Ausbrüche nosokomialer Infektionen
Normalerweise werden NI sporadisch in verschiedenen Intensivstationen auf unterschiedlich hohem endemischem Niveau beobachtet, ca. 5–10 % aller NI treten im Zusammenhang mit Ausbrüchen auf.
Wenn die Anzahl der Infektionsfälle plötzlich über die Anzahl hinaus ansteigt, die räumlich und zeitlich zu erwarten gewesen wäre und wenn eine einheitliche Ursache anzunehmen ist, spricht man von einem Ausbruch bzw. einer Epidemie
nosokomialer Infektionen.
Sofern der Verdacht auf einen Ausbruch von NI besteht, sollte sofort der Krankenhaushygieniker hinzugezogen werden. Darüber hinaus existiert eine Meldepflicht
für derartige Ereignisse (§ 6 Abs. 3 des
Infektionsschutzgesetzes), um ggf. durch Einschaltung von Experten schneller zu einer Aufklärung zu gelangen und möglicherweise auch Präventionsmaßnahmen für andere Stationen oder Krankenhäuser einleiten zu können.
Surveillance nosokomialer Infektionen
Surveillance ist die fortlaufende, systematische Erfassung, Analyse und Interpretation der Infektionsdaten, die für das Planen, die Einführung und Evaluation von medizinischen Maßnahmen notwendig sind; dazu gehört die aktuelle Übermittlung der Daten an diejenigen, die diese Informationen benötigen.
In diesem Sinne wird empfohlen, das endemische Niveau der NI einer Intensivstation zu bestimmen (Kategorie IB). Es ist möglich, dass sich im Laufe der Jahre ein bestimmtes Infektionsniveau auf einer Intensivstation eingestellt hat, das durch die Mitarbeiter als normal wahrgenommen wird, das aber höher als in anderen vergleichbaren Intensivstationen ist. Um einen sinnvollen Vergleich zu ermöglichen, wird eine Konzentration auf die wichtigsten NI in Intensivstationen, die
Pneumonien und die Sepsisfälle empfohlen, viele Intensivstationen dokumentieren auch regelmäßig die Fälle von
Harnwegsinfektionen. Außerdem ist die Anwendung einheitlicher Surveillancemethoden und einheitlicher Definitionen für NI notwendig. Dann ist es möglich, zur Orientierung die Referenzdaten des Krankenhaus-Infektions-Surveillance-Systems
(KISS) zu verwenden [
29]. Es benutzt für die Diagnostik von NI die Definitionen der Centers for Disease Control and Prevention (CDC; [
17]).
Um das unterschiedliche Ausmaß der Anwendung von expositionellen Faktoren in verschiedenen Intensivstationen berücksichtigen zu können, werden sog. „device“-assoziierte NI-Raten berechnet, z. B.
$$ Beatmungsassoziierte\ Pneumonierate = \frac{\mathrm{Pneumonien}\ \mathrm{bei}\ \mathrm{beatmeten}\ \mathrm{Patienten}}{\mathrm{Beatmungstage}}\times 1000 $$
oder
$$ Z V K- assoziierte\ Pneumonierate = \frac{\mathrm{Sepsis}\ \mathrm{bei}\ \mathrm{Patienten}\ \mathrm{mit}\ \mathrm{ZVK}}{\mathrm{Beatmungstage}}\times 1000 $$
Die Assoziation ist dabei nicht kausal, sondern rein zeitlich. Als beatmungsassoziiert wird eine
Pneumonie oder
Sepsis angesehen, wenn der Patient innerhalb der letzten 48 h vor Auftreten der Symptome beatmet war.
Um die unterschiedlichen Grundkrankheiten der Patienten in verschiedenen Arten von Intensivstationen berücksichtigen zu können, werden diese Infektionsraten zusätzlich für die verschiedenen Arten von Intensivstationen bestimmt.
Tab.
4 zeigt KISS-Referenzdaten, die jeweils aktuellen Referenzdaten können im Internet eingesehen werden [
29]. Eine Position einer Intensivstation oberhalb der 75. Perzentile kann auf mögliche Infektionsprobleme hinweisen, es können allerdings auch andere ursächliche Faktoren existieren, z. B. besondere Erkrankungsschwere der Patienten, Ungenauigkeit der Diagnostik, ungenügender Stichprobenumfang. Deshalb ist für die Analyse der nosokomialen Infektionsraten immer eine sorgfältige, kompetente Interpretation notwendig.
Tab. 4
Orientierungsdaten des Krankenhaus-Infektions-Surveillance-Systems (KISS) für chirurgische Intensivstationen. (n = 173; Stand 2012–2016); die jeweils aktuellen Orientierungsdaten sind der Homepage des Nationalen Referenzzentrums für
Krankenhaushygiene zu entnehmen (
http://www.nrz-hygiene.de)
Beatmungsassoziierte Pneumonierate | 1.0 mio | 3.8 | 3.4 | 5.6 |
ZVK-assoziierte Sepsisrate | 1.8 mio | 1.0 | 0.7 | 1.4 |
Harnwegskatheterassoziierte Harnwegsinfektionsrate | 2.0 mio | 0.9 | 0.6 | 1.2 |
Surveillance multiresistenter Erreger
Auch zur Häufigkeit von
multiresistenten Erregern auf Intensivstationen sollte ein kontinuierlicher Überblick existieren. Es wird empfohlen, dabei zwischen Patienten zu unterscheiden, die bereits bei der Aufnahme auf die Station kolonisiert oder infiziert waren, und denjenigen, bei denen multiresistente Erreger erstmals auf der Intensivstation beobachtet wurden. Um einen sinnvollen Vergleich zu ermöglichen, ist die Zahl der multiresistenten Erreger auf 100 Patienten oder 1000 Patiententage zu beziehen. So wird z. B. in Intensivstationen ein MRSA-Problem zurzeit bei mehr als 0,3 nosokomialen MRSA-Fällen pro 100 aufgenommene Patienten angenommen (Wert der 75. Perzentile; [
29]).
Die Erfassung von Erregern mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen wird ebenfalls durch das
Infektionsschutzgesetz (§ 23) gefordert.