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Die Geburtshilfe
Info
Verfasst von:
Dietmar Schlembach und Franz Kainer
Publiziert am: 05.12.2023

Blutungen im 3. Trimenon (ante- und subpartual), Placenta und Vasa praevia, vorzeitige Plazentalösung

Grundsätzlich muss zwischen schwangerschaftsbedingten und nicht schwangerschaftsbedingten Ursachen für Blutungen in der Spätschwangerschaft unterschieden werden. Erstere gehen meist mit einem geringeren Risiko für Mutter und Kind einher. Schwere schwangerschaftsbedingte Blutungen führen meist zu einem Blutverlust von >1000 ml und sind zu 40–70 % durch eine Placenta praevia oder eine vorzeitige Plazentalösung hervorgerufen. Ausschließlich fetale Blutungen – z. B. durch Ruptur der Vasa praevia– sind selten.
Da die Prognose für den weiteren Schwangerschaftsverlauf schwer eingeschätzt werden kann, ist auch bei leichten Blutungen primär eine stationäre Überwachung angezeigt. Die klinische Untersuchung und die Sonografie ermöglichen in den meisten Fällen sehr rasch eine Beurteilung, ob die Beendigung der Schwangerschaft erforderlich ist. Bei schweren Blutungen steht – neben den allgemeinen Richtlinien der Notfallmedizin – die unverzügliche Beendigung der Schwangerschaft im Vordergrund.

Zum Einstieg

Blutungen im 3. Trimenon sind relativ häufig (2–10 %) und können zu schwerwiegenden Komplikationen bei Mutter und Kind führen. Schwere Blutungen im 3. Trimenon sind auch in Ländern mit ausreichender medizinischer Versorgung eine der Hauptursachen für mütterliche Todesfälle; in Entwicklungsländern sind sie hierfür die häufigste Ursache. Zusätzlich wird die kindliche Morbidität und Mortalität durch Blutungskomplikationen entscheidend belastet.

Allgemeine Grundlagen

Terminologie

Blutung im 3. Trimenon:
Eine Blutung im 3. Trimenon ist definiert als genitale Blutung ab der 24+0 Schwangerschaftswoche (SSW).
Die beiden häufigsten Ursachen einer Blutung im 3. Trimenon sind die Placenta praevia und die vorzeitige Plazentalösung.

Placenta praevia

Hierunter versteht man die vollständige oder teilweise Implantation der Plazenta im unteren Uterinsegment unter Einbeziehung des inneren Muttermundes. Die Plazenta inseriert normalerweise im oberen bis mittleren Drittel des Corpus uteri. Die Plazentalokalisation wird in Abhängigkeit von der Lage der Plazenta zum inneren Muttermund wie folgt eingeteilt (Oppenheimer et al. 1991) (Abb. 1):
  • Placenta praevia totalis: Der innere Muttermund wird vollständig von der Plazenta überdeckt (Abb. 2 und 3)
  • Placenta praevia partialis: Die Plazenta überdeckt teilweise den inneren Muttermund
  • Placenta praevia marginalis: Die Plazenta erreicht den inneren Muttermund
  • Tiefreichende Plazenta: Implantation der Plazenta im unteren Uterinsegment, bei der der Plazentarand mehr als 2 cm vom inneren Muttermund entfernt ist

Vorzeitige Plazentalösung (Abruptio placentae)

  • Vollständige vorzeitige Plazentalösung: die Plazenta hat sich vollständig von der Uterushaftfläche abgelöst, eine maternale Perfusion der Plazenta ist nicht mehr gewährleistet
  • Teilweise vorzeitige Plazentalösung: die Plazenta hat sich nur teilweise von der Haftfläche gelöst, in Abhängigkeit von der Größe der Ablösung kann eine Versorgung des Fetus gewährleistet sein

Vasa-praevia-Blutung

Hierbei handelt es sich um Blutungen aus Nabelschnurgefäßen, die bei velamentösem Nabelschnuransatz im Bereich des unteren Uterinsegments/des inneren Muttermundes in den Eihäuten liegen. Es kann bei einem spontanen Blasensprung oder nach Amniotomie durch Gefäßverletzungen zu einer für den Fetus lebensbedrohlichen Blutung kommen.
Man unterscheidet drei Typen (Catanzarite et al. 2001):
  • Typ I: Das freiliegende Gefäß ist mit einem velamentösen Nabelschnuransatz konnektiert
  • Typ II: Das freiliegende Gefäß ist direkt mit der Plazenta oder einer Nebenplazenta konnektiert
  • Typ III: ein Teil der Plazenta, der über dem Os internum der Zervix liegt, atrophiert. Bei diesem Typ liegt eine normale Insertion der Nabelschnur vor, es findet sich keine Nebenplazenta, die Gefäße laufen jedoch frei über das Os internum

Uterusruptur

  • Komplette Uterusruptur: vollständige Zerreißung der Uteruswand mit Eröffnung des Peritoneum viscerale, der Fetus (bzw. die Plazenta) liegt in der freien Bauchhöhle
  • Gedeckte Uterusruptur: Dehiszenz einer Uterusnarbe nach vorheriger Operation ohne offene Verbindung mit der Bauchhöhle; da die Dehiszenz meist ohne Beschwerden einhergeht, spricht man auch von einer „stillen“ Ruptur.

Fetomaternale Blutung

Übertritt von fetalem Blut in den mütterlichen Kreislauf durch ein Trauma (Pearlman et al. 1990) oder durch spontan auftretende rezidivierende Blutungen.

Inzidenz

Die Häufigkeit von Blutungen in der Spätschwangerschaft wird mit 4–5 % angegeben (Norwitz und Park 2022), wovon in 2–3 % schwere Blutungen (> 800 ml Blutverlust) auftreten. Hauptursachen stellen die Placenta praevia (20 %) und die vorzeitige Plazentalösung (30 %); insgesamt ist die Plazenta in 40–70 % der Fälle für die Blutung verantwortlich (Tab. 1).
Tab. 1
Blutungen im 3. Trimenon: Ursachen und Häufigkeit. (Mod. nach Crenshaw et al. 1973)
Blutungsursache
Häufigkeit
(%)
Unbekannt
30–50
Plazentarandblutung
17–33
Placenta praevia
12–24
Abruptio placentae
15–26
„Zeichnungsblutung“
15–20
Uterusruptur
0,8
Vasa praevia
0,5
Schwangerschaftsunabhängig
6–10
Die Inzidenz der schweren peri- und postpartalen Blutungen (PPH) hat in den letzten Jahren zugenommen. Bedingt ist dies durch die Zunahme von Uterusatonien als Folge von vermehrten Geburtseinleitungen sowie einer steigenden Rate an Kaiserschnittentbindungen (Kramer et al. 2013; Mehrabadi et al. 2013).
Eine Placenta praevia tritt bei 0,3–0,5 % aller Schwangerschaften auf (Cresswell et al. 2013; Faiz und Ananth 2003). Ist es zur Implantation der Plazenta im Bereich des inneren Muttermundes gekommen, dann handelt es sich in 20 % der Fälle um eine Placenta praevia totalis, in der Hälfte der Fälle um eine tiefsitzende Plazenta und in ca. 30 % um eine Placenta praevia partialis.
Das Wiederholungsrisiko, bei einer weiteren Schwangerschaft erneut eine Placenta praevia zu bekommen, beträgt 4–8 % (Roberts et al. 2012).
Eine vorzeitige Plazentalösung tritt in ca. 0,2–1,3 % aller Schwangerschaften auf, zwei Drittel davon werden als schwer klassifiziert (6,5/1000). Im Vergleich zu Schwangerschaften ohne vorzeitige Lösung ist die Rate an ernsten maternalen Komplikationen 1,5-fach (Plazentalösung) bzw. 4,3-fach bei schwerer Plazentalösung erhöht (Ananth et al. 2016; Kojima et al. 2021; Ruiter et al. 2015b; Tikkanen 2011).
Das Wiederholungsrisiko nach einer vorzeitigen Plazentalösung beträgt 3–15 % und ca. 25 % nach 2-maliger Plazentalösung) (Ananth et al. 1996; Kojima et al. 2021; Ruiter et al. 2015b). Eine vorangegangene Abruptio placentae gilt als stärkster Risikofaktor für eine erneute vorzeitige Plazentalösung (Risikoerhöhung 10- bis 15-fach); Patientinnen mit einer Plazentaablösung in der 1. Schwangerschaft haben ein stark erhöhtes Risiko für eine Plazentaablösung, das bis zu 93-fach (95 %-Konfidenzintervall[KI] 62–139) in einer nachfolgenden Schwangerschaft erhöht ist; eine Abruptio placentae am Entbindungstermin scheint mit einem höheren Risiko für eine erneutes Auftreten einer vorzeitigen Lösung verbunden zu sein (bereinigte Odds Ratio [aOR] 188, 95 %-KI 116–306) als eine Abruptio placenta < 37 Schwangerschaftswochen (aOR 52, 95 %-KI 25–111) oder < 32 SSW (aOR 39, 95 %-KI 13–116). (Ruiter et al. 2015b).
Die Prävalenz der Vasa praeviawird mit ca. 1/1200 bis 1/5000 Schwangerschaften angegeben (Jauniaux et al. 2019b).
Die Häufigkeit einer Uterusruptur beträgt 1/1500 Geburten (Tanos und Toney 2019).

Pränatale Diagnostik

Die Beurteilung der Plazenta (Lage, Struktur, Vasa praevia, Plazentaimplantationsstörung) ist essenzieller Bestandteil der Ultraschalluntersuchung im II. Trimenon (Jauniaux et al. 2019a; Jauniaux et al. 2019b; Jauniaux und Campbell 1990; Merz et al. 2012; Schlembach et al. 2022). Nach den Deutschen Mutterschaftsrichtlinien und nach internationalen Empfehlungen wird die Beurteilung der Plazenta bei der Ultraschalluntersuchung im II. Trimenon und bei tiefliegender Plazenta eine weitergehende Beurteilung gefordert (2020; Comstock 2005; Jauniaux et al. 2019a; Merz et al. 2012). Der Zeitpunkt der Kontrollultraschalluntersuchung hängt vom Ausmaß der Placenta praevia, dem anzunehmenden Risiko für eine antenatale Blutung und der Anamnese (Z. n. Sectio caesarea) ab (Jauniaux et al. 2019a).

Placenta praevia

Mit 17 SSW kann in 5–15 % der Fälle Plazentagewebe im Bereich des inneren Muttermundes gefunden werden (Rizos et al. 1979). Durch plazentare „Migration“ bei Ausbildung des unteren Uterinsegmentes im 3. Trimenon muss die Diagnose einer „tiefsitzenden“ Plazenta in bis zu 90 % (bei Z. n. Sectio caesarea weniger) revidiert werden (Jauniaux et al. 2019a). Während man vor 24 SSW zu 30 % und bei 24 SSW zu etwa 18 % eine tiefliegende Plazenta findet, beträgt die Häufigkeit am Termin nur mehr 3 % (Cho et al. 2008; Dashe et al. 2002; Eichelberger et al. 2011; Heller et al. 2014; Jansen et al. 2019), bei Z. n. Sectio ist dies jedoch weniger wahrscheinlich (Cho et al. 2008; Lal et al. 2012).
Bei tiefsitzender Plazenta (≤ 20 mm vom inneren Muttermund entfernt) oder Placenta praevia im Ultraschall im II. Trimenon soll zur Bestätigung der Diagnose eine erneute Beurteilung der Plazentalage mit ca. 28+0 SSW und ggf. mit 32+0 SSW erfolgen (Copland et al. 2012; Schlembach et al. 2022).
Die Diagnose einer Placenta praevia wird in 95 % der Fälle mit der transabdominalen Sonografie korrekt gestellt. Die Untersuchung kann durch Adipositas, eine leere mütterliche Harnblase oder durch den Schallschatten des vorangehenden Kindsteiles erschwert sein. Eine verdickte Uteruswand, Uterusfehlbildungen oder ein Myom sind differenzialdiagnostisch auszuschließen. In Zweifelsfällen ist eine vorsichtige Vaginosonografie indiziert. Die Beurteilung der Plazenta mittels transvaginaler Sonografie ist der transabdominalen oder transperinealen Sonografie überlegen, insbesondere bei posteriorer Lage der Plazenta, Adipositas oder Myomen. 26–60 % der Diagnosen „tiefsitzende Plazenta“ können durch die vaginalsonografische Untersuchung revidiert werden (Jauniaux et al. 2019a; Reddy et al. 2014).
Bei V. a. auf Placenta praevia, Vasa praevia oder Plazentationsstörung (Placenta-accreta-Spektrum, PAS) sollte eine Beurteilung mittels transvaginaler Sonografie erfolgen, hierdurch kann der innere Muttermund besser beurteilt werden.

Vasa praevia

Die Transvaginalsonografie erlaubt in Kombination mit einer dopplersonografischen Untersuchung die Diagnose einer Vasa praevia (Ruiter et al. 2015a) (Abb. 4). Die pränatale Diagnose gelingt am effektivsten im II. Trimenon (18–24 SSW), sollte aber im 3. Trimenon (30–32 SSW) verifiziert werden (Jauniaux et al. 2019b; Ruiter et al. 2015a). Für ein generelles Screening auf Vasa praevia zeigt sich bisher keine Evidenz (Jauniaux et al. 2019b).
Bei pränatale bekannter Diagnose einer Vasa praevia steigt die neonatale Überlebensrate auf 97 % im Vergleich zu 44 %, wenn die Diagnose intrapartal gestellt wurde (Oyelese et al. 2004). Nach wie vor werden nur ca. 50 % der Vasa praevia – Fälle pränatal entdeckt (Jauniaux et al. 2019b).

Ätiologie und Pathogenese

Die primäre Ursache einer vorzeitigen Plazentalösung, einer Placenta praevia oder anderer Blutungsursachen ist meist unbekannt; es gibt jedoch verschiedene Faktoren, die bei Blutungen im 3. Trimenon vermehrt gefunden werden.

Placenta praevia

Die Ursache ist in den meisten Fällen unklar. Eine gestörte Implantation der Plazenta kann durch eine verminderte Vaskularisation des Endometriums sowie durch Vernarbungen nach Traumata (Sectio, Kürettage) oder Entzündungen hervorgerufen werden.
Ein kausaler Zusammenhang ist durch die Anzahl vorausgegangener Kürettagen (z. B. Schwangerschaftsabbrüche) sowie durch eine vorangegangene Sectio caesarea gegeben (Faiz und Ananth 2003).
Die Assoziation der Placenta praevia mit einem vorausgegangenen Kaiserschnitt ist in zahlreichen Studien belegt (Ananth et al. 1997; Downes et al. 2015; Getahun et al. 2006; Klar und Michels 2014; Marshall et al. 2011). Im Vergleich zur vaginalen Geburt ist ein Kaiserschnitt vor Einsetzen der Wehentätigkeit mit einem erhöhten Risiko für eine Placenta praevia in der Folgeschwangerschaft assoziiert (adjustierte OR 2,62; 95 %-KI 1,24–5,56) (Downes et al. 2015). Metaanalysen zeigten einen Anstieg der Inzidenz der Placenta praevia von 10/1000 Geburten bei einem vorausgegangenen Kaiserschnitt auf 28/1000 bei ≥ 3 Sectiones (Marshall et al. 2011) mit einer Odds Ratio (OR) von 1,47 (95 %-KI 1,44–1,51) (Klar und Michels 2014). Eine Folgeschwangerschaft innerhalb von 12 Monaten ist mit einem erhöhten Risiko für eine Placenta praevia assoziiert ist (RR 1,7; 95 %-KI 0,9–3,1) (Getahun et al. 2006). Es besteht eine direkte Korrelation zwischen der Anzahl der Sectiones und der Häufigkeit einer Placenta praevia (Ananth et al. 1997).
Reproduktionsmedizinische Maßnahmen und Rauchen sind weitere Faktoren, die mit einer erhöhten Inzidenz für eine Placenta praevia einhergehen (Grady et al. 2012; Karami et al. 2018; Korosec et al. 2014; Qin et al. 2016).

Vorzeitige Plazentalösung

Unterschiedliche Faktoren sind mit einer vorzeitigen Lösung der Plazenta assoziiert, wenngleich die primäre Ursache unbekannt ist.
Primär sind für die Ablösung der Plazenta pathologische Veränderungen von kleinen arteriellen Gefäßen in der Dezidua verantwortlich. Die Ansammlung von Blut zwischen Dezidua und Chorion begünstigt diesen Prozess bis hin zur vollständigen Lösung.
Die Versorgung des Fetus wird einerseits durch die verminderte Durchblutung der Plazenta, andererseits durch Kompression des intervillösen Raums beeinträchtigt. Es kann durch die Blutung auch direkt Plazentagewebe zerstört werden. Bei kleinen Hämatomen kann der Prozess zum Stillstand kommen, in den meisten Fällen jedoch führt das Hämatom selbst zur weiteren Ablösung der Plazenta.
Die Blutung kann die Zervix erreichen und eine vaginale Blutung bewirken; durch ein Einreißen der Eihäute kann es jedoch auch zu einer Blutung in die Fruchthöhle kommen (blutiges Fruchtwasser, Aspirationsgefahr für den Fetus). Des Weiteren kann sich die Blutung auch in das Myometrium bis zum Peritoneum ausbreiten (Couvelaire-Zeichen, Apoplexia uteri), was zu einer Beeinträchtigung der Kontraktilität des Uterus führt. Die Auswirkung auf Mutter und Kind hängt direkt von dem Ausmaß der Lösung ab.
Prädisponierende Faktoren
  • Trauma:
    Ein Trauma (Verkehrsunfall, äußere Wendung bei Lageanomalien, Amniozentese, Nabelschnurpunktion, fetalchirurgische Eingriffe) von unterschiedlicher Stärke kann eine vorzeitige Lösung in Gang setzen. Ein plötzlicher intrauteriner Druckabfall nach Amniondrainage oder nach der Geburt des ersten Zwillings in Zusammenhang mit einer großen Volumenabnahme des Uterus kann eine vorzeitige Plazentalösung provozieren.
  • Uterusanomalien, kurze Nabelschnur
    Eine Uterusanomalie oder ein Myom kann zu einer Störung der Implantation der Plazenta führen. Eine extrem kurze Nabelschnur kann nach Blasensprung und Tiefertreten des Fetus eine mechanische Ablösung der Plazenta verursachen.
  • Je ausgeprägter der Schweregrad der Plazentalösung ist, umso häufiger findet man eine maternale Hypertonie. Bei einem leichten Grad der vorzeitigen Plazentalösung wurde eine Hypertension in 13,9 %, bei einem mittelmäßigem Grad in 25,7 % und bei einem schweren Grad in 52,1 % aller Fälle beschrieben (Golditch und Boyce 1970; Tikkanen 2011).
  • Vorzeitiger Blasensprung
    Bei einem vorzeitigen Blasensprung, v. a. in Zusammenhang mit einer Hypertension, besteht ein eindeutig erhöhtes Risiko für eine vorzeitige Plazentalösung (Ananth et al. 1996).
  • Multiparität
    Unabhängig vom mütterlichen Alter nimmt das Risiko der vorzeitigen Lösung nach dem 2. Kind signifikant zu. Eine Mehrgebärende hat im Vergleich zu einer Erstgebärenden ein 3-fach höheres Risiko einer vorzeitigen Plazentalösung. Rasch aufeinanderfolgende Schwangerschaften erhöhen ebenfalls die Inzidenz einer vorzeitigen Plazentalösung.
  • V. cava Kompressionssyndrom
    Ein V. cava-Kompressionssyndrom kann zu einer Drucksteigerung im intervillösen Raum führen. Einzelne Fallberichte beschreiben in diesem Zusammenhang eine vorzeitige Lösung. Es gibt jedoch keine größeren Studien, die dies bestätigen.
  • Nikotinabusus
    Mütterlicher Zigarettenkonsum führt zu Deziduanekrosen. Neben anderen Risiken birgt Nikotinkonsum in der Schwangerschaft ein erhöhtes Risiko für eine vorzeitige Plazentalösung (2020).
  • Kokainabusus
    Die vasoaktiven Eigenschaften von Kokain könnten für das gehäufte Auftreten von vorzeitigen Plazentalösungen in diesem Risikokollektiv verantwortlich sein.

Vasa praevia

Derzeit werden drei Theorien zur Entstehung einer Insertio velamentosa und von Vasa praevia diskutiert (Gagnon 2017):
  • Initial gute Implantation der Nabelschnurgefäße auf der Decidua basalis, die jedoch mit zunehmendem Wachstum und Expansion des Feten und der Plazenta beeinträchtigt wird; das den Insertionsansatz umgebende Chorion frondosum bildet sich zurück und formiert sich zum Chorion laeve mit dem Resultat einer Insertio velamentosa.
  • Bei velamentöser Insertion verlagert sich die ausgeprägteste Vaskularisierung zur Decidua basalis, dem Ort der zukünftigen Plazenta, was dazu führt, dass sich die Gefäße bis zum Rand der Plazenta erstrecken.
  • Beschränkter intrauteriner Raum oder limitierte fetale Mobilität verursacht die abnorme Morphologie (Oyelese und Smulian 2006).
Risikofaktoren
In 83 % findet sich einer oder mehrere der folgenden Risikofaktoren (Gagnon 2017; Ruiter et al. 2016).
  • Insertio velamentosa
  • Placenta praevia (Odds Ratio 22,86)
  • Placenta bilobata, Placenta succenturiata (Odds Ratio 22,11)
  • Reproduktionsmedizinische Techniken (Likelihood Ratio 7,75)

Eröffnungsblutung bei drohender Frühgeburt

Der Abgang von blutig tingiertem Schleim bei Eröffnung der Zervix („Zeichnen“) tritt meist in Zusammenhang mit vorzeitiger Wehentätigkeit auf. Dies entspricht dem Ausstoßen des Schleimpfropfes aus der Zervix.

Uterusruptur

Die häufigste Ursache einer Uterusruptur ist eine vorangegangene Operation am Uterus.
Bei einer Sectio mit korporalem Längsschnitt ist in 3–4 % der Fälle mit einer Ruptur zu rechnen, bei isthmischem Querschnitt beträgt das Rupturrisiko lediglich 0,25 %.
Myomenukleationen und Operationen bei Uterusanomalien (Strassmann-Operation bei Uterusdoppelfehlbildungen) haben ein erhöhtes Risiko für eine spätere Ruptur. Vor allem nach laparoskopischen Myomabtragungen ist durch die teilweise nicht optimale Nahtversorgung das Risiko für eine Uterusruptur deutlich erhöht.
Spontanrupturen können bei Lageanomalien (Querlage) oder bei einem Missverhältnis zwischen Kopf und Becken (fetaler Hydrozephalus) auftreten. Sie sind insgesamt sehr selten, da meist rechtzeitig interveniert wird. Eine Verlegung des Geburtskanals durch einen Tumor (Ovarialtumor, Myom) oder ein fortgeschrittenes Zervixkarzinom können ebenfalls die Ursache für eine spontane Uterrusruptur sein. Eine Spontanruptur findet sich hauptsächlich bei Mehrgebärenden (> 90 %). Narbenbildungen bei vorangegangenen Geburten und rasch aufeinanderfolgende Geburten spielen hier ursächlich eine wichtige Rolle.
Traumatische Zerreißungen des Uterus können bei starker äußerer Gewalteinwirkung (Verkehrsunfall) auftreten. Uterusrupturen im Rahmen von äußeren Wendungen und bei Zangengeburten sind beschrieben, insgesamt jedoch extrem selten.

Klinik und Symptomatik

Symptomatik und klinische Leitsymptome

Die klinische Symptomatik ist in Abhängigkeit von der Grunderkrankung unterschiedlich (Tab. 2).
Tab. 2
Klinische Differenzialdiagnose der häufigsten Blutungsursachen in der Spätschwangerschaft
Symptomatik
Placenta praevia
Abruptio placentae
Vasa praevia
Zeichnungsblutung
Blutung
Geringe oder starke helle Blutung nach außen (annoncierende Blutung, langsam einsetzend)
Dunkelrote Schmierblutung nach außen, starke Blutung nach innen (plötzlich auftretend)
Starke Blutung nach außen
Gering, blutig-schleimig
Schmerzen
Keine
Uteriner Druckschmerz bis heftiger Dauerschmerz
Keine
Wehenabhängig
Uterustonus
Weich
Erhöht bis bretthart
Weich
Wehenabhängig
Wehen
Gering bis fehlend
Vorhanden mit Dauertonus
Gering bis fehlend
Beginnend bis regelmäßig
CTG
Meist unauffällig
Pathologisch, Hypoxiezeichen
Pathologisch, Hypoxiezeichen
Unauffällig
Lage des Fetus
Häufig Lageanomalie (35 % BEL)
Pathologisch
Unauffällig
Unauffällig
Zervixbefund
Unreif
Cave! Möglichst keine digitale Untersuchung
Vorangehender Kindsteil oft ins Becken eingetreten
Meist in Zusammenhang mit einem Blasensprung (spontan oder artefiziell)
Vorangehender Kindsteil meist ins Becken eingetreten
Kreislauf
Gute Korrelation zwischen Blutverlust und maternalem Zustand
Diskrepanz zwischen Blutverlust nach außen und maternalem Schockzustand
Normale Kreislaufverhältnisse
Normale Kreislaufverhältnisse
Blutgerinnung
Meist normal
Gestört
Normal
Normal
BEL Beckenendlage

Placenta praevia

Leitsymptom der Placenta praevia ist die Blutung, die bei völligem Wohlbefinden der Schwangeren auftritt. Die Patientin hat keine Schmerzen und verspürt meist keine Wehentätigkeit. Anamnestisch ist nach vaginalen Untersuchungen und einem Koitus zu fragen. Selten ist bereits die initiale Blutung lebensbedrohlich, vielmehr es kommt diskontinuierlich („annoncierende Blutung“) immer wieder zu Blutungen. In 10 % der Fälle geht eine Blutung bei Placenta praevia mit einer gleichzeitigen vorzeitigen Plazentalösung einher, sodass die Symptomatik vielschichtig sein kann.

Abruptio placentae

Die Symptomatik bei der vorzeitigen Plazentalösung ist von der Größe und Lokalisation des Hämatoms abhängig. Typisch ist das plötzliche Einsetzen von starken abdominalen Schmerzen. In der Hälfte der Fälle ist eine Wehentätigkeit vorhanden, die charakteristischerweise mit Tachysystolie und erhöhtem Uterustonus einhergeht. Manche Patientinnen leiden zusätzlich unter innerer Unruhe mit Schwäche, Ängstlichkeit, Durstgefühl und Übelkeit. Bei starkem Blutverlust zeigt sich das Vollbild eines klinischen Schockzustandes mit Tachykardie, schwach palpablem Puls, kaltschweißiger Haut, Blässe oder Zyanose. Es findet sich das klinische Bild eines akuten Abdomens mit gleichzeitiger Schocksymptomatik. Es besteht eine uterine Dauerkontraktion (Tetanus uteri), die bei 80 % der Patientinnen mit einer vaginalen Blutung einhergeht.
Die vaginale Blutung ist dunkel; das Blut gerinnt bei schweren Verlaufsformen nicht. Seröse Flüssigkeit aus der Vagina kann bei einem retroplazentaren Koagel mit einem Fruchtwasserabgang verwechselt werden. In 20–30 % der Fälle geht eine vorzeitige Plazentalösung ohne klinische Symptome für die Schwangere einher, sie ist nur sonografisch und aufgrund der fetalen Beeinträchtigung zu diagnostizieren. Klinisch unterscheidet man 4 verschiedene Grade (Tab. 3).
Tab. 3
Klinische Einteilung der vorzeitigen Plazentalösung nach verschiedenen Schweregraden. (Nach Page et al. 1954)
Grad
Symptomatik
0
Asymptomatisch
Die Diagnose wird sonografisch oder meist erst postnatal gestellt
Keine fetale Beeinträchtigung
1
Geringe Blutung nach innen oder außen
Geringe Druckschmerzhaftigkeit des Uterus mit geringer Tonuserhöhung
Keine Beeinträchtigung des maternalen Kreislaufs
Fetale Beeinträchtigung ist selten, jedoch möglich
2
Mittelschwere Blutung nach innen oder nach außen mit kompensierter maternaler Kreislsaufsituation
Zeihen der fetalen Gefährdung (CTG)
3
Schwere Blutung nach innen oder außen
Extrem druckschmerzhafter Uterus mit abdominaler Abwehrspannung („akutes Abdomen“)
Der maternale Schockzustand geht in ca. 30 % der Fälle mit einer Gerinnungsstörung einher
Das Kind ist immer verstorben

Vasa-praevia-Blutung

Die klassische Präsentation bei unbekannter Vasa praevia ist die schmerzlose vaginale Blutung, die häufig bei reifem Zervixbefund und (spontanem oder artefiziellem) Blasensprung eintritt (Jauniaux et al. 2019b; Silver 2015). Sie ist durch äußerst starke Blutungen gekennzeichnet, die rasch zu einer Hypoxie des Fetus führen (Abb. 5).

Zeichnungsblutung und Plazentarandblutung

Die Zeichnungsblutung tritt gemeinsam mit einer Wehentätigkeit auf und geht mit einem geburtsreifen Zervixbefund einher. Typisch sind schleimig-blutige Abgänge aus dem Zervikalkanal.
Bei einer Plazentarandblutung ist die Blutung stärker, der Zervixbefund vielfach noch unreif.

Uterusruptur

Symptome bei drohender Uterusruptur
Charakteristischerweise erhöht sich die Wehenfrequenz bis zum Wehensturm (Tetanus uteri). Bei starker Zunahme der Schmerzhaftigkeit der Wehen (die Schwangere hat das Gefühl, „als ob etwas zerreißen würde“) kommt es zu innerer Unruhe und Angstzuständen, sodass die Patientin kaum mehr zu beruhigen ist. Es gibt keine Erholungsphasen in der Wehenpause.
  • Das untere Uterinsegment ist meist stark druckschmerzhaft; typischerweise ist die Druckschmerzhaftigkeit auch außerhalb der Wehentätigkeit vorhanden
  • Es kommt zu einem Geburtsstillstand; bei der vaginalen Untersuchung ist der vorangehende Kindsteil fest im Beckeneingang fixiert
  • Wenn in kurzer Zeit die „Bandl-Furche“ (Kontraktionsring an der oberen Grenze des unteren Uterinsegments) über Nabelhöhe steigt, so kann dies ebenfalls ein Hinweis für eine bevorstehende Uterusruptur sein
  • Die Symptome bei einer Narbenruptur sind meist nicht so ausgeprägt oder können völlig fehlen („stille Ruptur“)
  • Eine Hämaturie ist ein wichtiger zusätzlicher Hinweis auf eine bevorstehende Uterusruptur
  • Die sonografische Beurteilung der Sectionarbe ist im klinischen Management nicht sehr hilfreich, da die Untersuchungsmethode hier nicht sensitiv genug ist
Symptome bei eingetretener Uterusruptur
Ein Abfall der fetalen Herzfrequenz (fetale Asphyxie) kann das erste Anzeichen einer Uterusruptur darstellen. Es kommt zum schlagartigen Sistieren der Wehentätigkeit. Charakteristisch ist der Gegensatz zwischen der vor der Ruptur meist außergewöhnlich schmerzhaften Wehentätigkeit und dem plötzlichen Sistieren der Wehen.
Der Zeitpunkt der Ruptur (Rupturschmerz) kann von der Patientin meist angeben werden („etwas ist gerissen“). Es kommt zu einer abdominellen Abwehrspannung. Die peritoneale Reizung muss nicht unmittelbar nach der Ruptur auftreten, v. a. bei Narbenrupturen kann sich die Abwehrspannung erst nach Stunden oder Tagen einstellen.
Infolge der meist vorhandenen Blutung finden sich typische Schocksymptome wie Agitiertheit, Bewusstseinstrübung, Kaltschweißigkeit, blasses Hautkolorit, Tachykardie, Hypotension, Hyperventilation und Oligo- bis Anurie, die bereits Ausdruck eines schweren hämorrhagischen Schocks (Schock-Index (HF/RRsys) > 0,9) sind (Borovac-Pinheiro et al. 2018; Drew et al. 2021).
Bei Narbenrupturen können die Symptome deutlich abgeschwächt sein, da der Blutverlust deutlich geringer ist als bei Zerreißungen der intakten Uteruswand.
Das Ausmaß der vaginalen Blutung ist unterschiedlich und v. a. bei Narbenrupturen nur gering. Bei der vaginalen Untersuchung ist der vorangehende Kindsteil wieder leicht aus dem Beckeneingang zu schieben. Der Fetus kann direkt unter der Bauchdecke palpiert werden.
In Zweifelsfällen ist die Ultraschalluntersuchung eine wichtige zusätzliche Untersuchungsmethode. Wenn die Diagnose der Uterusruptur klinisch nicht eindeutig gestellt werden kann, wird sie präoperativ mit der Sonografie gesichert (Flüssigkeit, Fetus in der freien Bauchhöhle).
Sie dient zudem zum Ausschluss von fetalen Fehlbildungen (Hydrozephalus, große Teratome, Makrozephalie) und von mütterlichen Tumoren (Myome, Ovarialtumoren) im kleinen Becken.

Spezielle Diagnostik

Klinischer Status

Wichtige Kriterien zur Beurteilung sind Blutdruck, Puls, Atmung, Hautfarbe und Urinausscheidung. Die typische Symptomatik des hämorrhagischen Schocks (Schock-Index (HF/RRsys) > 0,9) wie Unruhe, kaltschweißige Extremitäten, blasses Hautkolorit ist v. a. bei einem Blutverlust nach innen vielfach der entscheidende Hinweis.
Die Palpation des Abdomens mit Erheben des Fundusstandes, des Uterustonus sowie schmerzhafte Uteruspalpationen verkürzen in vielen Fällen entscheidend die Zeit bis zur therapeutischen Intervention.

Vaginale Untersuchung

Eine vaginale Untersuchung erfolgt erst nach vorheriger sonografischer Abklärung (Ausschluss einer Placenta praevia). Ist eine Placenta praevia ausgeschlossen, so wird palpatorisch der Zervixbefund erhoben.
Vor einer vaginalen digitalen Untersuchung ist eine Spekulumuntersuchung durchzuführen: Es werden die Blutungsstärke sowie die Farbe des Bluts (Fruchtwasser, Schleimbeimengungen) beurteilt. Alte Blutkoagula werden entfernt, um die Stärke einer frischen Blutung zu verifizieren.
Bei einer Placenta praevia ist eine digitale vaginale Untersuchung kontraindiziert. Ausnahmsweise vorsichtige Erhebung des Zervixbefundes, wenn dies durch die Inspektion nicht möglich ist.

Ultraschalluntersuchung

Neben der klinischen Untersuchung spielt die Sonografie in der Diagnostik eine entscheidende Rolle. Bei Blutungen sollte daher möglichst rasch eine Sonografie durchgeführt werden. Es muss ein aktueller Ultraschallbefund erhoben werden, um die Blutungsursache (Placenta-/Vasa-praevia-Blutung, vorzeitige Plazentalösung) exakt bestimmen zu können.
Bei der Ultraschalldiagnostik der vorzeitigen Plazentalösung sind falsch-positive und falsch-negative Befunde häufig (Abb. 6 und 7). Echoarme Areale am Plazentarand können dopplersonografisch einem erweiterten Randsinus zugeordnet werden.
Das Ultraschallbild ist von Fall zu Fall unterschiedlich, je nachdem, wie lange die Ablösung zurückliegt und wie groß die Ausdehnung des Hämatoms ist. Im Hämatom fehlt die geordnete Strukturzeichnung der Plazenta. Es findet sich ein teils zystischer, teils solider Tumor hinter der Plazenta – ohne die typische Sonomorphologie der Plazenta.
Der Ultraschallbefund einer vorzeitigen Lösung kann sonografisch ein sehr unterschiedliches Bild zeigen. Es findet sich meist nicht die vielfach erwartete echoleere Raumforderung hinter der Plazenta, sondern die Ausbildung von Blutkoagula führt zu einem sonografischen Bild, das bei oberflächlicher Betrachtung der Plazentastruktur ähnlich ist (Abb. 6 und 7). Die Farbdopplersonografie erleichtert die Diagnose, da im Hämatom keine Perfusion darstellbar ist. Auch bei der Abgrenzung von Plazentatumoren ist die Farbdopplersonografie hilfreich.

Labordiagnostik

Die Labordiagnostik sollte möglichst umgehend durchgeführt werden. Mit der Behandlung muss jedoch bereits begonnen werden, bevor die Laborwerte zur Verfügung stehen. Es erfolgt eine Anpassung der Therapie, wenn die Laborwerte zur Verfügung stehen. Die Routinelabordiagnostik umfasst neben dem Blutbild mit Hämoglobinwerten und Hämatokrit, Blutgasanalyse und Leukozyten auch die Thrombozytenwerte sowie die wichtigsten Parameter für die Beurteilung der Blutgerinnung.
Wesentliche Gerinnungsparameter sind das Fibrinogen, die aPTT (partielle Thromboplastinzeit) sowie der Quick- bzw. der INR(„international normalized ratio“)-Wert.
Eine zusätzliche zeitnahe Gerinnungsdiagnostik am Ort der Versorgung („point of care testing“) ist mittels „viskoelastischer Tests (VET)“ möglich (Amgalan et al. 2020), mit der die Zeit bis zur Gerinnselbildung, die Festigkeit des Gerinnsels sowie eine Hyperfibrinolyse diagnostiziert werden kann.
Parameter des Standardgerinnungslabors und VET ermöglichen die Diagnostik eines oder mehrerer Gerinnungsfaktorenmängel (Tab. 4).
Tab. 4
Tests zur Diagnostik von Gerinnungsstörungen
Test
Bedeutung, Ziel
Normalwert
Werte bei DIG
Blutgerinnungszeit
Schnelle oberflächliche Information über das endogene Gerinnungssystem, Thrombozytenfaktoren
6–12 min
Verlängert
Thromboplastinzeit (TPZ);
Quick-Wert
Maß für den Gehalt an Faktoren des exogenen Gerinnungssystems
10–12 s
70–120 %
Erniedrigt
Partielle Thromboplastinzeit (PTT)
Defekte des exo- und endogenen Gerinnunsgsystems
28–40 s
Verlängert
Thrombinzeit (TZ)
Suchtest auf Fibrinbildungsstörung, gestört bei Fibrinogenmangel
17–24 s
Verlängert
Antithrombin III
Wichtigster Gerinnungsinhibitor, Thrombosegefährdung bei AT-III-Mangel
80–120 %
Vermindert
Fibrinogen
Suchtest bei V. a. Gerinnungsstörung
200–450 mg/dl
Erniedrigt
Fibrinogenspaltprodukte (D-Dimer)
Spaltprodukte des Fibrinofens bei V. a. Hyperfibrinolyse
< 10 mg/ml
Erhöht
Thrombozytenzahl
Erniedrigt bei Verbrauchskoagulopathie
> 140 Gpt/l
Erniedrigt
Blutausstrich
Fragmentozyten (Indikator für DIG)
Fehlen
Vorhanden
Haptoglobin
Bindet freies Hämoglobin
34–200 mg/dl
< 34 mg/dl
Kleihauer-Test
Bestimmung der fetalen Erythrozyten im maternalen Blut
> 0,1 ‰
Thrombelastogramm (ROTEM) [POC]
Plasmatische Gerinnung
Koagulationszeit
100–200 s
Verlängert
Gerinnselstabilität
Festigkeit
50–72 mm
Reduziert
Hyperfibrinolyse
Lyseindex
> 85 %
Vermindert
Beim Clot-observation-Test (Bedside-Diagnostik) werden wenige Milliliter Blut in ein Glasröhrchen gegeben, und normalerweise kommt es innerhalb von 10 min zu einer Gerinnung. Bei abnormalen Befunden bleibt die Gerinnung aus, oder an die primäre Gerinnselbildung schließt sich innerhalb von 2 h eine Fibrinolyse an. Der Test ermöglicht eine rasche Orientierung über die Gerinnungssituation, bevor die gerinnungsspezifischen Laborparameter zur Verfügung stehen.
Die Untersuchung auf Fibrinspaltprodukte ist ein sensitiver Indikator für eine begleitende Gerinnungsstörung bei einer vorzeitigen Plazentalösung. Als Verlaufsparameter sind die Bestimmung des Fibrinogenspiegels (oder der Thrombinzeit) und die Thrombozytenzahl angezeigt.
Eine Messung der Gerinnungsparameter ist 4-stündlich bis zur Geburt indiziert; häufigere Untersuchungen sind bei deutlicher klinischer Verschlechterung oder bei erforderlicher massiver Transfusionsbehandlung notwendig.

Risiken für Mutter und Kind

Die Risiken sind von der Ursache und Schwere der Blutung abhängig. Die mütterliche oder fetale Gefährdung wird zusätzlich von der Grunderkrankung beeinflusst.

Placenta praevia

Die maternale Mortalität liegt bei rechtzeitiger Diagnostik (und den damit gegebenen Möglichkeiten der Intensivmedizin) unter 0,1 %, die perinatale Mortalität beträgt 4–8 % (Lockwood und Russo-Stieglitz 2022).
Das mütterliche Hauptrisiko bei einer starken Blutung bei Vorliegen einer Placenta praevia besteht in einer Verblutung im irreversiblen Kreislaufschock.
Das fetale Risiko bei Vorliegen einer Placenta praevia ist v. a. durch die Frühgeburtlichkeit aufgrund der vielfach notwendigen vorzeitigen Entbindung bestimmt.

Abruptio placentae

In 10 % der Fälle tritt eine disseminierte intravasale Gerinnungsstörung (DIG) auf. Durch die Einschwemmung von gerinnungsaktivierenden Substanzen aus dem retroplazentaren Hämatom kommt es zu einer Gerinnselbildung in der terminalen Strombahn von zahlreichen Geweben. Die Aktivierung der Gerinnungskaskade führt zu einem Verbrauch von Thrombozyten und Gerinnungsfaktoren (Abb. 8). Eine gleichzeitig vorhandene erhöhte Fibrinolyseaktivität bewirkt primär eine rasche Auflösung der intravaskulären Gerinnsel. Dieser Prozess wird erst gestoppt, wenn das retroplazentare Hämatom entfernt wird.
Das mütterliche Risiko bei einer vorzeitigen Plazentalösung besteht insbesondere im hypovolämischen Schock.
Eine verstärkte postpartale Blutung wird entweder durch die Gerinnungsstörung oder durch die Atonie des Uterus (Couvelaire-Uterus) verursacht.
Die maternale Mortalität liegt bei 1 %. Der Tod kann durch den massiven Blutverlust oder durch eine DIG mit Nierenversagen und Verblutung hervorgerufen werden (Ananth und Kinzler 2022). Die fetomaternale Blutung führt zu einer Sensibilisierung bei Rhesus-negativen Patientinnen.
Die perinatale Mortalität wird in Abhängigkeit vom Schweregrad bei vorzeitiger Plazentalösung mit 10–67 % angegeben (Ananth und Kinzler 2022). Die Hälfte der Kinder stirbt bereits intrauterin. Die Haupttodesursachen sind fetale Hypoxie, Verblutung und Frühgeburtlichkeit, wobei die Mortalität eng mit dem Gestationsalter korreliert ist.

Vasa praevia

Das totale fetale Blutvolumen am Termin beträgt ca. 80–100 ml/kg, d. h. auch ein nur scheinbar „kleiner“ Blutverlust kann gravierende Folgen für den Feten haben und zeigt sehr schnell fatale Folgen (Gagnon 2017; Jauniaux et al. 2019b; Silver 2015) mit einer Risikoerhöhung für einen perinatalen Tod um 4,52 (Vahanian et al. 2015).

Management

Da es innerhalb kürzester Zeit zu schwersten Komplikationen bei Mutter und Kind kommen kann, ist bei jeder Blutung eine möglichst rasche stationäre Abklärung bzw. ein rasches Handeln erforderlich.

Allgemeine Maßnahmen

Das primäre Vorgehen muss schnellstmöglich die Blutungsursache eruieren und ist – unabhängig von der Blutungsursache – bei allen Schwangeren gleich; im Vordergrund steht die Evaluation des fetalen und maternalen Wohlbefindens.

Klinische Untersuchung

  • Mütterliche Herzfrequenz, Blutdruck, Atemfrequenz (Kreislaufmonitoring)
  • Hinweiszeichen auf Schockzustand (Unruhe, Blässe, kaltschweißige Extremitäten)?
  • Palpation des Abdomens (Fundusstand, Wehentätigkeit, Schmerzen, Dauertonus)
  • (Orientierende) Ultraschalluntersuchung und Kardiotokogramm (CTG)
  • Vaginale Spekulumuntersuchung (Blutungsstärke, Blutungsursache)
  • Erhebung des Zervixbefunds (kontraindiziert bei Placenta praevia)
  • Kontrolle der Urinmenge

Allgemeine therapeutische Maßnahmen

  • Intravenöser Zugang (großlumige Kanüle, evtl. zentraler Venekatheter)
  • Labordiagnostik
  • Bereitstellen von Erythrozytenkonzentraten
  • Volumensubstitution
  • Korrektur der Gerinnungsparameter
  • Optimale Sauerstoffversorgung (evtl. Intubation)
Das weitere Vorgehen ist von der Blutungstärke, der Ursache der Blutung, dem Zustand des Fetus und vom Gestationsalter abhängig zu machen.

Spezielles Vorgehen in Abhängigkeit von der Ursache

Placenta praevia

Sectio caesarea
Bei lebensbedrohlicher Blutung ist unabhängig vom Gestationsalter die Entbindung indiziert. Bei gesicherter Placenta praevia totalis ist eine sofortige Entbindung per Kaiserschnitt erforderlich.
Bei reifem Kind und Placenta praevia totalis oder partialis wird auch bei geringer Blutung die Sectio möglichst umgehend durchgeführt.
Generell sollte bei reifem Kind auch ohne Blutung die primäre Schnittentbindung vor dem Einsetzen von regelmäßigen Wehen durchgeführt werden.
Entbindungszeitpunkt bei Placenta praevia bzw. tiefliegender Plazenta (Jauniaux et al. 2019a)
  • 34+0 bis 36+6 SSW: bei stattgehabter vaginaler Blutung in der Schwangerschaft oder sonstigen Risikofaktoren für eine Frühgeburt
  • 36+0 bis 37+0 SSW: Placenta praevia ohne bisherige Komplikationen
Besonderheiten bei der Sectio caesarea (Jauniaux et al. 2019a)
  • Der Eingriff sollte von einem erfahrenen Geburtshelfer durchgeführt werden
  • Gegebenenfalls prä-/intraoperative sonografische Lokalisation der Plazenta und der Inzisionsstelle
  • Gegebenenfalls Längslaparotomie/vertikale Inzision des Uterus bei extremer Frühgeburtlichkeit und Querlage des Feten
  • Eröffnung des Uterus möglichst ohne Verletzung der Plazenta, ggf. hohes Eingehen in den Uterus
  • Falls die Plazenta durchtrennt wird: unmittelbares Abnabeln, um weiteren exzessiven Blutverlust des Feten zu vermeiden
Durch die verminderte Kontraktionsfähigkeit des unteren Uterinsegments kommt es vermehrt zu verstärkten Blutungen aus dem Plazentabett. Die Umstechung der blutenden Gefäße führt meist zu einer adäquaten Blutstillung. Bei lokal nichtbeherrschbarer Blutung sind Kompressionsnähte, Tamponade bzw. weiterführende operative Maßnahmen oder Embolisation (s. Kap. „PPH“) durchzuführen; gelingt die Blutstillung mit diesen Maßnahmen nicht, so ist eine Hysterektomie ohne große zeitliche Verzögerung (Schlembach et al. 2022).
Das gleichzeitige Vorhandensein eines Placenta-accreta-Spektrums führt zu einer deutlichen Erhöhung von Blutungskomplikationen und erfordert ein adäquates Management (s. Kap. „PPH“ und „PAS“) (Schlembach et al. 2022).
Vaginale Entbindung
Bei tief reichender Plazenta kann mit dem Tiefertreten des vorangehenden Kopfes nach Amniotomie und Oxytocininfusion die Blutung sistieren, und die vaginale Entbindung kann angestrebt werden. Die Amniotomie darf nur unter Sectiobereitschaft durchgeführt werden. In Zweifelsfällen und bei zunehmender Blutung ist jedoch die Indikation zur Sectio großzügig zu stellen.
Abwartendes Vorgehen
Bei geringer Blutung und Frühgeburtlichkeit ist primär ein abwartendes Vorgehen mit Tokolyse und Lungenreifeinduktion indiziert. Die Gabe von Erythrozytenkonzentraten ist bei Hämoglobinwerten <8 g/dl sinnvoll. Erythrozytenkonzentrate sind darüber hinaus permanent bereitzustellen und das Blutbild wird regelmäßig kontrolliert. Nach Sistieren der Blutung über mehrere Tage und nach Abschluss der antenatalen Steroidgabe ist nach ausreichender Aufklärung der Schwangeren eine ambulante Betreuung möglich; der Transport in eine geburtshilfliche Abteilung sollte aber jederzeit in maximal 15–30 min gewährleistet sein. Sind diese Bedingungen nicht gegeben und handelt sich um eine Placenta praevia totalis, so ist die stationäre Betreuung bis zur Geburt vorzuziehen.

Abruptio placentae

Das klinische Management ist von dem Schweregrad der vorzeitigen Lösung, dem klinischen Zustand der Schwangeren, dem fetalen Wohlbefinden sowie vom Gestationsalter abhängig.
Vaginale Entbindung
Bei bereits verstorbenem Fetus wird primär die vaginale Entbindung angestrebt. Besteht bereits eine schwere Beeinträchtigung des mütterlichen Wohlbefindens (starke abdominelle Schmerzen, Schockzustand, Gerinnungsstörung) und ist eine vaginale Geburt nicht absehbar (unreifer Zervixbefund), so ist auch bei totem Kind umgehend die Sectio durchzuführen.
Sectio caesarea
Bei lebenden Feten verschlechtert sich in Fällen mit höhergradiger vorzeitiger Lösung und fetaler Beeinträchtigung durch eine unnötige zeitliche Verzögerung bis zur Entbindung die Prognose für den Fetus entscheidend. Die Sectio sollte möglichst ohne Verzögerung nach Stabilisierung der mütterlichen Kreislaufsituation erfolgen. Ein vaginaler Entbindungsversuch steht nur in seltenen Fällen, wenn das Kardiotokogramm normal und die Geburt in wenigen Stunden absehbar ist, zur Diskussion.
Die perinatale Mortalität ist bei einer primären Sectio im Vergleich zum vaginalen Entbindungsversuch deutlich niedriger.
Abwartendes Vorgehen
Beim konservativen Vorgehen ist der Nutzen durch die Verlängerung der Schwangerschaft gegenüber der Gefahr einer plötzlichen fortschreitenden Lösung mit akuter Asphyxie oder Absterben des Fetus abzuwägen.
Bei Frühgeburtlichkeit kann ein abwartendes Verhalten gerechtfertigt sein, wenn sich dadurch die Prognose für den Fetus deutlich verbessert und kein Risiko für die Mutter eingegangen wird. Ein solches Vorgehen ist allerdings nur bei Fällen mit geringer Lösung (Grad 0, Grad 1) möglich, wenn die Schmerzsymptomatik bei der Patientin gering ist, die Kreislaufverhältnisse stabil sind und keine Zeichen einer fetalen Gefährdung vorliegen.
Die Überwachung erfolgt primär stationär, um bei einer Verschlechterung des Befundes rechtzeitig reagieren zu können. Kommt es zu wiederholten Episoden mit Blutung und Schmerzen oder treten Zeichen einer fetalen Gefährdung auf, so ist die Schwangerschaft zu beenden.

Vasa praevia

Bei Verdacht auf diese Gefäßanomalie kann die Farbdopplersonografie zu dieser selten bekannten Diagnose führen. Meist kommt es zu einer massiven Blutung in Zusammenhang mit der Amniotomie oder einem Blasensprung, und der Fetus verblutet aus den Nabelschnurgefäßen. Die Durchführung einer Notsectio ist die einzige Möglichkeit, das Leben des Fetus zu erhalten.
Bei präpartale bekannter Vasa-praevia-Diagnose wird die elektive Sectio caesarea vor Einsetzen der Wehentätigkeit bis zur 36+0 SSW empfohlen (Jauniaux et al. 2019b). Abhängig von der individuellen Konstellation kann die prophylaktische stationäre Überwachung ab der 30.–32. SSW erwogen werden (Jauniaux et al. 2019b). Eine antenatale Steroidgabe sollte in der 32. SSW empfohlen werden (Jauniaux et al. 2019b).

Uterusruptur

Drohende Uterusruptur
Nach einer notfallmäßigen Tokolyse sollte bei eindeutigen klinischen Hinweiszeichen unverzüglich die Schnittentbindung durchgeführt werden.
Abwartendes Vorgehen
Die akute Bedrohung für Mutter und Kind erfordert eine notfallmäßige Schnittentbindung. Die Uteruswunde kann direkt versorgt werden, wenn keine ausgedehnte Verletzung des Myometriums vorliegt. Bei schwer beherrschbarer Blutung und Zerstörung der Uteruswand durch Hämatombildungen und mehrfache Einrisse ist die Hysterektomie unvermeidlich. Die weitere Familienplanung sollte bei der definitiven Entscheidung mitberücksichtigt werden.

Hämostaseologisches Management

Bei schwerwiegenden Blutungen entwickelt sich ein hämorrhagischer Schockzustand mit Gerinnungsstörungen.
Hämorrhagischer Schock
Bei einem Blutverlust von > 1000 ml ist mit dem Auftreten eines Schockzustands zu rechnen. Vor allem bei einer vorzeitigen Plazentalösung wird der Schweregrad der Blutung vielfach unterschätzt.
Für eine rasche klinische Einschätzung des Blutverlusts ist die folgende Faustregel hilfreich:
Blutverlust in ml = Volumen der Blutkoagula × 3
Zur Einschätzung der Kreislaufsituation ist der Schockindex hilfreich:
Schockindex (HF/RRsys)> 0,9
Durch die Hypovolämie kommt es zu einer Hypoperfusion von verschiedenen Organen, wobei in erster Linie die Perfusion der Nieren und der Plazenta gefährdet ist.
Neben der Überwachung der Kreislaufparameter ist die stündliche Urinausscheidung zu messen (optimale Ausscheidung > 60 ml/h). Vor allem bei begleitender Präeklampsie ist die zusätzliche Überwachung des zentralen Venendrucks sinnvoll (optimaler Bereich: 12–15 cm H2O).
Bei einem Blutverlust < 30 % werden kolloidale und Elektrolytlösungen in ausreichender Menge verabreicht. Beträgt der Blutverlust > 30 %, so sind Erythrozytenkonzentrate indiziert (s. auch AWMF Leitlinie Peripartale Blutungen, Schlembach et al. 2022).
Entscheidend für eine erfolgreiche Therapie ist die Beseitigung der primären Ursache für die Gerinnungsstörung (operative Blutstillung, Entfernung der Plazenta bei vorzeitiger Lösung) (Schlembach et al. 2022). Die Behandlung erfolgt in enger Kooperation mit dem Anästhesisten und dem Gerinnungsspezialisten (Tab. 5).
  • Zunächst sollte eine möglicherweise bestehende erhöhte fibrinolytische Aktivität durch die Gabe von Tranexamsäure (Antifibrinolytikum) behandelt werden, bevor prokoagulante Faktoren (Thrombozyten, Fibrinogen, FXIII, PPSB) gegeben werden.
  • Initial ist die Gabe von 1 g Tranexamsäure (Antifibrinolytikum) indiziert, je früher es verabreicht wird, umso effizienter ist es; Wiederholung bei Bedarf.
  • Zur Volumenersatztherapie werden Elektrolytlösungen sowie kristalloide Lösungen verwendet.
  • Grundsätzlich soll bei aktiven Blutungen, wenn möglich, eine iatrogene Aggravation der Blutungsneigung z. B. durch die Gabe künstlicher kolloidaler Volumenersatzlösungen, die einen stärkeren, dilutionsbedingten koagulopathischen Effekt haben, vermieden werden.
  • Bei kritischem Blutverlust erfolgt rechtzeitig die Gabe von Erythrozytenkonzentraten.
  • Ein rasches Anheben der Fibrinogenwerte gelingt am zuverlässigsten mit der Direktgabe von Fibrinogenkonzentrat. Dies entspricht etwa dem Fibrinogengehalt von 12 FFP („fresh frozen plasma“). Die Gabe von FFP ist als zusätzliche Maßnahme zur Gerinnungsstabilisierung sinnvoll.
Tab. 5
Schema der hämostaseologischen therapeutischen Optionen der schweren, anhaltenden peri- und postpartalen Blutungen (PPH). (Nach Schlembach et al. 2022)
Step
Ziel
Maßnahmen
1
Stabilisierung der Rahmenbedingungen (Prophylaxe und Therapie!)
Kerntemperatur ≥ 34 °C
(möglichst Normothermie)
pH-Wert ≥ 7,2
ionisierte Ca++-Konzentration > 0,9 mmol/l (möglichst Normokalzämie)
2
Hemmung einer potenziellen hyperfibrinolytischen Aktivität (immer vor der Gabe von Fibrinogen, und/oder FFP)
Tranexamsäure initial 1 g
Bei Bedarf Wiederholung
3
Substitution von Sauerstoffträgern
EK-Gabe
Hämostaseologisches Ziel bei massiver Blutung:
Hb ca. 7–9 g/dl (4,3–5,5 mmol/l)
4
Substitution von Gerinnungsfaktoren (bei fortbestehender schwerer Blutungsneigung) und je nach Verfügbarkeit im Krankenhaus.
Patienten, die Massivtransfusionen benötigen (werden) oder einen blutungsbedingten, lebensbedrohlichen Schock haben, können von einem hohen Verhältnis FFP:EK:TK im Bereich von 4(–6) zu 4(–6) zu 1 oder der kombinierten Gabe von therapeutischem Plasma und Faktorenkonzentraten sowie Thrombozyten-konzentraten profitieren.
Fibrinogen 30–60 mg/kg KG
Ziel: ≥ 2–2,5 g/l
und
FXIII 20 IE/kg KG
Ziel: FXIII-Aktivität > 60 %
oder GFP ≥ 30 ml/kg KG
ggf. PPSB initial 25 IE/kg KG
5
Zum Ersatz des Plasmavolumens
FFP ≥ 30 ml/kg KG
6
Substitution von Thrombozyten für die primäre Hämostase
Thrombozytenkonzentrate
(bei persistierend transfusionspflichtiger Blutung. Ziel: ≥ 70–100 Gpt/l)
7
ggf. „Thrombinburst“ mit Thrombozyten- und Gerinnungsaktivierung („Rahmenbedingungen“ der Hämostase beachten!)
im Einzelfall
ggf. rFVIIa initial 60(–90) μg/kg KG
CAVE:
• Während der Blutung kein Antithrombin oder Heparin
• Innerhalb von 24 h nach Beendigung der zur Blutung führenden Pathologie ist eine Thromboseprophylaxe obligat!
evtl. – bei (V. a.) erworbene Thrombozytopathie; erst nach Abnabelung – DDAVP (Desmopressin) 0,3 μg/kg KG über 30 min
Ca++ Kalzium, FFP „fresh frozen plasma“, EK …, TK …, Hb Hämoglobin, FXIII Faktor VIII, GFP …, KG Körpergewicht, PPSB …, Gpt/l …, rFVII
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