Definition und Pathogenese
Der IHA ist definiert als
irreversibel erloschene Gesamtfunktion des Gehirns. Dabei werden die
Beatmung und die Herz- und Kreislauffunktion durch die Intensivtherapie künstlich aufrechterhalten.
Die
Häufigkeit, mit der es zur irreversibel erloschenen Gesamtfunktion des Gehirns kommt, ist nicht bekannt, da nicht bei allen Patienten mit entsprechend schweren Hirnverletzungen die notwendige formale Untersuchung gemäß der Richtlinie der
Bundesärztekammer erfolgt und anhand retrospektiver Krankenblattauswertungen die Häufigkeit des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls (IHA) nicht ermittelt werden kann.
Der IHA entwickelt sich in der Folge einer schwerwiegenden strukturellen Hirnschädigung, die in aller Regel mit einer zunehmenden und schließlich therapierefraktären Erhöhung des intrakraniellen Drucks einhergeht. Dabei kommt es meist zum Perfusionsstillstand (s. u.). Die neurologischen Ausfallsymptome entsprechen zunächst dem ursprünglichen Schädigungsort und spiegeln im Weiteren die zunehmende Hirnschädigung durch die Steigerung des Hirndrucks wider. Übersteigt der intrakranielle Druck schließlich den arteriellen Mitteldruck, sistiert die zerebrale Perfusion, und es resultiert der vollständige Infarkt des Organs. Bei ursprünglich supratentoriellen Hirnschäden kann zuweilen die von rostral nach kaudal fortschreitende Druckschädigung des Hirnstamms beobachtet werden. Dabei kommt es zunächst zur Lichtstarre der Pupillen, dann zum Erlöschen weiterer Hirnstammreflexe bis zum Ausfall der Hustenreaktion beim Absaugen und des Atemantriebs. Strecksynergismen gehen in eine Muskelhypo- bis -atonie über.
Der bevorstehende IHA kündigt sich auch durch eine therapieresistente Steigerung der intrakraniellen Druckwerte und durch eine intermittierend fehlende EEG-Aktivität („burst-suppression“) an.
Die Entwicklung des IHAs vollzieht sich im Einzelfall unterschiedlich rasch. Sie ist von vegetativen Symptomen begleitet (Kap. „Spenderkonditionierung und Organentnahme“).
Als Ursachen sind alle schwerwiegenden strukturellen (primären) und metabolischen (sekundären) akuten Hirnschäden zu nennen (Kap. „Spenderkonditionierung und Organentnahme“). In Deutschland überwiegen unter postmortalen Organspendern derzeit die atraumatischen intrakraniellen Blutungen und die ischämisch-hypoxischen Hirnschäden.
Für den Ablauf der Todesfeststellung muss überprüft sein, ob eine primäre supratentorielle, eine primäre infratentorielle, eine sekundäre oder eine kombinierte Hirnschädigung vorliegt, da man bei primären infratentoriellen Schädigungen mit initialem Ausfall der Hirnstammfunktion
die Großhirnfunktion nicht klinisch beurteilen kann. Aus diesem Grund erfordern Hirnschädigungen mit begleitenden primären strukturellen infratentoriellen Läsionen stets apparative Zusatzuntersuchungen zur Beurteilung der Großhirnfunktion (
EEG oder Perfusionsuntersuchung).
Vorgehen bei der Feststellung des IHAs
Die Feststellung
des IHAs erfordert gemäß seiner Ätiopathogenese drei Schritte:
1.
Zunächst die Überprüfung der diagnostischen Voraussetzungen,
2.
dann der Nachweis der klinischen Ausfallsymptome des Gehirns,
3.
abschließend der Nachweis ihrer Irreversibilität (Tab.
1).
Tab. 1
Nachweis der Irreversibilität
0–28 Tage | Jede Art der Schädigung | Obligat 72 h | Obligat EEG oder AEP b oder Doppler/Duplex an beiden Untersuchungszeitpunkten oderSPECT nach dem 2. klinischen Untersuchungsgang |
29 Tage bis 2 Jahre | Obligat 24 h |
Ab dem 3. Lebensjahr | Primär supratentoriell | 12 h ohne weiteres ergänzendes Verfahren | EEG oder SEP oder AEP oder Nachweis des Perfusionsstillstandes zur Verkürzung der Beobachtungszeit |
Sekundär | 72 h ohne weiteres ergänzendes Verfahren |
Primär infratentoriell | - | EEG oder Nachweis des Perfusionsstillstandes |
Änderungen, die sich für die Feststellung des IHA mit dem Inkrafttreten der 4. Fortschreibung der „Richtlinie“ im Juli 2015 ergeben haben, sind in Tab.
2 zusammengefasst.
Tab. 2
Änderungen hinsichtlich der Feststellung des IHA nach Inkrafttreten der 4. Fortschreibung der „Richtlinie“ im Juli 2015
Untersuchungsablauf | Reihenfolge der Untersuchungsschritte muss eingehalten werden |
Klinisch-synoptische Beurteilung von Medikamenteneffekten | Mindesttemperatur von 35 °C gefordert. |
Prüfung der Hirnnervenreflexe nicht vollständig möglich | Ergänzendes apparatives Verfahren erforderlich |
Apnoetestung nicht möglich/valide | Nachweis des Perfusionsstillstands erforderlich |
Apnoetestung | Ausgangs paCO2 muss temperaturkorrigiert zwischen 35 und 45 mmHg liegen |
Apnoetestung bei Kindern | Körpertemperatur >35 °C gefordert |
CT-Angiografie | Neue Methode, Anwendung erst ab dem 18. Lebensjahr unter Beachtung von Kontraindikationen möglich |
Duplexsonografie | Neue Methode |
Dopplersonografie | Geänderte Anforderungen an die Untersuchung |
Dokumentation | Neue Protokollbögen, abschließende Todesfeststellung erfordert 2 Unterschriften |
Befunde der ergänzenden Untersuchungen | Endbefund muss den Protokollbögen beigefügt werden |
Qualifikationsanforderung an die Untersucher | Dokumentation der Qualifikation auf dem Protokollbogen, 2 Fachärzte mit mehrjähriger Intensiverfahrung, davon ein Neurologe oder Neurochirurg Bei Kindern bis zum vollendeten 14. Lebensjahr ein Neurologe/Neurochirurg plus ein Pädiater oder ein Neuropädiater plus ein weiterer qualifizierter Facharzt |
Verantwortlichkeit der Klinik | Etablierung geeigneter Verfahren zur Qualitätssicherung und Überprüfung auf Weiterentwicklungsbedarf |
Diagnostische Voraussetzungen
Die Überprüfung der diagnostischen Voraussetzungen erfordert die Beurteilung der gesamten Krankengeschichte im Verlauf einschließlich der neuroradiologischen Befunde und den Ausschluss von reversiblen Ursachen für die klinischen Ausfallsymptome des Gehirns.
Reversible Ursachen zerebraler Ausfallsymptome
sind:
Die Bedeutung der intensivmedizinischen Analgosedierung und der Barbituratbehandlung für die Hirnbefunde bereitet in der klinischen Praxis die meisten Schwierigkeiten. Es müssen neben der Leber- und Nierenfunktion v. a. auch die Körpertemperatur während der Behandlung berücksichtigt werden, da der Abbau von Medikamenten bei
Hypothermie verzögert ist. Gemäß den „Richtlinie“ [
4] können Medikamenteneffekte unabhängig von der aktuellen Körpertemperatur beurteilt werden durch:
Bei Körpertemperaturen ≥35 °C zum Untersuchungszeitpunkt kann die Bedeutung zentral dämpfender Medikamente für die Ausfallsymptome zusätzlich beurteilt werden durch:
-
die Synopse der Anamnese, ggf. des Protokolls notärztlicher Maßnahmen sowie der bei der Aufnahme auf die Intensivstation dokumentierten Befunde und deren Entwicklung seither,
-
die Zuordnung der verabreichten Medikamente zur dokumentierten Befundentwicklung.
Besteht der Verdacht auf eine relevante Intoxikation, so ist toxikologische Diagnostik erforderlich. Allerdings gibt es für die klinischen Effekte von zentral wirksamen Substanzen bei Patienten mit Hirnschädigungen der hier diskutierten Schwere keine ausreichenden Daten zu Dosis-Wirkungs-Beziehungen. Die Beurteilung der Medikamentenspiegel im Blut kann nur
zusammen mit den anderen Beurteilungsmethoden zur Überprüfung der diagnostischen Voraussetzungen für die IHA-Feststellung eingesetzt werden. Medikamentenspiegel müssen auf einem qualitativ spezifischen und quantitativ sicheren
Nachweisverfahren beruhen und von einem in der Anwendung des jeweiligen Medikaments erfahrenen Arzt ggf. gemeinsam mit entsprechend erfahrenen Toxikologen, Anästhesisten und/oder Pharmakologen beurteilt werden [
2,
4]. Medikamentenspiegel sind grundsätzlich keine unverzichtbare und definitiv nicht die einzige Beurteilungsgrundlage, zumal nicht für alle Substanzen quantitative Bestimmungen möglich sind.
Eine sekundäre
Hypothermie entwickelt sich häufig als Folge der erloschenen zentralen Temperaturregulation. In der angelsächsischen Literatur wird für die Feststellung des IHA empirisch eine Mindestkörpertemperatur von 32 °C gefordert. Diese Empfehlung stützt sich nicht auf wissenschaftliche Untersuchungen. In der Richtlinie der
Bundesärztekammer wird nur bei Kindern vor Vollendung des 2. Lebensjahres eine Körperkerntemperatur von mindestens 35 °C zum Zeitpunkt des Apnoetestes gefordert.
Bestehen Zweifel, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, muss der zerebrale Zirkulationsstillstand nachgewiesen werden [
4], da das Sistieren der zerebralen Perfusion unabhängig von metabolischen oder medikamentösen Einflüssen stets den Infarkt des gesamten Gehirnparenchyms zur Folge hat [
3].
Klinische Untersuchung
Die klinische Untersuchung ist für die Feststellung des IHA obligat und erfordert stets den Nachweis von:
-
tiefer Bewusstlosigkeit,
-
fehlender spontaner und reflektorischer zerebraler Motorik einschließlich der „Hirnnervenreflexe“,
-
fehlenden Vitalfunktionen des Hirnstamms.
Können nicht alle Hirnnervenreflexe geprüft werden, so muss obligat ein ergänzendes Verfahren angewendet werden.
Fehlende spontane zerebrale Motorik bedeutet: Keine
epileptischen Anfälle, keine extrapyramidale Hyperkinese, kein Rigor, keine Spastik, keine Spontanbewegung der von Hirnnerven innervierten Muskeln.
Fehlende reflektorische zerebrale Motorik bedeutet: Keine Adversivbewegungen der Augen nach einem Reiz, kein Saug- oder Schnauzreflex, kein Greifreflex, keine Lichtreaktion bei mittelweiten bis weiten Pupillen, keine Kornealreflexe, keine Reflexe des Gleichgewichtsorgans, keine mimische Reaktion bei Schmerzreizen, keine Haltungsregulation, kein Würgereflex, keine Hustenreaktion bei endotrachealer Absaugung.
Fehlende Vitalfunktionen des Hirnstamms besagt: Keine zirkadiane Schwankung der Körpertemperatur, sondern häufig Entwicklung einer sekundären
Hypothermie, keine Herzfrequenz- und Blutdruckänderung durch Schmerzreize in trigeminal innervierten Dermatomen sowie durch Karotissinus- oder Bulbusdruck. Kein Anstieg der Herzfrequenz bei i.v.-Gabe von 2 mg Atropin, kein Atemantrieb bei Testung mittels akuter Hypoventilation (z. B. 1–2 Züge/min) ausgehend von einem normalen p
aCO
2-Wert und Erreichen von p
aCO
2-Werten ≥60 mmHg (temperaturkorrigierte Bestimmung). Liegt eine kardiopulmonale Vorerkrankung mit Adaptierung an einen p
aCO
2 von >45 mmHg vor, ist die oben beschriebene Testung des Atemantriebs nicht validiert. In diesen Fällen und in Fällen bei denen der Apnoetest nicht durchführbar ist, muss der Ausfall der Vitalfunktionen des Hirnstamms durch den Nachweis des zerebralen Perfusionsstillstandes erbracht werden.
Eine noch fehlende sekundäre
Hypothermie oder eine erhöhte Körpertemperatur, ein fehlender
Diabetes insipidus, ein ohne
Katecholamine noch ausreichender Blutdruck widersprechen nicht der klinischen Feststellung des Hirnausfalls.
Diagnostisch verwirren können:
-
spinale motorische oder vegetative Phänomene,
-
scheinbar erhaltener Atemantrieb durch geringe Luftbewegungen in der Trachea infolge des Herzschlags, die sogar ausreichen können, den Respirator zu triggern oder Apnoeprogramme des Respirators (daher Diskonnektion vom Respirator während der Apnoetestung empfohlen),
-
ein falsch-positiver Atropintest durch Injektion über die Katecholaminzuleitung,
-
postmortale Pupillenverengung als mechanisches Phänomen infolge von Flüssigkeitsverlust aus dem Auge.
-
Erhaltene zerebrale Perfusion: Bei einer vorbestehenden ausgeprägten Hirnatrophie, einer sekundären Hirnschädigung und immer dann, wenn die Kalotte nicht vollständig geschlossen ist (z. B. offene Hirnverletzungen, nach Entlastungstrepanation), kann es zu der Konstellation kommen, in der die Funktionen von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm irreversibel erloschen sind, ohne dass ein vollständiger Perfusionsstillstand vorliegt. In diesen Fällen resultiert der irreversible Ausfall der Hirntätigkeit aus der direkten Gewebeschädigung. Bei entsprechenden klinischen Konstellationen empfiehlt es sich, den Irreversibilitätsnachweis durch Verlaufsuntersuchungen oder neurophysiologische Methoden zu erbringen. Selten kann es auch bei bereits wieder fallendem Hirndruck zu einer Rekanalisierung von Gefäßen kommen.
Spinale unterscheiden sich von zerebralen motorischen Phänomenen durch den Ort ihrer Auslösung und die fehlende Beteiligung ausschließlich von Hirnnerven innervierter Muskeln. Spinale Bewegungen sind oft auf die untersuchte Extremität begrenzt und können in der Regel schon durch – verglichen mit einem trigeminalen Schmerzreiz – relativ milde Stimuli ausgelöst werden. Sie sind nur zeitweilig, mit zunehmendem Zeitabstand zum Eintritt des IHAs jedoch eher häufiger nachweisbar. Zerebral gesteuerte Bewegungen treten nach Eintritt der Apnoe praktisch nicht mehr auf.
Spinale vegetative Reaktionen wie ein Blutdruckanstieg durch Schmerzreize im Peritonealbereich lassen sich nicht durch trigeminale Schmerzreize hervorrufen. Spinale Störungen der Sudomotorik sind in der Regel topographisch begrenzt. Blutdruckanstiege bei Diskonnektion vom Respirator während der Apnoetestung beruhen auf der verbesserten kardialen Pumpfunktion in Folge des verringerten intrathorakalen Drucks.
Können klinische Phänomen nicht eingeordnet werden, so muss weiter beobachtet und behandelt oder der zerebrale Perfusionsstillstand nachgewiesen werden [
4].
Nachweis der Irreversibilität
Bei primären supratentoriellen oder bei sekundären Hirnschädigungen muss die Irreversibilität der klinischen Ausfallsymptome entweder durch weitere klinische Beobachtungen während angemessener Zeit oder durch ergänzende Untersuchungen nachgewiesen werden. [
4].
Bei primären infratentoriellen Läsionen und bei Kindern vor Vollendung des 2. Lebensjahrs ist immer apparative Zusatzdiagnostik für den Nachweis der Irreversibilität erforderlich.
Kein apparatives Verfahren belegt für sich allein den Ausfall der Hirnfunktionen. Apparative Verfahren können eine wertvolle Ergänzung zur klinischen Untersuchung sein und dem Nachweis der Irreversibilität der klinischen Ausfallsymptome dienen.
Formale Hinweise
Jeweils zwei Fachärzte müssen unabhängig voneinander die diagnostischen Voraussetzungen der IHA-Feststellung überprüfen und die klinischen Ausfallsymptome des Gehirns feststellen. Bei Anwendung apparativer Verfahren zum Irreversibilitätsnachweis ist die Beurteilung durch einen Untersucher ausreichend. Die Diagnose des IHAs ergibt sich als übereinstimmendes Resultat der unabhängigen und getrennt dokumentierten Untersuchungen einschließlich des Irreversibilitätsnachweises. Die abschließende Diagnose IHA ist durch die Unterschriften der beiden (letzten) Untersucher zu dokumentieren.
Beide Ärzte müssen Facharzt sein und über eine mehrjährige Erfahrung in der Intensivbehandlung von Patienten mit entsprechend schweren akuten Hirnschädigungen verfügen. Einer der für jeden Untersuchungsgang geforderten zwei Ärzte muss Neurologe oder Neurochirurg sein. Bei Kindern bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres muss die Untersuchung von einem Pädiater und einem Neurologen oder Neurochirurgen vorgenommen werden. Nur wenn ein Untersucher Neuopädiater ist, muss der 2. Untersucher nicht Neurologe oder Neurochirurg sein. Das
Transplantationsgesetz schreibt vor, dass die Untersucher im Fall einer Organ- oder Gewebespende weder an der Entnahme noch an der Übertragung der Organe oder Gewebe des Spenders beteiligt sein dürfen. Sie dürfen auch nicht Weisungen eines Arztes unterstehen, der an diesen Maßnahmen beteiligt ist.
Als Todeszeit wird diejenige Uhrzeit registriert, zu der erstmals die Kriterien des IHAs nachgewiesen sind, also die Uhrzeit, zu der die zweite Untersuchung abgeschlossen und die Irreversibilität der Ausfallsymptome nachgewiesen und dokumentiert ist. Die Protokolle zur Feststellung des IHA ersetzen nicht die amtliche Todesbescheinigung.
Jeder der beiden Ärzte muss bei jedem Untersuchungsgang einen der in der „Richtlinie“ verbindlich vorgeschriebenen Protokollbögen
zur IHA-Feststellung ausfüllen. Die Protokollbögen für Kinder bis zur Vollendung des 2. Lebensjahres und für Patienten ab dem 3. Lebensjahr sowie der vollständige Text der „Richtlinie“ können über die Internetseite der
Bundesärztekammer (
http://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/irrev.Hirnfunktionsausfall.pdf) abgerufen werden. Nach § 5 Abs. 2 des
Transplantationsgesetzes (TPG) „ist dem nächsten Angehörigen … Gelegenheit zur Einsichtnahme zu geben“, wozu er eine Vertrauensperson hinzuziehen kann. Nach eigener Erfahrung empfiehlt es sich, den Angehörigen anzubieten, nach vorheriger Instruktion selbst die Untersuchungen zu beobachten.
Krankenhäuser, in deren Auftrag eine IHA-Feststellung erfolgt, sind gehalten ein geeignetes Verfahren zur
Qualitätssicherung der Todesfeststellung in einer Arbeitsanweisung zu etablieren und regelmäßig auf Weiterentwicklungsbedarf zu überprüfen.
Das TPG verpflichtet die Krankenhäuser dazu, potenzielle Organspender bei der regionalen Organisationszentrale der Deutschen Stiftung Organtransplantation
(DSO;
http://www.dso.de/) oder dem örtlichen Transplantationszentrum zu melden. Dies kann bei Bedarf auch schon vor der endgültigen Feststellung des IHAs in Form eines anonymen Spenderkonsils
erfolgen, um ggf. vor Einleitung einer rein organerhaltenden Therapie zu klären, ob der betroffene Patient überhaupt für eine
Organentnahme in Frage käme.
Allgemeine Aspekte
Die Notwendigkeit den isolierten IHA
für die ärztliche Todesfeststellung zu definieren, resultierte aus den in den 1950iger- und 1960iger-Jahren neu etablierten intensivmedizinischen Möglichkeiten der künstlichen
Beatmung und verbesserten Pharmakotherapie – nicht dagegen aus der Notwendigkeit Organe zum Zwecke der Verpflanzung gewinnen zu können. Die Feststellung des isolierten IHAs ist keine prognostische Bewertung. Sie dient unabhängig von einer potenziellen Organspende ausschließlich der Feststellung des Tods. Ob der IHA tatsächlich dem Tod des Menschen gleichzusetzen ist, ist immer wieder Gegenstand der Diskussion. Die Thematik wurde erst kürzlich umfassend im Deutschen Ethikrat diskutiert [
1]. Die große Mehrheit der Mitglieder des Ethikrats beurteilt den IHA als Tod des Menschen. Eine Minderheit bewertet den Nachweis des IHA zwar als ethisch tragbare Voraussetzung für eine Organ- oder Gewebespende, nicht jedoch als sicheres Todeszeichen [
1].
Die Bewertung des IHAs als sicheres Todeszeichen beruht auf der Bedeutung der Hirnfunktion für den Menschen als Lebewesen in individueller körperlich-geistiger Einheit. Diese Daseinsform ist das einzige gemeinsame Kennzeichen aller lebenden Menschen.
Dabei müssen zwei verschiedenartige
Verständnisschwierigkeiten beachtet werden:
-
Zum einen erfordert der Nachweis des IHAs besondere medizinische Kenntnisse und Untersuchungen, sodass die
Bundesärztekammer dazu eigene, nach dem
Transplantationsgesetz verbindliche Richtlinien einschließlich einer definierten Qualifikationsanforderung an die untersuchenden Ärzte festgelegt hat. Die allgemein bekannten sicheren Todeszeichen fehlen bei IHA. Der scheinbar selbstverständliche Augenschein genügt nicht und kann nur allzu leicht verwirren.
-
Zum anderen erfordert das Verständnis für die Bedeutung des vorschriftsgemäß festgestellten IHAs als sicheres Todeszeichen die Erkenntnis, dass das eine Wort „Tod“ bei Lebewesen, Organen, Geweben und Zellen Verschiedenes bezeichnet. Die Unterscheidung zwischen dem Ganzen als Einheit und dem Ganzen als Summe versteht sich nicht für jeden Menschen von selbst. Dazu kommen die Unterscheidung zwischen Todeszeichen und dem Tod sowie die Notwendigkeit, die verschiedenen Belange des Tods und des Umgangs der Lebenden mit den Toten zugleich auseinander- und zusammenzuhalten.
Die Bedenken und bis zur grundsätzlichen Ablehnung reichenden Einwände gegenüber der Bedeutung des IHAs als sicheres Todeszeichen lassen sich auf bestimmte Grundgedanken zurückführen: