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Die Anästhesiologie
Info
Verfasst von:
Marco Piero Zalunardo und Bastian Grande
Publiziert am: 04.05.2017

Anästhesie nach Organtransplantation

Die Transplantationsmedizin ist ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil der Spitzenmedizin. Die Anästhesie beim transplantierten Patienten unterscheidet sich nicht grundlegend vom üblichen Vorgehen bei Patienten der ASA-Klassen I bis III. Ernste Komplikationen können durch unsachgemäße anästhesiologische Interventionen auftreten, daher ist die Kenntnis der spezifischen Problematik auch für Nichtspezialisten von praktischem Wert.
Einleitung
Durch die steigende Zahl erfolgreich transplantierter Organe und den anhaltenden Bedarf ist die Transplantationsmedizin zu einem nicht mehr wegzudenkenden Bestandteil der Spitzenmedizin geworden. Die Überlebensrate und die Lebensqualität von Organempfängern sind dabei in den letzten drei Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen, die Empfänger wurden immer älter [17]. Damit nimmt auch die Anzahl an Folgeeingriffen zu, sei es durch die Transplantation bedingt oder unabhängig davon. Immer häufiger werden daher auch Anästhesisten, die sich in der täglichen Praxis nicht mit Transplantationen beschäftigen, mit der „Anästhesie nach Transplantation“ konfrontiert. Die Anästhesie beim transplantierten Patienten unterscheidet sich dabei nicht grundlegend vom üblichen Vorgehen beim Patienten der ASA-Klassen I bis III. Ernste Komplikationen können durch unsachgemäße anästhesiologische Interventionen dennoch auftreten. Die Kenntnis der spezifischen Problematik ist deshalb auch für Nichtspezialisten von praktischem Wert.

Der Patient nach Organtransplantation

Für die Anästhesie bei Patienten nach einer Organtransplantation gibt es einige beachtenswerte spezifische Aspekte:
  • Infektion,
  • Pathophysiologie des transplantierten Organs,
  • Pharmakologie der Immunsuppression,
  • Transplantatabstoßung.

Anästhesiologisches Management

Präoperatives Vorgehen

Wesentlich für die Beurteilung des Patienten ist die klinische Untersuchung. Hierbei stehen die folgenden Punkte im Vordergrund:
  • Anhaltspunkte für eine Infektion,
  • Funktion des transplantierten Organs,
  • Funktion anderer (vitaler) Organsysteme,
  • Anhaltspunkte für eine Abstoßungsreaktion,
  • psychische Verfassung des Patienten.
Infektionen sind nach wie vor Hauptfaktor für Morbidität und Letalität von Organempfängern. Das humane Zytomegalievirus (hCMV) ist für die meisten Infektionen unmittelbar postoperativ verantwortlich. Ungeklärtes Fieber, eine Pneumonie oder eine durch Kolitis bedingte Diarrhöe können Anzeichen einer hCMV-Infektion sein [14].
Cave
Der hCMV-Status des Patienten muss präoperativ der Blutbank gemeldet werden. Patienten ohne nachgewiesene Viruslast sollen hCMV-freies Blut bekommen.
Beim immunsupprimierten Patienten fehlen vielfach die Zeichen einer klinischen Infektion. Auch bakterielle Superinfektionen sind häufig und können eine hCMV-Erkrankung verschleiern. Der Nachweis kann durch quantitative In-vitro-Bestimmung von IgG und IgM gegen das Virus erfolgen. Die klassische Viruszüchtung aus Epithelzellen dauert dagegen mehrere Wochen. Hier sieht man die für das Virus charakteristischen Eulenaugenzellen. In der PCR gelingt ein sehr schneller Virusnachweis. Die CD3-T-Zellzahl stellt bei akuter Infektion den Marker zur Behandlungsindikation dar. Das pp65-Antigen zeigt eine akute Infektion an, deren Chronifizierung durch das pp67-Antigen gemessen wird. Dieser Parameter wird zur Kontrolle des Therapieerfolgs hinzugezogen [1]. Im weiteren Langzeitverlauf dominieren bakterielle Infektionen [23]. Hierbei gilt: je ausgeprägter die Immunsuppression, desto häufiger sind diese. Bei den geringsten Anzeichen von Fieber, Leukozytose, Peritonitis, etc. muss ein Infektherd ausgeschlossen werden [5].
Neben der Kontrolle des Infektstatus ist eine genaue Evaluation der Funktion sowohl des transplantierten, als auch der übrigen Organsysteme erforderlich (Tab. 1 und 2). Bei suspekten Befunden ist eine zusätzliche Diagnostik erforderlich. Eine gestörte Organfunktion deutet auf eine Abstoßung hin.
Tab. 1
Präoperative Untersuchungen bei Patienten nach Organtransplantationen
Untersuchung
Herz-TPL
Lungen-TPL
Leber-TPL
Nieren-TPL
Andere TPL
Laboruntersuchungen
Blutbild
+
+
+
+
+
Gerinnungsstatus
+
+
+
+
+
ROTEM, TEG, Faktor XIII
-
-
(+)
-
-
+
+
+
+
+
Nierenfunktion (Kreatinin, Harnstoff, GFR)
+
+
+
+
+
Leberfunktion (ASAT, ALAT, γ-GT)
+
+
+
+
+
Amylase, Lipase
(-)
(-)
(-)
(-)
(+)
+
+
+
+
+
Apparative Diagnostik
+
-
(-)
+
-
TTE, TEE
(+)
(+)
-
(+)
-
Thoraxröntgenbild
+
+
(-)
-
(-)
-
(+)
-
-
-
-
(+)
-
(+)
-
Empfohlene Untersuchungen unabhängig von weiteren Vorerkrankungen. +: empfohlen, (+): meist nützlich, (-): selten nützlich, -: nicht empfohlen
Tab. 2
Weiterführende Untersuchungen bei suspekten Befunden
Organ
Untersuchung
Herz
Echokardiografie („ejection fraction“)
Endomyokardbiopsie
Koronarangiografie
Myokardszintigrafie
Intravaskulärer Ultraschall (IVUS)
Lunge
Endobronchiale Sonografie
CT, MRT
BAL
Transbronchiale Biopsie
Leber
Sonografie
CT, MRT
Cholangiografie
Exretorische Leberfunktionstests (z. B. Indometacingrün-Clearance)
Leberbiopsie
Niere
Sonografie
Pankreas
HbA1c
„Insulin release assay“
Im Rahmen des Gesprächs zur Prämedikation sollte ein besonderes Augenmerk auf die psychische Verfassung des Patienten gelegt werden. Die meisten Transplantierten wurden nach einem langjährigen Leidensweg über Nacht „geheilt“, tragen etwas „Fremdes“ in sich, benötigen weiterhin hochpotente Medikamente und leben ständig mit dem Risiko der Abstoßung und Infektion. Hinzu kommen die psychischen Nebenwirkungen der Immunsuppressiva (Albträume, Depression, Euphorie, Steroidpsychose). Die medikamentöse Prämedikation soll in üblicher Weise erfolgen. Hierbei können vorliegende Organdysfunktionen Anlass für eine Dosisreduktion geben, während psychisch beeinträchtigte Patienten eine ausreichend hohe Dosierung benötigen.
Cave
Alle Immunsuppressiva müssen am Operationstag in voller Dosierung verabreicht werden.
Bei Immunsuppression mit Kortikosteroiden wird eine zusätzliche Dosis nicht generell empfohlen. Patienten mit einem Äquivalent von 10–40 mg Prednisolon und solche, die innerhalb der letzten vier Monate steroidentwöhnt wurden, sollten eine Substitution erhalten.

Intraoperatives Management

Wahl des Anästhesieverfahrens

Die Auswahl des geeigneten Anästhesieverfahrens richtet sich nach der Art des geplanten Eingriffs sowie dem Zustand und Wunsch des Patienten. Es gibt keine spezifischen Kontraindikationen gegen die Allgemeinanästhesie oder regionalanästhesiologische Verfahren [29, 16].
Bei rückenmarksnahen oder peripher lokoregionalen Methoden sind jedoch die erhöhte Infektionsgefahr und der aktuelle Status der Blutgerinnung des Patienten bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Katheter zur postoperativen Analgesie müssen regelmäßig kontrolliert und ihre Notwendigkeit im Verlauf der Behandlung kontinuierlich kritisch überdacht werden, insbesondere da die Schmerztherapie bei vielen Eingriffen medikamentös suffizient durchgeführt werden kann [16].
Bei der Allgemeinanästhesie ist eine Hyperventilation wegen der durch Tacrolimus und Cyclosporin erhöhten Krampfschwelle zu vermeiden. Cyclosporin führt darüber hinaus durch Gingivahyperplasie zu vermehrten oralen Blutungen nach Intubation. Wenn eine Muskelrelaxation notwendig ist, sind Substanzen mit organunabhängigem Abbau zu bevorzugen (z. B. Atracurium und Cisatracurium; [5]).
Hygienemaßnahmen wie Händedesinfektion vor und nach Patientenkontakt sowie bei jeder Kontamination der Hände durch Sekret, aber auch das Tragen von sterilen Handschuhen, sterilem Mantel und Masken zur Katheteranlage, das Verschließen von Konnektionsöffnungen mit sterilen Stoppern und steriles Vorgehen bei invasiven Maßnahmen sind obligat und konsequent durchzuführen. Eine orale Intubation ist – wenn immer möglich – einer nasalen wegen des Keimspektrums vorzuziehen. Weiterführende Maßnahmen wie ein steriles Laryngoskop oder Wechsel der Respiratorschläuche sind nicht notwendig [10].
Das intraoperative Monitoring richtet sich in erster Linie nach den Anforderungen des chirurgischen Eingriffs und dem Risikoprofil des Patienten. Bei invasiven Maßnahmen muss der Nutzen gegen die potenzielle Gefährdung des Patienten durch eine Infektion kritisch abgewogen werden. Insbesondere die Anlage eines zentralen Venenkatheters stellt ein postoperatives Risiko dar. Da Katheterinfektionen direkt mit der Anzahl der Lumina eines zentralen Venenkatheters assoziiert sind, sollte deren Anzahl auf ein Minimum reduziert werden. Bei den meisten Eingriffen kann auf einen zentralen Katheter komplett verzichtet werden.
Einen Überblick über das notwendige und erweiterte Monitoring, das unabhängig vom operativen Eingriff bei Transplantierten nötig ist, gibt Tab. 3.
Tab. 3
Monitoring beim transplantierten Patienten
Monitoring
Indiziert nach Transplantation von
Herz
Lunge
Leber
Niere
Andere TPL
5-Kanal-EKG, SpO2, NIBD
+
+
+
+
+
Arterielle Blutdruckmessung
+
(+)
-
(+)
-
Zentralvenöser Katheter
(-)
-
(-)
-
-
Pulmonalarterieller Katheter
(-)
(-)
-
-
-
Transösophageale Echokardiografie
(+)
(+)
-
-
-
Empfohlene Untersuchungen unabhängig von weiteren Vorerkrankungen. +: anzuwenden, (+): meist nützlich, (-): selten nützlich, -: nicht anzuwenden

Transfusion von Blutprodukten

Cave
Transfusionen müssen beim immunsupprimierten Patienten äußerst streng indiziert werden.
Beim transplantierten Patienten gibt es keinen Trigger für Transfusionen von Erythrozytenkonzentraten. Unter einer Hämoglobinkonzentration von 60–70 g/l scheinen diese vorteilhaft zu sein, wenn andere Zeichen einer O2-Minderversorgung vorliegen. Bei einer Hämoglobinkonzentration von über 90–100 g/l gelten sie als generell kontraindiziert [12].
Zusätzlich können Zytomegalievirusinfektionen, virale Reaktivierung oder Graft-versus-Host-Reaktionen bei Organtransplantierten deletäre Folgen haben. Die Gabe von Erythrozytenkonzentraten und Blutplasma während Lebertransplantation ist mit vermehrten postoperativer Komplikationen (Infektionen, gastrointestinale und abdominelle Komplikationen) und einer erhöhten Letalität assoziiert [11, 14]. Zudem kann ein zu hoher Hämatokrit oder eine überschießend korrigierte Gerinnung zu Thrombosen der Gefäßanastomosen führen.
Als Alternativen zur Gabe von Blutprodukten stehen die Optimierung der Erythropoese, das strikte Management des intraoperativen Blutverlusts und ein optimiertes Management der postoperativen Anämie zur Verfügung [25].

Postoperatives Management

Eine verlängerte postoperative Überwachung ist meist nicht erforderlich. Nichtsteroidale Antiphlogistika sollten vorsichtig eingesetzt werden, da sie die Nephrotoxizität von Cyclosporin verstärken und v. a. unter Steroidtherapie die Inzidenz gastrointestinaler Blutungen erhöhen.
Die Immunsuppression selbst scheint einen schmerzmodulatorischen Effekt zu haben. So wurde bei Patienten nach Lungentransplantation gegenüber thorakotomierten Patienten ohne Immunsuppression eine geringere Schmerzstärke gemessen [14].

Organspezifisches anästhesiologisches Management

Der Patient nach Herztransplantation

Pathophysiologie des transplantierten Herzens

Das transplantierte Herz ist denerviert. Es besteht weder eine sympathische, parasympathische noch eine sensorische Innervation.
Bei der bikavalen Anastomosetechnik bleibt der Sinusknoten des transplantierten Organs intakt, der des Empfängers wird reseziert. Das EKG zeigt somit eine P-Welle, die das Aktionspotenzial fortleitet. Im Gegensatz dazu wird bei der früher verwendeten biatrialen Technik der Herztransplantation der Vorhof des Organempfängers nicht reseziert. Es kann somit eine weitere P-Welle im EKG persistieren, die nicht über die Anastomose fortgeleitet wird und keine Folgen für die ventrikuläre Erregung hat.
Bedingt durch die Denervierung ist das Frequenzmuster des transplantierten Herzens zunächst starr. Die Ruhefrequenz beträgt 90–100 Schläge/min. Das Herzminutenvolumen wird hauptsächlich über einen Anstieg des Schlagvolumens erreicht. Das macht das Organ sehr sensibel für Änderungen der Vorlast. Der Starling-Mechanismus wird zur entscheidenden Größe des Herzzeitvolumens. Bei länger andauernder Arbeit wird infolge der Ausschüttung von Katecholaminen aus dem Nebennierenmark nach 3–5 Minuten eine direkte Wirkung der Katecholamine auf das Herz erzielt.
Cave
Weil der Barorezeptorreflex fehlt, haben Karotissinusmassage und Valsalva-Manöver keinen Einfluss auf die Herzfrequenz. Ebenso wenig wirken indirekt chronotrope Medikamente wie Atropin, Glycopyrrolat, Neostigmin, Pancuronium frequenzsteigernd.
Eine Reinnervation des Herzens beginnt nach einem Jahr, scheint aber erst nach 15 Jahren komplett abgeschlossen zu sein. Während eine Bradykardie kurz nach Transplantation auf eine diastolische Dysfunktion oder eine Sinusknotenischämie hindeuten kann, ist eine Abnahme der Herzfrequenz im Verlauf nach Transplantation häufig ein Zeichen der Reinnervation. Es sind Fälle von schwerer Bradykardie und Hypotension während Spinalanästhesie kurz nach Herztransplantation beschrieben [5].
Die häufigsten Komplikationen nach Herztransplantation sind neben Abstoßung und Infektionen eine Graft-Vaskulopathie (CAV – cardiac allograft vasculopathie), Herzrhythmusstörungen mangels Vagotonus, atrioventrikuläre Überleitungsstörungen (30 % AV-Block 1,5 % permanente Schrittmacher), Sinusknotenischämie und diastolische Dysfunktion [5].

Spezielles anästhesiologisches Management

Etwa 20 % der herztransplantierten Patienten haben mit einem Folgeeingriff zu rechnen. Präoperativ bestehen selten pektanginöse Beschwerden, was als Zeichen der Denervierung und keinesfalls als sicheres Zeichen eines guten präoperativen Status zu werten ist. Informationen über die Funktion des Organs liegen aufgrund häufiger Kontrollen meistens vor und sollten gesammelt werden. Die Mehrheit der Patienten weist schon drei Monate nach der Transplantation eine NYHA-Klasse von I auf.
Allgemeinanästhesie und regionale Verfahren können entsprechend den chirurgischen Anforderungen eingesetzt werden. Es ist keine Technik überlegen, die Abhängigkeit der Patienten von einer ausreichenden Füllung der Ventrikel ist aber im Besonderen wegen der Sympathikolyse bei regionalen Verfahren zu bedenken.
Eine invasive Messung des Blutdrucks wird bei größeren Eingriffen empfohlen. Sind relevante Blutverluste zu erwarten, empfiehlt sich eine Ausweitung des hämodynamischen Monitorings. Hier hat sich die transösophageale Echokardiografie als wenig invasives Verfahren etabliert, welches wertvolle Informationen über Füllungszustand, Kontraktilität und Ischämien liefert. Ein Swan-Ganz-Katheter oder eine Abschätzung des Herzzeitvolumens mittels Pulskonturanalyse ist möglich, ein klarer Vorteil für den Patienten ist für keines dieser Verfahren belegt [5].
Herztransplantierte Patienten sind auf eine intakte V. jugularis interna dextra zur Endomyokardbiopsie angewiesen, diese muss unbedingt geschont werden.
Direkte Vasopressoren und direkt chronotrope Medikamente wie Orciprenalin, Isoprenalin, Adrenalin, Dobutamin sollten genauso bereit gehalten werden wie Amiodaron oder Verapamil als Antiarrhythmika gegen Tachyarrhythmien. Der Einsatz von β-Blockern muss sehr vorsichtig erfolgen, insbesondere bei gleichzeitiger Gabe von Nitroglycerin oder Nitroprussidnatrium.
Der Schlüssel zur Anästhesie beim herztransplantierten Patienten ist das Aufrechterhalten einer ausreichenden Füllung der Ventrikel.

Der Patient nach Lungentransplantation

Pathophysiologie der transplantierten Lunge

Im Gegensatz zur En-bloc-Transplantation von Lunge und Herz bleibt bei der Einlungentransplantation oder der sequenziellen bilateralen Lungentransplantation die Innervation der Carina erhalten. Damit sind auch Hustenreflex und mukoziliäre Clearance vorhanden, welche vor stiller Aspiration, Sekretretention und Pneumonie schützen. Funktion und Tonus der kleinen Luftwege sind ebenfalls unverändert, Atemmuster und Atemfrequenz sind weder wach noch schlafend pathologisch. Die initial erhöhten Atemvolumina fallen sofort nach Transplantation ab, die CO2-Antwort ist in der Regel normal. Auch die hypoxische Vasokonstriktion ist nach Lungentransplantation intakt. Die vaskuläre Permeabilität der transplantierten Lunge kann unmittelbar nach der Transplantation noch erhöht sein.
Bei einer Einlungentransplantation kommt es zu einer Umverteilung von Ventilation und Perfusion bis zu 70 % zu Gunsten der transplantierten Lunge.
Komplikationen betreffen häufig die bronchialen Anastomosen in Form von Stenosen, Granulationen und Bronchomalazie. Insgesamt 50 % der lungentransplantierten Patienten weisen nach 5-Jahren-Überleben eine Bronchiolitis obliterans als Ausdruck einer chronischen Abstoßungsreaktion auf [26].

Spezielles anästhesiologisches Management

Bronchoskopien, bronchioalveoläre Lavagen und transbrochiale Lungenbiopsien bilden die häufigsten Eingriffe nach Lungentransplantation. Operationen wegen lymphoproliferativer Erkrankungen, Nasennebenhöhleneingriffe und Operationen wegen Pankreatitiden und Cholzytiden stellen häufige Operationsindikationen bei Patienten dar, die wegen einer zystischen Fibrose transplantiert wurden.
Mit den Leitsymptomen Husten und Dyspnoe fällt die Unterscheidung zwischen Infektion und Abstoßungsreaktion beim Lungentransplantierten häufig schwer und kann erst durch eine Biopsie geklärt werden. Ein präoperatives Thoraxröntgenbild ist hier häufig nicht aussagekräftig.
Hauptfaktor der Morbidität perioperativ stellt eine Aspiration dar. Die Indikation zur „rapid sequence induction“ sollte deswegen eng gestellt werden. Das Monitoring sollte der Operation angepasst sein. Es ist jedoch zu bedenken, dass die Immunsuppression bei Lungentransplantierten intensiver ist. Invasive Maßnahmen sollten nur nach strengster Indikationsstellung zum Einsatz kommen. Bei Lungentransplantierten sind häufig arterielle Blutgasanalyse erforderlich und die Anlage einer arteriellen Kanüle aus diesem Grund meist sinnvoll. Die vaskuläre Permeabilität bei der transplantierten Lunge ist pathologisch. Deshalb kann sich rasch ein Lungenödem entwickeln. Eine exzessive Flüssigkeitszufuhr sollte vermieden werden. Besondere Überwachungsmaßnahmen oder Monitoringverfahren sind nicht nötig. Es gibt keine besonderen Empfehlungen bezüglich der Wahl von Anästhetika.
Ist eine Einlungenbeatmung notwendig, sollte der bronchiale Anteil des Tubus bronchoskopisch platziert werden, um Verletzungen der Anastomose zu vermeiden.

Der Patient nach Lebertransplantation

Pathophysiologie der transplantierten Leber

Im Gegensatz zum Herzen hat die Denervierung der Leber keine praktischen Konsequenzen. Die Leberfunktion normalisiert sich innerhalb der ersten Wochen nach Transplantation. Das Serumbilirubin steigt initial leicht an, sollte aber spätestens drei Monate nach der Tansplantation wieder normalisiert sein. Persistierend hohe Spiegel sprechen für eine Abstoßung, eine Gallenwegsobstruktion oder eine Hepatitis-C-Infektion [29]. Der Serumaspartataminotransferasespiegel (AST) bleibt jedoch wesentlich länger erhöht, bei 50 % der Patienten über ein Jahr.
Eine zentrale Rolle spielt die Blutgerinnung. Die Gerinnungsfaktoren haben nach kurzer Zeit eine normale Konzentration. Antikoagulatorische Proteine steigen allerdings verzögert an. Dieses koagulatorische Missverhältnis hat wenig klinische Relevanz und nivelliert sich bei unkompliziertem Verlauf innerhalb der ersten zwei Wochen nach Transplantation. Auch eine Thrombopenie kann in der ersten Woche persistieren. Sie führt in der Regel nicht zu einer vermehrten Blutungsbereitschaft. Die hyperdyname Kreislaufsituation normalisiert sich innerhalb weniger Monate. Das hepatopulmonale Syndrom ist in der Regel partiell oder vollständig reversibel. Die Niereninsuffizienz bei vorbestehendem hepatorenalen Syndrom verbessert sich postoperativ signifikant.

Anästhesiologisches Management

Neben klinischen Parametern stellt die AST den zuverlässigsten Parameter für eine suffiziente Immunsuppression dar. Sie sollte präoperativ unbedingt im Rahmen der Labordiagnostik überprüft werden. Anstieg von Bilirubin und Prothrombinzeit, Abfall von Serumalbumin und Faktor V deuten auf eine Abstoßungsreaktion hin. Differenzialdiagnostisch muss auch an eine Infektion oder an Probleme der biliären Anastomose (Leckage, Stricktur, etc.) gedacht werden [1]. Eine Reinfektion mit Hepatitis C tritt in 50 % der Fälle auf. Auch CMV-Infektionen sind häufig. Für die definitive Diagnose ist häufig eine Leberbiopsie und Histologie unumgänglich.
Postoperativ sind zwei Phasen der Erholung nach Lebertransplantation zu unterscheiden:
  • In den ersten Monaten stellt sich das Management der Patienten häufig fast ebenso anspruchsvoll dar, wie zur Transplantation selbst. In dieser Phase finden häufig Revisionen statt, der Patient ist aber meist noch im operierenden Zentrum hospitalisiert.
  • In der zweiten Phase ist der Organismus erholt, die Narkose gestaltet sich unkompliziert [16, 29].
Es gibt keine Einschränkungen für Inhalationsanästhetika und andere hepatisch metabolisierte Medikamente bei lebertransplantierten Patienten.
Eine Sondersituation ergibt sich bei Patienten mit beginnender oder manifester Insuffizienz des transplantierten Organs. Hier müssen die klinischen Bedingungen präoperativ soweit wie möglich optimiert werden [19].

Der Patient nach Nierentransplantation

Pathophysiologie der transplantierten Niere

Trotz der Denervierung der Niere bleiben der renale Plasmafluss und die Kaliumexkretion konstant, während Natrium- und Bikarbonatexkretion erhöht sind. Die Konzentration an Erythropoetin steigt nach der Transplantation signifikant an. Der Patient nach Nierentransplantation mit guter Transplantatfunktion (Harnstoff und Kreatinin normal) und ausreichender Diurese kann wie ein nierengesunder Patient behandelt werden. Da die glomeruläre Funktionsrate um bis zu 30 % reduziert sein kann und der Patient mit der Immunsuppression bereits nephrotoxische Medikamente erhält, ist jedoch perioperativ die Gabe weiterer nephrotoxischer Medikamente unbedingt zu vermeiden.

Anästhesiologisches Management

Die Nierentransplantation ist die häufigste aller Transplantationen. Deshalb wird der Anästhesist immer wieder mit nierentransplantierten Patienten konfrontiert.
Kardiovaskuläre Erkrankungen sind in dieser Patientengruppe die häufigste Todesursache.
50 % der Patienten entwickeln postoperativ eine arterielle Hypertonie. Wegen weiterer häufig vorbestehender Risikofaktoren wie Diabetes mellitus, Hyperlipidämie und Arteriosklerose ist die kardiovaskuläre Morbidität in dieser Patientengruppe erhöht. Die Kontrolle des sekundären Hyperparathyreoidismus steht in einem engen Zusammenhang mit der kardiovaskulären Morbidität. Es besteht eine positive Korrelation zwischen der Schwere der arteriellen Hypertonie und dem Serumspiegel des Parathormons.
Intraoperativ müssen Hypotonie und Hypovolämie rasch erkannt und korrigiert werden. Eine invasive Blutdruckmessung zur hämodynamischen Stabilisierung innerhalb enger Grenzen ist daher bei diesen Patienten von Vorteil. Die Indikation zur Anlage eines zentralvenösen Katheters sollte streng unter Berücksichtigung der Schwere des geplanten Eingriffs sowie von Komorbiditäten gestellt werden. Zur Anlage peripherer Gefäßkatheter soll immer die Möglichkeit einer künftigen Shuntanlage bedacht werden. Ein Blasenkatheter sollte nur angelegt werden, wenn eine perioperative Beeinträchtigung der Nierenfunktion nicht ausgeschlossen werden kann.
Auf nierengängige Anästhetika sollte weitgehend verzichtet werden. Thiopental kann trotz seiner leicht verlängerten Wirkdauer verwendet werden.
Propofol ist das Einleitungsanästhetikum der Wahl.
Die Muskelrelaxation sollte mit Relaxanzien, die organunabhängig abgebaut und ausgeschieden werden, erfolgen (z. B. Atracurium, Cisatracurium). Opioide können sicher verwendet werden. Morphin und Pethidin sollten jedoch vorsichtig dosiert werden, da ihre Metabolite bei Nierentransplantierten akkumulieren. Über den Einfluss der verschiedenen Kolloide auf die Nierenfunktion nach Transplantation liegen keine Daten vor.

Der Patient nach Pankreastransplantation

Nach einer Pankreastransplantation normalisiert sich der Blutglukosespiegel in der Regel rasch. Aufgrund der Immunsuppression mit Steroiden und des operativen Stresses kann dennoch eine exogene Insulinzufuhr notwendig werden.
Die kombinierte Nieren- und Pankreastransplantation wird v. a. bei Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus Typ I durchgeführt. Chirurgische Komplikationen sind in Form von Anastomoseninsuffizienzen, Abszessen, intraabdominellen Infektionen und Gefäßthrombosen häufige Gründe für erneute Operationen nach der Transplantation.

Immunsuppressiva

Auswahl, Kombination und Dosierung der Immunsuppressiva sind derzeit in einem ständigen Wandel und Gegenstand laufender Studienprotokolle. Der Anästhesist sollte sich deshalb am aktuellen Regime des betreuenden Zentrums orientieren.
Cave
Zielspiegel der Immunsuppressiva sind abhängig von der verwendeten Bestimmungsmethode.

Spezielle Aspekte einzelner Immunsuppressiva

Kortikosteroide
Indikation für den Einsatz von potenten Kortikosteroiden wie Methylprednison stellt heute v. a. die Prävention der akuten Abstoßungsreaktion dar. Im Rahmen der Langzeitimmunsuppression zeigt sich in den letzten Jahren eine Tendenz zur Dosisreduktion bis hin zum vollständigen Ausschleichen im ersten Jahr nach Transplantation. Kortikosteroide wirken auf verschiedenen Ebenen des Immunsystems, im Speziellen auf T-Lymphozyten. Daneben haben sie großen Einfluss auf Cytokine und andere Mediatoren des Immunsystems. Die gut dokumentierten Nebenwirkungen sind dosis- und zeitabhängig.
Calcineurininhibitoren: Ciclosporin und Tacrolimus
Calcineurininhibitoren sind eine Säule der immunsuppressiven Therapie Transplantierter. Sie wirken gegen die T-Zell vermittelte Abstoßung über kalziumabhängige Signalvorgänge. Gleichzeitig verhindern sie die klonale Expansion alloreaktiver T-Zellen.
Die Behandlung wird entweder direkt nach der Transplantation oder nach einer Induktionstherapie mit Thymoglobulinen begonnen [14]. Ein Problem bei der Behandlung mit diesen Substanzen stellt die enge therapeutische Breite dar. Regelmäßige Spiegelkontrollen sind notwendig. Ein Vorteil von Tacrolimus gegenüber Ciclosporin ist das günstigere Nebenwirkungsprofil, sodass diese Substanz bevorzugt eingesetzt wird.
Beide Substanzen werden über das Cytochrom P450 metabolisiert. Dessen verminderte Aktivität kann die Blutspiegel von Calcineurininhibitoren ansteigen lassen. Durch regelmäßige Blutspiegelkontrollen kann die Balance zwischen Abstoßungsreaktion und übermäßiger Suppression des Immunsystems gehalten werden. Die Applikation soll in erster Linie oral erfolgen. Die orale Bioverfügbarkeit liegt bei 10–60 % (Tacrolimus), bzw. 30 % (Ciclosporin). Die Halbwertzeiten sind mit 8 h für Ciclosporin und 8–24 h für Tacrolimus ähnlich.
Wegen der nephrotoxischen Nebenwirkungen von Calcineurininhibitoren ist die präoperative Evaluation der Nierenfunktion bei Patienten mit dieser Medikation unerlässlich. 20 % der Patienten leiden im ersten Jahr nach Transplantation an Störungen der Nierenfunktion, 5–8 % der Herztransplantierten benötigen in der Folge ein Nierenersatzverfahren oder eine Nierentransplantation [5]. Weitere klassische Nebenwirkungen sind Neurotoxizität, lymphoproliferative Erkrankungen und Elektrolytstörungen [23]. Erhöhte Blutspiegel können die Krampfschwelle senken und bei prädispositionierten Patienten zu vermehrten Krampfanfällen führen.
Tacrolimus scheint gegenüber Ciclosporin den Vorteil zu haben, dass sich eine arterielle Hypertonie selten ausbildet. Das spielt v. a. bei Herz- und Nierentransplantierten eine große Rolle, da deren Letalitätsrisiko durch die kardiovaskuläre Komorbidität mitbestimmt ist.
Der Ciclosporinspiegel variiert mit der Leberfunktion und kann selbst auch zu Leberfunktionsstörungen führen. Eine laborchemische Kontrolle der Leberfunktion ist präoperativ notwendig.
Gingivahyperplasie und Hirsutismus treten nur in der Behandlung mit Ciclosporin auf ([11]; Tab. 4).
Tab. 4
Nebenwirkungen von Immunsuppressiva
Nebenwirkung
Steroide
Ciclosporin
Azathioprin
MMF
Neurotoxizität
 
+
++
  
a
Psychiatrische NW
+
 
+
   
+
+++
++
  
+
Hyperlipidämie
++
++
+
  
++
Diabetes mellitus
+++
+
++
   
Knochenmarkdepression
   
+++
+
+++
Lymphoproliferative Erkrankungen
+
+
+
   
Gastrointestinale NW
+
 
+
+
++
+
Hepatotoxizität
 
+
 
++
  
Periphere Ödeme
+
     
Nephrotoxizität
 
+++
+++
   
Periphere Ödeme
      
+
     
+
     
Gingivahyperplasie
 
+
    
Alopezie
  
+
   
Hirsutismus
 
+
    
+, ++, +++ entspricht der klinischen Relevanz
apotenziert die Nebenwirkung von Ciclosporin und Tacrolimus
Antiproliferativa: Mycophenolat-Mofetil und Azathioprin
Antiproliferative Wirkstoffe hemmen die DNA- und RNA-Synthese der Zellen und sind dabei spezifisch für guaninenthaltende Nukleotide. Da diese für die Synthese von Lymphozyten unentbehrlich sind, ergibt sich eine Hemmung der T- und B-Lymphozyten. Folge dieser Hemmung sind nicht nur die erwünschte Suppression des Immunsystems, sondern zusätzlich Knochenmarkdepression, gastrointestinale Nebenwirkungen, Leberfunktionsstörungen, Pankreatitis und teratogene Wirkungen. Letztere sollte bei Kinderwunsch transplantierter Patientinnen unbedingt berücksichtigt werden. Die Wirkung auf das Knochenmark muss durch regelmäßige Kontrolle des Blutbilds gesteuert werden.
Cave
Die gleichzeitige Gabe von Antiproliferativa und Allopurinol ist streng kontraindiziert.
Der Vergleich der beiden Substanzen zeigt, dass die 1-Jahres-Überlebensrate bei Mycophenolat höher war und die Abstoßungsreaktionen gegenüber Azathioprin deutlich reduziert. Opportunistische Infektionen waren jedoch häufiger.
Eine Besonderheit von Mycophenolat-Mofetil ist die progressive multifokale Leukenzephalopathie, die sich in kognitiven und motorischen Störungen äußern kann. Dieser Erkrankung liegt eine Infektion mit einem Poliomavirus (JC-Virus) zu Grunde und tritt in dieser Form auch bei Aids-Erkrankten auf.
mTOR-Inhibitoren: Sirolimus und Everolimus
Sirolimus ist von seiner chemischen Struktur ein Makrolidantibiotikum. Es wurde als Produkt von Streptomyceten aus dem Boden der Osterinsel (Rapa Nui) gewonnen. Es ist strukturverwandt mit Tacrolimus, hat aber einen komplett anderen Wirkmechanismus: es hemmt die Proteinsynthese der T-Zellen. Ziel dieser Hemmung ist eine Kinase (mTOR – mammalian target of Rapamycin), die den Übergang von der G1- in die S-Phase des Zellzyklus ermöglicht. Eine akute Abstoßungsreaktion kann auf diese Weise wirkungsvoll verhindert werden. Aufgrund der fehlenden Nephrotoxizität kommen mTOR-Inhibitoren v. a. bei Patienten nach Nierentransplantation zur Anwendung [15].
Das Nebenwirkungsprofil umfasst die arterielle Hypertonie, Hyperlipidämie, Knochenmarkdepression, Wundheilungsstörungen und peripheren Ödeme. Blutspiegelkontrollen sind zur Steuerung der Therapie auch hier notwendig.
Interaktionen und Resorption von Immunsuppressiva und Arzneimitteln
Interaktionen von Immunsuppressiva treten insbesondere mit Hypnotika und Muskelrelaxanzien auf, sind jedoch auch für eine Vielzahl anderer, perioperativ häufig eingesetzter Substanzen beschrieben (Tab. 5).
Tab. 5
Interaktionen von Immunsuppressiva
Medikament (Auswahll)
Potenziert Nephrotoxizität von
Erhöht Blutspiegel von
Senkt Blutspiegel von
CSP
TCR
CSP
TCR
SM/EV
CSP
TCR
SM/EV
Cytochrom-P450-3A4-Inhibitoren
  
    
Cytochrom-P450-3A4-Induktoren
     
 
Antibiotika
Makrolide
  
   
Rifampicin
    
 
Trimethoprim/Sulfamethoxazol
      
Gentamycin
       
      
      
Antimycotika
        
Amphotericin B
      
Triazolderivate
  
   
Analgetika
      
Naproxen
      
Antiarrhythmika, Antihypertensiva
  
     
  
   
Antihistaminika
Cimetidin
 
   
Ranitidin
      
Protonenpumpenhemmer
Omeprazol
   
    
Antiemetika
Metoclopramid
  
   
Antidepressiva, Antiepileptika
     
Phenobarbital
     
Phenotoin
     
Hypnotika
Phenobarbital
     
Sexualhormone
Ethinylestradiol
   
    
Danazol
  
   
Virostatika
HIV-Protease Inhibitoren
  
 
   
Urostatika
        
Allopurinol
  
     
Sonstige
Johanniskraut
     
Grapefruit
  
   
CSP = Ciclosporin, TCR = Tacrolimus, SM/EV = Sirolimus/Everolimus
Die Metabolisierung über das Cytochrom P450 spielt bei allen Interaktionen die entscheidende Rolle. Auch eine synergistische Verstärkung der Nephrotoxizität ist wesentlich. Andererseits können durch Wechselwirkung bedingte Abnahmen der Wirkspiegel von Immunsuppressiva schwere Abstoßungsreaktionen hervorrufen.
Eine orale Gabe dieser Medikamente sollte wenn möglich der i.v.-Applikation vorgezogen werden. In manchen klinischen Situationen, insbesondere bei viszeralchirurgischen Eingriffen, ist die Resorption unsicher. Eine Umstellung auf eine i.v.-Gabe ist hier notwendig. Tab. 6 stellt eine Hilfe bei der Umstellung der Substanzen dar, eine Absprache mit dem behandelnden Zentrum ist in solchen Situationen jedoch immer von Vorteil.
Tab. 6
Umstellung orale auf intravenöse Gabe
Medikament
Umstellung p.o. auf i.v.
Beispiel
Patient 80 kg, 183 cm
1:1 bis 3:1
Enge Blutspiegelkontrolle
Cave: i.v.-Lösung wirkt anaphylaktoid
Bei Rückumstellung Dosis 1:3 (i.v.:p.o.)
z. B. Sandimmun neoral:
240 mg–0–240 mg p.o.
auf
240 mg–0–240 mg i.v. bis
80 mg–0–80 mg i.v.
1:1 bis 5:1
Als kontinuierliche i.v.-Gabe
Bei Rückumstellung Dosis 1:5 (i.v.:p.o.)
z. B. Prograf:
8 mg–0–8 mg p.o.
auf
8 mg/Tag als 24-h-Dauerinfusion
Azathioprin
1:1
Wenn möglich p.o.
z. B. Immurek
400 mg–0–0 p.o.
auf
400 mg–0–0 i.v.
Mycofenolat Mofetil
1:1
Reduktion bei Leukozytenzahlen <4000
intravenöse Gaben nie als Bolus
z. B. CellCept
1 mg–0–1 mg p.o.
auf
1 mg–0–1 mg i.v.
(Cave: immer als Lösung 6 mg/ml über 2 h, d. h. 84 ml/h)
1:1
Enge Blutspiegelkontrollen
z. B. Rapamune
Individuell immer nach Spiegelkontrollen
1:1
Cave: ggf. perioperative Substitution
 

Transplantatabstoßung

Die Abstoßungsreaktion ist ein komplexer Vorgang, der Präsentation und Erkennung von fremdem Antigen, Integration von mitstimulierenden Molekülen und die Erzeugung von Effektorzellen oder Cytokinen umfasst [27]. Der Anästhesist, der einen transplantierten Patienten betreut, sollte die Zusammenhänge zwischen Abstoßung und Organfunktion kennen.

Die hyperakute Abstoßung

Die hyperakute Abstoßung entsteht auf der Basis von vorbestehenden, zytotoxischen Antikörpern gegen Transplantatantigen. Die Inzidenz dieser Konstellation konnte durch den präoperativen Cross-Match der HLA-Identität zwischen Spender und Empfänger drastisch reduziert werden. Bei präoperativem HLA-Missmatch wurde eine schlechtere Langzeitüberlebensrate des Transplantats nachgewiesen.
Klinisch ist die hyperakute Abstoßung durch eine ausgedehnte intravaskuläre Thrombose nach Reperfusion gekennzeichnet.
Differenzialdiagnostisch können ein Reperfusionsschaden des Gefäßendothels oder Kälteagglutinine ebenfalls eine akute Thrombose verursachen.

Die akute Abstoßung

Bei mehr als 50 % aller Organempfänger tritt eine akute Abstoßung während der Lebenszeit des transplantierten Organs auf. Sie kann jederzeit nach Transplantation auftreten und ist durch eine akute Funktionsstörung gekennzeichnet.
Differenzialdiagnostisch kommen bei Störungen der Organfunktion jedoch auch weitere auslösende Mechanismen in Betracht: Medikamententoxizität, Transplantatinfarkt, systemischer Infekt (Zytomegalievirus, Hepatitis B/C/D) und Dehydratation. Bei Lebertransplantierten sind auch Anomalien der Gallenwege in Betracht zu ziehen.
Schnelle Diagnose und Therapie einer akuten Abstoßung sind essenziell für das Langzeitüberleben des Transplantats.
Verschiedene klinische, biochemische und histologische Diagnoseverfahren werden dabei angewendet (Tab. 7).
Tab. 7
Diagnostische Test bei akuter Transplantatabstoßung
Organ
Test
Herz
Echokardiogramm (Ejektionsfraktion)
Koronarangiografie
Endomyokardbiopsie
Lunge
Lungenfunktonstest
Transbronchiale Biopsie
Leber
Serumbilrubin
Leberfunktionstest
Leberbiopsie
Cholangiografie
Niere
Serumkreatinin
Pankreas
Blutzuckerspiegel
Glykolysiertes Hämoglobin (HbA1c)
„Insulin release assay“
Die meisten Abstoßungen verlaufen asymptomatisch. Klinische Zeichen sind zumeist unspezifische Symptome wie subfebrile Temperaturen, Myalgien, Abgeschlagenheit, geringere körperliche Belastbarkeit. Kommen Zeichen der Organinsuffizienz hinzu, muss die Möglichkeit einer Abstoßungsreaktion unbedingt bedacht werden.

Die chronische Abstoßung

Durch das verbesserte Management der akuten Abstoßung ist die chronische Abstoßung zu einer wichtigen Ursache eines Transplantatverlusts geworden. Die chronische Abstoßung kann nicht exakt definiert werden, da allgemein gültige Kriterien für die Diagnostik fehlen.
Klinisch handelt es sich um eine fortschreitende Funktionsverschlechterung des Transplantats über Monate oder Jahre, was schließlich zu einem Transplantatversagen führt. Morphologisch ist die chronische Abstoßung durch eine progressive Verengung aller röhrenförmigen Strukturen (Gefäße, Bronchioli, Gallenwege) charakterisiert.
Dabei entstehen Krankheitsbilder wie progressive Glomerulosklerose in Nierentransplantaten, Bronchiolitis obliterans in transplantierten Lungen oder beschleunigte Koronarsklerose in Herztransplantaten.

Therapiemöglichkeiten

Therapieoption zur Verhinderung bzw. Beendigung einer drohenden Abstoßungsreaktion umfassen die Intensivierung (hochdosierte Kortikosteroide und Proliferationssignalinhibitoren) bzw. die Umstellung der Immunsuppression (z. B. von Ciclosporin auf Tacrolimus). Die Gabe von Immunglobulinen oder die Plasmapherese sind weitere, den betreuenden Zentren vorbehaltene Möglichkeiten [20].
Besteht die Gefahr der Gefäßthrombose des transplantieren Organs, muss der Patient therapeutisch mit Heparin behandelt werden.

Schwangerschaft

Die Frage nach einer Schwangerschaft transplantierter Frauen gewinnt durch verbesserte Lebensqualität und erhöhte Überlebensraten zunehmend an Bedeutung. Hier sind drei Aspekte zu bedenken: die Mutter, das Kind und das transplantierte Organ.
Die maternale Fertilität wird durch die Immunsuppression nicht beeinträchtigt.
Cave
Die Schwangerschaft kann den Cyclosporinspiegel signifikant absinken lassen.
Die Lebenserwartung transplantierter Frauen ist gegenüber der Normalpopulation eingeschränkt und die Möglichkeit, dass das Kind die leibliche Mutter verliert, muss in die Überlegungen mit einbezogen werden. Es gibt wenig valide Daten, aber einige Fallberichte, die erfolgreiche Schwangerschaften nach Transplantationen beschreiben. Probleme scheinen eine erhöhte Rate an embryonalen und fetalen Abstoßungen zu sein. Das betrifft v. a. das erste Jahr nach Transplantation. Hier sind Schwangerschaften möglichst nicht zu planen. Auch Infektionen treten während der Gravidität häufiger auf. Ein arterieller Hypertonus kann sich während der Schwangerschaft verschlechtern und erfordert entsprechende Therapie. Die Rate von Präeklampsien liegt dennoch bei nahezu 20 %. Eine Schwangerschaft nach Transplantation stellt immer eine Risikoschwangerschaft dar und erfordert enge Zusammenarbeit der betreffenden Fachgruppen. Es kommt in etwa 30 % zu einer vorzeitigen Entbindung, die Kaiserschnittrate liegt bei 33 % [8].
In folgenden Situationen sollte von einer Schwangerschaft abgeraten werden
  • Rezidivierende Abstoßungen
  • Schlecht kontrollierter arterieller Hypertonus
Die Gabe von Muttermilch sollte unterbleiben, da Tacrolimus, Azathioprin und Cyclosporin in der Muttermilch nachgewiesen werden können.
Die Risiken für den Feten scheinen größer als für die Mutter zu sein. Die Miss- und Fehlbildungsrate ist jedoch nicht höher als in der Normalbevölkerung. Ein weiteres Problem kann die Rhesus-Inkompatibilität darstellen, wenn es bei einer rhesusnegativen Mutter zur Isoimmunisierung durch ein rhesuspositives Organ gekommen ist.
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