Die Anästhesiologie
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Verfasst von:
Dietmar Craß, Florian Gerheuser und Ulrich Schwemmer
Publiziert am: 08.05.2017

Periphere Regionalanästhesie: Plexus-cervicalis-Blockade

Die Äste des Plexus cervicalis können entweder über eine oberflächliche oder eine tiefe Punktionstechnik anästhesiert werden. Indikationen, Durchführung, Komplikationen und die Anatomie des Plexus cervicalis werden in diesem Kapitel vorgestellt.
Einleitung
Die Äste des Plexus cervicalis können entweder über eine oberflächliche oder eine tiefe Punktionstechnik anästhesiert werden (Tab. 1). Die interskalenäre Blockade führt oft zur Ausschaltung des kaudalen Anteils dieses Nervengeflechts (Kap. „Periphere Regionalanästhesie: Plexus-brachialis-Blockaden“).
Tab. 1
Vor- und Nachteile der oberflächlichen bzw. tiefen Blockadetechnik des Plexus cervicalis
Plexus cervicalis
Vorteil
Nachteil
Oberflächliche Technik
Technisch einfacher, geringe Komplikationsrate
Keine Muskelrelaxation
Tiefe Technik
Bessere Muskelrelaxation der Nackenmuskulatur; bessere und länger anhaltende postoperative Analgesie
Technisch anspruchsvoller, schwerwiegende Komplikationen möglich

Anatomie des Plexus cervicalis

Der Plexus cervicalis entsteht aus den ventralen Ästen der Spinalnerven C1–C4. Die Unterteilung erfolgt in eine sensible und eine motorische Wurzel:
Die sensible Wurzel (Radix sensoria) versorgt die Haut hinter dem Ohr, den Bereich des Kieferwinkels, die Haut des vorderen und seitlichen Halsdreiecks bis zur Klavikula. Diese Wurzel tritt an der Mitte des hinteren Randes des M. sternocleidomastoideus aus den tiefen Muskelschichten in die Subkutis. Vor diesem Punctum nervosum (Erb-Punkt) verteilen sich die 4 sensiblen Hauptäste fächerförmig:
  • N. occipitalis minor (C2, C3),
  • N. auricularis magnus (C3),
  • N. transversus colli (C2, C3),
  • Nn. supraclaviculares (C3, C4).
Die sensible Wurzel wird durch die oberflächliche oder tiefe Blockade des Plexus cervicalis anästhesiert.
Die motorische Wurzel (Radix motoria) innerviert vorwiegend die prävertebrale Halsmuskulatur, die Mm. scaleni, das Diaphragma (!) und Anteile des M. trapezius und M. sternocleidomastoideus.
Die motorische Wurzel wird ausschließlich durch die tiefe Plexus-cervicalis-Blockade anästhesiert.

Plexus-cervicalis-Blockade

Indikation und Dosierung

  • Oberflächliche Eingriffe im Bereich des Nackens, des Halses und der supraklavikulären Region (z. B. Lymphknotenbiopsie, plastische Operationen),
  • Karotisendarteriektomie.
Dosierung
  • Oberflächliche Technik (bei 70 kg-Patient):
    • 10–20 ml Ropivacain 0,375 %
  • Tiefe Technik (bei 70 kg-Patient):
    • 10–20 ml Ropivacain 0,375 %

Lagerung und Technik

  • Patient liegt in Rückenlage, Oberkörper leicht erhöht,
  • Nackenrolle führt zu geringer Reklination des Kopfes,
  • geringe Drehung des Kopfes zur Gegenseite.
Oberflächliche Technik („Feldblockade“)
  • Die sensiblen oberflächlichen Äste werden im Bereich des Erb-Punkts blockiert,
  • subkutane Infiltration vom Erb-Punkt ausgehend nach kranial und kaudal entlang dem hinteren Rand des M. sternocleidomastoideus (Abb. 1).
Tiefe Technik (Einzelinjektion mit Nervenstimulator)
  • Die Spinalnerven werden im Bereich des Processus transversus blockiert.
  • Zeige- und Mittelfinger der nichtblockierenden Hand schieben den M. sternocleidomastoideus nach ventral, wodurch der Processus transversus C3 getastet werden kann (Merke: C6 liegt in Höhe Krikoid).
  • Etwa 1 cm dorsal dem hinteren Rand des M. sternocleidomastoideus liegt die Punktionsstelle in Höhe des Processus transversus C3 bzw. in Höhe des Kieferwinkels (Abb. 2).
  • Punktionswinkel senkrecht zur Hautoberfläche.
  • Stichrichtung gering kaudal in Richtung Processus transversus.
  • Nach 1–2 cm Knochenkontakt mit Processus transversus bzw. Auslösen von Muskelkontraktionen im Bereich der Nackenmuskulatur.
  • Injektion nach wiederholt negativer Aspiration.
  • Anschlagzeit: ca. 5 min.

Sonographische Punktionstechnik

Für die ultraschallgesteuerte Blockade sind verschiedene Techniken beschrieben [13]. Grundsätzlich ist es möglich, die monofaszikulären Nervenwurzeln von C2 bis C4 an der Austrittsstelle darzustellen und zu blockieren. Mit der ultraschallgesteuerten Einzelinjektion eines Lokalanästhetikadepots ist ein effektiver Zugangsweg für die superfizialen Anteile des Plexus beschrieben (Abb. 3). Leitstrukturen sind der M. scalenus anterior, die Bifurkation der A. carotis und der Hinterrand des M. sternocleidomastoideus. Die Darstellung der Strukturen im Querschnitt gelingt mit dem Linearschallkopf und einer Schallfrequenz >10 MHz am lateralen Hals gut, Nerven sind dabei meist nicht zu identifizieren. Die Kanüle wird in der Schallebene („In-plane“-Technik) auf der Fascia prävertebralis, die den tieferen Anteil des Plexus bedeckt, hinter dem M. sternocleidomastoideus zum lateralen Rand der A. carotis vorgeschoben und eine ausreichende Menge an Lokalanästhetika injiziert (Ziel: Ausbreitung nach kranial und kaudal). Hauptindikation dieser Technik sind Eingriffe an der A. carotis.
Dosierung
  • 20–40 ml Ropivacain 0,375 % (bei 70 kg-Patient; [1])

Methodenspezifische Hinweise

Karotisendarteriektomie
Bei Karotisendarteriektomie in ausschließlicher Regionalanästhesie ist eine intraoperative Überwachung der Hirnfunktion ohne apparatives Monitoring möglich. Voraussetzung ist eine ständige Überprüfung der verbalen Kommunikation und der motorischen Kraft. Bei Anzeichen der zerebralen Minderperfusion erfolgt die temporäre Shunteinlage. Die Anlage eines temporären Shunts kann so auf 10–15 % der Operationen reduziert werden. Dies ist sinnvoll, da die Restenosierungsrate innerhalb des ersten Jahres einer Operation durch die Shuntanlage deutlich erhöht ist [4]. Die perioperative Mortalität beträgt 1,5 % [5].
Eine intraoperative Nachinjektion von Lokalanästhetika durch den Operateur kann notwendig werden.
Die kombinierte Technik aus oberflächlichem und tiefem Zugang verbessert weder das Outcome noch den Blockadeerfolg. Die Komplikationsrate wird – insbesondere durch die hohen Lokalanästhetikadosen – erhöht.
Die Kombination der Regionalanästhesie mit einer niedrig dosierten kontinuierlichen Sedierung (z. B. Propofol) führt zu keiner Einschränkung des verbalen Monitoring und wird zur Verbesserung des Patientenkomforts empfohlen.
Plexus-cervicalis-Blockade bei Karotisendarteriektomie vs. Allgemeinanästhesie
  • Vorteile
    • Vereinfachtes zerebrales Monitoring
    • Weniger Shunteinlagen
    • Besser erhaltene zerebrale Autoregulation
    • Möglicherweise geringere kardiovaskuläre Morbidität
    • Stabilere, intraoperative Hämodynamik
    • Kürzerer Intensiv- und Krankenhausaufenthalt
    • Geringere Kosten als Allgemeinanästhesie
  • Nachteile
    • Patientenkooperation erforderlich
    • Schwieriges intraoperatives Atemwegmanagement bei Zwischenfällen
    • Versierte regionalanästhesiologische Kenntnisse erforderlich
Ob zur Karotisendarteriektomie der Allgemeinanästhesie oder der Regionalanästhesie der Vorzug gegeben wird, hängt derzeit von den Gewohnheiten der jeweiligen Klinik ab. Beide Verfahren sind intraoperativ als gleichwertig anzusehen. Jedoch werden bei regionalanästhesiologischen Verfahren neurologische Defizite unmittelbar klinisch erkannt. Dies ist eine klare Überlegenheit gegenüber dem elektrophysiologischen Neuromonitoring (SSEP, EEG) unter Allgemeinanästhesie (SSEP: Spezifität 57 %, Sensitivität 82 % [6]; EEG: Spezifität 99 %, Sensitivität 59 % [7]).

Nebenwirkungen und Komplikationen

  • Lokale Hämatome,
  • Heiserkeit,
  • Dysphagie,
  • Stellatumblockade .
Insbesondere bei tiefer Punktionstechnik:
  • intravasale Injektion (Cave: A. vertebralis, V. jugularis interna),
  • subarachnoidale oder epidurale Injektion,
  • Parese des N. phrenicus (Cave: keine Plexus-cervicalis-Blockade bei pulmonalen Risikopatienten).
Die Plexus-cervicalis-Blockade bietet möglicherweise Vorteile gegenüber der Allgemeinanästhesie bei Karotisendarteriektomie, erfordert jedoch viel Erfahrung und eine sehr gute Zusammenarbeit mit dem Operateur.
Literatur
1.
Seidel R, Zukowski K, Wree A, Schulze M (2016) Ultrasound-guided intermediate cervical plexus block and perivascular local anesthetic infiltration for carotid endarterectomy : A randomized controlled trial. Anaesthesist 65(12):917-924. Epub 2016 Oct 14CrossRefPubMed
2.
Narouze S (2009) Sonoanatomy of the cervical spinal nerve roots: implications for brachial plexus block. Reg Anesth Pain Med 34:616CrossRefPubMed
3.
Usui Y, Kobayashi T, Kakinuma H et al (2010) An anatomical basis for blocking of the deep cervical plexus and cervical sympathetic tract using an ultrasound-guided technique. Anesth Analg 110:964–968CrossRefPubMed
4.
Luebke T, Aleksic M, Brunkwall J (2008) Endovascular therapy of a symptomatic mobile thrombus of the thoracic aorta. Eur J Vasc Edovasc Surg 36:550–552CrossRef
5.
GALA Trial Collaborative Group, Lewis SC et al (2008) General anaesthesia versus local anaesthesia for carotid surgery (GALA): a multicentre, randomised controlled trial. Lancet 372:2132–2142CrossRef
6.
Moritz S et al (2007) Accuracy of cerebral monitoring in detecting cerebral ischemia during carotid endarterectomy: a comparison of transcranial Doppler sonography, near-infrared spectroscopy, stump pressure, and somatosensory evoked potentials. Anesthesiology 107:563–569CrossRefPubMed
7.
Hans S, Jareunpoon O (2007) Prospective evaluation of electroencephalography, carotid artery stump pressure, and neurologic changes during 314 consecutive carotid endarterectomies performed in awake patients. J Vasc Surg 45:511–515CrossRefPubMed