Herz- und Kreislauffunktion
Eine antihypertensive Therapie mit kurzwirksamen Substanzen wie Urapidil oder Esmolol ist nur bei prolongierter, exzessiver
Hypertonie in der Phase der zerebralen Einklemmung erforderlich, um eine Myokardischämie zu verhindern. Bradykardien bedürfen nur selten einer Intervention.
Bei einer Bradykardie ist nur Adrenalin einzusetzen, da Atropin wegen des Ausfalls der Vaguskerne nicht wirkt.
Nach Eintritt des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls ist eine hypotensive Kreislaufsituation häufig.
Das zentral bedingte Vasomotorenversagen verursacht ein
relatives Volumendefizit, das durch aktives Erwärmen des Patienten nach
Hypothermie verstärkt wird. Ein weiterer Grund für den Volumenmangel sind Flüssigkeitsrestriktion, Osmotherapie und Diuretikagabe im Rahmen der Hirnödemtherapie sowie ein inadäquat behandelter
Diabetes insipidus oder eine Polyurie infolge Hyperglykämie.
Die adäquate Behandlung der
Hypovolämie besteht in dieser Phase in einer bedarfsadaptierten Volumensubstitution basierend auf balancierten
kristalloiden Lösungen. HES-Präparate sollten vermieden werden, da sie im Vergleich zu kristalloiden Lösungen Nierenfunktionsstörungen hervorrufen können und bei Intensivpatienten mit einem schlechteren Outcome assoziiert sein können. Darüber hinaus werden Tubulusnekrosen beschrieben [
3]. Ist eine Stabilisierung durch Kristalloide nicht möglich, sollte die Gabe von Gelatinepräparaten oder Humanalbumin erwogen werden [
29].
Zur Aufrechterhaltung einer adäquaten Organperfusion kann auch beim Organspender die Transfusion von Erythrozytenkonzentraten notwendig werden. Die Indikation sollte sich neben dem Alter, den Vorerkrankungen und dem Krankheitsverlauf auch an Surrogatparametern wie z. B. zentralvenöser Sättigung <70 % und normaler Laktatkonzentration orientieren. Bei stabiler Hämodynamik wird ein Hk >20 %, bei Kreislaufinstabilität >30 % empfohlen [
3].
45–100 % der Organspender benötigen zumindest vorübergehend Vasopressoren oder positiv inotrope Substanzen [
27], um die Zielgröße des systolischen Blutdrucks von 100 mmHg zu erreichen.
Trotz des Einsatzes von vasoaktiven Substanzen beim Spender ist eine Organentnahme möglich.
Katecholamine haben immunmodulatorische Effekte und können die erhöhte Immunogenität der Organe nach irreversiblem Hirnfunktionsausfall abschwächen und damit zu einem längeren Transplantatüberleben führen [
30]. Diese Effekte sind am besten für Dopamin nachgewiesen [
31], welches protektive
Enzyme wie die
Hämoxygenase 1 (HO-1) induziert [
4] und damit zu einer erhöhten Resistenz der Organe gegenüber Inflammation und Ischämie-Reperfusions-Schaden führt. Bei erheblicher interindividueller Variation der
Pharmakokinetik sollte sich die Dosierung von Dopamin an den hämodynamischen Zielwerten orientieren und nur durch eine Tachykardie limitiert sein [
4]. Kann hierdurch keine hämodynamische Stabilisierung erreicht werden, ist die Ergänzung eines Vasopressors wie Noradrenalin oder
Vasopressin notwendig. Noradrenalin kann hierbei den koronaren und renalen Blutfluss erhöhen [
8]. Vasopressin eignet sich zugleich zur Therapie eines ggf. vorhandenen
Diabetes insipidus und reduziert den Katecholaminbedarf. Die Indikation für inotrop wirksame Medikamente sollte dennoch sorgfältig gestellt werden, da sich die Funktion eines transplantierten Herzens über eine Down-Regulation der β-Rezeptoren und eine myokardiale ATP-Depletion verschlechtern kann [
32].
Elektrolytstörungen sollten behandelt werden; bei hämodynamisch wirksamen ventrikulären Rhythmusstörungen können
Lidocain oder
Amiodaron, bei supraventrikulären Rhythmusstörungen kann Amiodaron zum Einsatz kommen.
Zielparameter bei erweitertem hämodynamischen Monitoring bei instabilem Spender:
-
Herzindex (CI) 3–5 l/m2,
-
Schlagvolumenindex (SVI) 40–60 ml/m2,
-
pulmonalarterieller Verschlussdruck (PAOP) <12 mmHg,
-
systemvaskulärer Widerstandsindex (SVRI) 2000 ± 500 dyn × s × cm−5 × m2,
-
intrathorakaler Blutvolumenindex (ITBVI) >850–1000 ml/m2,
-
extravasaler Lungenwasserindex (ELWI) 3–7 ml/kgKG.
Lunge
Das therapeutische Vorgehen hängt davon ab, inwieweit die Lunge für eine Transplantation in Frage kommt.
Bei schwerem, neurogenem Lungenödem,
Lungenkontusion, Aspiration oder Atemwegsinfektionen scheidet die Entnahme der Lunge meist aus. Ziel der
Beatmung ist es in diesem Fall, mit minimalen hämodynamischen Nebenwirkungen eine ausreichende arterielle Oxygenierung zu erzielen. Hohe PEEP-Werte
(>10 mbar) sollten wegen ihrer potenziell negativen Effekte auf die Organperfusion und der Aktivierung von Entzündungsprozessen zugunsten einer erhöhten F
IO
2 vermieden werden.
Kommt dagegen die
Entnahme der Lunge in Betracht, muss angesichts der geringen Zahl transplantierbarer Lungen die
Behandlungspriorität in Richtung auf eine
Volumenrestriktion geändert werden. Die generalisierte Entzündungsreaktion nach Eintritt des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls erhöht die Permeabilität der alveolokapillären Membran [
34]. Die
Beatmung sollte die Lunge möglichst wenig traumatisieren und zugleich
Atelektasen vorbeugen. Tidalvolumina
von 6–8 ml/kgKG minimieren die Scherkräfte für das Lungengewebe und sollen eine sekundäre Lungenschädigung (
Biotrauma)
verhindern. Der inspiratorische Spitzendruck bei druckbegrenzter Beatmung wird auf maximal 30 mbar begrenzt, der PEEP-Wert auf 8–10 cmH
2O und die F
IO
2 auf den niedrigsten Wert eingestellt, der einen p
aO
2 von 100 mmHg erzielt. Minderbelüftungen können durch Rekrutierungsmaßnahmen wie intermittierendes Blähen und/oder bronchoskopische Sekretabsaugung behoben werden.
Die Flüssigkeitsbilanz bei geplanter Lungenentnahme sollte bewusst negativ gestaltet werden [
23]. Eine Verschlechterung der Nierenfunktion durch Volumenrestriktion ist dabei in Kauf zu nehmen. Ein zusätzliches Monitoring des extravasalen Lungenwassers (EVLW) durch das PiCCO-System kann die Steuerung der
Volumentherapie weiter verbessern [
38].
Durch eine bessere Kommunikation zwischen Entnahmeklinik und Transplantationszentrum und einer aktiven Einbindung der Transplantationschirurgen in die Therapie konnte die Zahl der Lungenentnahmen innerhalb von 4 Jahren verdoppelt werden [
1]. Infektionen der Spenderlunge sind häufig, besonders wenn der Spender länger als 48 h beatmet war. Ein positives Grampräparat eines Bronchialsekrets sollte eine Lungenspende nicht ausschließen, da eine Übertragung der Infektion vom Spender auf den Empfänger selten stattfindet [
35].
Säure-Basen-Haushalt
Eine respiratorische Alkalose, wie sie während Hyperventilation zur Hirndrucktherapie entstehen kann, verschlechtert die Gewebeoxygenierung. Nach Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls sollte deshalb Normokapnie angestrebt werden.
Oft wird bei Hirntoten eine metabolische Azidose beobachtet, die möglicherweise durch einen anaeroben Stoffwechsel infolge eines T
3-Mangels (mit)verursacht wird [
26].
Eine symptomatische Behandlung mit Trometamol (Tris-Puffer) oder Natriumbikarbonat kommt nur bei pH-Werten <7,20 in Betracht, wenn negative Effekte auf die Herzfunktion befürchtet werden.
Niere, Wasser- und Elektrolythaushalt
Bei den meisten Organspendern
kann die
Diurese
mit aggressiver Volumenzufuhr und ggf.
Katecholaminen in Gang gebracht werden. Bleibt die Diurese trotz eines mittleren arteriellen Drucks von >70 mmHg unter 2 ml/kgKG/h, können kleine Dosen Furosemid (10 mg i.v.) oder Mannitol (0,5 g/kgKG) die Urinausscheidung fördern [
36].
In bis zu 80 % der Fälle besteht ein
Diabetes insipidus
infolge eines ADH-Mangels [
6]. Unbehandelt können durch die erheblichen Flüssigkeitsverluste
Hypovolämie und Elektrolytimbalanzen auftreten, was sich negativ auf die Funktion der transplantierten Organe auswirken kann [
10]. Folgende Befunde weisen auf einen
Diabetes insipidus hin:
-
Polyurie mit Urinmengen >5 ml/kgKG/h,
-
spezifisches Gewicht des
Urins <1005,
-
Hypernatriämie mit Natriumkonzentration im
Serum >150 mmol/l als Zeichen einer hypertonen Dehydratation (insgesamt spätes Zeichen),
-
Serumosmolalität >310 mosmol/l,
-
Urinosmolalität <300 mosmol/l,
-
Natriumkonzentration im Urin <20 mmol/l.
Die Therapie des
Diabetes insipidus besteht initial im quantitativen Ersatz des Urinvolumens unter Beachtung der darin enthaltenen Mengen an
Elektrolyten. Die Zufuhr von
Natrium muss durch Gabe natriumarmer oder -freier Lösungen (Halbelektrolytlösung NaCl 0,45 %,
Glukose 5 %) vermindert werden.
Liegt keine Hyperglykämie
vor, sollten glukosehaltige Lösungen bevorzugt werden, da so die intrahepatischen Glykogendepots aufgefüllt und die Leberfunktion nach Transplantation verbessert werden soll [
23].
Eine Hyperglykämie kann die Polyurie
weiter verstärken. Dysfunktionen von Pankreastransplantaten als Folge erhöhter Glukosespiegel im
Serum von Organspendern sind beschrieben [
14]. Durch Insulingabe sollte der Glukosespiegel bei 80–150 mg/dl gehalten werden [
41].
Überschreitet die Urinproduktion 300 ml/h (ca. 5 ml/kgKG/h), sollte
DDAVP (Desamino-D-Arginin-Vasopressin = Desmopressin) 1–4 μg alle 6–12 h i.v. gegeben werden. Die antidiuretische Wirkung von DDAVP hält 6–20 h (HWZ 90–160 min) an.
Vasopressin als zweite antidiuretische Substanz hat verglichen mit DDAVP eine mehr vasopressorische Wirkung und kann bei Bolusinjektion Organischämien auslösen. Es sollte nur kontinuierlich (<2,4 U/h) appliziert werden (HWZ ca. 15 min) [
7,
32].
Gerinnung
Nach zerebralen Läsionen muss mit Gerinnungsstörungen
gerechnet werden, da Plasminogenaktivatoren und fibrinolytische Substanzen aus dem thromboplastinreichen Hirngewebe freigesetzt werden.
Auch Störungen der Blutgerinnung nach vorangegangener Massivtransfusion erhöhen die
Blutungsneigung beim Organspender
. Frischplasma und Thrombozytenkonzentrate sollten abhängig von der klinischen Blutungsneigung transfundiert werden. Von Antifibrinolytika wird wegen des erhöhten Risikos von Mikrothromben in Spenderorganen
und schlechteren Ergebnissen nach Transplantation abgeraten [
7,
37].