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Die Anästhesiologie
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Publiziert am: 19.04.2017

Perioperative Lagerung des Patienten

Verfasst von: Stefan Kleinschmidt
Die Lagerung des Patienten ist eine verantwortungsvolle Tätigkeit für Operateur und Anästhesisten im Sinne einer „horizontalen Arbeitsteilung“. Da durch die Lagerung bleibende Schädigungen wie z. B. Nervenschäden oder Erblindung entstehen können, muss diese sorgfältig durchgeführt und dokumentiert werden.

Allgemeine Aspekte und fachspezifische Verantwortung

Die Lagerung des Patienten ist eine verantwortungsvolle Tätigkeit für Operateur und Anästhesisten im Sinne einer „horizontalen Arbeitsteilung“. Die Narkoseeinleitung erfolgt, von begründbaren seltenen Ausnahmen abgesehen, in Rückenlage. Danach wird der Patient für die Operation gelagert. Da durch die Lagerung bleibende Schädigungen wie z. B. Nervenschäden oder Erblindung entstehen können, muss diese sorgfältig durchgeführt und dokumentiert werden. Es wird dringend empfohlen, den Patienten über mögliche Lagerungsschäden schriftlich aufzuklären [2]. Dabei sind zur Verhinderung von Lagerungsschäden folgende Anforderungen zu stellen [3]:
  • Vermeidung unphysiologischer Bewegungen, insbesondere des Kopfs und der Extremitäten mit Überstreckung von Gelenken,
  • Vermeidung von Druckstellen und Ansammlung von Flüssigkeiten (z. B. Hautdesinfektionsmittel),
  • sichere Anbringung von Lagerungshilfen und Sicherheitsgurten,
  • sichere elektrische Isolierung des Patienten auf dem OP Tisch ohne Metallberührung.
Vereinbarungen der jeweiligen Berufsverbände zu den Verantwortlichkeiten [8]
  • Der Anästhesist trägt die Verantwortung bis zur definitiven Operationslagerung.
  • Die Operationslagerung sowie etwaige intraoperative Umlagerungsmanöver ergeben sich naturgemäß aus den operativen Besonderheiten. Sollten von Seiten des Anästhesisten Bedenken bestehen, da bestimmte Lagerungen z. B. kardiovaskuläre oder pulmonale Komplikationen hervorrufen können, so muss dies dem Operateur mitgeteilt werden. Letztendlich trägt der Operateur die Verantwortung für erhöhte Lagerungsrisiken. Assistenzpersonal, z. B. Pflegekräfte, handelt hier in seinem Auftrag.
  • Der Anästhesist ist intraoperativ für die Lagerung der Extremitäten verantwortlich, die für die Narkoseführung notwendig sind („Infusionsarm“). Weiterhin muss er Sicherheitsmaßnahmen treffen, die sich aus einer besonderen Lagerung und einer Beeinträchtigung von Vitalfunktionen ergeben (z. B. Abdominalkompression bei Bauchlage mit möglicher Verminderung des venösen Rückstroms, Augenschutz in Bauchlage).
  • Nach Beendigung des Eingriffs und der Rücklagerung trägt der Anästhesist die Verantwortung, ebenso wie während der postoperativen Überwachung.
Die Organisation der Zusammenarbeit erfordert, dass die Aufgaben zwischen Operateur und Anästhesist präzise verteilt sind, wobei eine generelle Anweisung der leitenden Ärzte über Einzelheiten der Lagerung und deren Kontrolle empfohlen wird [6], z. B. auf der Grundlage der dargelegten interdisziplinären Vereinbarungen. Es empfiehlt sich, dass eine ordnungsgemäße Lagerung (z. B. nach hausinterner SOP) wie auch eine repetitive Kontrolle dokumentiert wird.

Spezielle Lagerungen

Im Vergleich zur stehenden Position kommt es bei verschiedenen Lagerungen in erster Linie zu Änderungen kardiovaskulärer und pulmonaler Parameter. Diese physiologischen Veränderungen werden u. U. noch durch entsprechende Auswirkungen des Anästhesieverfahrens verstärkt.
Rückenlage und deren Modifikationen
Beim Wechsel in die Rückenlage nehmen mittlerer Blutdruck, Herzfrequenz und peripherer Gesamtwiderstand ab. Das Herzzeitvolumen kann zunehmen. Durch Erhöhung des intraabdominellen Drucks und Gabe von Muskelrelaxanzien kommt es zu einer Zwerchfellverschiebung nach kranial („Dorsokranialisierung“) mit Abnahme der funktionellen Residualkapazität und Atelektasenbildung. Weiterhin kann ein Kollaps der kleinen Luftwege mit Zunahme des intrapulmonalen Shunts auftreten, was zu Störungen der Oxigenierung führen kann.
Bauchlage und ihre Modifikationen (z. B. „Stufenlagerung“)
Durch die auftretende Erhöhung des intraabdominellen Drucks in Bauchlage bzw. durch das Anwinkeln der Beine bei der Stufenlagerung kann der venöse Rückfluss zum Herzen beeinträchtigt werden. Dadurch fällt der arterielle Blutdruck im Regelfall ab. Deshalb werden Thorax und Becken durch Kissen unterstützt, während die Bauchwand frei gelagert wird, damit kein Druck auf die V. cava inferior ausgeübt wird (Abb. 1).
Die Beweglichkeit des Zwerchfells wird in Bauchlage vermindert, sodass die Gefahr einer Atelektasenbildung mit Hypoxämie zunimmt.
Seitenlage und Modifikationen
Die Seitenlagerung wird hauptsächlich bei thoraxchirurgischen und urologischen Eingriffen (Nephrektomie) durchgeführt. Bei eröffnetem Thorax wird unter kontrollierter Beatmung die obere Lunge besser belüftet und die unten liegende Lunge besser durchblutet.
Bei der „Nephrektomielagerung“ ist zu beachten, dass die ventrale Lagerungsstütze auf Höhe der Crista iliaca angebracht wird. Andernfalls sind Behinderungen des venösen Rückstroms durch Kompression der V. cava möglich.
Bei der Seitenlagerung wird der Thorax durch ein flaches Kissen unterstützt, um Druck auf den unten liegenden Arm zu verhindern. Alternativ kann eine Unterlage verwendet werden, in die eine Rinne für den unten liegenden Arm eingearbeitet wurde. Der Kopf des Patienten wird in der Körperlängsachse auf einem Kissen gelagert. Auch Ellbogen, Knie und Fußknöchel werden durch Kissen vor Druckschäden geschützt (Abb. 2).
Steinschnittlagerung und extreme perineale Steinschnittlage nach Young
Hierbei werden die Beine in Hüft- und Kniegelenk in Beugung, Rotation und Abduktion gelagert. In Ergänzung zu den physiologischen Veränderungen in Rückenlage nimmt das intrathorakale Blutvolumen zu, das venöse Gefäßvolumen in den Beinen dagegen ab. Diese Volumenverschiebung kann bis zu 500 ml betragen.
Beach-Chair-Lagerung
Durch die der „sitzenden Position“ ähnelnde Lagerung kann es insbesondere bei einer präoperativ nicht erkannten Hypovolämie zu Blutdruckabfällen kommen. Durch eine zu starke Flexion im Hüftgelenk ist eine weitere Reduktion des arteriellen und venösen Blutflusses möglich bzw. sehr wahrscheinlich. Insbesondere atherosklerotische Patienten mit einer eingeschränkten Autoregulation können durch die lagerungsbedingte Hypotonie gefährdet werden, da z. B. die koronare oder zerebrale Perfusion kritisch vermindert sein kann (Abb. 3). Diese Hypoperfusion kann auch die Ursache für einen postoperativen Visusverlust sein, wie er in der Literatur nach Eingriffen in der Beach-Chair-Position beschrieben ist [6].
Cave
Bei der Flachlagerung der Beine nach Beendigung des Eingriffs kann es bei abrupter Lageänderung zu einem Blutdruckabfall kommen.

Lagerungsschäden

In Abhängigkeit von der Art der Lagerung können verfahrenstypische Lagerungsschäden auftreten. Eine exakte Aussage über die Häufigkeit von Lagerungsschäden ist schwer zu treffen. Die Inzidenz wird mit etwa 50 pro 10.000 Anästhesien angegeben; davon entfallen etwa 20 % auf Nervenschädigungen [2]. Typische Risikostrukturen für das Auftreten von Lagerungsschädigungen sind Haut, Gelenke und Bänder, Augen, Gefäße und periphere Nerven.

Verletzungen von Haut, Haaren, Weichteilen, Gelenken, Bändern und Knochen

Durch die Drehung des Patienten in Bauchlage oder Seitenlage sind v. a. der Kopf, die gesamte Wirbelsäule, der Schultergürtel und die Hüftgelenke gefährdet.
Durch eine Muskelrelaxation wird der Schutz gegen eine Überdehnung der Bänder und Gelenke vermindert. Lange Operationszeiten erhöhen das Risiko für Druckschädigungen der Haut, insbesondere bei Patienten mit schlechtem Haut- und Ernährungszustand.
Bei Patienten mit degenerativen Gelenkerkrankungen, Gelenkprothesen oder Osteoporose muss auf eine besonders sorgfältige Lagerung mit entsprechender Abpolsterung zur Vermeidung punktueller Gewebe- und Knochenbelastungen geachtet werden. Prädisponierende Faktoren sind: Kachexie, Durchblutungsstörungen, Kontrakturen, Diabetes mellitus, Hypotonie, Hypothermie und anatomische Variationen.
Weiterhin besteht die Gefahr der (temporären) Alopezie insbesondere bei Verwendung von Kopfstützen oder Kopfringen bei längerer Immobilisation des Kopfs. Begünstigend für die Entstehung einer Alopezie kann – neben den bereits genannten Risikofaktoren – eine intraoperative Hypotension und Hypoxämie sein [4].
In jüngster Vergangenheit werden operativ zunehmend bevorzugt Vakuummatratzen verwendet, um Patienten auch bei Extremlagerungen, z. B. bei laparoskopischen Eingriffen, stabilisiert lagern zu können. Hier ist besondere Vorsicht geboten: Zwar liegt der Patient in der evakuierten Vakuummatratze gut stabilisiert, die Matratze ist aber hart und kann bei langer Anwendungsdauer zu lokalen Hautirritationen führen. Darüber hinaus kann ein minimales Rutschen des Patienten in Extremlagerung – was nicht immer zu verhindern ist – zu Druckstellen an Haut, Weichteilen und Nervenstrukturen führen. Dies ist bei der generellen Verwendung und auch bei der individuellen Anmodulierung der Vakuummatratze zu bedenken.
Bei Patienten mit einer bekannten Bewegungseinschränkung ist eine präoperative Untersuchung mit Dokumentation der Gelenkbeweglichkeit erforderlich, um in Narkose eine tolerable Lagerung vornehmen zu können. Im Einzelfall kann es erforderlich sein, mit dem Patienten die Lagerung vor Narkoseeinleitung zu simulieren, um das mögliche Bewegungsausmaß feststellen zu können.
Kompartmentsyndrome sind Zustände, bei denen die Zirkulation und die Gewebefunktion in einem abgeschlossenen Raum durch einen erhöhten Druck beeinträchtigt werden. Sie können in Schulter, Unterarm, Gesäß und Unterschenkeln als Schwellung, Parästhesien und Hypästhesien in Erscheinung treten. Insbesondere begünstigt eine lange OP-Dauer die Entstehung von Kompartmentsyndromen, die intraoperativ durch das Anästhesieverfahren „verdeckt“ werden können. Besteht ein Kompartmentsyndrom über längere Zeit und wird es als solches nicht erkannt, so besteht die Gefahr schwerwiegender Schädigungen wie Defektheilung mit Sensibilitätsstörungen oder Kontrakturen.

Augenschäden

Verschlechterung des Visus bis hin zur totalen Blindheit ist eine zwar sehr seltene, aber auch sehr schwerwiegende Komplikation. Die Inzidenz der Erblindung nach Operationen wird zwischen 0,001 % und 0,02 % angegeben [1]. Die häufigste Ursache einer postoperativen Blindheit ist offenbar weniger eine direkte mechanische Kompression des Auges als vielmehr die ischämische Optikusneuropathie [57]. Risikoeingriffe hierfür sind v. a. Operationen in Bauchlage, z. B. Wirbelsäuleneingriffe sowie kardiochirurgische Operationen unter Verwendung der Herz-Lungen-Maschine bei Patienten über 50 Jahren [1]. Weithin kann auch ein direkter Druck auf den Bulbus zur Zentralarterienthrombose der Retina führen. Die wichtigsten Präventivmaßnahmen sind die Vermeidung externen Drucks auf den Bulbus durch Verwendung speziell gepolsterter, z. B. hufeisenförmiger Lagerungshilfen, weiterhin vermutlich eine Blutdruckstabilität bei Patienten in Bauchlage oder an der Herz-Lungen-Maschine.
Schließlich kann es perioperativ auch zu Hornhautschädigungen kommen. Wichtigste Ursachen sind eine verminderte Tränenproduktion in Narkose sowie direkte mechanische Irritationen, u. a. durch die Beatmungsmaske oder wenn sich der Patient in der Aufwachphase selbst in den Augen reibt. Prophylaktische Maßnahme ist die Applikation klarer Augensalbe unmittelbar nach der Narkoseeinleitung und anschließendes Verkleben mit einem Papierpflaster.

Schäden peripherer Nerven und Nervenplexus

In Rückenlage sind Schädigungen des Plexus brachialis und weiter peripher der Nn. ulnaris, medianus und radialis möglich. Wesentliche Ursachen für eine Schädigung dieser Nerven sind Zug, direkte Kompression (z. B. durch Halsrippen, axilläre Abstützrolle), metabolische Störungen (z. B. Diabetes mellitus) sowie eine Minderperfusion [10].
In jedem Fall sollen Abduktionsstellungen des Arms über 90° hinaus vermieden werden, um unkalkulierbare Dehnungen des Plexus brachialis zu vermeiden (Abb. 4). Eine Abduktion in Kombination mit einer Außenrotation des Arms sollte möglichst unterbleiben.
Bei Steinschnittlagerungen ist der N. ischiadicus durch Überdehnung und Ischämie gefährdet, ebenso in der Beach-Chair-Position bei zu starker Flexion im Hüftgelenk [2], weiterhin der N. peronaeus bei Steinschnittlagerungen durch Druck der Beinschalen in Höhe des Fibulaköpfchens (Abb. 5). Weiterhin sind bei der Steinschnittlagerung auch Druck- und Dehnungsschäden peripherer Nerven an der oberen Extremität möglich, insbesondere bei der Anwendung von Schulterstützen zur Verbesserung der Lagerungsstabilität (z. B. bei der kombinierten Steinschnitt-Trendelenburg-Lagerung). Auch hier begünstigt eine lange OP-Dauer das Auftreten dieser Schädigungen.
Die Prognose der verschiedenen Nervenschädigungen ist sehr variabel und reicht von rascher Erholung bis zu bleibenden Lähmungen oder Parästhesien. Die Kenntnis der Risikofaktoren (z. B. bestimmte operative Eingriffe, Vermeidung einer länger dauernden Hypotension) sowie eine engmaschige intraoperative Überprüfung der Lagerung können helfen, Nervenschädigungen zu vermeiden oder zu minimieren. In jedem Fall sollten mögliche Lagerungsschäden zeitnah dokumentiert und dann unter Hinzuziehung eines neurologischen Konsiliarius diagnostiziert und therapiert werden. Der Patient ist hierüber aufzuklären und postoperativ engmaschig weiter zu betreuen.
Literatur
1.
Adam C, Quabach R, Standl T (2010) Neurologische Komplikationen in der Anästhesiologie Teil I: Schlaganfall, Visusverlust, zentral anticholinerges Syndrom. Anasthesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 45:440–447CrossRefPubMed
2.
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3.
Biermann E (2010) Beweislast bei Lagerungsschäden. Anaesthesiol Intensivmed 51:503–506
4.
Goodenough J, Highgate J, Shaabon H (2014) Under pressure? Alopecia related to surgical duration. Br J Anaesth 113:306–307CrossRefPubMed
5.
Kamel I, Barnette R (2014) Positioning patients for spine surgery: avoiding uncommon position-related complications. World J Orthop 5:425–443CrossRefPubMedPubMedCentral
6.
Roth S (2009) Perioperative visual loss: what we know, what we can do. Br J Anaesth 103(Suppl 1):i31–i40CrossRefPubMedPubMedCentral
7.
Shmygalev S, Heller A (2011) Erblindung nach nichtophthalmologischen Eingriffen. Anaesthesist 60:683–694CrossRefPubMed
8.
Ulsenheimer K (2002) Klare Lagerungsverantwortlichkeiten bringen mehr Sicherheit. Anästhesist 51:165CrossRef
9.
Weißauer W (2002) Abgrenzung der Verantwortung für die operative Lagerung des Patienten und Haftung für Lagerungsschäden. Anästhesist 51:166–174CrossRef
10.
Welch MB, Brummett CM, Welch T et al (2009) Perioperative peripheral nerve injuries. Anesthesiology 111:490–497CrossRefPubMed