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Die Geburtshilfe
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Publiziert am: 03.09.2022

Fetale Alloimmunisierung und Anämie

Verfasst von: Annegret Geipel und Ulrich Gembruch
Genetische Varianten von Oberflächenantigenen von Blutzellen können in einer Schwangerschaft zur Immunisierung der Mutter gegen fetale Erythrozyten führen. Die wichtigste maternofetale Alloimmunerkrankung, die Rhesus-D-Inkompabilität (RhD), konnte insbesondere durch die Einführung einer Prophylaxe stark reduziert werden. Die Möglichkeit der Bestimmung fetaler Blutgruppenantigene aus der cfDNA (zellfreie DNA) im mütterlichen Blut hat die invasive Diagnostik zur Bestimmung fetaler Blutgruppeneigenschaften weitgehend abgelöst. Als Standard zur Überwachung von Risikoschwangerschaften hat sich die dopplersonografische Messung der Maximalgeschwindigkeit der A. cerebri media etabliert. Dennoch bleiben die Diagnostik, Überwachung und Therapie der fetalen Anämie eine Herausforderung, deren Management erfahrenen Perinatalzentren vorbehalten bleiben sollte.

Einführung

Immunologisch bedingte hämolytische Erkrankungen von Feten und Neugeborenen werden durch eine mütterliche Alloimmunisierung gegen Antigene der fetalen Erythrozyten verursacht. In schweren Fällen kann dies zu einer fetalen Anämie mit oder ohne Ausbildung eines Hydrops fetalis oder nur zu schweren Formen einer neonatalen Anämie und/oder Hyperbilirubinämie mit dem Risiko eines Kernikterus führen. Die Mehrzahl der schweren Verlaufsformen wird trotz der Einführung der antenatalen und postpartalen Anti-D-Immunglobulinprophylaxe durch maternale Anti-D-Alloantikörper verursacht. Screening-Programme haben das Ziel, eine mütterliche Alloimmunisierung bereits frühzeitig in der Schwangerschaft zu erkennen, um bei Risikofällen eine entsprechende pränatale Überwachung und ggf. rechtzeitige Behandlung zu ermöglichen. In diesem Kapitel wird ein Überblick über die klinische Relevanz verschiedener Erythrozytenantikörpern im Zusammenhang mit dem Auftreten fetaler Anämien sowie über deren Prävention, Diagnostik und Behandlungsmöglichkeiten gegeben.

Pathophysiologie derHämolyse

Eine mütterliche Alloimmunisierung kann durch frühere inkompatible Bluttransfusionen oder durch fetomaternale Blutungen (FMH) in einer früheren oder der aktuellen Schwangerschaft ausgelöst werden. Nur Antikörper der IgG-Klasse sind plazentagängig und werden aktiv durch die Plazenta transportiert. Wenn das Kind positiv für das betreffende Erythrozytenantigen ist, bilden diese mit den mütterlichen Alloantikörpern Immunkomplexe. Die so vermittelte Zerstörung der fetalen Erythrozyten im retikuloendothelialen System der fetalen Milz kann zu einer Anämie führen. Diese führt zu einer kompensatorisch gesteigerten Erythropoese, welche jedoch unzureichend sein kann. Erythrozytenalloantikörper, die gegen Antigene des Kell-Systems gerichtet sind, induzieren nicht nur die Zerstörung fetaler Erythrozyten, sondern auch deren erythroider Vorläuferzellen, was zu einer Anämie ohne Erythroblastose bereits bei relativ niedrigen maternalen Antikörperkonzentrationen und zu einem zeitlich schnelleren Abfall der fetalen Erythrozytenkonzentration als bei anderen Erythrozytenalloantikörpern führt.
Die Adapation an die Anämie führt zu einer hyperdynamischen Kreislaufsituation des Feten, die mit einem „high cardiac output“ und konsekutiv mit einer dilatativen Kardiomegalie und schließlich einem fetalen Hydrops einhergehen kann. Die Hämolyse der fetalen Erythrozyten führt zu einer gesteigerten Erythropoese, einer erhöhten Laktat-Dehydrogenase (LDL)- und Bilirubinkonzentration. Da Bilirubin die Plazenta passiert, wird der Großteil des Bilirubinüberschusses während der Schwangerschaft über den mütterlichen Kreislauf ausgeschieden. Nach der Geburt setzt sich der hämolytische Prozess fort, jedoch kann die relativ unreife Leber des Neugeborenen das überschüssige Bilirubin noch nicht ausreichend konjugieren. Infolgedessen kann es zu einer schweren Hyperbilirubinämie und unbehandelt zu einer irreversiblen Schädigung des Zentralnervensystems führen, einem Zustand, der als „Kernikterus“ bekannt ist. Dieser ist durch Bilirubinablagerungen in den Basalganglien und im Hirnstamm gekennzeichnet und geht mit einer langfristigen Morbidität, in Form von Zerebralparese, Hörproblemen und psychomotorischen Einschränkungen einher.

Prävalenz der Alloimmunisierung

Die Häufigkeit einer Alloimmunisierung variiert je nach Prävalenz der Blutgruppenantigene in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. So wird die Häufigkeit einer RhD-Negativität bei Menschen europäischer/nordamerikanischer Abstammung mit ca. 15–17 % angegeben. Bei Menschen afrikanischer und indischer Abstammung beträgt sie ca. 3–8 %, während sie in asiatischen Populationen bei nur 0,1–0,3 % liegt (Zipursky und Bhutani 2015). Bei rund 12,5 % der Schwangerschaften europäischer Paare besteht eine RhD-Konstellation. Die Prävalenz anderer Erythrozytenantigene variiert in verschiedenen Bevölkerungsgruppen und Ethnien ebenfalls stark, was wiederum zu unterschiedlichen Raten der Alloimmunisierung führt. Darüberhinaus scheint möglicherweise eine ABO-Inkompatibilität zwischen Mutter und Fetus eine protektive Wirkung gegen andere Erythrozytenalloimmunisierungen zu haben (Webb und Delaney 2018).
In Europa und Nordamerika sind etwa 0,4–1 % der Schwangerschaften von einer Alloimmunisierung betroffen, davon ca. 50 % mit klinisch signifikanten Antikörpern, wobei die häufigsten Spezifitäten hier Anti-D, Anti-E, Anti-K und Anti-C sind (Gottvall und Filbey 2008; Koelewijn et al. 2008; Bollason et al. 2017). Multiple Antikörper werden in bis zu 13 % beschrieben, wobei die Kombinationen von Anti-D mit Anti-C sowie Anti-D mit Anti-E am häufigsten sind (Markham et al. 2015; Phung et al. 2018).

Klinische Relevanz verschiedener Erythrozytenalloantikörper

Das Risiko der Hämolyse hängt von mehreren Faktoren ab, u. a. von der Antikörperkonzentration, der Ig-Klasse, der Spezifität der Erythrozytenantikörper und dem Grad der Expression des betreffenden Blutgruppenantigens auf den fetalen Erythrozyten. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Spezifität der Erythrozytenantikörper im Hinblick auf ihr Risiko, eine fetale Anämie zu induzieren (Tab. 1). Anti-D und Anti-Kell Antikörper sind in der Literatur mit dem höchsten Risiko für schwere Verläufe und einem hohen Risko für fetale Anämie und Hydrops beschrieben, während das Risiko bei Schwangerschaften, die durch andere mütterliche Erythrozytenalloantikörper kompliziert sind, deutlich geringer ist (De Haas et al. 2015; Phung et al. 2018) (Abb. 1).
Tab. 1
Risiko für eine immunologisch bedingte hämolytische Anämie in Abhhängigkeit des nachgewiesenen maternalen Antikörpers. (Markham et al. 2015; de Haas et al. 2015; Phung et al. 2018)
Rhesus (Rh) D, Rh c, Rh E
Hoch
Rhesus (Rh) C, Rh e
Intermediär
Kell
Hoch
Duffy (Fy)
Gering
Kidd (Jk)
Gering
M, N, S
Sehr gering
Diego (Di)
Sehr gering
Lutheran (Lu), Lewis (Le)
Sehr gering
Bei Frauen mit mehreren Erythrozytenantikörpern ist die Wahrscheinlichkeit einer signifikanten hämolytischen Erkrankung von Fetus und Neugeborenem größer als bei Frauen mit nur einem Antikörpertyp, insbesondere in Kombination mit Anti-D. Ein hoher mütterlicher Antikörpertiter sowie mehrere betroffene Schwangerschaften gelten als unabhängige Risikofaktoren für schwere Verläufe (Markham et al. 2015; Phung et al. 2018; Li et al. 2020).

Prävention von Alloimmunisierung

Die Mehrzahl (>80 %) der Alloimmunisierungen sind auf eine Sensibilisierung im Rahmen einer vorangegangenen Schwangerschaft zurückzuführen, nur eine Minderheit entsteht infolge einer Bluttransfusion. Um zu verhindern, dass es bei Frauen im gebärfähigen Alter zu einer transfusionsbedingten Erythrozytenalloimmunisierung kommt, sollte vor jeder nicht dringenden Transfusion neben dem ABO- auch der RhD-Typ bestimmt und auf Erythrozytenantikörper getestet werden. In Notfallsituationen, in denen der RhD-Typ unbekannt ist, verhindert die Verwendung von RhD-negativem Blut eine Sensibilisierung für dieses Antigen. In einigen Ländern gehört auch der Abgleich auf Kell (K1) zur Standardpraxis der Blutbanken.
Nach Exposition der Schwangeren verhindert die Gabe von Rh-Immunglobulin eine aktive Sensibilisierung auf RhD, was weltweit zu einer deutlichen Verringerung der Häufigkeit von schweren Krankheitsverläufen aufgrund von RhD -Inkompatibilitäten geführt hat. Traditionelles Rh-Immunglobulin ist ein hochgereinigtes, polyklonales Medizinprodukt, das aus gepooltem Plasma von sensibilisierten Männern stammt. Es werden zunehmend rekombinante Präparate entwickelt (Webb und Delaney 2018; Mayekar et al. 2020).
Im Rahmen der ersten Untersuchung bei Feststellung einer Schwangerschaft erfolgt üblicherweise die Blutgruppenbestimmung inklusive Rhesus-Faktor sowie die Suche nach irregulären Blutgruppenantikörpern mittels Coombs-Test. In den meisten Ländern Europas und Nordamerikas wird die Verabreichung von Rh-Immunglobulin an RhD-negative Schwangere prophylaktisch in der 28. Schwangerschaftswoche sowie innerhalb von 72 h nach Ereignissen mit zu erwartender Exposition gegenüber fetalen Antigenen (Eileiterschwangerschaft, vaginale Blutung, Schwangerschaftsabbruch, Amniozentese, Chorionzottenbiopsie, Bauchtrauma usw.) und erneut nach der Geburt, sofern das Kind Rh-positiv ist, empfohlen. Die antenatale Rhesusprophylaxe erfolgt mit 300 μg Anti-D Immunglobulin. Diese Dosis genügt, um etwa 24 ml fetales Blut zu neutralisieren. Durch die Möglichkeit, das kindliche Rhesus-Merkmal nichtinvasiv aus dem mütterlichen Blut zu bestimmen, ist dieses Vorgehen mittlerweile in vielen Ländern, so auch in Deutschland, dahingehend geändert worden, nur noch den RhD-negativen Schwangeren, die ein RhD-positives Kind erwarten (ca. 30–40 %), die antenatale Anti-D-Prophylaxe zu verabreichen. Die nichtinvasive fetale Rh-Genotypisierung weist eine diagnostische Genauigkeit von >99 % auf (Zhu et al. 2014). Für Zwillingsschwangerschaften stehen derzeit keine validierten Tests zur Verfügung, daher erhalten diese bei RhD-negativer Mutter in gewohnter Weise die Immunglobulinprophylaxe.
Gründe für eine Sensibilisierung trotz Verabreichung einer antenatalen Prophylaxe können seltene Fälle einer fetomaternalen Makrotransfusion sein, bei der die Dosis des gegebenen Anti-D zu gering war. Risikofaktoren hierfür sind eine prolongierte Geburt, eine vaginal-operative Entbindung sowie ein Kaiserschnitt, ebenso eine Geburt bei Übertragung. Auch eine mütterliche Adipositas, definiert als ein BMI ≥ 30 kg Körpergewicht/m2, gilt aufgrund des erhöhten Verteilungsvolumens als Risikofaktor (Pham et al. 2015). Bei immigrierten Schwangeren aus Ländern ohne entsprechende Prophylaxe ist eine Rhesus-Inkompatibilität gehäuft zu beobachten.

Diagnostik und Überwachung von Schwangerschaften mit Alloimmunisierung

Bei Schwangeren mit dem Nachweis von irregulären Blutgruppenantikörpern ist zu klären:
  • Ist der Vater homo- oder heterozygot für das entsprechende Blutgruppenantigen?
  • Hat das Kind die betreffende Blutgruppe (bzw. das entsprechende Antigen) geerbt?
  • Ist der nachgewiesene Antikörper mit einem hohen oder geringen Risiko für eine hämolytische Anämie vergesellschaftet (Tab. 1)?
  • Zeigt das Kind sonografische Hinweiszeichen für eine Anämie?
Bei gesicherter Vaterschaft werden zunächst der väterliche Blutgruppenantigenstatus und die Zygosität bestimmt. Ist der Vater für das bestimmte Erythrozytenantigen heterozygot, besteht für den Feten ein 50 %iges Risiko der Vererbung, entsprechend sollte dann eine fetale Genotypisierung durchgeführt werden. Ist der Vater homozygot, erben alle Feten dieses Antigen und eine Genotypisierung ist nicht erforderlich (Abb. 2).
Vor Implementierung der Diagnostik aus zellfreier DNA im mütterlichen Plasma konnte die fetale Genotypisierung nur durch eine Fruchtwasseruntersuchung erfolgen. Mittlerweile ist mittels verschiedener Assays eine zuverlässige Genotypisierung von D, C, c, E und K aus maternaler zellfreier DNA bereits im 1. Trimester der Schwangerschaft möglich (Gutensohn et al. 2010; Scheffer et al. 2011).
Bei sensibilisierten Schwangeren werden serielle Titerkontrollen durchgeführt, in der Regel alle 4 Wochen bis zur 24. Schwangerschaftswoche, danach alle 2 Wochen. Liegt der Titer über einem bestimmten Schwellenwert, müssen die Patientinnen zur engmaschigen Überwachung und falls erforderlich zur fetalen oder neonatalen Behandlung an ein Zentrum für fetomaternale Medizin überwiesen werden. Der laborspezifische „kritische“ Titerwert, der auf ein hohes Risiko einer fetalen Anämie hinweist, wird zwischen 1:32 und 1:64 für Anti-RhD und die meisten anderen Antikörper, jedoch mit 1:4 oder 1:8 für Anti-Kell angegeben (Abbasi et al. 2017; Slootweg et al. 2018). Die fetale Überwachung erfolgt mittels Ultraschall und Doppler-Messungen der systolischen Spitzengeschwindigkeit der A. cerebri media (MCA), um rechtzeitig das Vorhandensein einer fetalen Anämie zu erkennen (SMFM 2015; Abbasi et al. 2017; Prefumo et al. 2019). (Abb. 3a, b)

Sonografische Diagnostik bei Verdacht auf fetale Anämie

Bei fetaler Anämie sind die Blutflussgeschwindigkeiten aufgrund der verringerten Blutviskosität und des gesteigerten Herzzeitvolumens erhöht; daher kann unabhängig von der Ätiologie einer fetalen Anämie mittels Doppler-Ultraschall ein Anstieg der systolischen Maximalgeschwindigkeit in der MCA (MCA-PSV) nachgewiesen werden (Abb. 4a). Um trotz sinkender Erythrozytenkonzentration eine stabile Sauerstoffversorgung der Organe aufrechtzuerhalten, reagiert der Fetus mit einer kompensatorischen Erhöhung seines Herzauswurfs. Da es sich hierbei nicht um eine hypoxämiebedingte, klassische Blutumverteilung handelt, sind die fetalen Doppler-Indizes (PI, RI) in der A. umbilicalis und der MCA sowie im venösen System primär normal.
Zu den typischen sonografischen Hinweiszeichen bei fetaler Anämie gehören (Abb. 4b):
Ein Hydrops entwickelt sich erst, wenn die fetalen Kompensationsmechanismen erschöpft sind. Die Hydropsschwelle ist vom Gestationsalter abhängig und liegt bei Hämoglobin (Hb) Werten zwischen 5 und 7 g/dl. Die klassische Manifestationsreihenfolge beim Hydrops infolge einer fetalen Anämie ist die Ausbildung von Aszites gefolgt von einer Plazentaverdickung und Hepatomegalie sowie in weiterer Folge die Entwicklung eines Perikardergusses. Hingegen sind assoziierte Pleuraergüsse selten (Abbasi et al. 2017; Prefumo et al. 2019).
Allerdings sind diese Veränderungen erst bei einer schweren Anämie zu beobachten und damit weniger sensitiv als die Doppler-Sonografie der MCA, die als Hauptinstrument in der Früherfassung der fetalen Anämie gilt. Grundlage der Doppler-sonografischen Diagnostik ist die inverse Beziehung zwischen dem fetalen Hämatokrit und dem MCA-PSV. Mari et al. konnten zeigen, dass mit einem MCA-PSV >1,50 multiples of the median (MoM) bei nichthydropen Feten alle Fälle von mittelschwerer bis schwerer Anämie erkannt wurden, bei einer falsch-positiven-Rate von 12 % (Mari et al. 2000).
Mit der Doppler-Sonografie können entsprechende Risikoschwangerschaften seriell überwacht werden. Managementalgorithmen definieren spezifische Zeitrahmen (meist 1–2 Wochen), in denen Schwangerschaften in Abhängigkeit der MCA-Maximalgeschwindigkeit erneut kontrolliert werden sollten (Mari et al. 2000; SMFM 2015).
Um reproduzierbare und verlässliche Ergebnisse bei der Messung der Spitzengeschwindigkeit der MCA zu erreichen, müssen standardisierte Kriterien befolgt werden. Die technische Durchführung ist u. a. in den Leitlinien der International Society of Ultrasound in Obstetrics and Gynecology (Bhide et al. 2021) und den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (Faber et al. 2021) beschrieben. Es sollte ein axialer Schnitt des Gehirns in ausreichender Vergrößerung einschließlich der Thalami, des Cavum septi pellucidi und des großen Keilbeinflügels dargestellt werden, wobei der Circulus Willisi mittels Farbdoppler identifiziert wird. Die MCA wird in der Nähe ihres Ursprungs, ca. 1,5–2 cm nach Abgang aus der A. carotis interna mittels Messfenster abgegriffen. Für eine optimale Messung der systolischen Maximalgeschwindigkeit sollte der Insonationswinkel möglichst bei 0 Grad liegen (Abb. 3a, b). Eine höhere Variabilität und Messungenauigkeit resultiert aus der Verwendung der Winkelkorrektur und der Ableitung aus distaleren Regionen der MCA. Die Messung sollte in fetaler Ruhe erfolgen, da Herzfrequenzbeschleunigungen und Bewegungen die Messungen verändern können. Die Messung kann sowohl an der proximalen, schallkopfnahen als auch der distalen MCA durchgeführt werden (Abel et al. 2003). Da bei Benutzung der automatischen Hüllkurvenmessung die tatsächliche MCA-PSV häufig unterschätzt wird empfiehlt sich die manuelle Messung.
Bei nichthydropen Feten liegt die Sensitivität eines einzelnen MCA-PSV-Wertes für eine mäßige oder schwere Anämie bei 75,5–95 %, mit einer falsch-positiven Rate von 10–12 % (Mari et al. 2000; Pretlove et al. 2009). Jenseits von 35 Schwangerschaftswochen scheint die falsch-positive Rate höher zu sein (Zimmerman et al. 2002). Durch die Berücksichtigung von MCA-PSV-Trends (im Gegensatz zu einer einzelnen Messung) kann die falsch-positive Rate auf weniger als 5 % reduziert werden (Zimmerman et al. 2002). In anderen Untersuchungen von alloimmunisierten Schwangerschaften in der 34.–37. SSW betrug die alleinige Sensitivität des MCA-PSV für eine fetale Anämie 69 %, stieg aber auf 94 %, wenn auch Anzeichen von Hydrops berücksichtigt wurden (Maisonneuve et al. 2017).
Bei Hinweisen für eine mittelschwere bis schwere Anämie ist die zeitnahe Überweisung an ein spezialisiertes Zentrum zur weiteren ggf. auch invasiven Abklärung und der Möglichkeit zur Durchführung einer intrauterinen Transfusion erforderlich.

Intrauterine Transfusion

Die intravaskuläre intrauterine Transfusion (IUT) in die fetale Nabelvene ist die etablierte Technik zur Behandlung der fetalen Anämie. Sie ist nur bei mittelschwerer oder schwerer Anämie indiziert, wobei die Definition dieser von Zentrum zu Zentrum variieren kann (z. B. als Grenze zwischen leichter und mittelschwerer Anämie eine Hb-Konzentration von 4–5 standard deviation (SDs) unter dem Mittelwert für das Gestationsalter, Hb-Defizit >5 g/dl, absolute Hb-Konzentration <10 g/dl oder Hämatokrit <30 %). Die IUT wird in der Regel mit frischem, 0-Rh negativen, CMV-negativen, gewaschenem, bestrahlten und leukozytenarmen Erythrozytenkonzentrat eines Spenders durchgeführt, das für die entsprechenden Antigene negativ ist und auf einen Hämatokritwert von 75–80 % konzentriert wurde (Abbasi et al. 2017; Prefumo et al. 2019). Um eine maternale Immunisierung gegen andere Blutgruppenantigene zu vermeiden, sollte bei der Auswahl des Spenders eine Kompatibilität bezüglich möglichst vieler der relevanten Blutgruppenantigene vorliegen.
Die Transfusion wird unter aseptischen Bedingungen und unter kontinuierlicher Ultraschallkontrolle mit einer 20- oder 22-Gauge Spinalnadel durchgeführt. Die Nabelvene wird möglichst an der plazentaren Insertion punktiert, wenn dies nicht möglich ist, kann ggf. auch eine freie Nabelschnurschlinge oder die intrahepatische Nabelvene gewählt werden. Der Nabelschnuransatz an der Plazenta gilt als sicherste Stelle, während Punktionen an freien Schlingen höhere Komplikationsraten haben. Die arterielle Punktion sollte wegen des Risikos eines Gefäßspasmus vermieden werden (Zwiers et al. 2017). Intraperitoneale oder intrakardiale Transfusionen sollten nur in besonderen Situationen, z. B. bei sehr frühem Gestationsalter, durchgeführt werden.
Einige Arbeitsgruppen bevorzugen eine routinemäßige Paralysierung des Feten, z. B. durch Vecuronium, wobei das Medikament entweder intramuskulär oder direkt in die Nabelvene verabreicht werden kann. Damit verringert sich ggf. das Risiko einer Nadeldislokation bei fetalen Bewegungen und die daraus resultierenden Komplikationen wie arterielle Spasmen oder Nabelschnurhämatome (Zwiers et al. 2017).
Sobald der Zugang zur Nabelvene erreicht ist, wird eine fetale Blutprobe entnommen und für ein fetales Blutbild und eventuell weitere Tests (Blutgruppe, Retikulozytenzahl) an das Labor geschickt. Es empfiehlt sich, eine direkte Hb-Bestimmung mit einem Point-of-Care-Analysegeräte durchzuführen, um den unmittelbaren Transfusionsbedarf abzuschätzen. Es werden ca. 30–50 ml Erythrozytenkonzentrat/kg fetalen Schätzgewichts (ohne Hydrops) transfundiert, nach erfolgter Transfusion sollte der Hämatokrit zwischen 40 und 50 % liegen. Anhand des gemessenen End-Hb wird der weitere Transfusionsbedarf abgeschätzt. Bei alloimmunhämolytischer Anämie werden üblicherweise Transfusionen etwa alle 2–3 Wochen (entsprechend des Hämatokritabfalls) geplant. Anders ist die Situation bei Hydrops fetalis, hier sollten primär geringere Volumina gewählt werden, um eine akute Volumenüberlastung zu vermeiden. In solchen Fällen erfolgt dann die 2. IUT nach 2–3 Tagen. Bei unkompliziertem Verlauf erfolgt die letzte Transfusion zwischen der 35. und 36. SSW, danach wird in zeitlichem Abstand von 2–3 Wochen die Entbindung angestrebt.
Mögliche Komplikationen bei IUT sind ein vorzeitiger Blasensprung, Infektionen, eine Blutung aus der Einstichstelle, ein Hämatom der Nabelschnur sowie Bradykardie oder Tachykardie bis hin zum Tod des Feten. Die Komplikationsraten werden mit 1–3 % angegeben und sind u. a. vom Gestationsalter, der technischen Durchführung, der Schwere der Anämie und insbesondere der Erfahrung der Durchführenden abhängig (Zwiers et al. 2017). Einige der Komplikationen können bei lebensfähigem Feten eine sofortige Entbindung per Notkaiserschnitt erfordern, weshalb bei Erreichen der Lebensfähigkeit die Verabreichung von Steroiden in Betracht gezogen werden sollte. Ferner sollte der Eingriff nur dort durchgeführt werden, wo ggf. eine notfallmäßige Entbindung per Kaiserschnitt erfolgen kann.
Die Überlebensraten nach IUT bei Rh-Inkompatibilität liegen zwischen 80 und 94 %, sind aber bei schwerem Hydrops fetalis geringer. Allgemeine neurologische Entwicklungsverzögerungen werden in <5 % der Fälle beobachtet, Zerebralparesen oder schwerwiegende neurologische Entwicklungsstörungen in <1,5 %. Insbesondere Hydrops fetalis und eine Frühgeburt <32 SSW gelten als Risikofaktoren für eine ungünstigere Langzeitprognose (Lindenburg et al. 2014; Abbasi et al. 2017). Neugeborene, die intrauterin mehrfache Transfusionen erhalten haben, weisen häufig eine Suppression der Retikulozyten auf und benötigen daher unter Umständen auch postnatal zusätzliche Transfusionen, bis die eigene Erythropoese wiedereinsetzt.

Verzögerung des Transfusionsbedarfs bei Hochrisikoschwangerschaften

Bei Hochrisikoschwangerschaften (hoher Antikörpertiter, früher Transfusionsbedarf in einer vorangegangenen Schwangerschaft) kann eine fetale Anämie bereits in einem so frühen Stadium der Schwangerschaft eintreten, dass eine erfolgreiche In-utero-Transfusion ggf. technisch schwierig ist. Einzelne Fallserien haben die maternale Gabe von gepooltem intravenösem Immunglobulin (IVIG) als adjuvante Therapie beschrieben. Die begrenzte Evidenz zu IVIG legt nahe, dass eine IVIG-Behandlung allein oder in Kombination mit einem therapeutischen Plasmaaustausch das Risiko eines Hydrops und fetalen Todes bei schwer Rhesus-sensibilisierten Patientinnen verringern könnte. Im Vergleich zu historischen Kontrollen scheint IVIG allein oder in Kombination mit einer Plasmapherese den Bedarf an perinatalen Bluttransfusionen zu verzögern oder zu verringern insbesondere wenn die Therapie bereits im 1. Trimenon begonnen wird (Nwogu et al. 2018; Zwiers et al. 2018). Die tatsächliche Wirkungsweise von IVIG ist unklar. Diskutiert werden u. a. verschiedene Mechanismen die zur Herabregulierung der mütterlichen Immunantwort führen: Erhöhung der Suppressor-T-Zellfunktion, was zu einer Hemmung der mütterlichen Antikörpersynthese führt, die Verringerung des Antikörpertransports über die Plazenta durch kompetitive Blockierung der Fc-Rezeptoren, sowie die kompetitive Blockade der Fc-Rezeptoren im retikuloendothelialen System des Feten, wodurch die Phagozytose von antikörperbeschichteten fetalen Erythrozyten verringert wird. Bevor diese kostenintensive und auch mit Risiken verbundene adjuvante Behandlung uneingeschränkt empfohlen werden kann, sind weitere Studien, insbesondere mit quantitativer Überwachung der maternalen Antikörper erforderlich.
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