Einleitung bei Aspirationsrisiko
Video 1
Bei Patienten mit erhöhtem Aspirationsrisiko (Kap. „Prä- und perioperative Aspirationsprophylaxe“) wird eine Einleitungssequenz mit schneller Intubation durchgeführt („rapid sequence induction
“, Crash-Einleitung) [
1].
Zwischenbeatmung mit der
Maske und alle
Allgemeinanästhesien ohne dichten Abschluss der Trachea (Maske, Larynxmaske, Spontanatmung ohne Schutz der Atemwege) sind kontraindiziert.
Die „rapid sequence induction“ ist immer eine i. v.-Einleitung.
Wegen ihrer kurzen Anschlagszeit werden Succinylcholin oder Rocuronium zur Muskelrelaxation benutzt.
Der Trachealtubus wird häufig mit einem Mandrin versehen und Ersatztuben, größer und kleiner, werden bereitgelegt. In jedem Fall sollte ein Mandrin bereit liegen, falls dieser benötigt wird. Ein leistungsstarker Sauger (dick, mit starkem Sog!) befindet sich eingeschaltet neben dem Kopf des Patienten. Eine 10-ml-Blockerspritze liegt bereit.
Lagerung
Eine Lagerung mit 30° erhöhtem Oberkörper reduziert die Häufigkeit von Regurgitation [
2]. Eine Lagerung in Kopftieflage als Einleitungsposition hat den Vorteil, dass bei Regurgitation der Larynx über dem Mageninhalt steht [
3]. Nachteilig ist, dass Regurgitation in Kopftieflage häufiger stattfindet, die Intubation schwieriger ist und die Lage von Patienten mit abdomineller Symptomatik schlecht toleriert wird.
Präoxygenierung
Eine ausreichende Präoxygenierung ist unverzichtbar, damit in der Apnoephase, in der man auf die Wirkung des Muskelrelaxans wartet, keine
Hypoxie auftritt.
Ist eine Maskenventilation wegen Intubationsschwierigkeiten unvermeidbar, sollen möglichst niedrige Beatmungsdrücke und kleine Tidalvolumina zur Anwendung kommen.
Opiate
Opiate werden in reduzierter Dosis verabreicht. Es ist darauf zu achten, dass Kooperation und Schutzreflexe nicht vorzeitig unterdrückt werden.
Muskelrelaxation
Die Präkurarisierung reduziert die
Succinylcholin bedingte Muskelfaszikulation. Die Erhöhung des intraabdominellen Drucks durch Bauchdeckenkontraktionen bleibt aus. Gleichzeitig mit dem intraabdominellen Druck erhöht Succinylcholin aber auch den Ösophagusverschlussdruck, sodass der Nettoeffekt umstritten ist [
4]. Präkurarisierung reduziert die Wirkung von depolarisierenden
Muskelrelaxanzien. Die Dosis von Succinylcholin muss deshalb im höheren Dosisbereich, d. h mit 1,5 mg/kgKG berechnet werden. Aus den genannten Gründen ist die Präkurarisierung nicht obligat und wird kontrovers beurteilt [
4] (Tab.
1).
Tab. 1
Dosierung von Muskelrelaxanzien zur Präkurarisierung
Vecuronium | 0,01 |
Rocuronium | 0,06 |
Atracurium | 0,05 |
Cisatracurium | 0,01 |
Pancuronium | 0,01 |
Succinylcholin ist wegen seiner schnellen Anschlagzeit (0,5–1 min) und kurzen Wirkdauer immer noch das Medikament der Wahl für die „rapid sequence induction“ [
5].
Die Alternative ist
Rocuronium (Anschlagzeit 1,2–1,5 min). In hoher Dosierung (2- bis 3-fache ED
95: 0,6–0,9 mg/kgKG i. v.) ist ein rasches Anschlagen gewährleistet, die Wirkdauer jedoch verlängert (40–90 min). Durch die Einführung des spezifischen Antagonisten für Rocuronium, Sugammadex, könnte aber in absehbarer Zeit eine Neubewertung erfolgen. Die muskelrelaxierende Wirkung von Rocuronium kann sogar nach hohen Intubationsdosen (1,2 mg/kgKG) innerhalb von 90 s mit 16 mg/kgKG Sugammadex aufgehoben werden. Damit steht erstmals eine Alternative eines schnell wirkenden Relaxans mit bedingter kürzerer Wirkdauer als Succinylcholin zur Verfügung [
1,
6].
Krikoiddruck nach Sellick
Krikoiddruck nach Sellick ist eine Maßnahme gegen Regurgitation (Kap. „Endotracheale Intubation“). Richtig appliziert ist ein Verschlussdruck bis 100 mbar (10 kPa) zu erreichen [
7]. Der Ringknorpel wird mit Daumen und Zeigefinger gefasst und gegen die Pharynxhinterwand gedrückt. Dabei wird Lumen des Hypopharynx komprimiert [
1]. Druck auf den Schildknorpel oder den gesamtem Kehlkopf ist nicht effektiv und erschwert die Intubation. In der letzten Zeit ist zunehmend Kritik am Krikoiddruck geäußert worden, da letztlich kontroverse Ergebnisse bzgl. der Effektivität des Krikoiddrucks beschrieben wurden [
8]. Trotz breiter Anwendung und scheinbar einleuchtender Mechanik [
9], gibt es, abgesehen von der Erstbeschreibung, wenig Belege für die Effizienz dieser Maßnahme [
10], allerdings auch kaum belegte Widersprüche. Unsachgemäß ausgeführt (unspezifischer Kehlknopfdruck) ist er eher hinderlich für die Intubation. Jedoch kann dieses Fehlmanöver, durch Anweisung des Intubierenden, schnell behoben werden und der Kehlkopf in eine, für dir Intubation günstige Position, geschoben werden.
Cuffblockung
Die Cuffblockung muss vorbereitet sein und sofort durchgeführt werden. Die oft geforderte „angesetzte Blockerspritze“ kann jedoch bei ungenügender Koordination von Assistenz und Anästhesist auch zum Intubationshindernis werden.
Alternativen
Bei absehbaren Intubationsschwierigkeiten muss alternativ zur „rapid sequence induction“ eine Intubation des wachen Patienten als fiberoptische Intubation, als konventionelle wache Intubation oder als blind nasale Intubation durchgeführt werden.
Bei
unerwarteten Intubationsschwierigkeiten muss die Maskenbeatmung unter Krikoiddruck nach Sellick durchgeführt werden, um eine
Hypoxie zu vermeiden.
Ausleitung bei Aspirationsrisiko
Um postoperative Aspiration zu vermeiden, bleibt der Patient bis zum vollständigen Erwachen und zur Rückkehr der Schutzreflexe intubiert.
Vor der Extubation werden Magensonde, Mund- und Rachenraum gründlich abgesaugt. Nach Möglichkeit liegt der Patient postoperativ in Seitenlage [
11]. Die Magensonde ist geöffnet und wird über einen Beutel dräniert.
Vorgehen bei erfolgter Aspiration und Mendelson-Syndrom
Finden Regurgitation oder Erbrechen trotz entsprechender Vorsichtsmaßnahmen statt, so muss bei initialer 30°-Oberkörperhochlagerung die Lage sofort in eine Kopf-tief- und Kopf-zur-Seite-Lagerung umgewandelt werden [
3,
11]. Der Oropharynxbereich wird dann sofort, wenn immer möglich unter direkter laryngoskopischer Sicht, mit einem dicken Sauger abgesaugt.
Therapie
Oberstes Ziel ist die Sicherung der Oxygenierung. Es wird schnellstmöglich intubiert. Möglichst vor Beginn der
Beatmung wird endotracheal abgesaugt.
Mendelson-Syndrom
Eine Aspiration von saurem Mageninhalt führt bei ca. 50 % der Aspirationsereignisse zur Aspirationspneumonitis (Mendelson-Syndrom).
Als Schwelle für die Entstehung des Mendelson-Syndroms wird ein pH von <2,5 und eine Aspiratmenge von >20 ml angegeben.
Die Aspiration von Magensäure führt zur chemischen Alveolitis
mit Schädigung der Alveolar- und Kapillarmembran, Exsudation in Interstitium und Alveolarraum, Hämorrhagien und Kapillarbrüchen. Zusätzlich kann eine bakterielle Kontamination der Lunge eine bakterielle Apirationspneumonie auslösen. Durch aspirierte Partikel und Reflexbronchospasmus werden kleinere und größere Atemwege partiell oder komplett verlegt (
Atelektasen, Bronchospasmus).
Schock und
ARDS können den Verlauf komplizieren.
Die Letalität des Mendelson-Syndroms beträgt 3,5–12 % [
12,
13].