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Die Anästhesiologie
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Publiziert am: 12.07.2017

Anästhesie und Thermoregulation

Verfasst von: A. Bräuer
Die physiologische Thermoregulation wird durch alle anästhesiologischen Verfahren beeinträchtigt. Ohne präventive Maßnahmen kommt es daher in der perioperativen Phase sehr häufig zu einer Auskühlung des Patienten. Die pathophysiologischen Konsequenzen der Hypothermie erhöhen das perioperative Risiko. Neben einem deutlich verminderten Patientenkomfort führt die perioperative Hypothermie zu einer veränderten Pharmakokinetik, vermehrtem Blutverlust, einer erhöhten Inzidenz an kardiozirkulatorischen Komplikationen und einer höheren Wundinfektionsrate.
Einleitung
Die physiologische Thermoregulation wird durch alle anästhesiologischen Verfahren beeinträchtigt. Ohne präventive Maßnahmen kommt es daher in der perioperativen Phase sehr häufig zu einer Auskühlung des Patienten. Die pathophysiologischen Konsequenzen der Hypothermie erhöhen das perioperative Risiko. Neben einem deutlich verminderten Patientenkomfort führt die perioperative Hypothermie zu einer veränderten Pharmakokinetik, vermehrtem Blutverlust, einer erhöhten Inzidenz an kardiozirkulatorischen Komplikationen und einer höheren Wundinfektionsrate.
Eine klinisch relevante Auskühlung tritt insbesondere bei längeren Eingriffen, bei älteren Patienten und bei Kindern auf. Zur Prävention und Therapie der perioperativen Hypothermie stehen heute viele effektive Methoden zur Verfügung.
Abzugrenzen von der akzidentellen, perioperativen Hypothermie sind andere Formen, die Teil einer Behandlungsstrategie sein können. Dazu gehören die moderate bzw. tiefe Hypothermie während herzchirurgischer Operationen mit extrakorporaler Zirkulation (Kap. „Anästhesie in der Chirurgie des Herzens und der herznahen Gefäße“) und die moderate Hypothermie als Therapiekonzept in der Behandlung der zerebralen Ischämie nach Reanimation (Kap. „Anästhesie in der Neurochirurgie“).

Physikalische Grundlagen

Die Wärme eines Objekts entspricht dem Gehalt an kinetischer Energie seiner Moleküle. Die Temperatur ist das Maß für die mittlere kinetische Energie der Moleküle: bewegen sich die Moleküle schnell, ist ihre kinetische Energie und damit die Temperatur des Objekts hoch. Die SI-Einheit der Temperatur ist Kelvin [K], in der Medizin wird die Temperatur jedoch in Grad Celsius [°C] angegeben.
Die Wärmekapazitätbezeichnet das Vermögen eines Körpers, Energie in Form von Wärme zu speichern. Sie gibt an, wie viel Energie notwendig ist, um die Temperatur eines Objekts anzuheben, bzw. wie viel Energie verloren wird, wenn die Temperatur eines Objekts abfällt. Die spezifische Wärmekapazität des menschlichen Körpers beträgt 0,83 kcal pro kg Körpergewicht (KG) und °C bzw. 3,48 kJ pro kg Körpergewicht (KG) und °C (Umrechnung von cal in die SI-Einheit Joule [J]: 1 cal = 4,1868 J). Der Abfall der Körpertemperatur von 37 auf 36 °C eines 70 kg schweren Patienten führt zu einem Wärmeverlust von 58 kcal bzw. 243 kJ.

Physiologie des Wärmehaushalts

Der Mensch als homöothermes Wesen hält seine Körperkerntemperatur trotz wechselnder Umgebungstemperatur auf einem konstanten Niveau von etwa 37 °C.
Stoffwechselprozesse produzieren Wärme (ca. 1 kcal/kgKG/h = 1,16 J/s oder 1,16 W), die als sog. Grundumsatz diejenige Energiemenge darstellt, die allein zur Erhaltung der Organfunktionen benötigt wird. Sie beträgt für den Erwachsenen (70 kgKG) je nach Konstitution 1500–1800 kcal pro Tag (=6280−7536 kJ/d). Durch körperliche Arbeit und Muskelzittern kann der Mensch zusätzlich Wärme produzieren.
Wärmeabgabe
Die Wärmeabgabe erfolgt hauptsächlich über die Haut und zu einem kleinen Teil über die Atemwege. An der Wärmeabgabe sind 4 verschiedene Mechanismen beteiligt: Wärmeleitung über Konduktion und Konvektion sowie Evaporation und Radiation (Abb. 1) [2].
Konduktion ist die Weiterleitung der kinetischen Wärmeenergie von einem festen Körper auf einen anderen festen Körper, z. B. wenn der Körper auf dem Operationstisch liegt. Die abgegebene Wärmemenge pro Zeiteinheit ist abhängig von der Effektivität des Wärmeaustauschs, der Größe der Austauschfläche und dem Temperaturgradienten zwischen den beiden Körpern.
Konvektion bedeutet Wärmetransport durch ein bewegtes Medium, wie Flüssigkeit oder Gas. Der Blutstrom transportiert Wärme vom Körperkern zur Peripherie. Der Luftstrom über der Körperoberfläche, verursacht von der Klimaanlage im OP-Trakt, trägt die über der Haut erwärmte Luftschicht weg.
Evaporation ist die Abgabe wärmeenergiereicher Moleküle von einer Flüssigkeitsoberfläche an ein Gas. Das zur Verdunstung notwendige Wasser gelangt an die Oberfläche über die Schweißdrüsen der Haut (Perspiratio sensibilis), über die Alveolarwände in der Lunge oder z. B. über das viszerale Blatt des Peritoneums beim eröffneten Abdomen (Perspiratio insensibilis).
Jeder Körper gibt auch Wärme in Form von Strahlung (Radiation) an die Umgebung ab. Gleichermaßen kann er aber auch Strahlungsenergie aufnahmen z. B. von einem Infrarotstrahler.
Konstanthaltung der Körpertemperatur
Die Körperkerntemperatur schwankt tagesrhythmisch zwischen 36,5 und 37,5 °C. Trotz unterschiedlicher Umgebungsbedingungen bleibt sie sehr konstant, indem Wärmeproduktion und -aufnahme mit der Wärmeabgabe im Gleichgewicht gehalten werden. Die Thermoregulation sorgt für dieses Fließgleichgewicht und kann als ein Regelkreis mit Rückkoppelung dargestellt werden.
Thermorezeptoren finden sich in der Haut, im Thorax, im Abdomen, im Rückenmark, im Gehirn und im Hypothalamus selbst. Die Informationen der Thermorezeptoren erreichen den Hypothalamus als zentralen Regler der autonomen Thermoregulation. Liegt die aktuelle Körperkerntemperatur sehr nah am aktuellen Sollwert (±0,2 °C), so werden keine Korrekturmechanismen wie Vasodilatation und -konstriktion, Schwitzen und Muskelzittern eingesetzt.
Besteht eine deutliche Differenz zwischen dem Soll- und dem Istwert, setzt der Hypothalamus autonome thermoregulatorische Korrekturmechanismen in Gang, bis der Sollwert wieder erreicht wird.
Die Wärmeabgabe erfolgt in erster Linie durch aktive Vasodilatation und Schwitzen. Auf Kälte hingegen antwortet der Körper mit Vasokonstriktion und Muskelzittern. In der Neonatalperiode induzieren Katecholamine eine zitterfreie Wärmebildung im braunen Fettgewebe.

Entstehung von perioperativer Hypothermie und perioperative Wärmebilanz

Eine Prämedikation mit Benzodiazepinen führt präoperativ zu einem geringen Abfall der Körperkerntemperatur. Andererseits ist der intraoperative Wärmeverlust deutlich geringer, wenn niedrig dosiert Midazolam verabreicht wird, anstatt auf eine Prämedikation zu verzichten [3]. Die Prämedikation mit Clonidin reduziert ebenfalls dosisabhängig den Schwellenwert für die thermoregulatorische Vasokonstriktion [4]. Sehr viele Patienten erreichen den OP bereits mit einer erniedrigten Körperkerntemperatur von unter 36,5 °C [5, 6].
Die perioperative Fortführung einer antidepressiven Medikation vermindert den intraoperativen Abfall der Körperkerntemperatur, während eine antipsychotische Dauermedikation schizophrener Patienten die intraoperative Auskühlung verstärkt [7, 8].
Allgemeinanästhesie
Das im Wachzustand vorhandene Fließgleichgewicht wird in Narkose von 2 Mechanismen beeinflusst. Eine um etwa 30 % verminderte Wärmeproduktion (ca. 60 kcal/h entspricht 70 W) und eine vermehrte Wärmeabgabe (ca. 210 kcal/h entspricht 244 W) bedingen eine negative Wärmebilanz und damit einen intraoperativen Wärmeverlust. Des Weiteren führen fast alle üblicherweise eingesetzten Anästhetika (volatile Anästhetika, Propofol, Benzodiazepine und Opioide) zu einer Störung der autonomen Thermoregulation im Hypothalamus.
Der Schwellenwert für die Aktivierung der thermoregulatorischen Vasokonstriktion verschiebt sich unter Allgemeinanästhesie deutlich zu tieferen Werten, sodass die thermoregulatorische Vasokonstriktion erst bei einer von Körperkerntemperatur von unter 36 °C aktiviert wird.
Die Körperkerntemperatur nimmt während einer Allgemeinanästhesie einen typischen Verlauf, wenn keine Wärme aktiv zugeführt wird. In der ersten Stunde nach Narkosebeginn fällt sie rasch ab (Umverteilungsphase). Die Ursache für die initiale Wärmeumverteilung liegt in der Störung der autonomen Thermoregulation durch die eingesetzten Anästhetika. Durch das Aufheben der vor Narkoseeinleitung aktivierten thermoregulatorischen Vasokonstriktion kommt es zum Abstrom von Wärme aus dem Körperkern in die Peripherie ([1, 9]; Abb. 2). Das Ausmaß dieser Wärmeumverteilung ist hauptsächlich vom Temperaturgradienten zwischen dem Körperkern und der Körperperipherie abhängig und kann bis zu 1,6 °C pro Stunde erreichen.
In den folgenden 2–3 h sinkt die Körperkerntemperatur nur noch um etwa 1,1 °C pro Stunde ab (lineare Phase), bis sich dann wieder annähernd ein Gleichgewicht zwischen Wärmeproduktion und -verlust auf erniedrigtem Niveau einstellt (Plateauphase; Abb. 3).
Cave
Die Gefahr der Auskühlung ist bei älteren Patienten erhöht [11].
Rückenmarknahe Verfahren
Sympathikolyse, veränderte Thermoregulation und fehlendes Muskelzittern in den betäubten Arealen beeinflussen den Wärmehaushalt auch bei rückenmarknahen Verfahren.
Lokalanästhetika blockieren u. a. die sympathischen Nervenfasern. Die Sympathikolyse bei rückenmarknahen Anästhesieverfahren führt über eine Dilatation der Gefäße der unteren Extremitäten zu vermehrter Wärmeabgabe über die Haut. Diese Wärmeumverteilung ist verantwortlich für den schnellen Temperaturabfall in der ersten Stunde nach Beginn der Spinal- bzw. Periduralanästhesie [1]. Unter Spinalanästhesie ist der Effekt aufgrund des schnellen Wirkungseintritts ausgeprägter [12]. Eine hohe Blockade und fortgeschrittenes Patientenalter sind Prädiktoren für eine Hypothermie während Spinalanästhesie [13].
Zudem beeinträchtigen auch rückenmarknahe Verfahren die autonome Thermoregulation. Die Hauttemperatur der geblockten Dermatome wird fälschlicherweise als zu hoch wahrgenommen. Daraufhin werden vom Hypothalamus thermoregulatorische Gegenmechanismen eingeleitet [14]. Auch das subjektive Kälteempfinden der Patienten ist bei rückenmarknahen Anästhesieverfahren beeinträchtigt. Eine Messung der Körperkerntemperatur wird selten durchgeführt. Dadurch wird das Erkennen einer Hypothermie während rückenmarknahen Anästhesieverfahren erschwert bzw. unterbleibt [15].
Die intrathekale Injektion von Morphin verstärkt die Hypothermie unter Spinalanästhesie bei Sectio [16].
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Die Kombination von Allgemeinanästhesie und Regionalverfahren führt zur Addition der jeweiligen Wärmeverluste [17, 18].
Bei einer Allgemeinanästhesie stagniert nach einer gewissen Zeit der Wärmeverlust und eine Plateauphase wird erreicht (Abb. 3), da die Temperaturschwelle für eine Vasokonstriktion überschritten wird. Mit der Kombination beider Verfahren hält der Temperaturabfall jedoch kontinuierlich an, da die sympathikolytisch induzierte Vasodilatation bestehen bleibt [17].
Umgebungsbedingungen
Die Umgebungsbedingungen des Operationsaals können über alle 4 Mechanismen der Wärmeabgabe (Abschn. 2) erheblichen Einfluss auf die Wärmebilanz ausüben:
Niedrige Raumtemperatur und mangelnde Körperisolation beschleunigen den Wärmeverlust durch Radiation. Die OP-Saaltemperatur sollte deswegen bei Erwachsenen ca. 21 °C [19], bei Kindern mind. 24 °C betragen [19]. Ein kalter Operationstisch entzieht dem Körper Wärme durch Konduktion. Im klimatisierten Operationstrakt liegt eine hohe Luftbewegung vor und fördert den Wärmeverlust durch Konvektion, eine niedrige Luftfeuchtigkeit durch Evaporation.
Lösungen zur chirurgischen Hautdesinfektion kühlen das Operationsgebiet. Sind große Körperhöhlen eröffnet, verliert der Patient Wärme durch Evaporation im Rahmen der Perspiration. Kalte Spüllösungen verursachen einen weiteren Wärmeverlust.
Infusionstherapie
Ungewärmte oder gekühlte Infusionslösungen werden im Körper erwärmt bzw. an die Körpertemperatur angeglichen. Dazu verbraucht der Körper Wärme und die Körpertemperatur sinkt. Dieser Abfall der Körperkerntemperatur ist in Abb. 4 in Abhängigkeit der verabreichten Menge unterschiedlich temperierter Flüssigkeit dargestellt [10]. Mit Hilfe von Annäherungsformeln kann dieser Wärmeverlust durch Infusionen und Transfusionen und damit auch die Infusionsmenge, die die Körpertemperatur um einen bestimmten Betrag abfallen lässt, kalkuliert werden [20]. Allerdings sind solche Formeln für die klinische Verwendung weniger praktikabel.
Einfacher ist folgende Näherungsformel: ca. 50 ml/kg/KG Infusionslösung senken bei 20 °C Raumtemperatur die mittlere Körpertemperatur um 1 °C.
Das bedeutet: bei einem 70 kg schweren Patienten wird die Körpertemperatur nach 3,5 l Infusionslösung mit 20 °C um 1 °C sinken.
Maschinelle Beatmung
Bei einer Beatmung mit trockenen, nichtangewärmten Atemgasen müssen diese in der Lunge angefeuchtet werden. Die dazu nötige Verdunstung von körperwarmem Wasser führt zu einer Wärmeabgabe über die Exspiration. Werden die Atemgase jedoch im Beatmungssystem künstlich befeuchtet bzw. ein niedriger Gasfluss und Beatmungsfilter mit Feuchteaustauschfunktion („heat and moisture exchanger“-[HME-]Filter) verwendet [21], ist der Einfluss der maschinellen Beatmung auf den Wärmeverlust zu vernachlässigen.
Hypothermiehäufigkeit und -disposition
Ältere Menschen du Kinder sind besonders gefährdet während operativen Eingriffen auszukühlen. Bei Kindern ist dies durch ihr, im Verhältnis zum Körpergewicht, großen Körperoberfläche bedingt. Die geringere Dicke der kindlichen Haut mit wenig subkutanem Fett isoliert schlecht.
Cave
Ältere Menschen [11] und Kinder sind besonders anfällig für perioperative Wärmeverluste.
Krankheitsbilder, die zur intraoperativen Auskühlung prädisponieren
  • Hypothyreose, aufgrund der stoffwechselbedingt reduzierten Wärmeproduktion
  • Kachexie, aufgrund der verminderten isolierenden äußeren Fettschichten
  • Neurologische Erkrankungen, die zentral oder peripher die Thermoregulation beeinträchtigen
  • Diabetes mellitus mit Polyneuropathie [22]
  • Polytraumatisierte Patienten
Die Häufigkeit von perioperativer Hypothermie am Narkoseende nach längeren operativen Eingriffen liegt in großen Untersuchungen zwischen 30 % und 80 % [2327].
Prädiktoren und Risikofaktoren für eine intraoperative Auskühlung [23]
  • Größe des chirurgischen Eingriffs
  • Schweregrad der Grunderkrankung (ASA-Grad)
  • Lange Anästhesiedauer
  • Hohe intraoperative Flüssigkeitszufuhr
  • Verzicht auf intraoperative Temperaturmessung
  • Verzicht auf wärmezuführende bzw. -konservierende Maßnahmen

Risiken der perioperativen Hypothermie

Komplikationen infolge perioperativer Hypothermie
  • Verminderter Patientenkomfort durch Frieren und Kältezittern
  • Verlängerung der Medikamentenwirkdauer
  • Beeinträchtigung der Blutgerinnung
  • Erhöhte Inzidenz von Wundinfektionen
  • Kardiale Ereignisse wie Ischämie, ventrikuläre Tachykardien, Infarkt
Patientenkomfort
Oft erinnern sich Patienten in Prämedikationsgesprächen an unangenehmes, postoperatives Frieren und Muskelzittern nach früheren Narkosen [28].
Die Inzidenz des thermoregulatorischen Muskelzitterns, meist unmittelbar nach Extubation, ist umgekehrt proportional zur Körperkerntemperatur [29].
Hypothermie ist neben jungem Lebensalter und endoprothetischer Chirurgie ein Hauptrisikofaktor für postoperatives Muskelzittern [30].
Aber auch normotherme und vasodilatierte Patienten haben postoperativ Muskelzittern. Zwei Ursachen dieses nichtthermoregulatorisch bedingten postanästhetischen Zitterns gelten als gesichert:
  • das Anästhetikum selbst und
  • postoperative Schmerzen (schmerzfrei aus der Narkose aufwachende Patienten zittern sehr selten [31]).
Diskutiert werden außerdem eine verminderte Aktivität des sympathischen Systems, Medikamentenwirkung, respiratorische Alkalose, Ausschüttung von Pyrogenen oder eine verminderte Aktivität hemmender Bahnen im Rückenmark [29].
Muskel- bzw. Kältezittern steigert den O2-Verbrauch in den ersten postoperativen Stunden um ca. 40 % [32] und erhöht damit auch das erforderliche Herzzeitvolumen.
Hypotherme Patienten ohne Kältezittern haben den gleichen postoperativen O2-Verbrauch wie normotherme Patienten [32].
Verlängerung der Medikamentenwirkdauer
Hypothermie verringert die gesamte Stoffwechselleistung und damit auch den hepatischen und renalen Metabolismus.
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Die Plasmaclearance vieler, zur Narkose verabreichter Medikamente nimmt ab, die Wirkungsdauer dieser Medikamente nimmt zu.
Zur veränderten Pharmakokinetik und -dynamik wegen einer erniedrigten Körpertemperatur liegen nur wenige Untersuchungen vor. Nachgewiesen ist jedoch, dass Hypothermie die Elimination von Medikamenten, die über das Zytochrom-P450-System metabolisiert werden, reduziert [33].
Die Plasmaspiegel von Propofol sind unter gleicher Dosierung bei hypothermen Patienten (34 °C) um 28 % gegenüber normothermen Patienten erhöht [34]. Die Wirkdauer und Erholungszeit von Muskelrelaxanzien steigt an. So ist z. B. die Wirkungsdauer von Atracurium bei hypothermen Patienten um 60 % verlängert [34]. Ein Abfall der Körpertemperatur von 37 °C auf 35 °C erhöht die Wirkungsdauer von Vecuronium von 28 auf 62 min [35]. Aber auch die Wirkdauer von Rocuronium ist unter Hypothermie deutlich verlängert [36].
Selbst ohne den Einsatz von Muskelrelaxanzien fällt die muskuläre Antwort auf Stimulation um 10 % pro °C geringer aus. Um Überdosierungen zu vermeiden, ist deshalb eine vorsichtige Titration der Medikamente unter Überwachung mittels Relaxometrie empfehlenswert [37].
Perioperativer Blutverlust
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Bereits eine milde Hypothermie (ca. 35 °C) erhöht den perioperativen Blutverlust [38, 39].
So hatten normotherme Patienten bei Hüftendoprothesen- oder kolorektalen Operationen einen geringeren perioperativen Blutverlust und einen geringeren Substitutionsbedarf an Erythrozytenkonzentraten [3941]. Ursachen sind Störungen sowohl der Thrombozytenfunktion als auch der plasmatischen Blutgerinnung [42, 43].
Die Störung der Thrombozytenfunktion wird auf eine defekte Ausschüttung von Thromboxan und eine Veränderung der für die Adhäsion der Thrombozyten wichtigen Oberflächenproteine zurückgeführt. Die Thrombozytenfunktionsstörungen sind mit Erreichen der Normothermie reversibel. Hypothermie hemmt die enzymatischen Reaktionsabläufe der plasmatischen Gerinnung, da die Reaktionsgeschwindigkeit der Gerinnungsfaktoren/-enzyme temperaturabhängig ist. Diese Beeinträchtigung des Gerinnungssystems wird laborchemisch in den Standardtests und Point-of-Care Tests jedoch nicht nachgewiesen, da die Tests bei einer Standardtemperatur von 37 °C durchgeführt werden.
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Normale Laborparameter der Gerinnung bei unterkühlten Patienten täuschen daher eine falsche Sicherheit vor und werden der klinischen Situation nicht gerecht. Diese sagen im besten Fall nur aus, dass die plasmatische Gerinnung intakt wäre, wenn der Patient normotherm wäre [42, 43].
Postoperative Wundinfektionen
Eine perioperative Hypothermie erhöht die Rate an Wundheilungsstörungen und Wundinfektionen [2, 40, 4345].
Hypotherme Patienten hatten nach einem kolorektalen Eingriff ein 3-fach erhöhtes Risiko einer postoperativen Wundinfektion mit Keimnachweis, verglichen mit Patienten, die intraoperativ mittels Wärmedecken normotherm gehalten wurden [40]. Bei Patienten mit präoperativer Vorwärmung konnte hingegen eine verminderte Rate an Wundinfektionen nachgewiesen werden [46].
Es bestehen folgende Zusammenhänge zwischen Hypothermie und postoperativen Wundinfektionen: Thermoregulatorische Vasokonstriktion führt im Operationsgebiet zur Minderperfusion und senkt dort den O2-Partialdruck im Gewebe. Die Produktion von Sauerstoffradikalen zur Keimbekämpfung nimmt unter Hypothermie ab [47], die bakterizide Kapazität der Granulozyten sowie die Lymphozytenaktivierung und die Produktion proinflammatorischer Zytokine sind signifikant vermindert [40, 4850], die Plasmakortisolspiegel hingegen erhöht [48]. Das Ausmaß der Kollagenvernetzung ist bei Hypothermie verringert [40].
Kardiovaskuläres System
Perioperative Hypothermie führt zu einer verstärkten humorale Stressantwort, v. a. zu einer erhöhten Katecholaminausschüttung [51].
Diese erhöhte Ausschüttung von Katecholaminen (v. a. Noradrenalin) verursacht eine periphere Vasokonstriktion und einen Anstieg von Herzfrequenz, systemischem und pulmonalarteriellem Druck. Als Folge davon haben hypotherme Patienten (<35 °C) nach peripherer Bypassoperation im postoperativen Verlauf eine signifikant höhere Inzidenz an ischämischen Repolarisationsstörungen im EKG und Angina pectoris [52]. Die Art der Narkose, ob Allgemein- oder Regionalverfahren, hat dabei keinen Einfluss auf die Inzidenz kardialer Komplikationen [52].
Das Risiko eines kardialen Krankheitsereignisses scheint dabei nicht intraoperativ, sondern v. a. postoperativ erhöht zu sein. Die perioperative Aufrechterhaltung von Normothermie wird daher bei kardialen Risikopatienten auch in internationalen Leitlinien empfohlen [53].
Cave
Pathologische, ischämische EKG-Veränderungen und kardiale Zwischenfälle wie instabile Angina pectoris, Myokardinfarkt oder Herzstillstand treten bei hypothermen Patienten (Durchschnittstemperatur 34,5 °C) 3-mal häufiger auf [54].
Die myokardialen Ischämien sind dabei nicht mit den Phasen des Muskelzitterns gekoppelt, sondern Folge der humoralen Stressantwort. Wird intraoperativ auf eine Wärmezufuhr verzichtet, ist das Risiko eines schwerwiegenden, kardialen Zwischenfalls um ca. 55 % erhöht [54].

Leitlinien zur Vermeidung von perioperativer Hypothermie

Bereits geringe intraoperative Temperaturabfälle von im Mittel 1,3–1,9 °C können Komplikationen hervorrufen.
Daher sind in den letzten Jahren viele nationale Leitlinien erschienen sind, die sich der Vermeidung von perioperativer Hypothermie widmen.
  • Die amerikanischen ASPAN Guidelines von 2001, die 2009 und 2010 [55] aktualisiert wurden.
  • Die englische NICE Guideline aus dem Jahr 2008, die 2016 [56] aktualisiert wurde und die
  • Interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie, der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesie, Reanimation und Intensivmedizin und der Deutschen Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste [19], die 2014 veröffentlicht wurde.
Alle diese Leitlinienwird empfehlen, perioperativ eine Körperkerntemperatur von 36 °C nicht zu unterschreiten [19, 55, 56].
Dazu fordern die Leitlinien eine Messung der Körperkerntemperatur, die präoperative Vorwärmung und die aktive Wärmetherapie während Allgemeinanästhesie und rückenmarksnaher Regionalanästhesie [19, 56].

Temperaturmessung

Eine klinisch signifikante Änderung der Körperkerntemperatur ist bei jeder Allgemeinanästhesie, Regionalanästhesie und Sedierung >30 min zu erwarten. Daher sollte dann eine Temperaturmessung kontinuierlich oder in regelmäßigen Abständen erfolgen [19].
Idealerweise sollte perioperativ die Körperkerntemperatur immer am gleichen Ort und mit der gleichen Methode gemessen werden [19]. Leider ist dies zurzeit nicht immer sinnvoll möglich.
Temperaturmessorte und -methoden
  • Pulmonalarterielle und arterielle Messung
  • Direkt tympanale Kontaktmessung
  • Ösophageale Messung
  • Orale und nasopharyngeale Messungen
  • Zero-Heat-Flux-Temperaturmessung bzw. Double-Sensor-Temperaturmessung
  • Vesikale Messung
  • Rektale Messung
  • Gehörgangsmessung
Aus Tab. 1 sind die Vor- und Nachteile der einzelnen Messmethoden und -orte ersichtlich.
Tab. 1
Vor- und Nachteile der verschiedenen Temperaturmessmethoden
Methode/Lokalisation
Vorteile
Nachteile
Pulmonalarteriell (bei liegendem Swan-Ganz-Katheter)
Arteriell
Goldstandard zur Messung der Körperkerntemperatur
Invasiv [Pulmonaliskatheter oder arterieller Katheter mit Temperaturmessung (PiCCO) erforderlich]
Intraoperativ fast nie möglich
Tympanal (Kontaktmessung)
Goldstandard zur Messung der Körperkerntemperatur
Umständlich
Selten: Läsion des Trommelfells
Ösophageal
Goldstandard zur Messung der Körperkerntemperatur
Bei Eingriffen im Thorax nicht sinnvoll nutzbar
Oral/nasopharyngeal
Messort gut zugänglich
Ausreichend genau
Häufigster Messort intraoperativ
Bei Eingriffen im Kopf/Halsbereich nicht nutzbar
Auslösung von Nasenbluten möglich
Zero-Heat-Flux-Temperaturmessung
Double-Sensor-Temperaturmessung
Messort gut zugänglich
Ausreichend genau
Bei manchen Eingriffen im Kopfbereich nicht nutzbar
Vesikal
Besonders vorteilhaft für postoperative Temperaturmessung
Ausreichend genau
Bei Unterbauch- und laparoskopischen Eingriffen und bei geringer Diurese ungenau
Rektal
Bei kleinen Kindern geeignet
Bei Erwachsenen zu ungenau
Gehörgang
Kontaktfreie Infrarotthermometrie, angenehm für den wachen Patienten
Nicht empfohlen
Zu ungenau
Ausreichend genau und praktikabel sind unter den meisten klinischen Umständen die ösophageale Messung, die orale und nasopharyngeale Messung, die Zero-Heat-Flux-Temperaturmessung bzw. Double-Sensor-Temperaturmessung und die vesikale Messung [19, 56]. Die Infrarot-Ohr- und axilläre Temperaturmessung sollten hingegen nicht eingesetzt werden, da sie zu ungenau sind [19]. Grundsätzlich sollte beachtet werden, dass möglichst fern vom OP-Feld gemessen wird, da es sonst zu deutlichen Verfälschungen der Messung kommen kann.
Die am häufigsten verwendete Methode ist die nasopharyngeale Temperaturmessung, da sie sehr einfach durchzuführen und ausreichend genau ist [57].

Prophylaxe und Therapie der Hypothermie

Maßnahmen vor Narkosebeginn

Sowohl die deutschsprachigen Leitlinien [19] als auch die neuesten Leitlinien des National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE; [56]) empfehlen, Patienten vor der Narkose aktiv vorzuwärmen. Aktive Vorwärmung ist das einzige Verfahren, mit dem der der Wärmeumverteilung nach Narkoseeinleitung kausal entgegengewirkt werden kann.
Der rasche Temperaturabfall infolge Vasodilatation und Wärmeumverteilung in der ersten Stunde (Abb. 3 und 5) ist durch intraoperative Maßnahmen nicht zu verhindern. Dies ist nur durch aktive Vorwärmung möglich.
Durch Vorwärmung wird der Wärmegehalt in den peripheren Kompartimenten des Körpers angehoben. Dies führt dazu, dass die Wärmeumverteilung aus dem Körperkern in die Körperperipherie nach Narkoseeinleitung erheblich reduziert wird [58, 59].
Vorwärmung kann auf der Normalstation, in der Wartezone oder im Narkoseeinleitungsraum des OPs durchgeführt werden [59, 60]. Dazu können normale konvektive Luftwärmedecken, spezielle Wärmehemden oder auch konduktive Wärmematten verwendet werden.
Die Vorwärmung vor Narkosebeginn und konsequente Fortsetzung der Wärmetherapie in Narkose verhindert eine postoperative Hypothermie bei 68–86 % der Patienten [5861]. Bereits eine Vorwärmezeit <15 min scheint bezüglich der Vermeidung der Hypothermie hocheffektiv zu sein. (Abb. 6; [63])

Maßnahmen während der Narkose

Eine aktive Wärmetherapie mittels Warmluftgebläse und Wärmedecke (konvektive Wärmetherapie) wird bei einer zu erwartenden Anästhesiedauer >30 min von Beginn der Narkoseeinleitung an empfohlen [19, 56]. Die Empfehlung, dass von Beginn der Narkoseeinleitung an aktiv gewärmt werden soll heißt, dass auch in jedem Narkoseeinleitungsraum eine Möglichkeit zur aktiven Wärmetherapie bestehen muss. Diese Empfehlung einer aktiven Wärmetherapie von Beginn der Narkoseeinleitung an widerspricht eindeutig dem Vorgehen, dass Patienten erst nach Lagerung, Desinfektion des OP-Gebiets und Abdecken aktiv gewärmt werden. Ein solches Vorgehen verkürzt die Zeit der Wärmetherapie relevant und erhöht das Risiko für die Entwicklung einer perioperativen Hypothermie. Auch aus hygienischer Sicht spricht nichts dagegen so frühzeitig zu wärmen [64].
Je nach Verwendung einer Ober-, Unter-, Ganzkörper- oder Unterlegdecke können 30–70 % der Körperoberfläche von Warmluft erreicht werden [65]. Je größer die gewärmte Körperoberfläche ist, desto größer ist die Effektivität dieser Maßnahme [65]. Grundsätzlich sollte versucht werden, diejenige Wärmedecke zu verwenden, die die größtmögliche luftexponierte Hautoberfläche während der Operation bedeckt, da dadurch die Wärmebilanz der Patienten deutlich leichter positiv gestaltet werden kann [65]. Hygienische Bedenken bezüglich eines erhöhten Infektionsrisikos sind unbegründet [64, 66]. Das Verbrennungsrisiko ist bei regelrechter Handhabung sehr gering.
Eine intraoperative Wärmezufuhr durch Konduktion kann mit Hilfe von Heizmatten, Matratzen oder Wärmetauschern erfolgen. Elektrische Heizmatten und Warmwassermatratzen die unter den Patienten gelegt werden können weniger als 30 % der Körperoberfläche aktiv wärmen [67]. Auf den Patienten gelegte Wärmematten steigern die Effizienz von konduktiver Wärmung beträchtlich, da dadurch eine größere Körperoberfläche erreicht werden kann und die Wärme an einem Ort appliziert wird, an dem sonst hohe Wärmeverluste auftreten [19, 68, 69]. Dann können konduktive Wärmematten eine Alternative zur konvektiven Wärmetherapie sein. Ein Nachteil der elektrischen Heizmatten sind mögliche Verbrennungen, hervorgerufen einerseits durch Überhitzung der Matte und andererseits durch verminderte Perfusion der Körperauflagefläche in Rückenlage.
Zusätzlich zur aktiven Wärmezufuhr wird eine Isolierung der restlichen Körperoberfläche zur Minimierung von Wärmeverlusten empfohlen [19, 70].
Cave
Unter Metallfolien kann sich auf der körperzugewandten Seite Kondenswasser bilden und bei elektrischer Kauterisation zu Verbrennungen führen.
Eine ebenfalls wichtige Maßnahme zur Prophylaxe der perioperativen Hypothermie besteht darin, den Zeitraum zu minimieren, in dem der Patient auskühlen kann: ein kurzes Zeitintervall von Narkoseeinleitung bis zum Operationsbeginn und kurze Operationszeiten sind auch aus diesem Grunde sinnvoll.
Die Erhöhung der Raumtemperatur im OP ist in der Kinderchirurgie sinnvoll, um den Wärmeverlust durch Radiation zu vermindern. In der Erwachsenenchirurgie dagegen wird dieser Effekt auf die Minderung des Wärmeverlusts als gering angesehen [71], zumal erst Saaltemperaturen über 26 °C einen Abfall der Körperkerntemperatur unabhängig vom Patientenalter verhindern können [72].
Die Anfeuchtung der Atemgase durch passive Atemluftbefeuchter reduziert ebenso wie ein niedriger Frischgasfluss den Wärmeentzug durch Wasserverdunstung auf ein Minimum [21].
Zahlreiche Infusionswärmer oder Durchflusserwärmer sind heute verfügbar. Ihre Leistungsfähigkeit differiert konstruktionsbedingt sehr stark. Je nach Flussrate und Länge des unisolierten Infusionssystems (nach der Wärmeeinheit bis zum Patient) fällt die Temperatur der zugeführten Flüssigkeit deutlich ab [32, 73]. Die NICE-Guidelines und die deutschsprachigen Leitlinien empfehlen, Infusionslösungen (>500 ml/h) und Blutprodukte mit einem Durchflusserwärmer auf 37 °C zu erwärmen [19, 56].
Werden intraoperativ zusätzlich zur konvektiven Wärmetherapie die Infusionslösungen angewärmt, steigt im Vergleich zur Kontrollgruppe die Körperkerntemperatur und damit die Wahrscheinlichkeit, dass der Patient normotherm [74] aus der Narkose erwacht.
Eine optimale Hypothermieprophylaxe besteht aus einer Kombination von konvektiver Wärmetherapie (Warmluftdecken) und Anwärmung der Infusionen und Transfusionen mit Durchflusswärmern.

Postoperative Maßnahmen

Die Temperatur des Patienten sollte bei Ankunft im Aufwachraum und dann in Abständen von 15 min gemessen werden bis der Patient normotherm ist. Bei Hypothermie, intensivem Kältegefühl oder Kältezittern sollte der Patient aktiv gewärmt werden. Bei Verlegung auf die Normalstation sollte der Patient normotherm sein [19].
Aufgrund der erhöhten Inzidenz an postoperativen kardialen Zwischenfällen [54] bedürfen hypotherme Patienten mit hohem koronaren Risiko der besonderen Aufmerksamkeit. Falls eine Hypothermie <36 °C nicht verhindert werden kann, sollte die Narkose bei allen Patienten in die postoperative Phase hinein verlängert und der Patient nachbeatmet und gewärmt werden. Diese Empfehlung ist praxisfern und kann auch nicht gut Daten belegt werden. In vielen Kliniken werden Patienten mit einer Körperkerntemperatur unter 35,5 °C nicht mehr auf dem OP-Tisch extubiert, sondern sediert und beatmet zur Wiedererwärmung in den Aufwachraum verlegt.
Extubierte, wache Patienten im Aufwachraum sollten bei einer Hypothermie <36 °C aktiv gewärmt werden und erst bei Erreichen von Normothermie (36 °C) auf die Normalstation verlegt werden [28].
Die wieder intakte Thermoregulation nach Beendigung der Anästhesie isoliert den Körperkern durch periphere Vasokonstriktion von der Körperschale und erschwert dadurch die Aufwärmung von außen. Deshalb muss das Hauptaugenmerk auf der prä- und intraoperativen Vermeidung von Wärmeverlusten bzw. der Wärmebehandlung liegen.
Dennoch hat auch postoperative Wärmetherapie ihre Berechtigung – sowohl zur Prophylaxe und Therapie des Muskelzitterns als auch zur Minderung der Belastung des Herz-Kreislauf-Systems.
Als medikamentöse Therapie des Muskelzitterns haben sich Clonidin (0,075–0,150 mg i.v.) und Pethidin (25–50 mg i.v.) bewährt.
Die spezifische Wirkung von Pethidin wird auf die Veränderung der Temperaturschwelle für thermoregulatorisches Muskelzittern zurückgeführt. Clonidin senkt sowohl die Temperaturschwelle für thermoregulatorisches Muskelzittern als auch für periphere Vasokonstriktion [28]. Tramadol (1–3 mg/kgKG) hat vergleichbare Effekte wie Pethidin (0,5 mg/kgKG) [75].
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