Peridural- bzw.
Spinalanalgesie
zählen zu den effektivsten Methoden
postoperativer Schmerztherapie [
32]. Die erzielbare Schmerzlinderung ist einer systemischen
Schmerztherapie, selbst wenn diese als balancierte Analgesie oder PCIA durchgeführt wird, deutlich überlegen. Rückenmarknahe Verfahren gestatten die nahtlose Überführung der intraoperativen
Regionalanästhesie (Kap.
Rückenmarknahe Regionalanästhesie:
Spinalanästhesie und Kap. Rückenmarknahe Regionalanästhesie: Periduralanästhesie) in die unmittelbare
postoperative Phase und im weiteren Verlauf die Aufrechterhaltung als postoperative Analgesie. Dies setzt Kathetertechniken voraus, die entweder bedarfsorientierte, repetitive Bolusapplikationen oder viel effizienter und effektiver eine kontinuierliche Infusion von
Lokalanästhetika,
Opioiden oder deren Kombination erlauben, am besten ergänzt durch eine PCEA.
Periduralanalgesie mit Lokalanästhetika
In der Regel werden zur intraoperativen Periduralanästhesie Dosierungen verwendet, die alle neuronalen Funktionen, sensibel, motorisch und autonom, (nahezu) vollständig
blockieren.
Im Gegensatz dazu soll die postoperative Periduralanalgesie auf die Blockade sensibler Nervenfasern beschränkt bleiben und motorische Fasern nicht beeinträchtigen. Daher sind zur postoperativen Analgesie im Vergleich zur intraoperativen Anästhesie deutlich niedrigere Dosierungen ausreichend. Gleichermaßen sind Intensität und Inzidenz von Nebenwirkungen wesentlich geringer.
Dünne, nicht myelinisierte, sympathische C-Fasern und dünne, myelinhaltige, sensible A-δ-Fasern werden
in vivo in hoher Anzahl und Intensität vom Lokalanästhetikum durchdrungen.
Deswegen können bereits niedrige Konzentrationen eines Lokalanästhetikums durch Blockierung der elektrischen Leitfähigkeit analgetisch wirken.
Bei Anwendung niedrig konzentrierter
Lokalanästhetika erbringt daher die Überprüfung der segmentalen Ausdehnung der Analgesie mittels des Pin-Prick- oder des Kälte-Tests keinerlei Minderung der Sensibilität, obwohl der Patient eine zufriedenstellende Schmerzlinderung im untersuchten Bereich angibt.
Der Pin-Prick-Test ist ein Test der C-Faser-Aktivität
, während der Kneiftest eher die Funktion der A-δ-Fasern
überprüft. Aber auch letztgenannte Untersuchung ist häufig negativ. Deswegen dient die Feststellung der Sensibilitätsausdehnung in erster Linie der Früherkennung einer intrathekalen
Migration des Periduralkatheters. Im Gegensatz zur frühen Funktionsminderung sensibler und sympathischer Fasern wird die Funktion dick myelinisierter motorischer Fasern erst bei höheren Konzentrationen eines Lokalanästhetikums beeinträchtigt. Besonders vorteilhaft ausgeprägt ist dieser Differenzialblock bei Ropivacain
.
Wird der Cm-Wert sensibler Fasern unterschritten, treten Durchbruchschmerzen auf.
Die notwendige Nachinjektion eines höher konzentrierten Lokalanästhetikums (Bupivacain 0,25 %, Ropivacain 0,2 %) in ausreichender Dosierung erhöht die Konzentration über die Cm und reduziert die Schmerzintensität. Gleichzeitig kann sich jedoch erneut eine motorische Schwäche entwickeln und die Mobilisierung beeinträchtigen. Dieser Nachteil ist bei
thorakaler Periduralanalgesie nicht zu erwarten. Daher sollte die Anlage des Periduralkatheters optimal auf das Operationsfeld abgestimmt werden bzw. bevorzugt thorakal erfolgen (Tab.
2,
3, und
4).
Tab. 3
Lokalanästhetika: relative anästhetische Potenz und Eignung zur postoperativen Analgesie
Ester-LA |
Procain | 1 | Nicht geeignet wegen allergischer Reaktionen |
Amid-LA |
Prilocain | 2 | |
Mepivacain | 2 | Nicht geeignet wegen systemischer Toxizität |
Etidocain | 6 | Nicht geeignet wegen ausgeprägter motorischer Blockade |
| 2 | Geeignet zur Therapie von Durchbruchschmerzen |
Bupivacain | 8 | Gut geeignet wegen langer Wirkdauer |
Ropivacain | 8 | Sehr gut geeignet wegen langer Wirkdauer und geringer systemischer Toxizität |
Tab. 4
Empfehlungen für die Dosierung von Ropivacain (Bupivacain) zur kontinuierlichen periduralen Infusion (Erwachsene)
Peridural | 0,2 % (0,25 %) | 5–10 ml/h | 10–20 mg/h (12,5–25 mg/h) |
0,1 % (0,125 %) | 4–15 ml/h | 4–15 mg/h (5–20 mg/h) |
0,05 % (0,06 %) | 10–25 ml/h | 5–12,5 mg/h (6–15 mg/h) |
Injektion oder kontinuierliche Infusion von Lokalanästhetika in den Periduralkatheter
Dies wirft logistische Probleme auf, da eine intermittierende Periduralanalgesie bedarfsadaptiert rund um die Uhr durchgeführt werden muss. Die regelmäßige Nachinjektion in einen Periduralkatheter könnte zwar die organisatorische Problematik etwas entschärfen, verletzt jedoch den Grundsatz einer patientenorientierten, individualisierten und bedarfsadaptierten Analgesie.
Eine kontinuierliche peridurale Infusion ist dagegen wesentlich einfacher zu betreuen, zumal dann, wenn die Überwachungs- bzw. Durchführungsverantwortung auf den Pflegebereich übertragen wurde. Kontinuierliche Infusionen bergen geringere kardiozirkulatorische und systemisch toxische Risiken, da sie niedrigere Konzentrationen des Lokalanästhetikums als bei der Bolusinjektion erlauben (z. B. Bupivacain 0,125 % oder 0,06 % gegenüber 0,25 % sowie Ropivacain 0,1 % gegenüber 0,2 %).
Vor jeder Bolusinjektion ist der Versuch einer Aspiration von Blut oder Liquor durchzuführen. Ein negativer Aspirationstest schließt eine intravasale oder intrathekale Katheterfehllage jedoch keineswegs aus.
Die kontinuierliche peridurale Gabe eines Lokalanästhetikums erfordert eine regelmäßige Überwachung der obengenannten Parameter, engmaschig (stündlich) während der Betreuung im
Aufwachraum oder auf der Intensivstation, im weiteren Verlauf mindestens 2-mal pro 8-h-Schicht auf der Normalpflegestation.
Bupivacain
sowie Ropivacain
gelten als die
Lokalanästhetika der 1. Wahl. Andere Lokalanästhetika, z. B. Mepivacain
oder Prilocain
, sind für eine längerdauernde Anwendung ungeeignet, weil die Gefahr systemischer Nebenwirkungen vergleichsweise hoch ist (Tab.
3).
Die
Grenzdosierungen für Bupivacain und Ropivacain leiten sich von deren Clearance sowie der systemischen (kardialen, zerebralen) Toxizität ab, werden jedoch mit niedrig konzentrierten Lösungen nur selten erreicht (Tab.
4). Bupivacain 0,06 % bis maximal 0,25 % sowie Ropivacain 0,1–0,2 % gewährleisten eine effiziente Analgesie. Auch während einer kontinuierlichen Katheterinfusion (peridural oder peripher) sind ausgeprägte Nebenwirkungen dieser
Lokalanästhetika sehr selten beobachtet worden.
Nach Anlage eines lumbalen Periduralkatheters ist die kontinuierliche Infusionsanalgesie mit Bupivacain bzw. Ropivacain in den geschilderten Konzentrationen nur dann ausreichend analgetisch, wenn nach Ende des operativen Eingriffs noch eine zufriedenstellende Schmerzlinderung vorhanden ist oder durch die initiale Gabe einer Beladungsdosis (
loading dose, z. B. 1–1,5 ml/Segment Bupivacain 0,25 % bzw. Ropivacain 0,2 %) wiederhergestellt wurde. Dies gilt analog auch für die Behandlung von Durchbruchschmerzen. In dieser Situation kann die relativ lange Anschlagszeit von 5–10 min (Bupivacain 0,25 %) bzw. 10–20 min (Ropivacain 0,2 %) durch die Verwendung von
Lidocain 1 % verkürzt werden, welches bereits nach 2–3 min wirkt.
Peridurale Analgesie mit Opioiden
Postoperative
Schmerzen sind die häufigste Indikation für die rückenmarknahe Opioidanalgesie. Sie kommt besonders in der Viszeral- und Thoraxchirurgie und, für ausgewählte Patienten, auch in der Kardiochirurgie, der operativen Orthopädie sowie perinealen Chirurgie zur Anwendung. Rückenmarknahe
Opioide werden bei Kindern ebenso angewandt wie in höherem Lebensalter, insbesondere bei Hochrisikopatienten.
Hinsichtlich der analgetischen Wirkung und Erholung der postoperativen Lungenfunktion nach abdominellen oder thorakalen Eingriffen ist die thorakale peridurale Opioid-Lokalanästhetika-Analgesie der i.m.-Injektion von
Opioiden, der intravenösen patientenkontrollierten Analgesie mit Opioiden, Interkostalblockaden sowie der alleinigen periduralen Applikation von
Lokalanästhetika überlegen.
Die rückenmarknahe Opioidapplikation, in erster Linie peridural, seltener intrathekal, ist weltweit akzeptiert.
Die selektive Besetzung von Opioidrezeptoren im Hinterhorn des Rückenmarks induziert durch Hemmung der synaptischen Überleitung afferenter Impulse eine ausgeprägte Analgesie und Prävention der spinalen Sensibilisierung.
Motorik, Sensibilität und Propriozeption werden nicht beeinträchtigt. Dies erleichtert bzw. gewährleistet die Mobilisierung von Patienten ohne das Risiko orthostatischer Hypotension oder motorischer Defizite. Davon profitieren im besonderen Risikopatienten, die sich ausgedehnten operativen Eingriffen unterziehen, hinsichtlich ihrer kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit bzw. Reserven eingeschränkt sind, an einer
Adipositas permagna
leiden oder hochbetagt sind. Bisher existiert jedoch kein Beweis, dass peridural oder intrathekal applizierte
Opioide allein eine Analgesie höherer Qualität induzieren als parenterale Opioide. Außer Zweifel steht jedoch, dass die Reduktion der notwendigen Gesamttagesdosis durch die peridurale im Vergleich zur systemischen Applikation die Patienten weniger sediert und kooperativer sowie mobiler macht.
Typische Nebenwirkungen von
Opioiden können zwar auftreten, jedoch in der Regel in wesentlich geringerer Ausprägung als nach systemischer Applikation. Die Atemdepression als potenzielles Risiko jeder Opioidbehandlung behält auch für eine rückenmarknahe Opioidapplikation Relevanz. Eine adäquate Überwachung muss daher stets gewährleistet sein.
Verteilung und Wirkung rückenmarknah applizierter Opioide
Nach Penetration der Dura mater und
Diffusion durch den Liquor erfolgt die Kopplung an Opioidrezeptoren im Hinterhorn des Rückenmarks. Zeitgleich binden
Opioide an peridurales Fettgewebe und gelangen durch die periduralen Venenplexus in das Kreislaufsystem. Die intrathekale Injektion umgeht die peridurale Verteilung, sodass Opioide sofort in das Rückenmark diffundieren können.
Beginn und Dauer der Analgesie sowie einige Nebenwirkungen rückenmarknaher
Opioide hängen von deren Lipidlöslichkeit ab. Morphin, Fentanyl und Sufentanil eignen sich für eine peridurale Applikation, unterscheiden sich jedoch in ihren pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Eigenschaften.
Das lange Verbleiben von Morphin im Liquor hat eine allmähliche, von der physiologischen Liquorzirkulation nach kranial getragene Ausbreitung zur Folge. Dieser Effekt unterstützt unabhängig vom Injektionsvolumen auch bei lumbaler Applikation die Analgesie in thorakalen Segmenten sowie eine zeitverzögerte Atemdepression nach Erreichen des medullären Atemzentrums am Boden des IV. Ventrikels und Kopplung von Morphin an μ2-Opioidrezeptoren.
Weltweit gilt: falls Morphin lumbal peridural appliziert wird, ist die intermittierende Gabe Standard, um das Risiko einer Atemdepression zu minimieren.
Die peridurale Gabe von Morphin sollte mit der geringstmöglichen Dosierung begonnen werden, um den zeitlichen Verlauf und die Intensität der Schmerzlinderung individuell feststellen zu können. Die von der International Association for the Study of Pain (IASP) empfohlene, lumbale peridurale Morphindosierung von 2–4 mg sorgt für eine 12–24 h anhaltende Analgesie und bietet hohe Sicherheit vor der Entwicklung einer Atemdepression.
Die lumbale peridurale Morphingabe von mehr als 4 mg erzielt keine stärkere, sondern nur eine länger anhaltende Analgesie bei gleichzeitig erhöhtem Nebenwirkungsrisiko.
Die Wiederholung einer periduralen Injektion von Morphin muss dem individuellen Bedarf folgen. Dabei ist stets der kleinsten effektiven Repititionsdosis der Vorzug zu geben. Die regelmäßige peridurale Gabe einer Repetitionsdosis von Morphin ohne Zunahme der Schmerzintensität erhöht die Inzidenz von respiratorischen Zwischenfällen.
Die kontinuierliche, niedrig dosierte peridurale Morphininfusion (0,2–0,4 mg/h) in Kombination mit Bupivacain oder Ropivacain senkt die Inzidenz und Intensität von Nebenwirkungen am besten.
Vorteile der periduralen Analgesie mit Morphin sind:
-
erhebliche Reduktion der Tagesdosis im Vergleich zu einer systemischen Morphingabe,
-
lang anhaltende und hochgradige analgetische Wirkung für 8–24 h nach 2–4 mg Morphin, z. B. jeweils 2 mg Morphin in 10 ml NaCl 0,9 % alle 12 h, dazwischen bei Bedarf Bupivacain 0,25 %.
Nachteile der periduralen Analgesie mit Morphin sind:
-
Ausbreitung nach kranial weit über das Injektionssegment hinaus,
-
Sedierung mit verzögerter Atemdepression nach und von Stunden möglich,
-
vereinzelt Phasen arterieller Hypotonie (fraglich infolge von Histaminfreisetzung?),
-
relativ hohe Inzidenz von Juckreiz der Haut,
-
Entwicklung einer Blasenentleerungsstörung,
-
Dosislimitierung bei 4–5 mg (lumbale Applikation). Diese Grenze gilt ausdrücklich nur für den nicht opioidgewöhnten Patienten. Für opioidgewöhnte Patienten gelten besondere Regeln (Kap.
Postoperative Schmerztherapie bei opioidgewöhnten Patienten).
Die Vorteile lipophiler
Opioide liegen in der Möglichkeit einer kontinuierlichen und niedrig dosierten periduralen Infusion. Zur postoperativen Analgesie sollten keine höheren periduralen Dosierungen von Fentanyl als 0,05–0,1 mg (Initialbolus) bzw. nicht mehr als 25–50 μg/h (kontinuierliche Infusion) zur Anwendung kommen. Sufentanil ist noch stärker lipophil als Fentanyl, sodass die äquianalgetischen Dosierungen im Vergleich zu Fentanyl geringer sind (25–50 μg Initialbolus, 10–25 μg/h kontinuierliche Infusion).
Nebenwirkungen und Komplikationen nach rückenmarknah applizierten Opioiden
Die peridurale Injektion eines Opioids ist immer mit einer frühen systemischen Resorption verbunden. Eine späte Phase der Resorption und systemischen Verteilung beginnt mit der Dissoziation des Opioids von den Opioidrezeptoren. Sämtliche Nebenwirkungen von
Opioiden treten auch nach rückenmarknaher Applikation auf (Tab.
5; Kap.
Opioide in der Anästhesiologie).
Tab. 5
Häufigkeit von Nebenwirkungen nach periduraler Bolusgabe von Opioiden
Übelkeit/Erbrechen | 20–50 % | 5–30 % | 5–15 % |
Blasenentleerungsstörung | 10–15 % | Bis 5 % | Bis 5 % |
Hautjucken | 7–75 % | 10–35 % | 30–55 % |
Sedierung | Verzögert zu erwarten | Früh zu erwarten | Früh zu erwarten |
Frühe Atemdepression (<4 h) | 0,2–0,4 % | Sehr selten | Sehr selten |
Späte Atemdepression (>8–12 h) | Zu erwarten | Extrem selten (>4 h) | Extrem selten (>4 h) |
Übelkeit, Erbrechen, arterielle Hypotension, Somnolenz und die frühe Atemdepression sind dosisabhängig und beruhen wahrscheinlich auf der systemischen Resorption periduraler Opioide.
Ebenso charakteristische,
nichtsystemische Nebenwirkungen spinaler
Opioide sind
Pruritus,
Harnretention und die
späte Atemdepression.
Opioidrezeptoren überziehen nahezu den gesamten Gastrointestinaltrakt, besonders das Antrum des Magens und das proximale Duodenum.
Opioide hemmen sowohl exzitatorische als auch inhibitorische Neurone im Plexus myentericus. Dies erhöht den Tonus der glatten Muskulatur und behindert die Koordination der Peristaltik, die zur Propulsion benötigt wird. Daraus resultieren nichtpropulsive Kontraktionen, die zu Übelkeit, Erbrechen und
Obstipation beitragen. Peridurale Opioide hemmen die
gastrointestinale Motilität und die intestinale Sekretion sowie die intestinale Flüssigkeitsresorption in geringerem Maße als bei systemischer Verabreichung [
31]. Demgegenüber verkürzen
Lokalanästhetika die postoperative gastrointestinale Atonie. Der Wirkmechanismus ist nicht genau bekannt, vermutlich ist der systemisch resorbierte Anteil entscheidend.
Bei einer anhaltenden Magen-Darm-Atonie
muss daher nicht auf eine peridurale Opioid-Lokalanästhetika-Analgesie verzichtet werden. Die Erholung einer postoperativen Ileussymptomatik
wird durch eine Periduralanalgesie mit
Lokalanästhetika allein beschleunigt, geringer ausgeprägt in Kombination mit
Opioiden.
Nach viszeralchirurgischen Eingriffen wird jedoch trotz periduraler
Lokalanästhetika die propulsive Motorik nicht sofort normalisiert werden können. Daher sollte die Analgesie für eine effiziente, aktive Mobilisation zur Unterstützung einer frühen enteralen Ernährung und einer raschen Entfernung einer nasogastralen Sonde genutzt werden.
Das Risiko bedrohlicher Atemdepression ist im Alter von über 60 Jahren, in der ASA-Klasse III und IV sowie bei zusätzlicher systemischer Applikation von
Opioiden,
Benzodiazepinen, Sedativa,
Neuroleptika oder
Hypnotika erhöht.
Die Atemdepression kann durch Überdosierung oder eine akzidentelle intravasale bzw. intrathekale Injektion bedingt sein. Lipophile
Opioide können eine frühe Atemdepression induzieren (innerhalb weniger Minuten bis zu 4 h). Eine nach 12 h, bei älteren Patienten mit bis zu 15-h-Verzögerung auftretende, späte Atemdepression ist an den Transport des Opioids mit dem Liquorfluss nach kranial zum Atemzentrum gekoppelt und deswegen nach Applikation lipophiler Opioide äußerst selten. Natürlich kann auch Morphin eine frühe Atemdepression auslösen (rasche Bolusinjektion), birgt jedoch aufgrund seiner Hydrophilie v. a. ein hohes Risiko einer verzögerten Atemdepression.
Lipophile
Opioide scheinen demnach bezüglich einer bedrohlichen Atemdepression sicherer zu sein als das hydrophile Morphin. Aber:
In der Regel geht der Atemdepression jedoch eine progrediente Beeinträchtigung der Vigilanz (und evtl.
Pruritus) voraus (
Frühsymptom). Deswegen muss die Patientenüberwachung unabhängig vom verwendeten Opioid regelmäßig und sorgfältig durchgeführt werden, routinemäßig bis 24 h nach Beendigung der Opioidapplikation. Mehrere Jahrzehnte internationaler Erfahrung zeigen, dass Patienten, die zur
postoperativen Schmerztherapie Opioide rückenmarknah erhalten, auch auf operativen Normalpflegestationen sicher betreut werden können, wenn das Personal gut ausgebildet ist und klare Richtlinien vorhanden sind [
30].
Keines der gegenwärtig verfügbaren
Opioide ist unter respiratorischen Gesichtspunkten absolut sicher, dennoch kann die peridurale Opioidapplikation auch auf Normalpflegestationen sicher angewendet werden, wenn entsprechende Rahmenbedingungen vorhanden sind.
Besonderes Augenmerk ist auf die durch Bindung von
Opioiden an μ
2-Opioidrezeptoren des medullären Atemzentrums am Boden des IV. Ventrikels induzierte Atemdepression zu lenken.
Prophylaxe und Behandlung von Nebenwirkungen
Bei korrekter Indikation für eine rückenmarknahe Opioidanalgesie, Einhaltung der Dosierungsgrenzen sowie standardisierter Überwachung (Abschn.
2.9) treten ernste Zwischenfälle sehr selten auf.
Nebenwirkungen einer periduralen oder intrathekalen Gabe von
Opioiden, insbesondere die Atemdepression, können durch Opioidrezeptorantagonisten behandelt werden.
Im Falle einer morphinbedingten Atemdepression beträgt die Überwachungszeit nach Beendigung der Opioidzufuhr mindestens 24 h.
Das Pflegepersonal muss nicht nur in der Früherkennung einer Atemdepression geschult, sondern neben den Ersthelfertechniken insbesondere in der Maskenbeatmung ausgebildet sein und diese sofort anwenden. Die überbrückende
Beatmung ist ausnahmslos Pflicht, um die
Hypoxie aufzuheben oder zumindest deren Fortschreiten und kardiale wie zerebrale Folgen zu verhindern. Keineswegs darf sich in dieser Situation die Tätigkeit des Pflegepersonals auf die Alarmierung eines Arztes und das Warten auf sein Eintreffen beschränken. Der postoperativ obligate i.v.-Zugang sollte mindestens 24 h nach der letzten Opioidinjektion belassen werden.
Stellenwert der thorakalen Periduralanalgesie für ein multimodales postoperatives Rehabilitationskonzept
Die Kombination von Allgemein- und
Regionalanästhesie gehört seit langem zum anästhesiologischen Repertoire (Kap.
Kombinierte Anästhesieverfahren), obwohl der Nutzen kombinierter Anästhesieverfahren im Hinblick auf die intraoperative Mortalität und Morbidität bislang nicht zweifelsfrei nachgewiesen ist.
Im Hinblick auf den postoperativen Verlauf
und das postoperative Ergebnis sollte lang anhaltender, postoperativer Stress unter allen Umständen vermieden oder zumindest begrenzt werden. Für die Stressantwort nach Trauma oder Operation spielt die Intensität postoperativer
Schmerzen eine Schlüsselrolle [
11]. Daher erscheinen für das postoperative Management von Patienten der ASA-Klassen III und IV
kombinierte Anästhesieverfahren besonders sinnvoll, wenn die
rückenmarknahe Regionalanästhesie zur postoperativen Analgesie über mehrere Tage (>72 h) weitergeführt wird [
9].
Die thorakale Periduralanästhesie kann nicht nur als intraoperative adjuvante Anästhesietechnik genutzt werden, sondern postoperativ durch Modulation der Aktivität des sympathischen Nervensystems die intra- und postoperative physiologische Stressantwort des Organismus auf
Schmerzen reduzieren [
2].
Diese thorakale Periduralanalgesie kann darüber hinaus die Myokardfunktion, die Lungenfunktion, die gastrointestinale Funktion, das Gerinnungssystem und mittelbar das Operationsergebnis verbessern. Die konsequente Nutzung dieser positiven Effekte für ein multimodales postoperatives Behandlungskonzept (frühe Extubation, effektive Atemtherapie, rasche Mobilisation, frühe enterale Ernährung) lässt eine Reduktion der postoperativen Mortalität prinzipiell erwarten (Tab.
7). Der endgültige Nachweis dafür kann aufgrund der bis dato vorliegenden Studien nicht erbracht werden [
18].
Tab. 7
Vergleich der Effekte einer lumbalen vs. thorakalen Platzierung eines Periduralkatheters
∙ Erhöhter arterieller und venöser Blutfluss im Becken- und Beinvenenbereich (Thromboseprophylaxe) ∙ Technisch relativ einfache Platzierung | ∙ Arterielle Hypotension und Bradykardie aufgrund der Sympathikusblockade der unteren Extremitäten mit Reduktion des myokardialen Blutflusses, insbesondere bei KHK [ 13] ∙ Reaktive Erhöhung des Sympathikotonus kranial der Sympathikusblockade der unteren Extremitäten ∙ Motorische und/oder sensible Blockade der unteren Extremitäten mit Beeinträchtigung der Frühmobilisation ∙ Blasenentleerungsstörung ∙ Ausdehnung des Analgesieniveaus nach kranial nur begrenzt möglich |
Thorakaler Periduralkatheter | |
Positive Effekte | Negative Effekte |
∙ Optimale Analgesie bei segmentaler Begrenzung ∙ Myokardprotektion (Sympathikolyse Th 1–Th 4) durch Ökonomisierung der koronaren O 2-Bilanz und Reduktion von Herzfrequenz und Arrythmie [ 29] ∙ Optimierung von pulmonaler (hervorragende Schmerzreduktion bei tiefer Inspiration, Husten und Mobilisation ohne negativen Einfluss auf den Euler-Liljestrand-Reflex) und diagphragmaler (Dämpfung der reflektorischen Hemmung des N. phrenicus) Funktion [ 13] ∙ Optimierung der viszeralen Analgesie bzw. Sympathikolyse Th 5–Th 10 mit Perfusionsverbesserung der gastrointestinalen Mukosa und Steigerung der gastrointestinalen Motilität [ 13] ∙ Keine Beeinflussung von Motorik und Sensibilität der unteren Extremitäten | ∙ Punktion des thorakalen Periduralraums technisch anspruchsvoll ∙ Negative Beeinflussung des kardiopulmonalen Systems bei unkontrollierter kranialer Ausdehnung der Analgesie möglich, z. B. infolge Phrenikusparese ∙ Arterielle Hypotension möglich |
Der Beitrag einer durch die PCEA optimierten postoperativen Schmerzbehandlung zur Senkung postoperativer Mortalität scheint womöglich ausschließlich für multimorbide Patienten mit hohem Risiko nach großen Operationen relevant zu sein.
Relevante pathophysiologische Mechanismen thorakaler versus lumbaler Periduralanalgesie
Die thorakale Periduralanalgesie gewährleistet neben einer effektiven segmentalen Analgesie auch eine segmentale Sympathikolyse, die über den Bereich der segmentalen Analgesie hinausreichen kann, insbesondere thorakal efferenter Sympathikusbahnen für das Splanchnikusgebiet [
13]. Diese segmentale thorakale Sympathikolyse induziert, zusammen mit der Reduktion der chirurgischen Stressantwort aufgrund der suffizienten segmentalen thorakalen Analgesie, die positiven Wirkungen auf das kardiovaskuläre System sowie die pulmonale und die gastrointestinale Funktion. Im Gegensatz dazu sind unter lumbaler Periduralanalgesie keine positiven Wirkungen bzw. negative Effekte zu erwarten.
Möglicherweise kann aus diesen Gründen die thorakale, nicht aber die lumbale Periduralanalgesie Mortalität und Morbidität senken [
21,
26].
Eine lumbale EA lässt sich bei kardial vorerkrankten Patienten nicht ohne Risiko einer myokardialen Ischämie soweit nach kranial ausdehnen, dass eine suffiziente thorakale Sympathikusblockade gelingt.
Die selektive Blockade der sympathischen Innervation des Herzens (Th1–Th5) mittels thorakaler EA ökonomisiert die O2-Bilanz des vorgeschädigten Myokards.
Die auf das Operationsfeld zentrierte, segmental begrenzte thorakale Blockade von nozizeptiven Afferenzen sowie von sympathischen Afferenzen und Efferenzen soll die hämodynamische Stabilität aufrecht erhalten (Kontraktilität, Herzfrequenz, Auswurfraktion, O
2-Verbrauch, Tonus der Koronararterien) und die kardiale operative Stressantwort reduzieren [
28]. Daher wurde vermutet, dass die postoperativen kardioprotektiven Effekte der thorakalen EA hinsichtlich einer myokardialen Ischämie die kardiale Morbidität nach Anästhesie und Operation senken [
4].
Unklar ist der Stellenwert einer thorakalen EA nach aortokoronaren Bypassoperationen. Bei sog. OPCAB- („Off-pump-coronary-artery-bypass“) bzw. MIDCAB- („Minimally-invasive-direct-coronary-artery-bypass“) Operationen ist zur Anlage der peripheren Anastomose eine temporäre Okklusion der Koronararterie unumgänglich. Die resultierende myokardiale Ischämie erfordert eine gute Kardioprotektion. Dafür scheint die kardiale Sympathikolyse einer thorakalen EA (Zunahme des koronaren Blutflusses in ischämischen Myokardbezirken, Begrenzung ischämischer Infarktareale, Ansteigen der Arrhythmieschwelle) besonders geeignet.
Postoperativ ermöglicht die hervorragende Analgesie die Frühextubation rasch kooperativer und vigilanter Patienten. Obwohl die Periduralanalgesie seit mehr als 20 Jahren in der Herzchirurgie angewendet wird, bleibt die Anzahl der behandelten Patienten und damit die relevanter Untersuchungen gering. Der Hauptgrund dafür ist das wohl deutlich erhöhte Risiko kardiochirurgischer Patienten für die Entwicklung eines periduralen Hämatoms unter vollständiger Antikoagulation im Vergleich zu Patienten, die sich anderen Eingriffen unterziehen [
23].
Eine Empfehlung zur postoperativen Routineanwendung der thorakalen EA in der Kardiochirurgie kann auf der Grundlage vorhandener Daten bislang jedoch nicht gegeben werden ([
15,
22,
25]; Tab.
8; Kap.
Anästhesie in der Chirurgie des Herzens und der herznahen Gefäße).
Tab. 8
Myokardiale Effekte einer thorakalen EA (Th1–Th5) im Vergleich zu einer lumbalen EA
Thorakale EA | Abnahme | Abnahme | Zunahme | Verbesserung | Keine Beeinträchtigung | Protektion |
Lumbale EA | Zunahme | Zunahme | Abnahme | ? | Beeinträchtigung | Gefährdung |
Die Kombination von
Opioiden und
Lokalanästhetika senkt bei segmental begrenzter thorakaler Analgesie die Schmerzintensität auch unter Belastung signifikant.
Die Verbesserung des postoperativen Ergebnisses gelingt jedoch nur dann, wenn neben der Analgesie auch die Vorteile der thorakalen EA für die kardiovaskulären, respiratorischen, gastrointestinalen sowie metabolischen Funktionen konsequent genutzt und die thorakale EA mindestens 72 h in ein multimodales Behandlungskonzept integriert werden [
3,
12].
Die ausreichend lange Nutzung einer effizienten periduralen Analgesie zur Kontrolle der „surgical stress response“ kann als Baustein eines multimodalen postoperativen Behandlungskonzepts unerwünschte Folgen eines operativen Eingriffs vermeiden und womöglich die Gesamtbehandlungskosten senken.
Praktische Überlegungen
Um die Vorteile einer thorakalen EA auszuschöpfen, sollte auf die Bedürfnisse jedes Patienten individuell reagiert werden. Dies gilt für die bedarfsgerechte Dosisanpassung
ohne zeitliche Verzögerung und die Überwachungsfrequenz von Vitalparametern, Sensibilität, Motorik sowie etwaigen Nebenwirkungen während EA bzw. PCEA genauso wie während einer PCIA. Die kontinuierliche
peridurale Infusion und die PCEA leisten einen hervorragenden Beitrag für die Patientensicherheit, insbesondere auf operativen Normalpflegestationen [
17].
Die kontinuierliche peridurale Infusion hat gegenüber einer intermittierenden Bolusapplikation den Vorteil, dass eine allmähliche Vigilanzeinschränkung, abnehmende Atemfrequenz oder hämodynamische Instabilität im Rahmen eines festgelegten Monitoringalgorithmus durch ausgebildetes Pflegepersonal rechtzeitig erkannt werden können.
Bei relativem oder absolutem Volumenmangel
sowie
Anämie treten Phasen arterieller Hypotension und, bei lumbaler EA, motorische und/oder sensorische Ausfallserscheinungen (ca. 3 %) auf. Deswegen sind regelmäßige Kontrollen von arteriellem Blutdruck, Herzfrequenz, Motorik und Sensibilität obligat (Abb.
1).
Die Überwachungsfrequenz durch das Pflegepersonal (mindestens 4-stündlich) erhöht sich mit dem Ausmaß relevanter kardiopulmonaler Begleiterkrankungen, dem Alter bzw. Allgemeinzustand des Patienten und der Ausdehnung des operativen Eingriffs. Die Patientensicherheit wird neben den üblichen chirurgischen Visiten durch mindestens einmal tägliche Visiten des zuständigen Anästhesisten erhöht, die der laufenden Individualisierung der periduralen Analgesie und der Früherkennung bzw. -therapie sich abzeichnender unerwünschter Wirkungen bzw. Komplikationen dienen.
Früherkennung raumfordernder Prozesse im Spinalkanal
Schmerz im Bereich der Wirbelsäule, evtl.
mit Ausstrahlung in die unteren Extremitäten, gilt als Frühsymptom eines raumfordernden Prozesses im Spinalkanal. Treten sensible und/oder motorische Ausfallserscheinungen (sog. schmerzhafte Paraplegie
) oder Blasen-Mastdarm-Störungen
hinzu, sind unverzüglich diagnostische Maßnahmen einzuleiten, um keine Zeit bis zum Beginn einer potenziellen neurochirurgischen Intervention zu verlieren (ggf. Laminektomie zur Entlastung eines spinalen Hämatoms oder
Abszesses). Als bildgebendes Verfahren der ersten Wahl gilt die MRT, zweite Wahl ist die Myelographie
[
19].
Die thorakale peridurale Applikation einer Kombination eines lipophilen Opioids und eines Lokalanästhetikums gewährleistet eine exzellente postoperative Analgesie, reduziert die chirurgische Stressantwort und steht im Zentrum eines multimodalen postoperativen Behandlungsprogramms. Es gibt Hinweise dafür, dass dies zu einer Reduktion der Gesamtmorbidität sowie ggf. der Behandlungskosten führen könnte.
Patienten mit hohem kardiovaskulärem und/oder pulmonalem Risikoprofil können bei ausgedehnten thorakoabdominellen Eingriffen von einer thorakalen EA profitieren [
5]. Die thorakale EA kann mit einem hohen Maß an Sicherheit angewandt werden, wenn Kontraindikationen beachtet und Vorsichtsmaßnahmen bei Patienten unter Antikoagulanzientherapie sorgfältig eingehalten werden.