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Die Anästhesiologie
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Publiziert am: 15.03.2018

Postoperative Schmerztherapie bei Kindern

Verfasst von: Robert Angster
Kinder haben kein geringeres Schmerzempfinden als Erwachsene. Im Neugeborenenalter erlittene Schmerzen wirken sich möglicherweise langfristig auf das spätere Verhalten bei einem erneuten Schmerzereignis aus. Eine altersgerechte Schmerzmessung und -dokumentation ermöglicht und verbessert die Therapiekontrolle.

Grundlagen der Schmerztherapie bei Kindern

Kinder haben kein geringeres Schmerzempfinden als Erwachsene. Im Neugeborenenalter erlittene Schmerzen wirken sich möglicherweise langfristig auf das spätere Verhalten bei einem erneuten Schmerzereignis aus. Da für zahlreiche klinische Situationen klare, gut funktionierende Konzepte zur Schmerzbehandlung von Kindern bestehen [3], sollten Kinder im Vergleich zu Erwachsenen bei identischen Eingriffen nicht seltener, weniger oder schwächere Analgetika erhalten (Kap. Anästhesie bei Kindern).
Einschätzung der Schmerzintensität, Überwachung und Dokumentation
Eine altersgerechte Schmerzmessung und -dokumentation ermöglicht und verbessert die Therapiekontrolle. Außerdem wird das Bewusstsein der Betreuer für die Notwendigkeit einer wirksamen Schmerztherapie für Kinder geweckt und geschärft.
Die Einschätzung, ob ein kleines Kind Schmerzen hat oder aus anderen Gründen ungehalten ist, schreit oder weint, ist schwierig. Die Trennung von den Eltern, Hunger oder Durst, Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch Infusionen und Verbände oder einfach nur Verärgerung können ein Kind ebenfalls zum Weinen bringen. Diese Unsicherheit bei der Schmerzeinschätzung ist einer der Gründe, weshalb Techniken und Analgetika, die risikoarm zur Schmerzprophylaxe eingesetzt werden können, für die Schmerztherapie bei Kindern einen besonders hohen Stellenwert besitzen sollten.
In Abhängigkeit vom Alter und der Kooperationsfähigkeit des Kindes kann die Schmerzstärke wechselweise durch Selbsteinschätzung des Kindes und Fremdbeurteilung durch das Pflegepersonal oder die Eltern abgeschätzt werden. Da das Pflegepersonal und die Eltern die Schmerzintensität in der Regel jedoch unterschätzen, sollte das Vorgehen systematisiert erfolgen.
Vorgehensweise zur Einschätzung der Schmerzintensität bei Kindern
  • Beobachtung des Verhaltens des Kindes: Gesichtsausdruck, Haltung, Weinen
  • Physiologische Messparameter: arterieller Blutdruck, Herzfrequenz, Atemfrequenz, perkutane arterielle O2-Sättigung
  • Befragung des Kindes und der Eltern unter Verwendung von geeigneten Analogskalen und Schmerzscores
  • Eruierung möglicher Ursachen der Schmerzäußerung
Analogskalen
Für Kinder bis zum 5. Lebensjahr werden Fremdbeurteilungsskalen empfohlen, die physiologische Parameter und das Verhalten des Kindes integrieren, z. B. die kindliche Unbehagens- und Schmerzskala (KUSS). Aber auch Kleinkinder können sich durch einfache Selbstbeurteilungsskalen, z. B. Smiley-Gesichter-Skala (Kap. Anästhesie bei Kindern) oder ggf. auch schon mit Hilfe einer verbalen Skala („Verbal Rating Scale“, VRS), verständlich machen. Ab dem Schulalter sind die aus der Schmerztherapie für Erwachsene bekannten visuellen Analogskalen oder numerische bzw. verbale Ratingskalen für die Selbsteinschätzung einsetzbar.
Nicht nur die Regelmäßigkeit der Schmerzeinschätzung, sondern auch deren Protokollierung sensibilisiert das betreuende ärztliche und Pflegepersonal für das Problem kindlicher Schmerzen. Daher sollte wie bei Erwachsenen mindestens bei jeder Routinemessung von Blutdruck, Puls, Atemfrequenz und perkutaner arterieller O2-Sättigung auch die Schmerzintensität im Überwachungsprotokoll vermerkt werden (Tab. 1).
Tab. 1
Objektiver Schmerzscore (OPS)
Parameter
Beobachtung
Punktzahl
Herzfrequenz
±10 % des präoperativen Werts
0
>10–20 % des präoperativen Werts
1
>20 % des präoperativen Werts
2
Weinen
Fehlt
0
Weint und lässt sich durch Zuspruch beruhigen
1
Weint und lässt sich durch Zuspruch nicht beruhigen
2
Bewegungen
Normal
0
Unruhig
1
Um sich schlagend
2
Erregung
Ruhig oder schläft
0
Gering erregt
1
Tobend erregt
2
Verbale Beurteilung oder Körpersprache
Schläft oder hat vermutlich keine Schmerzen
0
Geringe Schmerzen, die nicht lokalisiert werden können
1
(Mittel)starke Schmerzen, die lokalisiert werden können, werden verbal angegeben oder gezeigt
2
Die Summe der Punkte entspricht der Schmerzintensität auf einer Analogskala zwischen 0 und 10
Balancierte postoperative Analgesie bei Kindern
Ähnlich wie bei Erwachsenen werden auch bei Kindern antipyretische und Opioidanalgetika sowie systemische mit regionalen Analgesieverfahren kombiniert. Die Ängste von Kindern vor Nadeln, Spritzen und Injektionen verbieten eine subkutane oder intramuskuläre Verabreichung von Analgetika. Daher dürfen Analgesiekonzepte für Kinder nur Schmerzmedikamente beinhalten, die oral, rektal oder über eine liegende Venenverweilkanüle intravenös verabreicht werden können. Die zeitgerechte Durchführung einer Oberflächenanästhesie mittels lokalanästhetikahaltiger Salben erlaubt eine schmerzfreie Venenpunktion.

Systemische Analgesie

Antipyretische Analgetika

Paracetamol, Diclofenac, Ibuprofen sowie Metamizol stehen in Deutschland in kindgerechten Applikationsformen und Dosierungen zur Verfügung.
Paracetamol
Paracetamol hat sich seit Jahrzehnten als Analgetikum und Antipyretikum in der Kindermedizin bewährt. Allerdings sollte dieser Wirkstoff nicht länger als 48 Stunden sowie bei nachfolgender Dosisreduktion insgesamt 5 Tage angewendet werden. Dabei sind die Einzeldosierung und das Applikationsintervall nach Lebensalter und Körpergewicht des Kindes zu berechnen und streng einzuhalten (regelmäßige Überprüfung, dass die verabreichte Dosis die Grenzwerte nicht überschreitet). Die analgetische Wirksamkeit ist vergleichsweise gering. Paracetamol sollte deswegen lediglich gegen gering bis mäßig starken Schmerz eingesetzt werden.
Cave
Nach rektaler Applikation werden maximale Plasmaspiegel aufgrund der sehr langsamen Resorption erst nach 2–3 h erreicht.
Deswegen sollte die rektale Gabe von Paracetamol rechtzeitig präoperativ (kurzdauernde Eingriffe) bzw. unmittelbar nach Einleitung der Allgemeinanästhesie erfolgen und die erstmalige Beladungsdosis doppelt so hoch wie die Einzeldosis gewählt werden. Neuere Untersuchungen zur Pharmakokinetik von Paracetamol haben zu Dosierungsempfehlungen geführt, die erheblich von den früher verwendeten Dosierungen abweichen (Tab. 2).
Tab. 2
Aktuelle Dosierungsempfehlungen für Paracetamol. (Mod. nach Mantzke US, Lönnqvist PA, Zernikow B)
 
Initialdosis [mg/kgKG]
Wiederholungsdosis [mg/kgKG]
DosierungsiIntervall [h]
Tageshöchstdosis [mg/kgKG/Tag]
Rektal
Frühgeborene 28.–30. SSW
20
15
12
35
Frühgeborene 31.–38. SSW
20
15
12
45
Neugeborene und Säuglinge bis zum 6. Lebensmonat
30
15
8
60
Säuglinge nach dem 6. Lebensmonat
35–45
15–20
6–8
60
Kleinkinder >1 Jahr
35–45
15–20
(4–)6
75
Kinder >6 Jahre
35–45
15–20
(4–)6
90
absolut maximal 4000 mg/d
Oral
Neugeborene und Säuglinge bis zum 6. Lebensmonat
20
20
8
60
Säuglinge nach dem 6. Lebensmonat
30
10–20
(4–)6
60
Kleinkinder >1 Jahr
30
15
(4–)6
75
Kinder >6 Jahre
30
15
(4–)6
90
absolut maximal 4000 mg/d
Intravenös
alle Altersgruppen
15
15
6
60
absolut maximal 4000 mg/d
Nach rektaler Gabe wird der maximale Plasmaspiegel aufgrund langsamer und variabler Resorption erst nach 2–3 h erreicht
Bei oraler oder rektaler Gabe sollte mit Therapiebeginn eine Sättigungsdosis gegeben werden. Bei intravenöser Therapie entfällt die Sättigungsdosis. Die maximale Analgesie wird 1–2 h nach zügiger (innerhalb von 10 min) i.v.-Gabe erreicht. Wegen der geringen therapeutischen Breite sollte die altersadaptierte maximale Tagesdosis nicht überschritten und nicht länger als 48 h verabreicht werden
Cave
Nach repetitiver Dosierung von Paracetamol kann bei Fieber, Hypovolämie und Dehydratation im Rahmen viraler Erkrankungen sowie beim kritisch kranken Kind auch bei regelrechter Dosierung eine hepatotoxische Wirkung eintreten.
Bei Kinder von 10–33 kg Körpergewicht kann Paracetamol in einer Dosierung von 15 mg/kgKG/Anwendung als 10-minütige Kurzinfusion verabreicht werden, Applikationsintervall 6-stündlich.
Paracetamol entfaltet in der Regel keine Nebenwirkungen, wenn – alters- und gewichtsabhängig – weder die Einzeldosis („loading dose“ ausgenommen) noch die maximale Tagesdosis überschritten sowie die Applikationsintervalle von 4, 8 oder 12 h bzw. der Behandlungszeitraum unter maximaler Tagesdosis eingehalten werden. Eine entsprechende Aufklärung der Betreuer (Pflegepersonal, Eltern) ist obligat.
Cave
Die Verordnung von Paracetamol „bei Bedarf“ ohne Angabe der Einzeldosis, der Tagesdosis sowie des Applikationsintervalls gilt als Kunstfehler, da bei Überdosierung ab 150 mg/kgKG toxische Abbauprodukte entstehen, die zu Leberzellnekrosen führen.
Bei Früherkennung einer Überdosierung kann die Applikation von N-Acetylcystein, später in Einzelfällen nur eine Lebertransplantation das Leben des Kindes retten. Über das Toxizitätsprofil wiederholter Gaben oder einer Langzeitverabreichung von Paracetamol bei vorbestehender Leberschädigung oder bei Früh- und Neugeborenen liegen keine Daten vor. In diesen Fällen muss auf eine Behandlung mit Paracetamol verzichtet werden.
Diclofenac und Ibuprofen
Nach Eingriffen am Skelett und Erkrankungen, die mit einer entzündlichen Schmerzkomponente verbunden sind, können saure antipyretische Analgetika, z. B. Diclofenac oder Ibuprofen, zur Anwendung kommen. Dabei sind die in Deutschland verbindlichen Altersbeschränkungen zu beachten (Tab. 3).
Tab. 3
Dosierung von sauren antipyretischen Analgetika
Analgetikum
Dosierung
Diclofenac (oral oder rektal)
1(−2) mg/kgKG, nach dem 1. Lebensjahr maximal 3 mg/kgKG/Tag
Dosierungsintervall 8 h
12,5 mg Suppositorium nicht an Kinder <1 Jahr
25 mg Suppositorium nicht an Kinder <6 Jahren
Ibuprofen (oral)
10(−15) mg/kgKG, maximal 30–40 mg/kgKG/Tag
Dosierungsintervall 8–12 h
200 mg Tablette nicht an Kinder <6 Jahren
Obwohl bei kurzzeitiger Verabreichung von sauren antipyretischen Analgetika selten relevante Nebenwirkungen auftreten, zwingt deren Einsatz stets zu einer sorgfältigen Risikoabwägung. Bei Eingriffen mit erhöhtem postoperativem Blutungsrisiko sollten keine sauren antipyretischen Analgetika verabreicht werden.
Metamizol
Gegen starke viszerale Schmerzen nach abdominalen Operationen eignet sich die i.v.-Applikation von Metamizol. Die Einzeldosis sollte immer als Kurzinfusion über 30 min gegeben werden. Daran schließt sich eine kontinuierliche Dauerinfusion von Metamizol an, wobei eine Kombination mit dem niedrigpotenten Opioid Tramadol in der gleichen Spritzenpumpe möglich ist. Bei unzureichender Analgesie mit antipyretischen Analgetika ist die zusätzliche Gabe eines Opioids auch bei Kindern indiziert (Tab. 4).
Tab. 4
Dosierungsempfehlungen für Metamizol
Applikationsmodus
Dosierung
Einzeldosis (oral oder als Kurzinfusion über 30 min)
10–15 mg/kgKG, maximal 60–75 mg/kgKG/Tag
Dosierungsintervall 4–6 h
Kontininuierliche Infusion
2,5 mg/kgKG/h (1,5–3 mg/kgKG/h) i.v.

Opioide

Starke postoperative Schmerzen erfordern auch bei Kindern die bedarfsgerechte, der Schmerzintensität angepasste Verabreichung eines Opioids, z. B. in Kombination mit Metamizol. Die berechtigte Sorge vor einer Atemdepression und das Problem der adäquaten Dosisfindung bei Kindern führen dazu, dass auf Opioide allzu häufig ganz verzichtet wird. Tatsächlich kann die Pharmakokinetik von Opioiden bei Neugeborenen und kleinen Säuglingen sehr variabel sein (geringe Clearance, verlängerte Halbwertszeit). Dennoch sollte eine effektive Schmerzbekämpfung mit Opioiden auch bei Kindern nicht unterbleiben. Durch sorgfältige Dosierung nach Kilogramm Körpergewicht und engmaschiger Beurteilung von Vigilanz und Atmung (ggf. kontinuierliche Pulsoxymetrie) kann die postoperative Opioidanalgesie wie beim Erwachsenen sicher und praktikabel erfolgen.
Auswahl des Opioids
Das niedrigpotente Opioid Tramadol ist zur Schmerztherapie bei Kindern etabliert, da im Vergleich zu reinen μ-Opioidrezeptor-Agonisten die therapeutische Breite größer und die atemdepressive Potenz gering sind. Bei erhöhter zerebraler Krampfbereitschaft ist Tramadol kontraindiziert. Der wesentliche Nachteil von Tramadol besteht in der unzureichenden Wirkung gegen stärkere und starke Schmerzen, v. a. bei größeren Kindern. In diesem Fall sind unbedingt reine μ-Opioidrezeptoragonisten wie Morphin oder Piritramid erforderlich.
Verabreichungswege und Dosierung
Opioide sind perioperativ stets intravenös als Kurzinfusion oder kontinuierliche Infusion bzw. als PCIA zu verabreichen. Postoperativ kann nach weiterem Verlauf eine orale Medikation erfolgen (Tab. 5).
Tab. 5
Dosierungen von Opioiden für die postoperative Schmerztherapie bei Kindern
Opioid
Applikationsart
Einzeldosis
Kontinuierliche Infusion
PCA-Bolus
PCA-Sperrintervall
[mg/kgKG]
[mg/kgKG/h]
[mg/kgKG]
[min]
Oral oder rektal
0,5–1,5
   
Oral retardiert
0,5–2,0
   
Intravanös
0,5–1,0
0,25
0,5
10
Piritramida
Intravenös
0,05–0,1
0,01–0,04a
0,02–0,03
10
Morphina
Oral oder rektal
0,25
   
Oral retardiert
0,5
   
Intravenös
0,05–0,1
0,01–0,03a
0,025
20
aStrenge Überwachung der Atemfunktion bei kontinuierlicher Infusion
Die PCIA ist das beste Verfahren für Kinder ab 6–8 Jahren zur bedarfsgerechten Dosierung von Opioiden.
Besondere Vorsicht ist während einer kontinuierlichen Infusion von reinen μ-Opioidrezeptor-Agonisten (Morphin, Piritramid) bei Säuglingen und Kleinkindern geboten. Dementsprechend ist die Frequenz klinischer Kontrollen zu erhöhen und/oder eine kontinuierliche Überwachung von Atmung und O2-Sättigung obligat, zumindest während der ersten postoperativen 24 h. Eine klinisch relevante Atemdepression ist selten. Vielmehr sind Übelkeit, Erbrechen sowie die Verzögerung oder Verhinderung einer enteralen Ernährung die häufigsten Nebenwirkungen einer Opioidanalgesie, besonders mit hochpotenten Opioiden.

Regionalanalgesie

Infiltrationen des Operationsfelds sowie periphere und rückenmarknahe Nervenblockaden mit einem Lokalanästhetikum besitzen für die postoperative Schmerztherapie bei Kindern einen hohen Stellenwert, da sie Schmerzfreiheit nahezu ohne Nebenwirkungen ermöglichen (Kap. Periphere Regionalanästhesie im Kindesalter). Da diese Maßnahmen bei Kindern meist unter Sedierung oder Allgemeinanästhesie erfolgen, ist höchste Sorgfalt bezüglich der Injektionstechnik sowie eine strenge Beachtung der Höchstdosen der Lokalanästhetika geboten. Klinische Warnzeichen, z. B. Schmerzen bei intraneuraler Injektion oder zerebrale Krampfanfälle bei intravasaler Injektion, sind während einer Allgemeinanästhesie nicht sicher zu erkennen.
Bei der Anlage der Regionalanästhesie darf kein Zeitdruck herrschen.
Bupivacain und Ropivacain gelten als Lokalanästhetika der Wahl. Aufgrund ihrer geringeren Toxizität scheinen diese Lokalanästhetika vorteilhaft zu sein. Für toxische Nebenwirkungen sind v. a. Neugeborene und kleine Säuglinge prädestiniert, da aufgrund einer geringeren Proteinbindung die freie ungebundene Fraktion des Lokalanästhetikums zunimmt. Das größere Verteilungsvolumen kleiner Kinder verlängert die Halbwertszeit. Daher ist die Dosierung dieser Lokalanästhetika für Neugeborene und kleine Säuglinge obligat zu reduzieren (Tab. 6).
Tab. 6
Dosierung von Ropivacain bei Kindern von 0 bis einschließlich 12 Jahren zur Behandlung perioperativer Schmerzen (Auszug aus der Fachinformation)
 
Konzentration (mg/ml)
Volumen (ml/kgKG)
Dosis (mg/kgKG)
Einzeitige Periduralanästhesie
Blockade unterhalb von Th12, bei Kindern mit einem Körpergewicht bis zu 25 kg
2,0
1
2
Kontinuierliche peridurale Infusion
Bei Kindern mit einem Körpergewicht von bis zu 25 kg
   
0–6 Monate
2,0
0,5–1
1–2
• Bolusa
2,0
0,1 ml/kgKG/h
0,2 ml/kgKG/h
• Infusion bis zu 72 h
   
6–12 Monate
2,0
0,5–1
1–2
• Bolusb
2,0
0,2 ml/kgKG/h
0,4 ml/kgKG/h
• Infusion bis zu 72 h
   
1–12 Jahre
2,0
1
2
• Bolusb
2,0
0,2 ml/kgKG/h
0,4 ml/kgKG/h
• Infusion bis zu 72 h
   
Die Dosierung in der Tabelle sollte als Richtlinie für die Anwendung bei Kindern betrachtet werden. Individuelle Schwankungen können vorkommen
Bei übergewichtigen Kindern ist oft eine Dosisreduzierung notwendig. Die Dosierung sollte dann auf dem idealen Körpergewicht basieren
Das Volumen für die einzeitige Periduralanästhesie und für die periduralen Bolusinjektionen sollte 25 ml pro Patient nicht überschreiten
Hinsichtlich der Faktoren, die spezifische Blocktechniken betreffen, und für individuelle Patientenbedürfnisse sollten Fachbücher konsultiert werden
aFür thorakale peridurale Blockaden werden Dosen im unteren Bereich, für lumbale peridurale Blockaden und Kaudalblockaden Dosen im oberen Bereich empfohlen
bEmpfohlen für lumbale peridurale Blockaden. Es ist sinnvoll, die Bolusgabe für eine thorakale peridurale Analgesie zu reduzieren

Infiltrationsanästhesie

Eine Infiltration oder Instillation der Operationswunde vor deren endgültigem Verschluss durch den Operateur erzeugt eine gute Analgesie für mehrere Stunden. Diese Maßnahme kann auch präoperativ durch den Anästhesisten oder den Chirurgen im Operationsfeld durchgeführt werden. Eine Ausnahme bildet die Tonsillektomie. Die rasche Resorption des Lokalanästhetikums aus diesem hochvaskularisierten Operationsfeld minimiert die analgetische Effektivität und erhöht das Toxizitätsrisiko.

Periphere Regionalanalgesie

Periphere Nervenblockaden sind als Blockade des N. dorsalis penis, N. ilioinguinalis und N. iliohypogastricus oder als „3-in-1“-Block durchführbar und haben sich gut bewährt (Kap. Periphere Regionalanästhesie im Kindesalter und Anästhesie bei Kindern).
Der Peniswurzelblockade nach Dalens ist für Zirkumzisionen und Hypospadieoperationen das Verfahren der Wahl. Die Blockade des N. dorsalis penis erfolgt durch 2 paramediane Injektionen von z. B. je 0,1 ml/kgKG Bupivacain 0,5 % ohne Adrenalin in den subpubischen Raum, wodurch eine 6–24 h dauernde Analgesie erzielt werden kann. Gelegentlich bleibt ein schmerzhaftes Areal im Bereich des Frenulums bestehen. Die genannte Injektionstechnik schließt eine Gefäß- oder Nervenläsion nahezu aus und tangiert das Operationsfeld nicht. Die topische Analgesie mittels lokalanästhetikahaltiger Salbe oder Spray (meist Lidocain) und die subkutane Penisringblockade gelten als Alternative, jedoch mit geringerer analgetischer Wirkung.
Die Blockade des N. ilioinguinalis und des N. iliohypogastricus zur Herniotomie oder Orchidopexie medial und kranial der Spina iliaca anterior superior gelingt durch Injektion von z. B. Bupivacain 0,25–0,5 % sowohl subfaszial unter die Externusaponeurose ( \( {2}\left/ {3}\right. \) des Volumens) als auch subkutan (\( {1}\left/ {3}\right. \) des Volumens). Das Injektionsvolumen wird in der Literatur mit einer sehr weiten Spannbreite angegeben (0,1–1,5 ml/kgKG). Diese Blockade wird häufig mit einer Wundinfiltration kombiniert.
Cave
Da die rasche Resorption des Lokalanästhetikums aus der Abdominalwand v. a. bei kleinen Kindern zu hohen Plasmaspiegeln führen kann, darf diese Blockade bei Säuglingen nur einseitig durchgeführt werden und die Dosierung von Bupivacain 1,25 mg/kgKG nicht überschreiten.
Einzeitige beidseitige Eingriffe sollten in Kaudalanästhesie durchgeführt werden. Wie beim Erwachsenen kann auch bei korrekter Technik gelegentlich der N. femoralis mitblockiert werden. Die Punktion von Darmschlingen nach Perforation der Abdominalwand ist beschrieben worden.
Selbstverständlich sollten, wo immer dem operativen Eingriff entsprechend möglich, Katheterverfahren zum Einsatz kommen [1].

Rückenmarknahe Regionalanalgesie

Der Hiatus sacralis ist bei Kindern weit und gut palpabel, sodass die Kaudalanästhesie bei größeren urogenitalen, anorektalen oder orthopädischen Operationen an den unteren Extremitäten technisch einfach durchführbar ist (Kap. Rückenmarknahe Regionalanästhesie: Periduralanästhesie). Die konstante Ausbreitung der Anästhesie durch das lockere peridurale Fettgewebe gelingt volumenabhängig bis in die mittleren thorakalen Segmente. Die Kaudalanästhesie wird in der Regel in Allgemeinanästhesie durchgeführt und lässt sich durch Verwendung von Ropivacain oder Bupivacain auch zur postoperativen Analgesie nutzen.
Das Risiko der Kaudalanalgesie liegt in einer akzidentellen intravasalen Injektion des Lokalanästhetikums, wohingegen permanente neurologische Schädigungen, z. B. aufgrund einer periduralen Blutung oder eines periduralen Abszesses, nach einmaliger Applikation (Single-shot-Kaudalanästhesie) bislang nicht publiziert worden sind. Die Punktion im Bereich des Hiatus sacralis in Höhe von S4/S5 hat sehr selten eine hohe Spinalanästhesie aufgrund einer akzidentellen intrathekalen Injektion zur Folge.
Kombination des Lokalanästhetikums mit Opioiden und anderen Substanzen
Eine Kombination mit Morphin gewährleistet zwar eine lang anhaltende Analgesie, die jedoch häufiger als bei Erwachsenen mit typischen Nebenwirkungen (Übelkeit, Erbrechen, Pruritus, Harnretention, Atemdepression) erkauft werden muss. Auch niedrige Dosierungen (40 μg/kgKG) können zu klinisch relevanter Atemdepression führen. Dies zwingt zu einer engmaschigen postoperativen Überwachung der Atemfrequenz, der perkutanen O2-Sättigung und der Vigilanz für mindestens 24 h. Andere Opioide, z. B. Buprenorphin, Pethidin, Tramadol, Fentanyl oder Sufentanil, haben sich aufgrund einer hohen Inzidenz von Nebenwirkungen ohne relevante Wirkungsverlängerung von Lokalanästhetika nicht durchsetzen können.
Zur Verlängerung der Wirkdauer von Bupivacain nach einmaliger Applikation ist die Kombination mit verschiedenen Substanzgruppen untersucht worden. Der Zusatz von Adrenalin bietet eindeutige Vorteile und ist deswegen weit verbreitet. Adrenalin erleichtert die Früherkennung einer intravasalen Fehllage und verlängert die Wirkdauer von Bupivacain.
Clonidin verlängert in Dosierungen zwischen 1–5 μg/kgKG ebenfalls die Wirkdauer von Bupivacain. Nach höherer Dosierung ist mit Sedierung, Abfall des arteriellen Blutdrucks und bradykarden Phasen zu rechnen.
Cave
Clonidin ist in Deutschland für die rückenmarknahe Anwendung nicht zugelassen.
Rückenmarknahe Katheteranalgesieverfahren
Rückenmarknahe Katheteranalgesieverfahren kommen auch für Kinder in Betracht [2].
Cave
Kaudale Katheter sind dabei nur selten indiziert. Neben technischen Komplikationen (Katheterbruch) sind peridurale Abszesse beschrieben worden. Die Nähe der Punktionsstelle zum Anus und die geringe Distanz zwischen Haut und Periduralraum scheinen infektiösen Komplikationen Vorschub zu leisten.
Aus den genannten Gründen ist der lumbalen und ggf. thorakalen Katheteranalgesie der Vorzug zu geben.
Die lumbale Periduralanalgesie kann bei Kindern nach abdominellen Operationen besonders dann indiziert sein, wenn chronische Erkrankungen der Atmungsorgane, z. B. Mukoviszidose, oder Muskelerkrankungen bestehen. Des Weiteren kommt eine EA bei vorhersehbar schmerzhafter Physiotherapie nach unfallchirurgischen bzw. orthopädischen Eingriffen und zur Phantomschmerzprophylaxe nach Amputationen im Bereich der unteren Extremitäten in Betracht.
Thorakale Periduralkatheter ermöglichen wie beim Erwachsenen eine optimale, dermatombezogene Platzierung der Katheterspitze entsprechend dem Operationsfeld.
Der wesentliche Nachteil einer Schmerztherapie mittels lumbaler oder thorakaler Periduralkatheter liegt darin, dass bei Kindern unter 8–12 Jahren die Anlage des Katheters in der Regel in Analogsedierung bzw. Allgemeinanästhesie durchgeführt werden muss. Deswegen sollte die Punktion des thorakalen Periduralraums in Allgemeinanästhesie einem in dieser Technik sehr erfahrenen Anästhesisten vorbehalten bleiben und einer sorgfältigen Risiko-Nutzen-Abwägung bei strengster Indikationsstellung unterworfen werden.
Der bei Säuglingen und Kleinkindern fallweise beschriebene Vorschub von periduralen Kathetern vom Hiatus sacralis bis in den thorakalen Bereich zur sog. kaudothorakalen Anästhesie ist nicht zu empfehlen. Diese Technik widerspricht der Grundregel, Katheter nicht unnötig weit in den Periduralraum vorzuschieben, um Fehllagen, Schlingen oder Knoten zu vermeiden, und birgt ein erhöhtes Traumatisierungsrisiko, da mit Kunststoff- oder Stahlmandrin versteifte, wandarmierte und demzufolge großkalibrige Katheter verwendet werden müssen.
Der Wert periduraler Kathetertechniken wird bei Kleinkindern auch dadurch eingeschränkt, dass zwar eine perfekte Analgesie im Wundgebiet erreicht wird, die u. U. zahlreichen anderen Beschwerden der Kinder aber, wie z. B. Angst vor pflegerischen Maßnahmen oder der ungewohnten Umgebung bzw. die Ruhigstellung, z. B. durch Verbände, nicht beeinflusst werden. Eine gewisse Minderung der Vigilanz als Nebenwirkung einer systemischen Opioidanalgesie kann aus den genannten Gründen nicht selten erwünscht sein.

Dosierungen von Lokalanästhetika und Opioiden

Sowohl Lokalanästhetika als auch Opioide bzw. deren Kombinationen können sinnvoll zur Anwendung kommen. Bupivacain 0,25 % bzw. Ropivacain 0,2 % werden der gewünschten Ausdehnung der Analgesie entsprechend dosiert (sakral 0,5 mg/kgKG, lumbal 1 mg/kgKG); während der kontinuierlichen Gabe sollte die Dosis 0,4 mg/kgKG/h nicht überschreiten. Bei Säuglingen sollte wegen der verzögerten Elimination die Dosis um 50 % reduziert werden.
Morphin wird zur periduralen Analgesie als Bolus von 0,03–0,04 mg/kgKG in einem Volumen von 2–5 ml verabreicht, die maximale Dosierung einer kontinuierlichen Infusion beträgt 0,004–0,005 mg/kgKG/h.
Für Sufentanil betragen die Bolusdosierung 0,2–0,5 μg/kgKG und die Dosierung einer kontinuierlichen Infusion 0,08–0,1 μg/kgKG/h.
Wegen der Gefahr der späten Atemdepression ist bei Kindern die peridurale Opioidgabe in einer Intensivüberwachungseinheit unter apparativem Atemmonitoring durchzuführen.
Literatur
1.
Ecoffey C (2007) Pediatric regional anesthesia – update. Curr Opin Anaesthesiol 20:232–235CrossRefPubMed
2.
Hammer GB (2002) Pediatric thoracic anesthesia. Anesthesiol Clin North Am 20:153–180CrossRef
3.
Zernikow B (2009) Schmerztherapie bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, 4. Aufl. Springer, HeidelbergCrossRef