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Die Anästhesiologie
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Publiziert am: 04.05.2017

Lokalanästhetika

Verfasst von: Andreas Leffler und Sebastian Schulz-Stübner
Die Physiologie der Nervenleitung, die chemische Struktur der gebräuchlichen Lokalanästhetika, ihre Pharmakodynamik und Pharmakokinetik werden ebenso erläutert, wie die sich daraus ableitenden Wirkungsunterschiede und Nebenwirkungen. Schwerpunkte bilden die Wirkungen auf das Zentralnervensystem und Herz-Kreislauf-System bei systemischer Resorption oder akzidenteller intravaskulärer Injektion und das Konzept der Wiederbelebung mittels Lipid Rescue bei lokalanästhetikainduziertem Herz-Kreislauf-Stillstand. Zusätzlich zu den Lokalanästhetika selbst werden häufig verwendete Adjuvanzien und ihre klinische Bedeutung abgehandelt und Empfehlungen für die klinische Anwendung bei den verschiedenen Formen der Regional- und Lokalanästhesie gegeben.
Einleitung
Dieses Kapitel beschreibt zunächst die Physiologie der Nervenleitung und die Anatomie der Nervenfasern, soweit sie für das Verständnis der Theorien zur Wirkung von Lokalanästhetika erforderlich sind.
Die chemische Struktur der gebräuchlichen Lokalanästhetika, ihre Pharmakodynamik und Pharmakokinetik werden ebenso erläutert, wie die sich daraus ableitenden Wirkungsunterschiede und Nebenwirkungen. Schwerpunkte bilden in letzterem Bereich die Wirkungen auf das Zentralnervensystem und Herz-Kreislauf-System bei systemischer Resorption oder akzidenteller intravaskulärer Injektion und das Konzept der Wiederbelebung mittels Lipid Rescue bei lokalanästhetikainduziertem Herz-Kreislauf-Stillstand.
Zusätzlich zu den Lokalanästhetika selbst werden häufig verwendete Adjuvanzien und ihre klinische Bedeutung abgehandelt und Empfehlungen für die klinische Anwendung bei den verschiedenen Formen der Regional- und Lokalanästhesie gegeben.

Nervenleitung

Physiologie

Struktur der Nervenzellen und Markscheiden

Entwicklungsgeschichtlich sind alle Nervenzellen ektodermalen Ursprungs.
Sie bestehen aus dem Perikaryon und den Dendriten (Signalaufnahme) sowie dem Axon oder Neurit genannten Fortsatz (Signalabgabe), der gemeinsam mit seiner Hülle (Axonscheide) als Nervenfaser bezeichnet wird.
Das von einer Axolemma genannten Oberflächenmembran umgebene Axoplasma ist organellenarm und in einem nach distal gerichteten, dauerhaften Fluss begriffen, wobei ein schneller (100 mm/24 h) und ein langsamer Transport (1–5 mm/24 h) unterschieden werden.
Die Axonscheide der peripheren Nervenzellen besteht aus Neurolemnozyten (Schwann-Zellen). Je nach Differenzierung der Hülle wird zwischen markscheidenhaltigen und markscheidenfreien Nervenfasern unterschieden. Die Markscheide besteht aus einer Aufeinanderfolge von Lipid- und Proteinschichten und wird auch Myelin genannt. Eine Schwann-Zelle umhüllt das Axon auf einer Länge von 0,2–1,5 mm. Zwischen den Schwann-Zellen besteht ein Interzellularspalt, der als Ranvier-Schnürring bezeichnet wird. Der Abstand zwischen 2 Ranvier-Schnürringen heißt Internodium.
Die Nervenfasern sind im peripheren Nerven durch charakteristische Bindegewebsstrukturen verbunden. Unmittelbar um die Nervenfasern herum liegt das Endoneurium, welches auch Blut- und Lymphgefäße zur Ver- und Entsorgung führt. Bündel von einigen wenigen bis zu mehreren 100 Nervenfasern werden vom spiralförmig verlaufenden Perineurium umschlossen. Dieses ist von Perineuralepithel (einem Abkömmling der weichen Hirnhaut) ausgekleidet und wirkt als Diffusionsbarriere. Die Nervenbündel werden dann vom Epineurium zum eigentlichen Nerven zusammengefasst. Das Epineurium besteht aus längsverlaufenden Kollagenfasern. Dies ermöglicht eine gegenseitige Verschiebung der Nervenbündel und setzt gleichzeitig einer Überdehnung Widerstand entgegen (Abb. 1).

Determinanten der Erregungsfortleitung

Bei myelinisierten Nervenfasern kommt es zu einer saltatorischen Erregungsfortleitung zwischen den elektrisch weniger isolierten Ranvier-Schnürringen. Diese saltatorische Erregungsfortleitung führt zu einer deutlich schnelleren Nervenleitgeschwindigkeit im Vergleich zu nicht myelinisierten Nervenfasern.
Tab. 1 gibt eine Übersicht über die einzelnen Nervenfasertypen und ihre physiologischen Parameter.
Tab. 1
Nervenfaserklassifizierung nach Erlanger und Gasser. (Nach: [7])
Fasertyp
Myelin
Mittlerer Durchmesser
Mittlere Nervenleitgeschwindigkeit
Lokalisation
Funktion
Aα
+
15 μm
100 m/s
Motorische Efferenzen, Muskelspindelafferenzen
Motorik, Propriozeption
Aβ
+
8 μm
50 m/s
Hautafferenz
Berührung, Druck
Aγ
+
5 μm
20 m/s
Muskelspindelefferenz
Muskeltonus
Aδ
+
3 μm
15 m/s
Sensorische Wurzeln, periphere Afferenzen
Schmerz, Temperatur, Berührung
B
+
<3 μm
7 m/s
Präganglionär sympathisch
Pilo-, Sudo-, Viszero- und Vasomotorik
C (sC)
1 μm
1 m/s
Präganglionär sympathisch
Pilo-, Sudo-, Viszero- und Vasomotorik
C (drC)
1 μm
1 m/s
Sensorische Wurzeln,periphere Afferenzen
Schmerz, Temperatur, Berührung
Am Axolemma laufen verschiedene aktive und passive Regulationsprozesse ab, die zum Aufbau eines Membranpotenzials führen. Das negative Ruhemembranpotenzial entsteht hauptsächlich durch Natrium-, Kalium- und Kalziumionen.
Gemäß der Nernst-Gleichung gilt:
$$ {\displaystyle \begin{array}{ll} Membranpotenzial\ \left[ mV\right]= & \frac{R\times T}{z\times F}\\ {} & \times \mathit{\log}\frac{intrazellul\ddot{\mathrm{a}} re\ Ionenkonzentration}{extrazellul\ddot{\mathrm{a}} re\ Ionenkonzentration}\end{array}} $$
Wobei R für die Gaskonstante, T für die absolute Temperatur, z für die Wertigkeit des Ions (mit negativem Vorzeichen bei Anionen) und F für die Faraday-Konstante steht, sodass für den Quotienten bei Körpertemperatur und einwertigen Anionen gilt:
$$ \frac{R\times T}{z\times F}=-61\;\mathrm{mV}. $$

Ruhemembranpotenzial

Da die Membran im Ruhezustand für Kalium sehr gut und für Natrium schlecht permeabel ist, hängt das Ruhemembranpotenzial überwiegend vom Nernst-Potenzial des Kaliums (−94 mV) ab.
Bezieht man zusätzlich Natrium, Kalzium und Chlorid mit ein, ergibt sich ein errechnetes Ruhemembranpotenzial von −60 bis −70 mV gemäß der Goldman-Hodgin-Katz-Gleichung [13]:
$$ \frac{R\times T}{F}\times \mathit{\log}\frac{P_K{\left[{K}^{+}\right]}_i+{P}_{Na}{\left[N{a}^{+}\right]}_i+{P}_{Cl}{\left[C{l}^{-}\right]}_i}{P_K{\left[{K}^{+}\right]}_e+{P}_{Na}{\left[N{a}^{+}\right]}_e+{P}_{Cl}{\left[C{l}^{-}\right]}_e} $$
Wobei Px für die jeweilige Durchlässigkeit und [X]i für die intrazelluläre, [X]e für die extrazelluläre Konzentration des jeweiligen Ions steht.

Aktionspotenzial

Für die Ausbildung eines Aktionspotenzials in Nerven sind neben spannungsabhängigen Kalium- und Kalziumkanälen v. a. die spannungsabhängigen Natriumkanäle verantwortlich, deren Inhibition laut aktueller Lehrmeinung eines der entscheidenden Effekte klinisch gebräuchlicher Lokalanästhetika darstellt. Aktuell sind zehn Gene bekannt, die für zehn unterschiedliche α-Untereinheiten spannungsabhängiger Natriumkanäle kodieren. Von diesen zehn Untereinheiten sind neun funktionell im Sinne eines spannungsabhängigen Natriumkanals und werden gemäß einer international einheitlichen Nomenklatur als Nav1.1 bis Nav1.9 benannt (Na für „Natrium“ und v für „voltage“) [1, 4]. Alle neun α-Untereinheiten bestehen aus vier Domänen mit jeweils sechs transmembranären Segmenten (Abb. 2, [1]). Grundsätzlich können sich diese α-Untereinheiten in drei Aggregatzuständen befinden:
  • geschlossene Natriumkanäle (Ruhezustand),
  • offene Natriumkanäle (Erregungszustand),
  • inaktivierte Natriumkanäle.
Wesentliche Unterschiede finden sich im Expressionsmuster der einzelnen α-Untereinheiten im zentralen Nervensystem Herzen, Skelettmuskulatur und in peripheren Nerven.
Tab. 2 gibt eine Übersicht über die einzelnen α-Untereinheiten und ihre Funktion.
Tab. 2
Übersicht über die einzelnen α-Untereinheiten und ihre Funktion
Nav-Isoform
Gewebsexpression
Physiologische Funktion
Pathophysiologische Funktion
Nav1.1
ZNS, (Herz)
Aktionspotenziale
Durch Loss-of-function-Mutationen → Epilepsie im ZNS
Nav1.2
ZNS, PNS
Aktionspotenziale
Durch Loss-of-function-Mutationen → Epilepsie im ZNS und PNS
Nav1.3
Embryonal im ZNS und PNS
Unbekannt
Hochregulation im PNS nach Läsionen, neuropathischer Schmerz
Nav1.4
Skelettmuskel
Aktionspotenziale im Skelettmuskel
Mutationen führen u. a. zu hyperkalämisch periodischer Paralyse, Paramyotonia congenita
Nav1.5
Herzmuskulatur
Aktionspotenziale im Herzen
Mutationen führen u. a. zu Long QT-Syndrom oder Brugada Syndrom
Nav1.6
ZNS, PNS
Aktionspotenziale im ZNS und PNS
Unbekannt
Nav1.7
PNS, sympathische Nerven
Aktionspotenziale im PNS
Schmerzlosigkeit durch Loss-of-function-Mutationen
Durch Gain of-function-Mutation → Schmerz (Erythromelalgie: paroxysmale extreme Schmerzen)
Nav1.8
PNS, (Herz)
Aktionspotenziale im PNS
Durch Gain-of-Function-Mutationen → Schmerz und Herzrhythmusstörungen
Nav1.9
PNS
unbekannt
Schmerzlosigkeit durch Loss- oder Gain-of-function-Mutationen
ZNS zentrales Nervensystem; PNS peripheres Nervensystem
Im Rahmen einer schnellen Membrandepolarisation, d. h. das Ruhemembranpotenzial wird positiver, so ändert sich die Konfiguration spannungsabhängiger Natriumkanäle. Beim Erreichen eines bestimmten Schwellenpotenzials wird der Natriumkanal aktiviert, was eine 1000- bis 5000-fache Erhöhung der Permeabilität für Natriumionen und damit einen schnellen Natriumeinwärtsstrom zur Folge hat, der wiederum für den Aufstrich des Aktionspotenzials maßgeblich verantwortlich ist. Ebenfalls spannungsabhängig sind die Inaktivierung und Schließung des Natriumkanals, sowie auch die Erholung von der Inaktivierung im Rahmen der kaliumkanalvermittelten Repolarisation bis zum erneuten Erreichen des Ruhemembranpotenzial (Refraktärperiode). Erst danach geht der Natriumkanal in den geschlossenen Ruhezustand über, und kann erneut aktiviert werden [3, 25].

Ausbreitung des Aktionspotenzials

Die Ausbreitung des Aktionspotenzials entlang der Nervenfaser folgt einem „Alles-oder-nichts-Gesetz“. Das heißt entweder erreicht eine lokale Depolarisation das notwendige Schwellenpotenzial für Aktivierung spannungsabhängiger Natriumkanäle und breitet sich entlang der Faser aus, oder die Erregung bleibt im Falle einer unterschwelligen Depolarisation lokal begrenzt.
Wird an einer nichtmyelinisierten Nervenfaser ein Aktionspotenzial ausgelöst, so breitet es sich wellenförmig über alle Natriumkanäle entlang der Membranoberfläche mit einer konstanten Geschwindigkeit aus. Je größer der Faserdurchmesser, umso geringer ist der Längswiderstand relativ zum Membranwiderstand, und umso schneller ist die Fortleitung.
An myelinisierten Nervenfasern sind hauptsächlich die Ranvier-Schnürringe leitfähig und verfügen über eine hohe Dichte von Natriumkanälen im Vergleich zu den Internodien.

Lokalanästhetika

Pharmakologische Grundlagen

Chemische Struktur

Das erste klinisch genutzte, lokalanästhetische Pharmakon war Kokain [9], was sich trotz toxischer Nebenwirkungen und eines hohen Missbrauchspotenzials noch heute zur topischen Schleimhautanästhesie Verwendung findet.
Die Grundstruktur der modernen Lokalanästhetika besteht aus einer hydrophilen Aminogruppe, welche durch eine Alkylzwischenkette mit einem lipophilen aromatischen Rest (p-Aminobenzoesäure, Anilid- oder Thiophenringe) verbunden ist. Das Gesamtmolekül ist dabei schwach basisch.
Je nachdem, ob die Zwischenkette eine Ester- oder eine Säureamid-(= Peptid)bindung enthält, wird zwischen Aminoestern und Aminoamiden unterschieden.
Mit Procain wurde 1904 von Einhorn die Gruppe der Aminoester (R-CO-OR) in die Klinik eingeführt. Der erste Vertreter der Aminoamide (R-NH-CO-R) war Lidocain.
Die Esterbindungen können durch Pseudocholinesterasen im Blut gespalten werden. Die Säureamidbindungen müssen durch Peptidasen in der Leber gelöst werden.
Substanzen mit einem „i“ im Namen vor der Endung „-cain“ sind Aminoamide, Substanzen ohne ein „i“ im Namen vor der Endung „-cain“ Aminoester.
In ihrer tertiären Aminform sind die meisten Lokalanästhetika schlecht wasserlöslich und werden daher als Hydrochloridsalze hergestellt. In wässriger Lösung liegen Lokalanästhetika gemäß der Henderson-Hasselbalch-Gleichung in einem Gleichgewicht zwischen quaternäres Amin (positiv geladen, und damit nicht membranpermeabel) und tertiäres Amin (freie Base, ungeladen und membranpermeabel) vor. Der Ionisationsgrad ist hauptsächlich von der Dissoziationskonstante (pKa) des Lokalanästhetikums abhängig, und somit auch vom pH-Wert der Lösung. Handelsübliche Lokallanästhetika haben unterschiedliche Dissoziationskonstanten, die durch Substitution der Aminogruppen verändert werden können. Durch Manipulation der Länge der Zwischenkette können Löslichkeit und Membranhaftung beeinflusst werden. Dadurch ändern sich die Wirkintensität und die Wirkdauer. 1–3 Alkylgruppen haben sich als besonders vorteilhaft erwiesen.
Cave
Die schwache, oder ausbleibende Wirkung von Lokalanästhetika im entzündeten Gewebe ist hauptsächlich einer Gewebsazidose geschuldet, die zu einer Erhöhung des nicht membranpermeablen quaternären Anteils des Lokalanästhetikums führt.
3 Faustregeln zu Wirkung von Lokalanästhetika:
  • Je größer die Lipidlöslichkeit eines Lokalanästhetikums, umso potenter ist es.
  • Je größer die Proteinbindung eines Lokalanästhetikums, umso länger wirkt es.
  • Je näher die Dissoziationskonstante (pKa) am physiologischen pH-Wert (7,4) liegt, umso schneller tritt die Wirkung ein.

Wirkmechanismus von Lokalanästhetika

Die meistdiskutierten 3 Hypothesen zur Wirkung der Lokalanästhetika gehen von einer Wirkung an spannungsabhängigen Natriumkanälen (modulierte Rezeptorhypothese und Kalziummediationshypothese) bzw. einer Veränderung der Ladungsverteilung der Membranoberfläche (Membranladungstheorie) aus.
Modulierte Rezeptorhypothese
Nach Diffusion ins Zellinnere blockieren Lokalanästhetika alle α-Untereinheiten spannungsabhängiger Natriumkanäle. So verhindern sie die Entstehung eines Aktionspotenzials bzw. die Erregungsfortleitung entlang des Axons. Laut dem aktuellen Kenntnisstand interagieren Lokalanästhetika mit bestimmten intrazellulären Aminosäureresten zwischen den Segmenten 5 und 6 der Domänen 1, 3 und 4 [15]. Diese Bindungsstelle für Lokalanästhetika ist in allen α-Untereinheiten konserviert, und damit werden alle α-Untereinheiten grundsätzlich ähnlich stark inhibiert. Keins der aktuell klinisch verfügbaren Lokalanästhetika zeigt eine wirklich relevante Selektivität für einzelne α-Untereinheiten. Die intrazelluläre Lokalisation dieser Aminosäuren erklärt den Umstand, warum nur der membranpermeable Anteil wirksam sein kann. Die Interaktion eines Lokalanästhetikums mit dieser Bindungsstelle unterliegt einer starken Abhängigkeit vom Aggregatzustand der α-Untereinheit, d. h. es besteht eine niedrige Bindungsaffinität zu geschlossenen aktiven Kanälen, aber hohe Affinität zu geschlossenen inaktiven und offenen Kanälen. Eine Inhibition von Natriumkanälen über diese Bindungsstelle ist nicht spezifisch für Lokalanästhetika, sondern wurde auch für u. a. trizyklische Antidepressiva, Antikonvulsiva, volatile und intravenöse Anästhetika und manche Opioide beschrieben [1].
Kalziummediationshypothese
Neben der direkten Wirkung an spannungsabhängigen Natriumkanälen wurde auch der Einfluss von Kalzium auf die Kontrolle des Natriumkanals als möglicher Mechanismus der Lokalanästhetika diskutiert. Durch Verschiebung von Kalziumionen von der Membran soll eine Verminderung der Natriumpermeabilität erzeugt werden. Tatsächlich bewirken niedrige Kalziumkonzentrationen außerhalb des Axolemmas eine Verstärkung und hohe Kalziumkonzentrationen eine Verminderung der Wirkung von Lokalanästhetika. Dadurch ist jedoch kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Lokalanästhetikawirkung und Kalziumeffekt im Sinne der Kalziummediationshypothese zu beweisen [26].
Membranladungstheorie
Die sog. Membranladungstheorie geht von einer Veränderung der Ladungsverteilung an der Membranoberfläche aus: Die kationischen Lokalanästhetika neutralisieren teilweise die negativen Oberflächenladungen am Axolemma und verändern so das transmembranöse Potenzial. Bei Bindung an die extrazelluläre Membranoberfläche käme es durch verstärkte positive Ladung zur Hyperpolarisation, bei Bindung an die intrazelluläre Membranoberfläche zur Verhinderung der Repolarisation [24].
Neben der Blockade der Natriumkanäle oder Ladungsveränderungen wurden auch eine Depolarisationshemmung durch Erhöhung der Oberflächenspannung und eine Störung der Molekülordnung im Lipidfilm der Nervenmembran beschrieben [28]. Diese Mechanismen erklären in erster Linie die lokalanästhetische Wirkung von Substanzen, die keine ionisierbare Aminogruppe aufweisen (z. B. Benzocain). Dabei handelt es sich um eine Analogie zur Meyer-Overton-Hypothese, die besagt, dass die Potenz von volatilen Anästhetika proportional zu ihrer Lipidlöslichkeit ist [20].

Pharmakokinetik

Unter der minimalen Blockkonzentration („minimum blocking concentration“, Cm) versteht man in gewisser Analogie zum MAC-Konzept (Kap. „Inhalationsanästhetika“) die niedrigste Menge Lokalanästhetikum, die erforderlich ist, um die Impulsleitung in einem Nerv in einer Zeiteinheit zu blockieren.
Idealerweise würde die zu applizierende Dosis eines Lokalanästhetikums in die Nähe des Nervs nur unwesentlich über der Cm liegen. In der Praxis ist dieses Ziel jedoch kaum zu erreichen, da die tatsächliche Aufnahme des Lokalanästhetikums in die Nervenzelle von einer Vielzahl Faktoren mitbestimmt wird:
  • Distanz zwischen Injektionsort und Nervenfasern,
  • physikalische Verteilung des Lokalanästhetikums,
  • Diffusion durch Bindegewebe,
  • Absorption durch Nichtnervengewebe und der Absorption durch das Gefäß- und Lymphsystem.
Systemische Absorption
Die systemische Absorption von Lokalanästhetika ist im Wesentlichen von der Beschaffenheit des Gewebes (z. B. hoher Fett- und Bindegewebsanteil) und der lokalen Durchblutung abhängig.
Für die Klinik ergibt sich daher folgende „Rangfolge“ bezüglich der systemischen Absorption von Lokalanästhetika:
Interkostalblock > Kaudalblock > Epiduralblock > brachialer Plexusblock > Femoralis- oder Ischiadikusblock.
Obwohl die empfohlenen Grenzdosierungen von Lokalanästhetika in mg/kg KG angegeben werden, existiert keine strenge Korrelation zwischen dem Körpergewicht und den gemessenen Plasmaspiegeln. Demnach schützt die Einhaltung der Grenzdosierungen nicht vor einer systemischen Intoxikation. Durch den Zusatz von Vasokonstriktoren (z. B. Adrenalin) kann die systemische Absorptionsrate durch lokale Reduktion der Zirkulation vermindert werden. Auch eine Verminderung des Herzminutenvolumens führt zu einer reduzierten systemischen Aufnahme. Alter und Schwangerschaft hingegen üben keinen direkten Einfluss aus.

Umverteilung und Plasmaproteinbindung

Nach Aufnahme in die Blutzirkulation passieren Lokalanästhetika in der Regel zunächst die Lungenstrombahn. Dabei wird ein erheblicher Teil im Sinne eines pulmonalen First-pass-Effekts metabolisiert. Der verbliebene Anteil wird entsprechend der Perfusionsverhältnisse und dem Blut-Gewebe-Verteilungskoeffizienten verteilt. Initial erfolgt eine hohe Aufnahme in gut durchbluteten Organen wie Gehirn, Herz und Nieren und eine sekundäre Umverteilung in weniger gut durchblutetes Muskel- und Fettgewebe.
Ausschlaggebend für den pharmakologischen Effekt ist der ungebundene Anteil des Lokalanästhetikums im Plasma.
Dieser wiederum hängt von der Proteinbindung ab (Tab. 3). Die Aminoamide werden in erster Linie an Glykoprotein und weniger an Albumin gebunden. Mit steigender Plasmakonzentration des Lokalanästhetikums nimmt die Sättigung der Proteinbindungsstellen und damit der ungebundene Anteil zu (Abb. 3, [28]).
Tab. 3
Wichtige Eigenschaften gebräuchlicher Lokalanästhetika
LA
pKa
% nichtionisiert bei pH 7,4
Lipidlöslichkeit
Proteinbindung
Relative Potenz
Wirkungseintritt
Wirkungsdauer [min]
EGDa [mg/kgKG]
Toxische Plasmaspiegel [μg/ml]
Procain
8,9
3
<1
5
1
Langsam
45–60
12
35
2-Chlor-procain
9,1
2
1
4
Schnell
30–45
12
?
Tetracain
8,6
7
80
75–85
16
Langsam
60–180
1 (topisch)
8
7,9
24
3–4
65
1–2
Schnell
60–120
4,5
>5
Mepivacain
7,6
39
1
75
1–2
Schnell
90–180
4,5
>5
Prilocain
7,7
24
0,8
55
1–2
Schnell
60–120
8
>5
Bupivacain
8,1
17
28
95
4–6
Langsam
240–480
2–3
>1,5
Ropivacain
8,1
?
6
94
4–6
Langsam
240–360
3–4b
>4
Etidocain
7,7
24
140
95
4–8
Langsam
240–480
4
2
aDie Angaben zur empfohlenen Grenzdosierung (EGD) sind in der Literatur schwankend und beruhen häufig auf Fallbeobachtungen und kleinen Serien. Die in der Tabelle genannten Dosierungen sind maximale Einzeldosen ohne Adrenalinzusatz. Grundsätzlich ist für den Plasmaspiegel und damit den systemischen Effekt weniger die absolute Dosis als die Art der Applikation, Begleitmedikationen und der physiologische Zustand des Patienten im Sinne eines multifaktoriellen Konzepts entscheidend [19]
bDosis nur in kleinen Serien untersucht

Metabolismus und Ausscheidung

Aminoester werden im Blut durch Plasmacholinesterasen sehr schnell gespalten.
Bei Patienten mit abnormer Plasmacholinesterase kann es zu einer deutlichen Verlangsamung des Abbaus, und damit zu einer Kumulation von Aminoester-Lokalanästhetika kommen.
Das zu den Aminoamiden gehörende Dibucain hemmt die normale Plasmacholinesterase und wird daher zur Diagnostik der atypischen Cholinesterase verwendet. Atypische Plasmacholinesterasen werden durch Dibucain nicht gehemmt. Gemessen wird die Reaktion eines Thiocholins mit Plasma einmal mit und einmal ohne Dibucainzusatz. Das Reaktionsprodukt wird spektrophotometrisch quantifiziert und die dibucainbedingte Hemmung der Reaktion in Prozent berechnet und als Dibucainzahl bezeichnet (Kap. „Muskelrelaxanzien und ihre Antagonisten“).
Dibucainzahl
  • Eine Dibucainzahl von 70 % impliziert eine normale Plasmacholinesteraseaktivität
  • Dibucainzahlen zwischen 35–65 % deuten auf eine heterozygot atypische Plasmacholinesterase
  • Dibucainzahlen um 30 % deuten auf eine homozygot atypische Plasmacholinesterase hin
Aminoamid-Lokalanästhetika werden in der Leber zumeist in mehreren Teilschritten durch Hydroxylierung des aromatischen Rings abgebaut, sodass die Elimination in erster Linie von der Leberdurchblutung abhängt. Leberfunktionsstörungen können den Abbau verzögern. Lidocain wird z. B. zunächst N-desalkyliert. Durch Peptidasen gespalten entsteht Xylidid, welches in p-Stellung zur Aminogruppe oxidiert. Dieses 4-Hydroxy-Xylidid stellt mit ca. 75 % das Hauptabbauprodukt des Lidocains dar. Nur sehr geringe Mengen der Lokalanästhetika werden unverändert renal ausgeschieden.
Cave
Als einziges Aminoamid verfügt Prilocain über einen extrahepatischen Abbauweg. Durch Hydrolyse der Amidbindung wird Orthotoluidin gebildet, welches eine Methämoglobinbildung verursacht.

Pharmakodynamik

Die Wirkung von Lokalanästhetika bleibt nicht lokal oder auf periphere Nerven beschränkt. Sie kann prinzipiell an allen Zellstrukturen beobachtet werden, in denen spannungsabhängige Natriumkanäle exprimiert werden und dort funktionell relevant sind. Dies betrifft alle peripheren und zentralen Nerven, aber auch glatte und quergestreifte Muskeln einschließlich des Herzens.

Wirkung auf periphere Nerven

Die meisten peripheren Nerven sind gemischte Nerven (sensorisch/motorisch) und führen auch sympathische Fasern.
Klinisch kann bei Einsetzen der Wirkung von Lokalanästhetika häufig eine charakteristische Reihenfolge der Blockade (Differenzialblockade) beobachtet werden.
Differenzialblockade
  • Sympathische B- und C-Fasern (Vasodilatation)
  • Ad-Fasern (Schmerz- und Temperaturempfindung)
  • Ab-Fasern (Berührungs- und Druckempfindung)
  • Aa-Fasern (Motorik, Vibrations- und Lageempfinden)
Allerdings kann, je nach räumlicher Anordnung der Nervenfasern, die motorische Blockade zuerst auftreten (z. B. beim Block des Plexus brachialis). Eine einheitliche Erklärung für die Differenzialblockade existiert nicht, allerdings spielen folgende Faktoren eine entscheidende Rolle:
  • Nervenfaserdurchmesser,
  • Nervenfaseraktivität,
  • exponierte Strecke der Nervenfaser,
  • räumliche Anordnung der Nervenfasern innerhalb des peripheren Nervs,
  • Leitungsstabilitätsfaktor („conduction safety factor“),
  • Lipidlöslichkeit des Lokalanästhetikums,
  • Konzentration des Lokalanästhetikums,
Unter dem Leitungsstabilitätsfaktor versteht man einen von Faser zu Faser unterschiedlichen Sicherheitsfaktor zwischen dem notwendigen Schwellenpotenzial der Erregungsausbildung und dem Membranaktionspotenzial der Erregungsweiterleitung.
Cave
Neben der Differenzialblockade ist auch der Wedensky-Block bedeutsam. Hierbei wird die Cm des Nervs gerade erreicht, d. h. einzelne Impulse können nicht mehr weitergeleitet werden (Unempfindlichkeit auf Nadelstich). Bei Dauerstimulation ist jedoch das „Durchbrechen“ jedes 2. oder 3. Impulses möglich, sodass z. B. beim Hautschnitt Schmerz verspürt wird.
Mehr technischer Natur sind die beschreibenden Begriffe des Radialblocks (Diffusion des Lokalanästhetikums und Blockadeausbreitung von außen nach innen), des Longitudinalblocks (Blockade von 2 oder mehr Ranvier-Schnürringen entlang der Nervenlängsachse) und des Reduktionsblocks (Blockade der Ad-Fasern aufgrund der kleineren Internodien bei noch ungeblockten Aa- und Ab-Fasern).

Systemische Toxizität

Grundsätzlich ist die systemische Toxizität von Lokalanästhetika u. a. dadurch zu erklären, dass alle α-Untereinheiten spannungsabhängiger Natriumkanäle ähnlich stark inhibiert werden [1, 2]. Somit werden nicht nur Natriumkanäle in den peripheren Nerven oder im Rückenmark inhibiert, sondern auch die Natriumkanäle im Herzen und im zentralen Nervensystem.
Azidose, Hypoxie und Hyperkaliämie verstärken die Toxizität von Lokalanästhetika.

Wirkungen auf das zentrale Nervensystem

Über die genauen Mechanismen zur Entstehung der zentralnervösen Toxizität durch Lokalanästhetika ist vergleichsweise wenig bekannt. Initial überwiegt vermutlich die Blockade inhibitorischer kortikaler Neurone mit entsprechenden exzitatorischen Phänomenen (Missempfindungen, Krampfanfälle). Bei höheren Konzentrationen werden auch die übrigen Neurone und Synapsen blockiert (Bewusstlosigkeit, Apnoe).
Charakteristische Symptome in der Reihenfolge ihres Auftretens (Nach: [23])
1.
Taubheitsgefühl von Zunge und Mund, evtl. metallischer Geschmack
 
2.
Vigilanzstörung, Verwirrtheit, Ohrgeräusche und optische Wahrnehmungsstörungen
 
3.
Verwaschene Sprache (Dysarthrie)
 
4.
Myoklonien, Tremor
 
5.
Grand-Mal-Anfälle, Bewusstlosigkeit, Apnoe
 
Bei wachen Patienten gehen die zentralnervösen Symptome den kardiozirkulatorischen Komplikationen voraus und müssen daher als Warnzeichen sehr ernst genommen werden.

Wirkungen auf das Herz-Kreislauf-System

Die Kardiotoxizität von Lokalanästhetika wird wahrscheinlich hauptsächlich durch eine Blockade des kardialen Natriumkanals Nav1.5 vermittelt. Zusätzlich scheint die Inhibition spannungsabhängiger Kalziumkanäle des L-Typs für eine negativ inotrope Wirkung relevant zu sein, aber auch die Blockade verschiedener Kaliumkanäle [1, 2]. Zusätzlich werden zentrale Mechanismen (Angriff am Vasomotorenzentrum) als Ursache für die häufige Hypotension bei Intoxikationen durch Lokalanästhetika diskutiert.
Wirkungen und Effekte der Lokalanästhetika auf das Herz-Kreislauf-System
  • Negativ inotrop → Reduktion der myokardialen Kontraktilität: Hypotonie
  • Negativ chronotrop → Reduktion der Herzfrequenz: Bradykardie
  • Negativ bathmotrop → Reduzierte Erregbarkeit des Myokards
  • Negativ dromotrop → Verlangsamung der Erregungsleitung: QT-Zeit Verlängerung
Diese Effekte sind nicht grundsätzlich alle nachteilig, sondern wird auch zur Behandlung von Arrhythmien genutzt (z. B. Lidocain als Klasse-1B-Antiarrhythmikum nach Vaughan-Williams).
Die charakteristischen Symptome in der Reihenfolge ihres Auftretens sind:
1.
Rhythmusstörungen: Bradykardie oder Tachykardie,
 
2.
QT-Zeit-Verlängerung,
 
3.
QRS-Veränderungen, AV-Block,
 
4.
Kammerflimmern, Asystolie.
 
Cave
Im toxischen Bereich werden Arrhythmien und Überleitungsstörungen durch alle klinisch etablierten Lokalanästhetika induziert.
Bupivacain
Bupivacain gilt als das Lokalanästhetikum mit dem höchsten kardiotoxischen Potenzial und ist bei intravenösen Regionalanästhesien kontraindiziert. Die unverdünnte 0,75 %-ige Lösung sollte nicht verwendet werden und zur Periduralanästhesie in der Geburtshilfe ist sie kontraindiziert. Als eine Ursache für die verstärkte Kardiotoxizität von Bupivacain wird seine langsame Lösung von inaktivierten Natriumkanälen postuliert („Fast-in-slow-out-Blocker“) [5], was wahrscheinlich durch die sehr hohe Lipophilie zu erklären ist. Im Gegensatz gilt Lidocain als ein „Fast-in-fast-out-Blocker“ und Ropivacain als „Fast-in-intermediate-out-Blocker“. Als weiterer relevanter Pathomechanismus der hohen Kardiotoxizität durch Bupivacain wird die Blockierung der carnitinabhängigen, mitochondrialen Fettsäuremetabolisierung diskutiert [27].
Ropivacain
Ropivacain ist im Vergleich zu Bupivacain deutlich weniger lipophil, wirkt aber dennoch als ein potentes Lokalanästhetikums mit einer langen Wirkdauer. Hinweise für eine geringere Kardiotoxizität von Ropivacain im Vergleich zu Bupivacain finden sich in Fallberichten mit gut tolerierten extrem hohen Dosen und in tierexperimentellen Studien, die zusätzlich eine bessere Reanimierbarkeit der Tiere nachweisen konnten [6]. Jedoch wurden auch für Ropivacain tödlich verlaufende Intoxikationen beschrieben, sodass Ropivacain keineswegs als ein sicheres Lokalanästhetikum betrachtet werden sollte.
Für den klinischen Alltag ergibt sich folgende Rangfolge der Kardiotoxizität [10]:
Bupivacain > S-Bupivacain > Ropivacain > Lidocain.
Die meisten klinisch gebräuchlichen Lokalanästhetika mit Ausnahme des Ropivacains (reines S-Enantiomer) liegen als Razemate vor, d. h. eine Mischung zwischen den S- und R-Enantiomeren. Für einige Lokalanästhetika (z. B. Bupivacain) konnte nachgewiesen werden, dass eine gewisse Stereospezifität für die Inhibition spannungsabhängiger Natriumkanäle nachzuweisen ist. Diese Unterschiede scheinen für die Wirksamkeit, Toxizität und Pharmakokinetik von gewisser Relevanz zu sein.

Therapie einer lokalanästhetikainduzierten Intoxikation

Die Inzidenz einer klinisch relevanten Intoxikation mit Lokalanästhetika ist insgesamt sehr niedrig (0,01–0,2 %) [32]. Bei klinischen Zeichen einer lokalanästhetikainduzierten systemischen Intoxikation – zentralnervös oder kardial – sollte die weitere Gabe des Lokalanästhetikums unverzüglich gestoppt werden. Die weitere Therapie erfolgt symptomatisch je nach Schweregrad.
Neben der Gabe von Sauerstoff kann beim Vorliegen einer zentralnervösen Symptomatik eine leichte Sedierung bis hin zur Vollnarkose mit Intubation und maschineller Beatmung erforderlich sein. Hinsichtlich der anschließenden neurologischen Beurteilbarkeit sind bei Krampfanfällen kurz wirksame Barbiturate gegenüber den länger sedierend wirkenden Benzodiazepinen von Vorteil.
Beim Einsetzen von Kammerflimmern oder einer Asystolie wird unmittelbar mit Maßnahmen der Reanimation gemäß den aktuellen Leitlinien begonnen. Insbesondere bei Bupivacain muss bei mangelhaftem Erfolg klassischer Reanimationsmaßnahmen frühzeitig an den Einsatz weiterführender Maßnahmen wie eine extrakorporale Zirkulation mittels einer Herz-Lungen-Maschine gedacht werden.
Im Falle einer Reanimationspflicht wird seit einigen Jahren zusätzlich die intravenöse Verabreichung von Lipidemulsionlösungen (z. B. Lipufundin 20 %, Intralipid 20 %, Lipo-Venös 20 %) empfohlen (Lipid Rescue) [12, 17]. Die Gabe von Lipidemulsionen scheint die Dauer der Reanimationspflichtigkeit erheblich zu kürzen, und es erhöht die Erfolgsrate bei einer Reanimation. Als Wirkmechanismen werden neben der Bindung von Lokalanästhetika durch die Lipidemulsion („lipid sink“) und schnellere Lösung vom Natriumkanal auch eine energetische Substitution auf mitochondrialer Ebene diskutiert [29, 30]. Der erfolgreiche Einsatz dieser Lipidbehandlung ist inzwischen nicht nur für Bupivacain gezeigt worden, sondern auch für andere Lokalanästhetika wie Ropivacain und Mepivacain.
Der wissenschaftliche Arbeitskreis Regionalanästhesie der deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin empfiehlt einen initialen Bolus von 1,5 ml/kgKG Lipidlösung 20 % und anschließend die kontinuierliche Infusion von 0,25–0,5 ml/kgKG/min (über 10 Minuten) [17]. Bei einer prolongierten Reanimation kann diese Dosierung wiederholt werden. Die empfohlene Maximaldosis einer Lipidemulsion beträgt 10 ml/kgKG innerhalb von 30 Minuten.

Gewebstoxizität

Eine klinisch selten imponierende Nebenwirkung aller Lokalanästhetika ist deren relativ ausgeprägte Zytotoxizität und die damit verbundene Gewebstoxizität. Diese Eigenschaft äußert sich klinisch am ehesten in neurologischen Ausfällen aufgrund einer axonalen Schädigung [11, 18]. Neben der Neurotoxizität gelten Lokalanästhetika auch als myotoxisch und chondrotoxisch.
Neurotoxizität
Unter Neurotoxizität versteht man die irreversible Leitungsblockade mit morphologisch fassbarem Nervenschaden.
Dafür können neben Schädigungen der Schwann-Zellen mit konsekutiver Demyelinisierung eine Schädigung des Axons selbst, eine Störung des Zellmilieus (Axoplasmas) und eine Beeinträchtigung der Blutversorgung des Nervs verantwortlich sein.
Cave
Grundsätzlich scheinen alle Lokalanästhetika in Abhängigkeit von Konzentration und Einwirkdauer toxische Effekte zu haben. Das neurotoxische Potenzial scheint weiterhin von der Lipophilie abhängig zu sein [31], d. h. in der gleichen Konzentration ist Bupivacain toxischer als z. B. Lidocain.
Klinische Bedeutung
Die Neurotoxizität von Lokalanästhetika scheint eine begrenzte klinische Relevanz zu haben. Dementsprechend ist die Inzidenz einer klinisch feststellbaren Neurotoxizität insgesamt niedrig (0,01–0,02 %) [32]. Ernsthafte Nebenwirkungen wie das Cauda-equina-Syndrom oder transient neurologische Symptome scheinen vorwiegend nach hochdosierter intrathekaler Gabe von Lidocain zu entstehen. So wird die Inzidenz von transienten radikulären Irritationen nach Single-shot-Spinalanästhesien mit Lidocain 5 % hyperbar in der Literatur mit einer Häufigkeit zwischen 5 % und 30 % angegeben [22]. Auch bei Verwendung von Mepivacain 4 % hyperbar werden transiente radikuläre Irritationen in bis zu 10 % der Fälle beschrieben. Bei hyperbarem Bupivacain 0,5 % sind derartige Symptome nur sehr selten zu beobachten.
Besonders bei spinaler oder epiduraler Injektion kann auch die neurotoxische Wirkung von Begleitsubstanzen (z. B. Konservierungsmittel, Koanalgetika, Opioide) relevant sein. Hier gilt es zu beachten, dass nur wenige Substanzen für die intrathekale oder epidurale Injektion zugelassen sind.
Allergien
Allergische Reaktionen auf Lokalanästhetika sind möglich, treten aber selten auf. Sie müssen abgegrenzt werden von toxischen Effekten der Lokalanästhetika, von Nebenwirkungen der Zusätze (z. B. Tachykardie bei Adrenalinzusatz) und von Komplikationen der eigentlichen Regional- oder Lokalanästhesie (z. B. Übelkeit durch Blutdruckabfall im Rahmen einer Spinalanästhesie). Innerhalb einer Gruppe (Amide oder Ester) besteht häufig eine Kreuzallergie. Konservierungsmittel vom Parabentyp (p-Hydroxybenzoesäureester) oder Stabilisatoren wie Natriumbisulfit finden sich in vielen Fertigpräparationen von Lokalanästhetika und können ebenfalls als Allergene wirken. Die Ergebnisse von Hauttestungen (Epikutantest) sind nicht immer zuverlässig.
Esterverbindungen haben eine höhere Inzidenz allergischer Reaktionen als Amidverbindungen.
Methämoglobinbildung
Mit dem Abbau von Prilocain zu Orthotoluidin entsteht ein potenter Methämoglobinbildner.
Bei Einhaltung der empfohlenen Grenzdosis ist die Methämoglobinbildung klinisch in der Regel nicht von Bedeutung, auch wenn erhöhte Blutspiegel nachgewiesen werden können. Bei Glukose-6-Dehydrogenasemangel (5–20 % der Südeuropäer und Afrikaner) besteht jedoch eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Methämoglobinbildnern.
Cave
Der Methämoglobinspitzenwert tritt bei korrekter Injektionstechnik erst 4–8 h nach Prilocaingabe auf.
In der Geburtshilfe sollte Prilocain wegen der Gefahr der Methämoglobinbildung beim Fetus nicht eingesetzt werden.
Eine klinisch bedeutsame, d. h. symptomatische Methämoglobinämie wird mit 1–3 mg/kgKG Methylenblau behandelt. Zusätzlich können 2 mg/kgKG Ascorbinsäure verabreicht werden.

Zusätze zur Wirkveränderung

Eine Alkalisierung der Lösung (z. B. durch 1–2 mval Natriumbikarbonat pro 10 ml LA) erhöht den Anteil des nichtionisierten und damit membranpermeablen Anteils des Lokalanästhetikums. Durch diesen Effekt wird die Diffusion durch die Bindegewebsschichten und das Axolemma beschleunigt, und damit auch der Wirkeintritt der Blockade. Auch die Zugabe von CO2 beschleunigt die Blockade: CO2 diffundiert sehr rasch ins Axolemma und induziert in den Nerven eine intrazelluläre Azidose. Damit nimmt der ionisierte Anteil des Lokalanästhetikums intrazellulär schnell zu, welches nach aktueller Lehrmeinung an die Bindungsstelle am Natriumkanal bindet.
Eine weitere Methode zur Beschleunigung des Wirkeintritts durch Lokalanästhetika ist die Anwärmung der Lösung auf Körpertemperatur. Dadurch sinkt der pKa-Wert des Lokalanästhetikums. Als direkte Konsequenz erhöht sich dann der Anteil des membranpermeablen Anteils.

Adrenalin

Testdosis
Adrenalin (1:200.000) wird häufig als diagnostischer Zusatz im Rahmen der sog. Testdosis (3–5 ml LA + 15–25 μg Adrenalin) bei epiduralen Injektionen verwendet, um eine intravasale Injektion zu erkennen. Sollte eine intravasale Lage vorliegen, induziert das Adrenalin eine klinisch einfach feststellbare Tachykardie oder Erhöhung des Blutdrucks. Über die Zuverlässigkeit von Grenzwerten, die sicher auf eine intravasale Injektion schließen lassen, gibt es sehr unterschiedliche Angaben. Klinisch werden meist ein systolischer Blutdruckanstieg über 20 mmHg oder ein Anstieg der Herzfrequenz um mehr als 20 % vom Ausgangswert für mehr als 30 s als Indikatoren für eine intravasale Lage angenommen [14]. Auch eine mehr als 25 %ige Änderung der T-Wellen-Amplitude gilt insbesondere bei sedierten Patienten als sensitiver Test für eine intravasale Injektion. Der Einsatz einer Testdosis mit Adrenalin in der geburtshilflichen Anästhesie ist umstritten.
Cave
Bei Patienten unter β-Blocker-Therapie ist die Adrenalintestdosis kaum sinnvoll zu bewerten.
Wirkungsverstärkung
Der Zusatz von Adrenalin verlängert die lokalanästhetische Wirkung durch Verminderung der lokalen Durchblutung und damit der systemischen Aufnahme des Lokalanästhetikums. Bei neuraxialen Blockaden, d. h. Spinal- oder Periduralanästhesie, wird darüber hinaus eine α2-agonistische Wirkung mit Aktivierung absteigender spinaler Hemmmechanismen vermutet.
Cave
Adrenalinhaltige Zubereitungen sollten nicht in funktionellen Endstromgebieten (z. B. Oberst-Anästhesie, Ohrmuschel oder Peniswurzelblock) verwendet werden. Auch bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen sollte die Indikation zur Gabe von Adrenalin kritisch überprüft werden.
Eine Gesamtdosis von 3 μg/kgKG sollte (z. B. bei lokaler Infiltrationsanästhesie) nicht überschritten werden.

Opioide

Opioide verlängern und verstärken den analgetischen Effekt von Lokalanästhetika bei neuraxialen und peripheren Blockaden. In beiden Fällen ist davon auszugehen, dass dieser Effekt hauptsächlich durch die Aktivierung zentraler und peripherer Opioidrezeptoren zustande kommt. In Deutschland ist derzeit nur Sufentanil (Sufenta epidural) speziell für die epidurale Applikation zugelassen. Weltweit liegen die meisten Erfahrungen mit Morphin vor, aber auch Fentanyl wird häufig als Zusatz verwendet.
Hierbei ist die unterschiedliche Lipidlöslichkeit der Opioide von Bedeutung: bei epiduraler Gabe von Sufentanil treten weniger verzögerte Atemdepressionen auf als bei Morphin. Als Ursache wird die hohe Wasserlöslichkeit von Morphin betrachtet, wodurch eine hohe Konzentration im Liquor begünstigt wird. Zugleich wird die spinale Anreicherung im Nervengewebe im Vergleich zur lipophilen Sufentanil vermindert. Die Inzidenz der übrigen opioidspezifischen Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen, Juckreiz und Harnretention, sollen bei Verwendung lipophiler Substanzen (d. h. Sufentanil oder Fentanyl) im Vergleich zu Morphin geringer sein.

Clonidin und Dexmedetomidin

Ähnlich wie Opioide verlängern Clonidin (typsiche Dosierung 2 μg/kgKG) und Dexmedetomidin den analgetischen Effekt von Lokalanästhetika bei neuraxialen und peripheren Blockaden. Als Mechanismus kommt zum einen die Aktivierung von α2-Rezeptoren in Frage, aber auch eine direkte Blockade von Natriumkanälen sowie eine Wirkung an Opioidrezeptoren.
Systemische Wirkungen durch Clonidin und Dexmedtomidin wie Hypotension, Bradykardie oder Sedierung können die Anwendungsmöglichkeit einschränken, aber auch zusätzlich therapeutisch genutzt werden. Die intrathekale, epidurale und perineurale Gabe von Clonidin und Dexmedtomidin ist nicht zugelassen, d. h. es handelt sich hierbei um ein „off-label use“. Bezüglich einer Neurotoxizität scheinen Clonidin und Dexmedtomidin unbedenklich zu sein, allerdings fehlt für diese Behauptung eine wissenschaftlich fundierte Evidenz.

Ketamin

Die Anwendung des NMDA-Rezeptorantagonisten Ketamin zur Wirkverlängerung und Wirkverstärkung von Lokalanästhetika bei neuraxialen Blockaden ist wirksam, insbesondere in Kombination mit Opioiden. Allerdings konnten in vielen Arbeiten eine ausgeprägte Neurotoxizität durch Ketamin nachgewiesen werden. Zudem ist es nicht für eine intrathekale, epidurale oder perineurale Gabe zugelassen. Von einer nervennahe Applikation von Ketamin, auch im Rahmen eines off-label-use, wird daher abgeraten.

Klinische Anwendung

Topische Anästhesie

Der topische Einsatz von Lokalanästhetika erfolgt typischerweise auf Schleimhäuten (z. B. Nasen-Rachen-Raum, Mundschleimhaut, Bronchialbaum, Urethra, Rektum).
Dabei werden höher konzentrierte Lösungen verwendet. Je nach Vaskularisation tritt eine nicht unerhebliche systemische Absorption auf. Gleiches gilt für die Verwendung von Lösungen zur Anästhesie bei Oberflächenwunden und Verbrennungen.
Bei intakter Haut sind spezielle galenische Präparationen oder transdermale Systeme erforderlich. Diese werden häufig bei Kindern als Hautanästhesie vor Kanülierungen angewandt (EMLA, eine 1:1-eutektische Mischung zwischen Lidocain und Prilocain). Bei großflächiger Anwendung ist auf die empfohlene Grenzdosis zu achten (Tab. 4).
Tab. 4
Übersicht über gebräuchliche topische Lokalanästhetika
Wirkstoff
Handelsname (Beispiel)
Zusammensetzung
Dosierung
Besonderheiten
Oxybuprocain-HCl
Novesine 0,4 % Augentropfen
1 ml = 4 mg
1–10 Tropfen
 
Tetracain-HCl
Ophtocain Augentropfen
1 g enthält 6 mg Tetracain und 0,2 mg Naphazolin
1–5 Tropfen
 
Lidocain
Xylocain 4 %-Lsg
1 ml = 40 mg
5–8 g z. B. urethral
Cave: Grenzdosis
Xylocain-Gel 2 %
1 g enthält 20 mg
  
Xylocain-Pumpspray
1 Sprühstoß = 10 mg
2–10 Sprühstöße
 
Xylocain-Salbe 5 %
1 g enthält 50 mg
1–2 cm Salbe
 
Lidocain/Prilocain
EMLA-Creme, EMLA-Pflaster
1 g Creme oder 1 Pflaster enthält 25 mg Lidocain und 25 mg Prilocain
 
Cave Grenzdosis: Methämoglobinbildung, gleichzeitige Sulfonamideinnahme

Infiltrationsanästhesie

Die Infiltrationsanästhesie spielt bei der Versorgung kleinerer Wunden, kleinen Operationen und in der postoperativen Schmerztherapie eine Rolle (Tab. 5).
Tab. 5
Übersicht über die klinische Anwendung gängiger Lokalanästhetika
Lokalanästhetikum
Häufige klinische Anwendung
Besonderheiten
Procain
Infiltration, periphere Nervenblockaden
Mögliche Allergisierung bei wiederholter Gabe
2-Chlorprocain
Infiltration, periphere Nervenblockaden
Intrathekale Gabe kontraindiziert
Tetracain
Spinalanästhesie, topische Lokalanästhesie
Größte Beeinflussung der kardialen Reizleitung
Infiltration, periphere und zentrale Nervenblockaden, topische Lokalanästhesie, Tumeszenzanästhesie
Vielseitigstes Lokalanästhetikum, Verwendung auch als Antiarrhythmikum, transiente neurologische Symptome nach Spinalanästhesie
Mepivacain
Infiltration, periphere und zentrale Nervenblockaden
Gleich schnelle Anschlagzeit, aber längere Wirkdauer als Lidocain
Prilocain
Infiltration, periphere Nervenblockaden, Epiduralanästhesie, intravenöse Regionalanästhesie (IVRA)
Geringe systemische Toxizität, Methämoglobinbildung (meist bei Dosis über 600 mg)
Bupivacain
Infiltration, periphere und zentrale Nervenblockaden
Kardiotoxizität, Verwendung 0,75 %iger Lösung zur Epiduralanästhesie kontraindiziert
Ropivacain
Infiltration, periphere Nervenblockaden, Epiduralanästhesie
Geringere Kardiotoxizität und weniger ausgeprägter Motorblock als bei Bupivacain
Etidocain
Infiltration, periphere Nervenblockaden, Epiduralanästhesie
Ausgeprägter Motorblock bei Epiduralanästhesie
Die Auswahl des Lokalanästhetikums richtet sich nach der erforderlichen Wirkdauer und der potenziellen Toxizität der Substanz. Klinisch weit verbreitet sind Lidocain (z. B. Xylocain 1 %), Prilocain (z. B. Xylonest 1 %), Mepivacain (z. B. Scandicain 1 %) und Ropivacain (z. B. Naropin 0,2 %), letzteres v. a. bei Wundinfiltrationen zur postoperativen Schmerztherapie.
Insbesondere bei Kleinkindern werden die empfohlenen Grenzdosierungen schnell erreicht.
Tumeszenzanästhesie
Dies ist eine Sonderform der Infiltrationsanästhesie zur Fettabsaugung. Hierbei wird ein Lidocain-Adrenalin-Gemisch in der Spüllösung verwendet. Als Lidocainhöchstdosierungen für dieses Verfahren werden teilweise bis zu 55 mg/kgKG angegeben [16].
Cave
Allerdings können bei längeren Operationen nicht unerhebliche Mengen resorbiert werden. Es sind Todesfälle aufgrund systemischer Nebenwirkungen beschrieben worden.
Beim wachen Patienten ist daher mit besonderer Sorgfalt auf die klinischen Zeichen einer Intoxikation zu achten. Beim anästhesierten Patienten erscheinen Dosierug von Lidocain über 15 mg/kgKG in der Gesamtspüllösung nicht empfehlenswert.

Intravenöse Regionalanästhesie

Bei der intravenösen Regionalanästhesie (IVRA, auch Bier-Block nach dem Erstbeschreiber August Bier) wird das Lokalanästhetikum in eine Vene der blutleeren Extremität injiziert. Die peripheren Nervenendigungen werden dadurch schnell erreicht, sodass häufig bereits 5 min nach der Injektion eine ausreichende Anästhesie erreicht wird.
Aufgrund der Gefahr des Eintritts einer großen Menge des Lokalanästhetikums in die systemische Zirkulation bei akzidentellem Druckverlust in der Blutsperrenmanschette werden für die IVRA nur Lokalanästhetika mit einer großen therapeutischen Breite verwendet. Am gebräuchlichsten sind Lidocain 0,5 % oder Prilocain 0,5–1 % (40 ml für die obere Extremität und 60 ml für die untere Extremität, bezogen auf 70 kg Körpergewicht).
Cave
Bei Verwendung von Prilocain muss, insbesondere bei kurzen Eingriffen und Ablassen der Manschette bereits nach 30 min, an die Methämoglobinbildung gedacht werden.
Prinzipiell eignet sich IVRA nur für Eingriffen mit einem kurzen Wirkdauer (<1 h), da der Tourniquet-Schmerz aufgrund der Manschette dann an Stärke zunimmt und den Patienten erheblich beeinträchtigt.

Periphere Nervenblockaden

Zum Zwecke peripherer Nervenblockaden (z. B. des Plexus brachialis, des Plexus lumbalis, einzelner Nerven wie N. femoralis, N. ischiadicus oder bei Hand- und Fußblock) können prinzipiell alle gängigen Lokalanästhetika verwendet werden. Auf den Zusatz von Adrenalin oder anderen Vasokonstriktoren sollte bei Endstromgebieten (z. B. Fingerblock nach Oberst oder Peniswurzelblockade) wegen der Ischämiegefahr verzichtet werden. Um eine möglichst optimale postoperative Analgesie zu erreichen, werden langwirkende Lokalanästhetika wie Ropivacain und Bupivacain empfohlen. Kombinationen zwischen langwirksamen Lokalanästhetika und solchen mit schnell einsetzender Wirkung werden in der Klinik häufig und in den unterschiedlichsten Variationen verwendet (z. B. Bupivacain oder Ropivacain mit Lidocain oder Prilocain), obwohl die tatsächliche Relevanz der schnelleren Anschlagzeit derartiger Mischungen zweifelhaft erscheint. Auch müssen mögliche toxische Nebenwirkungen immer bezüglich der Gesamtdosis der verwendeten Substanzen und nicht der Einzeldosen bedacht werden.

Zentrale Nervenblockaden

Spinalanästhesie
Zur Spinalanästhesie werden hyperbare, isobare oder (selten) hypobare Lösungen verwendet.
Das kurzwirksame Lidocain 5 % sollte wegen der hohen Inzidenz transienter radikulärer Irritationen nicht verwendet werden. Als kurzwirksame Lokalanästhetika für eine Spinalanästhesie scheinen 2-Chlorprocain, Prilocain und Articain besser geeignet zu sein.
Als mittellang wirkende Alternative steht Mepivacain 4 % zur Verfügung, über die aber auch eine klinisch bedeutsame Häufigkeit transienter radikulärer Irritationen berichtet wurde.
Die gebräuchlichste Substanz ist Bupivacain 0,5 % in hyper- oder isobarer Form. Unter den genannten Substanzen weist sie die längste Wirkdauer auf. Bei Anwendung einer kontinuierlichen Kathetertechnik sollte nur Bupivacain verwendet werden.
Ropivacain erscheint nach derzeitigem Wissensstand für die Spinalanästhesie eher ungeeignet zu sein als Bupivacain. Während bei peripherer Anwendung oftmals gleiche Volumina gleicher Konzentration von Ropivacain eine vergleichbare Potenz zu Bupivacain aufweisen, ist bei intrathekaler Gabe fast die doppelte Menge Ropivacain erforderlich, um die gleiche Motorblockade wie bei Verwendung von Bupivacain zu erreichen [13]. Gleichzeitig wurde eine hohe Inzidenz transienter neurologischer Syndrome (28 %) beschrieben. Dies wird durch klinische Fallberichte auch bei Verwendung geringer Konzentration bestätigt [8].
Periduralanästhesie
Sowohl zur Single-shot- als auch zur kontinuierlichen Periduralanästhesie werden am häufigsten verwendet: Lidocain, Bupivacain und Ropivacain.
Lokalanästhetika zur Periduralanästhesie
  • Lidocain (schnelle Anschlagzeit, kurze Wirkdauer und damit gut steuerbar)
  • Bupivacain (etwas langsamere Anschlagzeit als Lidocain, lange Wirkdauer)
  • Ropivacain (etwas langsamere Anschlagzeit als Lidocain, weniger kardiotoxisch als Bupivacain, weniger Motorblockade als Bupivacain bei gleich guter Analgesie)
Insbesondere für die postoperative Schmerztherapie hat sich Ropivacain als vorteilhaft erwiesen: Im klinischen Vergleich zu Bupivacain ist bei gleicher Analgesie die Motorblockade geringer.
Die Dosierungen richten sich nach den klinischen Erfordernissen unter Beachtung der Grenzdosis.
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