlichkeit des Eingriffs sowie nach mütterlichen Indikationen bzw. Kontraindikationen. Aufgrund der früher beobachteten höheren mütterlichen Mortalität wird zumeist eine
Regionalanästhesie bevorzugt, wobei sich die
Spinalanästhesie als führendes Anästhesieverfahren durchgesetzt hat und aufgrund der schnellen Anschlagzeit auch noch bei einer dringlichen Sectio geeignet ist. Bei der Spinalanästhesie wird bevorzugt eine niedrige Dosis eines Lokalanästhetikums (z. B. 1,5–1,6 ml Bupivacain 0,5 % hyperbar) kombiniert mit 5 μg Sufentanil eingesetzt, da durch die niedrige Dosis die Rate an Hypotonien signifikant gesenkt werden kann. Periduralanästhesien werden v. a. bei sekundärer Sectio bei Geburtsstillstand
eingesetzt, wenn der Periduralkatheter bereits zum vaginalen Entbindungsversuch gelegt worden ist und lediglich aufgespritzt werden muss.
Eine mütterliche O
2-Gabe ist bei gesunden Schwangeren und nicht asphyktischen Feten nicht erforderlich. Die beobachteten höheren O
2-Partialdrucke bei Mutter und Neugeborenen führen nicht zu einem verbesserten Outcome, erhöhen aber die Sauerstoffradikale im kindlichen Blut [
33].
Allgemeinanästhesie
Mutter und Kind sind bei der Sectio in
Allgemeinanästhesie weniger durch eine fehlgeschlagene Intubation als vielmehr durch die
Hypoxie gefährdet. Auf mehrfache frustane Intubationsversuche muss deshalb verzichtet und ggf. mit
Maske beatmet oder eine Larynxmaske verwendet werden.
Um die kindliche medikamentöse Belastung gering zu halten, wird die Anästhesie erst eingeleitet, wenn die Patientin gelagert, die Haut desinfiziert, ein Blasenkatheter gelegt, steril abgedeckt und das gesamte Operationsteam fertig vorbereitet ist. Der Hautschnitt wird unmittelbar nach der Intubation durchgeführt.
Die Schwangere gilt aufgrund des erhöhten intraabdominellen Drucks und des erhöhten Refluxes ca. ab der 20. SSW als aspirationsgefährdet. Die Anästhesieeinleitung erfolgt nach Präoxygenierung als „rapid sequence induction
“ (RSI) mit einem Hypnotikum und Succinylcholin, ggf. unter Durchführung des Krikoiddrucks
. Entgegen der weitläufigen Annahme, dass der Krikoiddruck die Sichtverhältnisse und Intubationsbedingungen verschlechtert, zeigen große Studien, dass dies nicht zutrifft oder gerade bei schwierigen Intubationsbedingungen die Sichtverhältnisse verbessert werden können [
35,
36].
Bei der Auswahl eines geeigneten Hypnotikums stehen
Thiopental in einer Dosierung von 4–5 mg/kgKG oder alternativ
Propofol in einer Dosierung von 2 mg/kgKG zur Verfügung. Die kindlichen Auswirkungen von Propofol scheinen vergleichbar mit Thiopental, von Vorteil ist der größere Erfahrungshorizont gerade bei jüngeren Mitarbeitern [
7].
Die Einleitung mit
Ketamin bietet im Vergleich mit Thiopental keine Vorteile, sie kann im Einzelfall bei
Hypovolämie indiziert sein. Die Gabe von
Ketamin ist bei Patientinnen mit einer Präeklampsie
aufgrund der Möglichkeit des Blutdruckanstiegs kontraindiziert.
Für die
Sectio caesarea gilt im Rahmen der „rapid sequence induction“
Succinylcholin (1 mg/kgKG) weiterhin als Mittel der Wahl. Die zusätzliche Gabe eines weiteren nichtdepolarisierenden Muskelrelaxans ist nicht erforderlich und kann bei gleichzeitiger Gabe von
Magnesium zu einer verlängerten neuromuskulären Blockade führen. Bei Kontraindikationen gegen Succinylcholin steht als weiteres Muskelrelaxans
Rocuronium (0,9 mg/kgKG) aufgrund seiner schnellen Anschlagzeit zur Verfügung. Nachteile von Rocuronium sind die lange und variable Wirkungsdauer, die entweder eine Nachbeatmung oder die Antagonisierung mit Sugammadex erforderlich machen.
Nach Intubation und Legen einer Magensonde erfolgt die Anästhesieaufrechterhaltung bis zur Abnabelung bei gesunden Schwangeren mit
Inhalationsanästhetika. Sie sollten zur Vermeidung von Awareness in einer Konzentration von 1 MAC angewendet werden. Eine uterusrelaxierende Wirkung mit einem potenziell erhöhten Blutungsrisiko ist erst oberhalb dieser Konzentrationen zu erwarten. Die früher geübte Praxis, Lachgas oder volatile Anästhetika mit der Uterusinzision zu beenden, führt zu einem erhöhten Risiko an Awareness und muss als obsolet betrachtet werden.
Inhalationsanästhetika treten schnell auf den kindlichen Organismus über. Sie werden aber vom Neugeborenen rasch abgeatmet und beeinträchtigen die Neugeborenenadaptation bei kurzer Exposition nicht.
Opioide werden meist nach Entwicklung des Kindes verabreicht, da sie rasch diaplazentar übertreten und zu einer Atemdepression des Neugeborenen führen. Falls eine Opioidgabe vor der Kindsentwicklung dringend indiziert ist (z. B. aufgrund von Präeklampsie oder kardialer Vorerkrankung), bietet Remifentanil
den Vorteil, dass es auch im kindlichen Organismus rasch durch unspezifische Esterasen abgebaut wird und bis zu einer mütterlichen Gabe von 1 μg/kgKG kaum kindliche Nebenwirkungen entfaltet. Die Spontanatmung setzt leicht verzögert im Mittel nach 1 Minute ein, d. h. eine kurzfristige Maskenbeatmung kann erforderlich sein [
37]. Die Gabe von
Opioiden vor der Abnabelung muss dem betreuenden Pädiater mitgeteilt werden.
Die Sectio gehört zu den Eingriffen, die bisher postoperativ analgetisch unterversorgt sind. Zur
Schmerztherapie sollte ein Nicht-Opioid-Analgetikum (z. B.
Ibuprofen) fest angesetzt werden und bei Bedarf zusätzlich
Opioide angeordnet werden. Im Rahmen einer
Spinalanästhesie kann zur postoperativen Analgesie Morphin intrathekal appliziert werden (100–150 μg). Alternativ kann sowohl bei der Spinalanästhesie als auch bei der
Allgemeinanästhesie ein Transversus-abdominis-plane-Block (TAP) durchgeführt werden, der in seiner Wirksamkeit annähernd mit spinalem Morphin vergleichbar ist [
38].