Infiltrationen des Operationsfelds
sowie periphere und rückenmarknahe Nervenblockaden mit einem Lokalanästhetikum besitzen für die
postoperative Schmerztherapie bei Kindern einen hohen Stellenwert, da sie Schmerzfreiheit nahezu ohne Nebenwirkungen ermöglichen (Kap.
Periphere Regionalanästhesie im Kindesalter). Da diese Maßnahmen bei Kindern meist unter Sedierung oder
Allgemeinanästhesie erfolgen, ist höchste Sorgfalt bezüglich der Injektionstechnik sowie eine strenge Beachtung der Höchstdosen der
Lokalanästhetika geboten. Klinische Warnzeichen, z. B.
Schmerzen bei intraneuraler Injektion oder zerebrale Krampfanfälle bei intravasaler Injektion, sind während einer Allgemeinanästhesie nicht sicher zu erkennen.
Bupivacain und Ropivacain gelten als
Lokalanästhetika der Wahl. Aufgrund ihrer geringeren Toxizität scheinen diese Lokalanästhetika vorteilhaft zu sein. Für toxische Nebenwirkungen sind v. a. Neugeborene und kleine Säuglinge prädestiniert, da aufgrund einer geringeren Proteinbindung die freie ungebundene Fraktion des Lokalanästhetikums zunimmt. Das größere
Verteilungsvolumen kleiner Kinder verlängert die
Halbwertszeit. Daher ist die Dosierung dieser Lokalanästhetika für Neugeborene und kleine Säuglinge obligat zu reduzieren (Tab.
6).
Tab. 6
Dosierung von Ropivacain bei Kindern von 0 bis einschließlich 12 Jahren zur Behandlung perioperativer
Schmerzen (Auszug aus der Fachinformation)
Einzeitige Periduralanästhesie |
Blockade unterhalb von Th12, bei Kindern mit einem Körpergewicht bis zu 25 kg | 2,0 | 1 | 2 |
Kontinuierliche peridurale Infusion |
Bei Kindern mit einem Körpergewicht von bis zu 25 kg | | | |
0–6 Monate | 2,0 | 0,5–1 | 1–2 |
• Bolusa | 2,0 | 0,1 ml/kgKG/h | 0,2 ml/kgKG/h |
• Infusion bis zu 72 h | | | |
6–12 Monate | 2,0 | 0,5–1 | 1–2 |
• Bolusb | 2,0 | 0,2 ml/kgKG/h | 0,4 ml/kgKG/h |
• Infusion bis zu 72 h | | | |
1–12 Jahre | 2,0 | 1 | 2 |
• Bolusb | 2,0 | 0,2 ml/kgKG/h | 0,4 ml/kgKG/h |
• Infusion bis zu 72 h | | | |
Periphere Regionalanalgesie
Periphere Nervenblockaden sind als Blockade des N. dorsalis penis, N. ilioinguinalis und N. iliohypogastricus oder als „3-in-1“-Block
durchführbar und haben sich gut bewährt (Kap.
Periphere Regionalanästhesie im Kindesalter und Anästhesie bei Kindern).
Der
Peniswurzelblockade nach Dalens
ist für Zirkumzisionen und Hypospadieoperationen das Verfahren der Wahl. Die Blockade des N. dorsalis penis erfolgt durch 2 paramediane Injektionen von z. B. je 0,1 ml/kgKG Bupivacain 0,5 % ohne Adrenalin in den subpubischen Raum, wodurch eine 6–24 h dauernde Analgesie erzielt werden kann. Gelegentlich bleibt ein schmerzhaftes Areal im Bereich des Frenulums bestehen. Die genannte Injektionstechnik schließt eine Gefäß- oder Nervenläsion nahezu aus und tangiert das Operationsfeld nicht. Die topische Analgesie mittels lokalanästhetikahaltiger Salbe oder Spray (meist
Lidocain) und die subkutane Penisringblockade gelten als Alternative, jedoch mit geringerer analgetischer Wirkung.
Die Blockade des N. ilioinguinalis und des N. iliohypogastricus zur Herniotomie oder Orchidopexie medial und kranial der Spina iliaca anterior superior gelingt durch Injektion von z. B. Bupivacain 0,25–0,5 % sowohl subfaszial unter die Externusaponeurose ( \( {2}\left/ {3}\right. \) des Volumens) als auch subkutan (\( {1}\left/ {3}\right. \) des Volumens). Das Injektionsvolumen wird in der Literatur mit einer sehr weiten Spannbreite angegeben (0,1–1,5 ml/kgKG). Diese Blockade wird häufig mit einer Wundinfiltration kombiniert.
Einzeitige beidseitige Eingriffe sollten in Kaudalanästhesie durchgeführt werden. Wie beim Erwachsenen kann auch bei korrekter Technik gelegentlich der N. femoralis mitblockiert werden. Die Punktion von Darmschlingen nach Perforation der Abdominalwand ist beschrieben worden.
Selbstverständlich sollten, wo immer dem operativen Eingriff entsprechend möglich, Katheterverfahren zum Einsatz kommen [
1].
Rückenmarknahe Regionalanalgesie
Der Hiatus sacralis ist bei Kindern weit und gut palpabel, sodass die
Kaudalanästhesie bei größeren urogenitalen, anorektalen oder orthopädischen Operationen an den unteren Extremitäten technisch einfach durchführbar ist (Kap.
Rückenmarknahe Regionalanästhesie: Periduralanästhesie). Die konstante Ausbreitung der Anästhesie durch das lockere peridurale Fettgewebe gelingt volumenabhängig bis in die mittleren thorakalen Segmente. Die Kaudalanästhesie wird in der Regel in
Allgemeinanästhesie durchgeführt und lässt sich durch Verwendung von Ropivacain oder Bupivacain auch zur postoperativen Analgesie nutzen.
Das Risiko der Kaudalanalgesie liegt in einer akzidentellen intravasalen Injektion des Lokalanästhetikums, wohingegen permanente neurologische Schädigungen, z. B. aufgrund einer periduralen Blutung oder eines periduralen
Abszesses, nach einmaliger Applikation (
Single-shot-Kaudalanästhesie) bislang nicht publiziert worden sind. Die Punktion im Bereich des Hiatus sacralis in Höhe von S
4/S
5 hat sehr selten eine hohe
Spinalanästhesie aufgrund einer akzidentellen intrathekalen Injektion zur Folge.
Aus den genannten Gründen ist der lumbalen und ggf. thorakalen Katheteranalgesie der Vorzug zu geben.
Die lumbale Periduralanalgesie
kann bei Kindern
nach abdominellen Operationen besonders dann indiziert sein, wenn chronische Erkrankungen der Atmungsorgane, z. B.
Mukoviszidose, oder
Muskelerkrankungen bestehen. Des Weiteren kommt eine EA bei vorhersehbar schmerzhafter Physiotherapie nach unfallchirurgischen bzw. orthopädischen Eingriffen und zur Phantomschmerzprophylaxe nach Amputationen im Bereich der unteren Extremitäten in Betracht.
Thorakale Periduralkatheter ermöglichen wie beim Erwachsenen eine optimale, dermatombezogene Platzierung der Katheterspitze entsprechend dem Operationsfeld.
Der wesentliche Nachteil einer
Schmerztherapie mittels lumbaler oder thorakaler Periduralkatheter liegt darin, dass bei Kindern unter 8–12 Jahren die Anlage des Katheters in der Regel in Analogsedierung bzw.
Allgemeinanästhesie durchgeführt werden muss. Deswegen sollte die Punktion des thorakalen Periduralraums in Allgemeinanästhesie einem in dieser Technik sehr erfahrenen Anästhesisten vorbehalten bleiben und einer sorgfältigen Risiko-Nutzen-Abwägung bei strengster Indikationsstellung unterworfen werden.
Der bei Säuglingen und Kleinkindern fallweise beschriebene Vorschub von periduralen Kathetern vom Hiatus sacralis bis in den thorakalen Bereich zur sog. kaudothorakalen Anästhesie ist nicht zu empfehlen. Diese Technik widerspricht der Grundregel, Katheter nicht unnötig weit in den Periduralraum vorzuschieben, um Fehllagen, Schlingen oder Knoten zu vermeiden, und birgt ein erhöhtes Traumatisierungsrisiko, da mit Kunststoff- oder Stahlmandrin versteifte, wandarmierte und demzufolge großkalibrige Katheter verwendet werden müssen.
Der Wert periduraler Kathetertechniken wird bei Kleinkindern auch dadurch eingeschränkt, dass zwar eine perfekte Analgesie im Wundgebiet erreicht wird, die u. U. zahlreichen anderen Beschwerden der Kinder aber, wie z. B. Angst vor pflegerischen Maßnahmen oder der ungewohnten Umgebung bzw. die Ruhigstellung, z. B. durch Verbände, nicht beeinflusst werden. Eine gewisse Minderung der Vigilanz als Nebenwirkung einer systemischen Opioidanalgesie kann aus den genannten Gründen nicht selten erwünscht sein.
Dosierungen von Lokalanästhetika und Opioiden
Sowohl
Lokalanästhetika als auch
Opioide bzw. deren Kombinationen können sinnvoll zur Anwendung kommen. Bupivacain 0,25 % bzw. Ropivacain 0,2 % werden der gewünschten Ausdehnung der Analgesie entsprechend dosiert (sakral 0,5 mg/kgKG, lumbal 1 mg/kgKG); während der kontinuierlichen Gabe sollte die Dosis 0,4 mg/kgKG/h nicht überschreiten. Bei Säuglingen sollte wegen der verzögerten Elimination die Dosis um 50 % reduziert werden.
Morphin wird zur periduralen Analgesie als Bolus von 0,03–0,04 mg/kgKG in einem Volumen von 2–5 ml verabreicht, die maximale Dosierung einer kontinuierlichen Infusion beträgt 0,004–0,005 mg/kgKG/h.
Für Sufentanil betragen die Bolusdosierung 0,2–0,5 μg/kgKG und die Dosierung einer kontinuierlichen Infusion 0,08–0,1 μg/kgKG/h.
Wegen der Gefahr der späten Atemdepression ist bei Kindern die peridurale Opioidgabe in einer Intensivüberwachungseinheit unter apparativem Atemmonitoring durchzuführen.