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Die Anästhesiologie
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Publiziert am: 22.04.2017

Anästhesiologische Beurteilung des Patienten: Röntgendiagnostik der Thoraxorgane

Verfasst von: Hermann Berger
Die Basis der radiologischen Diagnostik der Thoraxorgane sind die Thoraxübersichtaufnahmen. Die Routineaufnahme wird in stehender Haltung, maximaler Inspiration, Atemstillstand und in 2 Ebenen durchgeführt. Ein großer Film-Fokus-Abstand, die sog. Hartstrahltechnik (125 kV) und die Positionierung des Patienten mit der Brust an der Filmebene (p.-a.-Strahlengang) gewährleisten eine geometrisch möglichst exakte Aufnahme. Die Beurteilung der Herzkonfiguration und -größe erfordert grundsätzlich auch die seitliche Aufnahme mit linksanliegender Filmkassette. Der a.-p.-Strahlengang wird bei Aufnahmen in liegender oder sitzender Position verwendet. Zur differenzialdiagnostischen Abklärung von pleuralen Verschattungen sind zusätzliche Aufnahmetechniken in Rechts- und Linksseitenlage mit horizontalem Strahlengang erforderlich. Ergänzende Verfahren der Thoraxdiagnostik sind die Sonographie und die Computertomographie (CT) bzw. Magnetresonanztomographie (MRT).
Einleitung
Die Basis der radiologischen Diagnostik der Thoraxorgane sind die Thoraxübersichtaufnahmen. Die Routineaufnahme wird in stehender Haltung, maximaler Inspiration, Atemstillstand und in 2 Ebenen durchgeführt. Ein großer Film-Fokus-Abstand, die sog. Hartstrahltechnik (125 kV) und die Positionierung des Patienten mit der Brust an der Filmebene (p.-a.-Strahlengang) gewährleisten eine geometrisch möglichst exakte Aufnahme. Die Beurteilung der Herzkonfiguration und -größe erfordert grundsätzlich auch die seitliche Aufnahme mit linksanliegender Filmkassette. Der a.-p.-Strahlengang wird bei Aufnahmen in liegender oder sitzender Position verwendet. Zur differenzialdiagnostischen Abklärung von pleuralen Verschattungen sind zusätzliche Aufnahmetechniken in Rechts- und Linksseitenlage mit horizontalem Strahlengang erforderlich.
Ergänzende Verfahren der Thoraxdiagnostik sind die Sonographie und die Computertomographie (CT) bzw. Magnetresonanztomographie (MRT).

Technische Grundlagen

Röntgenröhre

Röntgenstrahlung ist eine aus energiereichen Photonen bestehende, elektromagnetische Strahlung. Sie wird in Röntgenröhren erzeugt: Im elektrischen Feld zwischen Kathode (negativ) und Anode (positiv) der Röntgenröhre werden Elektronen durch Glühemission (Glühkathode) freigesetzt und beschleunigt. Die Elektronen besitzen nach Durchlaufen der Beschleunigungsstrecke eine kinetische Energie, die sich aus dem Produkt der Elementarladung (e) und der Röhrenspannung (U) zusammensetzt. So ergibt sich z. B. für das beschleunigte Elektron bei einer Röhrenspannung von 70 kV eine kinetische Energie von 70 keV.
Beim Auftreffen der beschleunigten Elektronen auf den rotierenden Anodenteller kommt es zur Wechselwirkung mit Atomen und Atomkernen. Dabei entsteht Röntgenstrahlung. Diese setzt sich aus 2 verschiedenen Strahlenarten, der sog. Bremsstrahlung und der charakteristischen Strahlung, zusammen.

Bremsstrahlung

Die Bremsstrahlung entsteht durch unterschiedlich starke Abbremsvorgänge der beschleunigten Elektronen im elektrischen Feld der Anodenatomkerne. Der Bremsvorgang kann im bildlichen Sinne von einer leichten Anbremsung bis zur Vollbremsung reichen. Bei jeder dieser ungleichen Verzögerungen verliert das Elektron ein Röntgenquant (Photon), bei einer „Vollbremsung“ schließlich seine gesamte Energie. Dann entsteht ein Röntgenquant der maximal möglichen Energie, also der Elektronenenergie (eU). Deshalb besitzt die Bremsstrahlung das sog. Bremsstrahlenspektrum, ein kontinuierliches Spektrum an Photonenenergie mit sehr geringen Energien bis hin zur Maximalenergie. Diese entspricht der jeweiligen Beschleunigungsspannung der Röntgenröhre.

Charakteristische Strahlung

Im Gegensatz zum kontinuierlichen Spektrum der Bremsstrahlung entstehen bei der charakteristischen Strahlung nur Photonen bestimmter Energien (Linienspektrum). Durch das Auftreffen eines Elektrons (Primärelektron) auf Atome des Anodenmaterials wird ein Sekundärelektron aus der Elektronenschale des Atoms freigesetzt (Ionisationsenergie) und von einem Elektron der darüberliegenden Schale (K-, L-, M-Schale) aufgefüllt. Bei diesem Besetzungsverfahren wird ein Röntgenquant frei, das die charakteristische Energiedifferenz zwischen den beiden Elektronenschalen repräsentiert. Es entsteht ein für die Atome des Anodenmaterials typisches Linienspektrum, das die energetische Struktur der Elektronen widerspiegelt. Somit werden Photonen mit bestimmten Energien erzeugt, welche im Energiespektrum scharfe Spektrallinien bilden.

Brennfleck

In der Röntgendiagnostik besteht der Hauptteil der angewandten Strahlung aus den Quanten des kontinuierlichen Bremsstrahlenspektrums. Der Einfallspunkt der beschleunigten Elektronen auf der Anode (sog. Brennfleck) wird möglichst klein gehalten. Je kleiner der Brennfleck, umso höher die geometrische Ortsauflösung. Die Röntgenröhre ist nach allen Seiten hin mit Blei ummantelt, damit sich die Röntgenstrahlung vom Brennfleck nicht nach allen Seiten ausbreiten kann. Lediglich ein kleines Austrittsfenster ermöglicht dem Strahlenbündel den Durchtritt (Abb. 1).

Röntgenanlage

Röntgenanlagen für die Diagnostik bestehen aus Röntgenstrahler, Blenden und Filtersystem, Streustrahlenraster, Messkammer für die Belichtungsautomatik sowie Kassettenhalterungen mit der Film-Folien-Kombination. Zur Erzeugung der Röhrenspannung in der Röntgenanlage wird ein Hochspannungsgenerator verwendet. Bei einer Thoraxaufnahme im Stehen beträgt der Fokus-Film-Abstand 180–200 cm. Dieser große Abstand minimiert verfälschende Vergrößerungseffekte, sodass eine anatomische Organdarstellung im Größenverhältnis 1:1 entsteht.

Einblenden

Am Austrittsfenster der Röntgenstrahlung in der Röntgenröhre ist ein Blendensystem angebracht. Damit wird das sog. Nutzstrahlenbündel auf rechteckige oder quadratische Formate verkleinert, sodass letztlich nur der diagnostisch wichtige Bereich durchstrahlt wird. Das sog. Einblenden stellt eine sehr effiziente Strahlenschutzmaßnahme dar. Die Röntgenstrahlenausbeute ist äußerst gering, da nur ca. 1 % der von einem Elektron abgegebenen elektrischen Energie in Strahlung umgesetzt wird und diese Strahlung wiederum durch Eingrenzung auf das diagnostisch verwertbare Nutzstrahlenbündel bis in den Zehntelpromillebereich minimiert wird.

Aufhärtung

Die Röntgenstrahlung enthält einen beträchtlichen Anteil an weicher Strahlung, welche im Gewebe absorbiert wird und somit nicht zum Bildaufbau beiträgt. Um diesen zu reduzieren werden Filter (Aluminiumfilter mit Schichtdicken von einigen Millimetern) in den Strahlengang zwischen Röntgenröhre und Patienten eingesetzt. Dies führt zu einer sog. Aufhärtung der Strahlung.

Streustrahlenraster

Eine weitere Verbesserung der Bildqualität wird durch das sog. Streustrahlenraster erreicht, das zwischen Patient und Röntgenkassette angebracht ist. Hierbei wird die im durchstrahlten Objekt entstehende Streustrahlung absorbiert, während die vom Brennfleck kommende Primärstrahlung ungehindert passieren kann. Eine exakte Zentrierung des Streustrahlenrasters ist Voraussetzung, da ansonsten nicht die Streustrahlen, sondern die bildgebende Primärstrahlung gefiltert würde.

Film-Folien-Kombination

Nach Passieren des Objekts und des Streustrahlenrasters erreicht das Nutzstrahlenbündel die eigentliche Abbildungseinheit, den Röntgenfilm, der sich in der Röntgenkassette zusammen mit einer Verstärkerfolie (Film-Folien-Kombination) befindet. Die Folien auf beiden Seiten des Films verstärken die eintreffende Röntgenstrahlung, indem beim Auftreffen der Strahlung ein sichtbares Fluoreszenzlicht erzeugt wird. Dieses steigert die Effektivität der Filmschwärzung. Der Vorteil dieser Technik ist die deutliche Dosisreduktion (bis Faktor 100 und darüber hinaus). Nachteil ist die verringerte Ortsauflösung. Entsprechend der diagnostischen Anforderung werden verschiedene Folientypen und -empfindlichkeiten angeboten. Aus Strahlenschutzgründen sind Belichtungsautomaten zwischengeschaltet, welche die Dosis entsprechend des Filmdosisbedarfs regulieren.

Digitale Röntgentechnik

Die digitale Röntgenaufnahme ersetzt zunehmend die konventionelle Röntgenfilmtechnik. Eine sog. Speicherfolie oder grossformatige sog. Flat-Panels werden wie ein Röntgenfilm belichtet. Die Bildinformation wird elektronisch gespeichert und über spezielle Lesegeräte oder Auswertekonsolen weiterverarbeitet. Über klinik interne Bild- und Befund-Archivierungs-Systeme sind die Informationen dann ubiquitär – z. B. im Op oder Intensivstation – verfügbar. Vorteile der modernen digitalen Röntgentechnik: reduzierte Strahlenbelastung Option der Nachverarbeitung (Fehlbelichtung reduziert, Artefaktkorrektur etc.) höherer Dichtekontrast.

Hartstrahlaufnahmen und Weichstrahlaufnahmen

In der röntgenologischen Thoraxdiagnostik werden sog. Hartstrahlaufnahmen >100 kV angefertigt. Aufgrund der Atemexkursion der Lunge und der kardialen Pulsation muss eine sehr kurze Belichtungszeit gewählt werden, um Bewegungsunschärfen zu vermeiden. Dies gelingt bei hohen Röhrenspannungen. Ein weiterer Vorteil ist ein Kontrastverlust zwischen Knochen- und Lungengewebe bei hoher Röhrenspannung, sodass innerhalb des Röntgenbildes das Lungengewebe deutlicher hervortritt.
Weiche Röntgenstrahlung wird z. B. verwendet in der Mammographie (25–35 kV), da Mammagewebe nur geringfügige Dichtesprünge aufweist.

Fahrbares Röntgengerät für die Intensivstation

Thoraxaufnahmen auf Intensivstationen werden in der Regel mit fahrbaren Röntgengeräten gemacht. Diese bestehen aus Generator und Röntgenröhre mit Schlitzblende und Lichtvisier. In der Regel verfügen sie über Drehanodenröhren. Die Aufnahmezeiten und die Aufnahmespannung (30–125 kV) sind frei wählbar.
Eine reduzierte Bildqualität aufgrund des größeren Brennflecks und des geringeren Film-Fokus-Abstands (120–150 cm) muss in Kauf genommen werden.
Bevorzugt werden digitale Röntgen-Geräte verwendet, die sowohl hinsichtlich des Bedienungskomforts, der Aufnahmetechnik und der Verfügbarkeit durch digitale Strukturvernetzung mit Bildarchivierungssystemen wesentliche Vorteile bieten.
Die Aufnahme wird im a.-p.-Strahlengang angefertigt, da sich der Patient in liegender, halbliegender oder sitzender Position befindet. Aufgrund der kassettenferneren Lage des Herzens ist die Abbildung des Herzschattens im Vergleich zur p.-a.-Aufnahme vergrößert. Dazu trägt auch eine Blutumverteilung im Liegen bei. Das Lungengewebe erscheint besonders in den Oberfeldern verdichtet und die Mediastinalgefäße verbreitert. Bei liegender Aufnahmetechnik sind die tiefe Inspirationslage und das Anhalten der Atmung in der Regel nicht gewährleistet.

Computertomographie

Aufgrund der limitierten Aussagekraft von Thoraxröntgenaufnahmen unter intensivmedizinischen Aufnahmebedingungen wird in zunehmendem Maße v. a. bei diskordanten Befunden der Thoraxaufnahme und klinischer Problematik die Spiralcomputertomographie eingesetzt. Entscheidender Vorteil ist hierbei die Auflösung des 2D-Summationsbilds in ein 3D-Bildformat, das in verschiedenen Auslesemodi zur Beurteilung des Lungenparenchyms, der Weichteilstrukturen und der Zuordnung des Fremdmaterials entscheidende Vorteile bietet. Wichtigste Fragestellungen in Ergänzung der Thoraxaufnahmen sind die differenzialdiagnostische Abklärung von konsolidierenden Lungenparenchymprozessen und pleuralen/mediastinalen Pathologien (z. B. Erguss, Pneumothorax) und v. a. die Abbildung von Gefäßstrukturen (Thrombembolie, Trauma), inkl. angiographische Darstellung.

Bilddokumentation

Der Röntgenfilm gibt die Information der Strahlenabsorption durch das Gewebe wieder, es entsteht ein sog. Schwärzungsbild. Nichtstrahlenbelichtete Abschnitte werden transparent, belichtete Abschnitte dunkel dargestellt. Diese Filmschwärzung ist proportional der einwirkenden Strahlenintensität. Diese wiederum ist abhängig von der Strahlenabsorption verschiedener Gewebe des Objekts. Es entsteht ein zweidimensionales Summationsbild des Objekts.
Grundsätzlich stehen heute 2 verschiedene Aufnahmesysteme zur Verfügung: Die konventionelle und die digitale Röntgentechnik. Die digitale Radiologie ist faktisch in allen Fragestellungen der diagnostischen Bildgebung die Methode der Wahl. Dies ist bei Thoraxröntgenaufnahmen auf der Intensivstation bereits Realität geworden.
a.
Die konventionelle Technik benutzt sog. Film-Folien-Systeme in Rasterkassetten. Die Filmschwärzung erfolgt über strahlenreduzierende Folien entsprechend der sog. Filmschwärzungskurve. Diese verläuft S-förmig. Dadurch kann es zur Über- und Unterbelichtung kommen. Dies ist v. a. bei Liegendaufnahmen von Bedeutung.
 
b.
Die digitale Röntgentechnik stützt sich auf die Lumineszenzradiographie mit Speicherfolien und die digitale Bildverstärkerradiographie. Die Bilderzeugung mittels Röntgenstrahlung ist prinzipiell identisch, das radiographische Projektionsbild wird jedoch digital gespeichert. Deshalb steht es sofort mit der Option zur Nachverarbeitung und für die Bilddokumentation in der klinikinternen elektronischen Vernetzung zur Verfügung.
 
c.
Wichtigster Vorteil der digitalen Abbildungstechnik ist die annähernd lineare Beziehung der einfallenden Röntgendosis zur Filmschwärzung, sodass Fehlbelichtungen weitgehend vermieden werden.
 

Grundlagen der Bildinterpretation

Im Thoraxröntgenbild dargestellte Strukturen
  • Lungen einschließlich der Pleura und der Zwerchfelle
  • Herz einschließlich der großen Gefäße und zentralen Hilusstrukturen
  • Mediastinum
  • Skelett
  • Weichteile der Thoraxwand
Diese Strukturen müssen identifiziert und im zweidimensionalen Bild der anatomischen Einheit zugeordnet werden. Zur Bildanalyse empfiehlt sich ein schematisches Vorgehen (Abschn. 3.2).
Das Alter des Patienten, die Konstitution, die Thoraxform sowie die Inspirationstiefe und die orthograde Einstellung sind immer in die Bildanalyse mit einzubeziehen.

Technische Aspekte

Absorption und Streuung

Röntgenstrahlung wird beim Durchdringen des abzubildenden Objekts geschwächt. Das Ausmaß der Schwächung wird durch Absorption und Streuung der Strahlung in den exponierten Strukturen bestimmt. Absorption bedeutet eine vollständige Energieabgabe, Streuung eine partielle Energieabgabe an das exponierte Gewebe.
Bei sog. weicher Strahlung (niedrige kV) wird mehr Strahlung absorbiert und weniger gestreut, bei harter Strahlung (hohe kV) überwiegt die Streustrahlung gegenüber der Absorption.

Filmschwärzung

Der sog. Grauwert des Bildes ist abhängig von der Ordnungszahl (steigende Ordnungszahl heißt undurchdringbarer für Röntgenstrahlen) und der physikalischen Dichte, d. h. von der Kompaktheit der Atome des Objekts. Das Maß der Objektdurchstrahlung und damit der Filmschwärzung hängt von einigen Faktoren ab:
  • kV-Zahl der Röhrenspannung,
  • Strahlungsmenge des Photonenstrahls (mAs-Zahl der pro Sekunde aus der Röhre emittierten Quanten),
  • physikalischen Eigenschaften des Objekts (röntgenologische Dichte).
Eine höhere Röhrenspannung (kV) bedeutet eine höhere Photonenenergie. Dickere und dichtere Objekte können durchstrahlt werden. Die Gesamtschwärzung des Filmes wird gesteigert und die Kontraste zwischen verschiedenen Gewebsdichten werden verändert.
Die Schwärzung des Röntgenfilms ist abhängig von der Gesamtzahl der den Film treffenden Röntgenstrahlen, der Strahlungsmenge (Photonengesamtzahl) und der Expositionszeit [S].
Ein dunkler Film, also ein stärker geschwärzter Film, deutet demnach nicht unbedingt auf einen krankhaften Lungenprozess (z. B. Emphysem) hin. Umgekehrt muss bei einem hellen Film nicht zwangsläufig eine pathologische Gewebsverdichtung vorliegen.
Absorption und Streuung der Röntgenstrahlen tragen zur Bildentstehung und Bildcharakteristik entscheidend bei und verursachen typische Abbildungsphänomene. Sie spielen insbesondere bei Thoraxaufnahmen liegender Patienten eine wichtige Rolle.
Grundsätzlich werden aufgrund der Absorptionsunterschiede nur 4 verschiedene Strukturen unterschieden: Luft, Fett, Weichteil, Kalk/Skelett.

Systematik der Analyse einer Röntgen(thorax)aufnahme

Bei der Beurteilung einer Röntgenaufnahme sollte nach einem Schema vorgegangen werden.
Schema der Analyse der Thoraxröntgenaufnahme
  • Datenkontrolle (Name, Datum, Uhrzeit, Belichtungsdaten)
  • Beurteilung von Technik und Lagerung
  • Beurteilung von Pleura/Zwerchfell und Lunge
  • Beurteilung des Mediastinums inkl. Herzschatten und Hilus
  • Beurteilung der knöchernen Strukturen
  • Beurteilung von Fremdmaterial (Schrittmacher, ZVK, Elektroden, Sonden, Drainagen, Tubus etc.)
  • Extrathorakale Weichteilstrukturen
  • Vergleich mit Voraufnahmen

Typische Abbildungsphänomene

Silhouettenzeichen

Das sog. Silhouettenzeichen ermöglicht im Summationsbild des Thorax die anatomische Zuordnung spezifischer Prozesse v. a. der Lunge und des Mediastinums.
Liegen 2 etwa gleich „dichte“ Strukturen (z. B. Flüssigkeit und Muskel) unmittelbar aneinander, so entsteht in der röntgenologischen Abbildung keine Trennlinie zwischen den Strukturen. Die Abgrenzbarkeit bleibt erhalten, wenn eine Struktur mit großem „Dichteunterschied“ dazwischen liegt bzw. im Summationsbild überlagert wird.
In der Abb. 2 ist dieses Röntgenphänomen dargestellt. Die Ähnlichkeit der röntgenologischen Strukturdichte des Herzschattens und der Infiltration des ventral gelegenen Mittellappens führen zur Auflösung der Grenzlinien beider Organe.

Positives Pneumobronchogramm

Die Lungenfeinstruktur mit dem Alveolar- und Bronchialbaum ist röntgenphänomenologisch unter Normalbedingungen nicht zu differenzieren. Bei flüssigkeitsäquivalenter Verdichtung des Alveolarraumes, z. B. durch entzündliche Infiltration, Exsudat oder Schleim werden jedoch lufthaltige Anteile des Bronchialbaums abgrenzbar. Das sog. positive Pneumobronchogramm ist in der Differenzialdiagnostik von pathologischen Lungenprozessen (z. B. typische/atypische Pneumonie) ein wichtiges Kriterium (Abb. 3).
Radiologische Phänomenologie alveolärer Lungenprozesse
  • Flächige Verdichtung (segmental oder lobär angeordnet)
  • Konfluierende, flächige Verdichtung
  • Kleinfleckige (<10 mm) Verdichtung mit unscharfer Randbegrenzung
  • Großfleckige (<3 cm) Verdichtung mit unscharfer Begrenzung
  • Positives Pneumobronchogramm
  • Volumenveränderung der Lunge

Interstitielle Verschattung

Als interstitielle Verschattungen werden feinfleckige und retikuläre Strukturen mit relativ scharfer Randbegrenzung bezeichnet. Sie können lokal begrenzt oder generalisiert auftreten. Das charakteristische Bild einer interstitiellen Lungengerüsterkrankung ist durch die Kombination fleckiger und streifiger Strukturverdichtungen geprägt. Ein radiäres und lineares, interstitielles Zeichenmuster wird durch Verdickung der Interlobärsepten und Lymphspalten verursacht. Das Vollbild entspricht dem sog. Honey-Combing“ durch zystisch-wabigen Umbau des Lungengerüsts (Abb. 4).
Radiologische Phänomenologie interstitieller Lungenprozesse
  • Feinfleckige Strukturverdichtung
  • Retikuläre Strukturverdichtung
  • Peribronchiale, -vaskuläre Strukturverdichtung
  • Interlobuläre Septen
  • Subpleurale, streifige Verdichtung
  • Honey-Combing

Vermehrter/verminderter Luftgehalt der Lunge

Der Luftgehalt der Lungen beeinflusst deren Strahlendurchlässigkeit und somit „Helligkeit“ auf der Thoraxaufnahme. Bei der Beurteilung sind Seitensymmetrie, Konstitutionstyp und Inspirationstiefe zu berücksichtigen. Vom Zwerchfellstand kann auf die Inspirationstiefe geschlossen werden.
Eine Transparenzerhöhung kann diffus uni- oder bilateral (z. B. Lungenemphysem) oder auch lokal begrenzt sein (z. B. Pneumatozelen, Zysten, regionäres Emphysem). Wichtige, zusätzliche Beurteilungskriterien sind Gefäßmorphologie, Lungenvolumen und Begleitschatten (z. B. Wandbegrenzung).
Auch eine Verminderung der Strahlendurchlässigkeit kann lokal begrenzt oder global sein und kann durch solide Verdichtungen oder diffuse Flüssigkeitseinlagerungen verursacht werden.
Differenzialdiagnostisch müssen pleurale von pulmonalen Prozessen abgegrenzt werden. Es werden fleckförmige, flächige, streifige oder ringkonfigurierte Verdichtungen abgebildet.

Thoraxröntgen

Normalbefund

Lunge, Pleura und Zwerchfell

Im Röntgenbild der Lunge sind Luft, Blut- und Lymphgefäße, Bronchien, Bindegewebsstrukturen und Pleurasepten abgebildet.
Die Gefäße verzweigen sich von zentral nach peripher mit abnehmendem Durchmesser. Die Lungenarterien verlaufen parallel zu den Bronchien. Die Lungenvenen verlaufen eigenständig. Sie sind zwischen den Segmenten und Lobuli angeordnet.
Der hydrostatische Druck beeinflusst den Durchmesser der Lungengefäße. In der Stehendaufnahme nimmt dieser von kranial nach kaudal zu, im Liegen von ventral nach dorsal.
Die Lymphgefäße laufen in den zentralen Lungenabschnitten paravasal, in den peripheren Abschnitten interlobulär.
Das Bronchialsystem ist auf Thoraxübersichtsaufnahmen nur in den zentralen Lungenabschnitten abgrenzbar. Eine exakte, anatomische Abbildung von Segment- und Subsegmentbronchien ist nur durch die Computertomographie möglich.
Anhand der Interlobärsepten ist die anatomische Aufteilung der Lunge im Lungenlappen erkennbar. Diese sind allerdings nur bei tangential auftreffendem Röntgenstrahl als linearer Schatten abgrenzbar (Abb. 6).
Kaudal begrenzen die Zwerchfelle die Lungen. Durch die Leber steht das rechte Zwerchfell etwas höher. Bei tiefer Inspiration ist der Recessus phrenicocostalis spitz auslaufend. Insertionen an der Thoraxwand werden an der welligen Kontur erkennbar.

Herz und Gefäße

Zur Beurteilung des Herzens ist eine Aufnahme im p.-a.-Strahlengang und linksanliegender Position erforderlich. In die Beurteilung fließen ein: Herzsilhouette, Lage, Größe, Formveränderungen sowie Struktur und Größe des Lungenhilus.
Die Herzabbildung auf der Thoraxaufnahme ist ein Summationsbild der blutgefüllten Herzhöhlen einschließlich der großen, herznahen Gefäße und deren Wandstrukturen. Die Analyse von Größe, Konfiguration und Lage der Herzabbildung ermöglicht Rückschlüsse auf anatomische und funktionelle Parameter.
Die Analyse des Röntgenbilds orientiert sich an der schrittweisen Identifikation anatomischer Strukturen, die klar erkennbar sind, z. B. V. cava superior und inferior, rechter Vorhof, pulmonale Ausflussbahn und Lungenvenen, linker Ventrikel, linker Vorhof, Aortenbogen (Abb. 5, 6).
In der seitlichen Aufnahme sind folgende Organkonturen zu beachten:
  • Retrokardialraum zwischen Wirbelsäule und Herzrand,
  • Retrosternalraum zwischen Sternum und der vorderen Herzkontur und den großen Gefäßen.
  • Randbildend sind von unten nach oben der Ventrikel, Truncus pulmonalis, Aorta ascendens mit Aortenbogen sowie dorsal Aorta descendens, aortopulmonales Fenster, Pulmonalarterien, linker Vorhof, linker Ventrikel und V. cava inferior.
Ergänzende Untersuchungsverfahren sind die rotierende Durchleuchtung, die neben morphologischen Aspekten auch funktionelle Parameter wie Pulsationen der Herzwand und der großen Gefäße, Koronarkalk etc. abbildet. Die Kontrastmittelfüllung des Ösophagus dient zur Größenbeurteilung des Herzens, zur Analyse von Anomalien des Aortenbogens und zur Abklärung mediastinaler Raumforderungen.

Lungenhilus

Den Lungenhilus bilden im Röntgenbild die Lungengefäße und das zentrale Bronchialsystem. Erst bei pathologischen Prozessen wird das perihiläre Interstitium abgrenzbar.
Der linke Hilus liegt regelhaft höher als der rechte und ist partiell durch zentrale Mediastinalstrukturen überlagert.
Form und Lage der Hilusstrukturen sind indirekte Hinweiszeichen auf pathologische Prozesse (z. B. polyzyklische Begrenzung bei Hiluslymphknotenvergrößerung).
Als ergänzende Bildgebung wird die Computertomographie eingesetzt.

Mediastinum

Die Mediastinalorgane sind in der Thoraxübersichtsaufnahme anatomisch nur bedingt voneinander abgrenzbar.
Die röntgenologische Einteilung in vorderes und hinteres Mediastinum mit oberem, mittlerem und unterem Kompartiment erleichtert die Zuordnung pathologischer Veränderungen, insbesondere deshalb, weil mediastinale Prozesse bestimmte Prädilektionen aufweisen.
Die Trennlinie zwischen vorderem und hinterem Mediastinum wird durch die hintere Trachealwand und den dorsalen Herzrand gebildet.
Als ergänzende Bildgebung wird die Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) eingesetzt, bei Bedarf ergänzt durch die Angio- bzw. Venographie.

Skelett/Weichteile

Die Analyse der Thoraxübersichtsaufnahme schließt mit ein: die knöchernen Strukturen der Wirbelsäule, der Rippen, des Schultergürtels und des Sternums sowie die Thoraxwandweichteile, insbesondere Mammaschatten, Mamille, Weichteilbegleitschatten und Hautfalten. Zusätzlich ist auf Fremdmaterial zu achten.

Potenzielle Fehlerquellen

Um Fehlbeurteilungen zu vermeiden, ist die Kenntnis von normalen Strukturen, anatomischen Varianten, Anomalien und Artefakten durch Summationsbilder wichtig.
Häufige Ursachen von Fehleinschätzungen
  • Ungenügende Inspirationstiefe: Herzgröße, Lungenentfaltung
  • Varianten, Anomalien: Lobus venae azygos, Aortenbogenanomalie, V.-cava-superior-Anomalie
  • Weichteilsummation: supraaortale Gefäße, M. pectoralis, Mammaschatten, Weichteildefekte
  • Hautlinien: Begleitlinien zur Klavikula und Skapula
  • Überlagerungseffekte: Sternokostal-/Sternoklavikularansatz, Manubrium sterni

Spezifische Röntgenpathologie

In die Beurteilung pathologischer Prozesse müssen neben den genannten technischen und konstitutionellen Aspekten die klinischen Befunde, evtl. vorhandene Voraufnahmen und die Befunde zusätzlicher, bildgebender Verfahren mit einbezogen werden.

Röntgenpathologie der Lunge

Intrapulmonale, pathologische Veränderungen können eine reduzierte oder erhöhte Transparenz oder ein Mischbild beider Veränderungen verursachen.
Ursachen reduzierter Lungentransparenz
  • Solitäre Lungenrundherde
    • Bronchialkarzinom (zentral/peripher), Metastase, postspezifischer Prozess, Fibrohamartom, chronifiziertes entzündliches Infiltrat, zirkumskripte Belüftungsstörung, Interlobärerguss
  • Multifokale Lungenrundherde
  • Ringverschattungen
    • Tuberkulöse Kaverne, Lungenabszess mit Anschluss an das Bronchialsystem, Bronchiektasen, Aspergillom, Tumorkaverne, Echinokokkus, Lungenzyste, Pneumatozele, Emphysembulla
Ursachen erhöhter Lungentransparenz
  • Bullöses Emphysem, Globalemphysem, Gefäßmissbildung mit Minderperfusion, solitäre Lungenzysten, Pneumatozele (postpneumonisch, posttraumatisch), Zystenlunge
Bei Ringverschattungen ist auf Flüssigkeitsspiegel (Ausrichtung lagerungsabhängig) zu achten.
Eine erhöhte Transparenz der Lunge kann auf vermehrten alveolären Luftgehalt, auf reduzierte Lungendurchblutung oder auf Abbau des Lungeninterstitiums hinweisen. Sie kann regionär oder global auftreten.

Röntgenpathologie pleuraler Prozesse

Die Einteilung pleuraler Befunde orientiert sich ebenfalls nach der Strahlentransparenz. Die definitive Abklärung erfordert häufig Zusatzaufnahmen bzw. die Anwendung zusätzlicher Untersuchungsmethoden (Sonographie, CT; Abb. 7).
Ursachen pathologischer Veränderungen der Pleura
  • Pleuraverkalkung (meistens postspezifisch, in der Lungenspitze lokalisiert)
  • Pleurosis calcarea (sekundäre Verkalkung)
  • Pleuraerguss (frei auslaufend, abgekapselt, interlobär und subpulmonal lokalisiert)
  • Pleuratumoren (benigne und maligne Tumoren)
  • Pneumothorax (spontan, iatrogen, Spannungspneumothorax, sekundäre Belüftungsstörung)

Röntgenpathologie von Herz und Gefäßen

Über die Herzkonfiguration und -größe kann auf Lage- und Größenveränderungen einzelner Herzhöhlen geschlossen werden. Form- und Größenveränderungen des Herzens müssen immer in Zusammenhang mit den zu- und abführenden großen Gefäßen beurteilt werden.
Zusatzuntersuchungen sind Echokardiographie und Kernspin- bzw. Computertomographie.
Im seitlichen Bild wird der Raum zwischen dem vorderen Herzrand und der Sternumhinterfläche als Retrosternalraum bezeichnet. Hier sind Veränderungen der pulmonalen Ausflussbahn, der aortalen Ausflussbahn und des rechten Ventrikels erkennbar.
Im Retrokardialraum zwischen hinterem Herzrand und Wirbelsäule wird eine Vergrößerung des linken Ventrikels erkennbar. Hierbei kann eine Kontrastmittelfüllung des verlagerten Ösophagus hilfreich sein.
Als aortopulmonales Fenster bezeichnet man den Raum zwischen der Konkavseite des Aortenbogens und der Herzbasis bzw. der pulmonalen Ausflussbahn. Mediastinale Raumforderungen und pathologische Prozesse an den großen Gefäßen können hier zu Veränderungen führen.
Das Pulmonalissegment ist die Kontur des Truncus pulmonalis unterhalb des Aortenbogens.

Röntgenpathologie des Lungenhilus

Pathologische Veränderungen des kardiopulmonalen Gefäßsystems und des Tracheobronchialsystems einschl. der Lymphknoten können zu auffälligen Befunden im Hilusbereich führen.
Typische Befunde der Pulmonalarterie
  • Amputierter Hilus mit deutlichen Kalibersprüngen bei pulmonaler Hypertonie
  • Stauungshilus mit unscharfer Randbegrenzung und zentraler Transparenzminderung bei Lungenstauung (Abb. 8)
  • Hypervolämiehilus bei Volumen- und Druckbelastung
Nichtvaskuläre Ursachen von uni- oder bilateralen Hilusvergrößerungen sind benigne und maligne Raumforderungen, v. a. bei Lymphomerkrankungen. Ein häufiger Befund ist die Hiluslymphknotenverkalkung mit postentzündlicher Verlagerung bzw. Raffung des Hilus. Das Erkennen von pathologischen Veränderungen des Lungenhilus hat zwangsläufig eine erweiterte Diagnostik zur Folge, da im Thoraxröntgensummationsbild eine spezifische Beurteilung nicht möglich ist.

Röntgenpathologie des Mediastinums

Durch das Fehlen von Absorptionsunterschieden im Summationsbild ist kaum eine Abgrenzung der mediastinalen Organe möglich.
Die Beurteilung basiert auf der Analyse der Mediastinalkonfiguration und -breite sowie auf indirekten Zeichen durch Verlagerungsphänomene z. B. der Trachea oder des Ösophagus.
Auffällige mediastinale Veränderungen erfordern grundsätzlich weitere diagnostische Maßnahmen.
Wichtigste Indikationen zur weiterführenden Diagnostik
  • Auffällige Mediastinalkonfiguration
  • Mediastinalverbreiterung
  • Auffällige Hiluskonfiguration
  • Fehlende Zuordnung der großen Gefäße
  • Veränderungen der mediastinalen Pleura

Thoraxröntgen bei Intensivpatienten

Die mangelnde Kooperationsfähigkeit des Patienten, die eingeschränkten Aufnahmebedingungen, die reduzierte Leistungsfähigkeit der Röntgenapparatur und die ungewohnte Exposition mit reduziertem Film-Fokus-Abstand, dorsaler Filmkassettenlage und Überlagerung von Fremdmaterial schränken die Bildqualität zumeist ein. Die Kenntnis von Artefakten der Aufnahme ist für die Bildanalyse und Befundinterpretation ebenso wichtig wie die Synopse von klinischem Befund und anamnestischen Angaben.
Die vergleichende Untersuchung mit früheren Aufnahmen erleichtert die Interpretation wesentlich.
Die häufigsten pulmonalen Krankheiten des Intensivpatienten mit den typischen Abbildungsphänomenen sind im Folgenden dargestellt.

Lungenödem

Vermehrter Flüssigkeitsgehalt im Lungeninterstitium oder in den Alveolen manifestiert sich unabhängig von der Ätiologie zentral als vaskuläre Unschärfe und peripher als konfluierende Verdichtungen bis hin zur homogenen Trübung der gesamten Lunge (Abb. 8). Der vermehrte Flüssigkeitsgehalt kann alveolär, interstitiell oder kombiniert lokalisiert sein. Ein typisches Bild des Lungenödems ist die zentrale, perihiläre Transparenzminderung im Sinne eines Schmetterlingsödems. Als Zeichen des vermehrten Lymphtransportes werden die sog. Kerley-Linien (Kerley A zentral, Kerley B peripher) sichtbar.
Wichtig ist die Kenntnis von Lungenvorerkrankungen, da diese erhebliche Variationen in der radiographischen Abbildung des Lungenödems bzw. der Lungenstauung verursachen können.

Schocklunge bzw. ARDS

Das „Acute-respiratory-distress“-Syndrom (ARDS) wurde erstmals 1967 als klinisches Bild mit entsprechenden radiographischen Zeichen beschrieben.
Innerhalb von Stunden bis wenigen Tagen nach Beginn der Symptomatik sind verschiedene radiographische Phänomene erkennbar: zunächst zentrale, interstitielle Verdichtungen, die sich zu einer diffusen, homogen konfluierenden Verschattung ausweiten (Abb. 9). Es können alveoläre Verdichtungen mit positivem Aerobronchogramm entstehen und sich zu grobfleckigen, unscharf konturierten Verdichtungen ausweiten (Abb. 10). Im Endstadium liegen grobstrukturierte, retikuläre Verdichtungen vor. Diese zeigen den Beginn des Fibrosestadiums an.

Belüftungsstörungen

Ein atelektatischer Lungenbezirk ist ein nicht belüftetes und daher verdichtetes, meist segmental oder lobär begrenztes Areal.
Es handelt sich um flächig konfigurierte Verschattungen, die anatomisch häufig schwierig zuzuordnen sind. Das Silhouettenzeichen (s. oben) kann dabei jedoch hilfreich sein und eine grobe Lokalisation ermöglichen (zentral oder peripher, ventral oder dorsal). Am häufigsten sind die dorsobasalen Lungenabschnitte betroffen. Wichtige Hilfslinien zur Identifizierung sind die Zwerchfellkonturen und -rezessus, die Verlagerung von Interlobärsepten und Hilus sowie die Herz- und Mediastinallinien.
Atelektatische Lungenbezirke bereiten häufig erhebliche differenzialdiagnostische Schwierigkeiten.
Es kommt zu einem Volumenverlust des betroffenen Lungenabschnitts.
Durch bronchoalveoläre Retention kann dieser allerdings nur wenig ausgeprägt sein. Bei manifester Volumenminderung ist die differenzialdiagnostische Abgrenzung gegen anderweitige Lungenverdichtungen einfacher.

Infiltration

Entzündliche Infiltrationen sind schwer von atelektatischen Lungenbezirken zu unterscheiden.
Dabei ist das Lungengesamtvolumen von Bedeutung. Atelektatische Lungenbezirke führen zu einer Reduktion des Volumens, entzündliche Infiltrationen weisen eher einen expansiven Charakter auf. Auf den Nachweis eines positiven Pneumobronchogramms ist besonders zu achten (alveoläre Exsudation).
Die typische Pneumonie ist von einem alveolären Verschattungsmuster gekennzeichnet, das anatomisch lobär, segmental oder auch diffus ausgeprägt sein kann. In der Regel liegt eine bakterielle Infektion (Pneumokokken, Staphylokokken, Streptokokken, gramnegative Keime) vor.
Die atypische Pneumonie verursacht ein eher diffuses, interstitielles Verschattungsbild. Ursächlich sind Infekte durch Viren, Pilze, Parasiten, Mykoplasmen oder Chlamydien.
Die differenzialdiagnostische Einordnung dieser radiographischen Phänomene stützt sich auf den klinischen Befund, die Progredienz, die Persistenz und die Verlaufsbeobachtung.
Wichtigste radiologische Bildphänomene der Pneumonie
  • Fleckige Verdichtung
  • ± Positives Aerobronchogramm
  • Einseitiges Verschattungsbild
  • Lungenvolumen nicht einseitig reduziert
  • Geringe Dynamik in den Verlaufsaufnahmen

Lungenembolie

Im Akut- bzw. Initialstadium einer Lungenembolie ist das radiographische Bild in der Regel negativ. Erst Folgekomplikationen werden radiographisch erfassbar. Im Ausnahmefall kann eine seitendifferente Reduktion der Lungengefäßzeichnung bzw. ein deutlicher Kalibersprung von Pulmonalarterien erkennbar sein.
Zusatzinformationen sind eine Volumenabnahme der Lunge, Zeichen der Rechtsherzbelastung mit Einflussstauung und Pleuraergüssen.
Bei einem Lungeninfarkt treten keilförmig konfigurierte Verdichtungen und segmental zuzuordnende Prozesse auf.
Zur Primärdiagnostik steht bei Verdacht auf eine Lungenembolie die kontrastverstärkte Spiralcomputertomographie zur Verfügung. Hierdurch ist die exakte Lokalisation und das Ausmaß des arteriellen Perfusionsausfalls wie auch die Sekundärveränderung des Lungenparenchyms erfassbar (Abb. 11).

Thoraxtrauma

Für die Diagnostik traumatischer Thoraxveränderungen benötigt man zumeist Zusatzuntersuchungen.
Einige wesentliche Traumafolgen und ihre wichtigsten diagnostischen Zeichen in der Thoraxübersichtsaufnahme sind in der Übersicht aufgeführt.
Thoraxtrauma
  • Frakturen
    • Rippenfrakturen: knöcherne Konturunterbrechung, Achsenversetzung, Pneumothorax, Hämatothorax
    • Frakturen des Schultergürtels: Skapula, Sternoklavikulargelenk, Akromioklavikulargelenk, Klavikula: knöcherne Konturunterbrechung
    • Sternumfrakturen: meistens nur durch Zusatzuntersuchungen erkennbar
    • Wirbelsäulenverletzungen: Häufigste Lokalisation ist das mobilste HWS-Segment: HWK 4/5; schwierigste diagnostische Region ist der zervikothorakale Übergang
  • Lungenparenchymverletzung
    • Kontusion, Hämatom: Verschattung
    • Pneumothorax: Aufhellung (Abb. 12)
  • Mediastinaltrauma: Tracheal- bzw. Bronchialverletzung: Pneumomediastinum, kollares Emphysem, Weichteilemphysem
  • Ösophagusverletzung: Pleuraerguss, empyem, Mediastinalemphysem
  • Kardiales Trauma: Herzkontusion, Herzinfarkt, Herzmuskelruptur, Perikardtamponade: Vergrößerung des Herzschattens, pulmonale Stauungszeichen
  • Aortenverletzung bzw. Verletzung der supraaortalen Gefäße: Wichtige Röntgenzeichen für mediastinale Einblutung: Mediastinalverbreiterung, Aufhebung der Aortenknopfkontur, Verdichtung der linken Pleurakuppe („apical cap sign“), Pleuraerguss links, Hämatotothorax links, Trachealdeviation bzw. Deviation der Magensonde, Kaudalverdrängung des linken Stammbronchus
  • Zwerchfellverletzung: Unilateraler Zwerchfellhochstand, auch bei Phrenikusparese; Verlagerung intestinaler Hohlorgane (Kontrastmitteldarstellung, atypische Luftverteilung)

Strahlenschutz

Röntgenverordnung
Die gesetzgeberischen Richtlinien und Maßnahmen zum Strahlenschutz für die Röntgendiagnostik sind festgelegt in der Röntgenverordnung, die am 08.01.1987 in Kraft getreten ist und zum 18.06.2002 überarbeitet wurde.
In der RöV sind umfangreiche Qualitätskontrollen für medizinisch-diagnostische Röntgeneinrichtungen, Geräteabnahmeprüfungen und Konstanzprüfungen zur Bildqualität festgeschrieben sowie Fachkundeanforderungen bezüglich theoretischem Wissen und praktischer Erfahrung festgelegt.
Es besteht eine Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht für Röntgenaufnahmen sowie eine Datenüberprüfung der Aufnahmeeinheit (Generator, Fokus-Film-Abstand, Filter, Raster, Filmfoliensystem).
Grundsätze des Strahlenschutzes
Strahlenschutz bei jeder Röntgenaufnahme
  • Aufnahmezahl beschränken
  • Einblendung/Lichtvisier
  • Wahl geeigneter Strahlenqualität
  • Hochverstärkende Foliensysteme
  • Hochempfindliche Filme
  • Belichtungsautomatik
  • Verwendung digitaler Aufnahmetechniken
Dosisdefinitionen
Die absorbierte Strahlenenergie pro Masseeinheit als sog. Energiedosis wird in Gray (1 J/kg) angegeben.
Unter strahlenbiologischen Gesichtspunkten aussagekräftiger ist die sog. Äquivalenzdosis, die unterschiedliche strahlenbiologische Wirkungen verschiedener Strahlenarten und unterschiedliche Strahlenempfindlichkeit der Organe berücksichtigt. Die Messeinheit ist ein Sv (1 J/kg). Bei der effektiven Äquivalenzdosis werden unterschiedliche strahlenbiologische Effekte in verschiedenen strahlensensiblen Geweben und Organen mit einem sog. Wichtungsfaktor berücksichtigt.
Die Strahlenbelastung einer Thoraxaufnahme beträgt ca. 0,2 mSv im kritischen Organ (Lunge, Mamma), die Gonadenbelastung liegt bei etwa 0,2 μSv. Im Vergleich hierzu kann von einer Strahlenbelastung durch natürliche Strahlenexposition in der Deutschland von ca. 1,1 mSv/Jahr ausgegangen werden.
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