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Die Geburtshilfe
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Publiziert am: 24.02.2024

Gerinnungsstörungen in der Geburtshilfe

Verfasst von: W. Rath, F. Bergmann und W. Korte
Schwere peripartale Blutungen sind seltene, aber möglicherweise letale Komplikationen in der Geburtshilfe. Die Rate mütterlicher Sterbefälle durch peripartale Blutungen steigt auch in den Industrieländern kontinuierlich an. Um diese Blutungskomplikationen zu beherrschen, muss das geburtshilfliche Team vorbereitet sein. Das Antizipieren und rechtzeitige Erkennen der Risikofaktoren und der Gerinnungsstörung selbst sind zwingende Voraussetzungen. Dieses Kapitel beschreibt die wichtigsten klinisch relevanten Störungen, die mit schweren Blutungen sub- oder postpartal assoziiert sein können. Hierzu zählen die präsymptomatische oder manifeste Verlustkoagulopathie, die (perakute) Verbrauchskoagulopathie (DIC), erworbene Thrombopenien wie die Immunthrombozytopenie (ITP), die thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP), das atypische hämolytisch-urämische Syndrom (aHUS) sowie das von-Willebrand-Syndrom (vWS), der Konduktorinnenstatus für die Hämophilie A oder B und der Faktor (F)-VII-Mangel.

Zum Einstieg

Trotz des zunehmenden Bewusstseins für die Gefährdung und der interdisziplinären Betreuung von Schwangeren mit Blutgerinnungsstörung gehören diese Erkrankungen auch heute noch zu den Hauptursachen mütterlicher Morbidität und Mortalität, die auch in den industrialisierten Ländern ansteigt (Abraha et al. 2019). Weltweit stehen postpartale Blutungen (postpartale Hämorrhagie, PPH) mit einem Anteil von 25 % an 1. Stelle mütterlicher Sterbefälle (1–2/100.000 Geburten).
Die Behandlung einer schweren PPH, unabhängig von ihrer Genese, beinhaltet immer die Volumengabe (vor allem Kristalloide), wodurch sich zwingend ein Verdünnungseffekt der Konzentration an Gerinnungsfaktoren ergibt. Zusätzlich ist der Verlust von Gerinnungsfaktoren durch die Blutung zu berücksichtigen. Dazu können vorbestehende und/oder zusätzliche Risikofaktoren – wie angeborene oder erworbene Faktorenmangelzustände, Thrombozytopenien oder angeborene oder erworbene Thrombozytopathien – kommen. Es besteht i. d. R. (also „a priori“) eine kombinierte Koagulopathie. Je größer der damit einhergehende Volumenbedarf ist, desto schlechter ist der Verlauf (Henriquez et al. 2019). Die häufigste Ursache für eine schwere PPH ist die Uterusatonie. Da der Uterus reich an fibrinolytischen Substanzen ist, kann eine relativ vermehrte fibrinolytische Aktivität bereits früh zu einer verstärkten Blutung beitragen. Hieraus erklärt sich die ausgeprägte Dynamik, die eine PPH zeigen kann. Die realistische Einschätzung des Blutverlustes, die für die Therapieentscheidung grundlegend ist, bereitet bekanntermaßen erhebliche Schwierigkeiten (Natrella et al. 2018). Daher sollte so früh wie möglich eine standardisierte Erfassung des Blutverlustes erfolgen (Kahr et al. 2018). Die frühestmögliche Diagnose und Beseitigung der Blutungsursache sowie die rasche Diagnose und Charakterisierung einer Gerinnungsstörung sowie deren Behandlung mit Tranexamsäure, Ersatz von Gerinnungsfaktoren (Faktorenkonzentrat und/oder gefrorenem Frischplasma, GFP) und Thrombozyten (sofern indiziert) sowie die Substitution von Erythrozytenkonzentraten sind bei einer PPH mit (zunehmendem) Blutverlust unabdingbare Voraussetzungen zur Vermeidung lebensbedrohlicher Komplikationen.
Bei schwerer Präeklampsie/HELLP-Syndrom und/oder vorzeitiger Plazentalösung (Gomez-Tolub et al. 2022), Fruchtwasserembolie und septischen Komplikationen kann es zur Entwicklung einer disseminierten intravasalen Gerinnung (DIC) mit konsekutiver Verbrauchskoagulopathie kommen, deren mögliche Genese zunehmend besser eingegrenzt wird (Konecna et al. 2019). Modifizierte, neue Scoring-Systeme erlauben die frühere und auch spezifischere Identifizierung einer schwangerschaftsassoziierten DIC mit verbesserter Risikoidentifikation (Erez et al. 2014; Alhousseini et al. 2022). Viskoelastische Messverfahren erlauben heute die Point-of-care-Differenzierung von Gerinnungsfaktormangel, Thrombopenie und ausgeprägter Hyperfibrinolyse (Othman et al. 2019).
Um auch chronische erworbene Hämostasestörungen, wie die Autoimmunthrombozytopenie und die seltene thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (meist erworben), sowie die angeborenen Gerinnungsstörungen, wie das von-Willebrand-Syndrom, der FVII-Mangel und der Konduktorinnenstatus für die Hämophilie A oder B, frühzeitig erkennen zu können, sollte jede Schwangere in Vorbereitung auf die Geburt inhaltlich und formal standardisiert zur Gerinnungsanamnese befragt werden (z. B. ISTH/SSC bleeding assessment tool, BAT) (Rodeghiero et al. 2010). Bei auffälliger Anamnese ist eine differenzierte Gerinnungsanalytik und ggf. die Planung eines interdisziplinären Vorgehens mit spezieller Substitutionstherapie intra- und postpartal in die Wege zu leiten. Daher sollte die Gerinnungsanamnese möglichst mit Feststellung der Schwangerschaft erhoben werden.

Hämostase in der physiologischen Schwangerschaft

In der physiologischen Schwangerschaft besteht eine Hyperkoagulabilität, deren Ziel die Verminderung des peripartalen Blutverlustes ist. Dies betrifft vor allem diffuse Blutungen aus der Plazentahaftfläche (plazentarer Blutfluss am Termin ca. 700 ml/min). Die adäquate Kontraktion des Myometriums mit Verkürzung der Spiralarterien nach der Geburt sowie die Gefäßkontraktion sind entscheidende Voraussetzungen, damit die in der Schwangerschaft physiologischerweise bestehende Hyperkoagulabilität wirksam werden kann. Darüber hinaus kommt der vermehrten Freisetzung von Tissue factor und intrazellulären Bestandteilen im Rahmen von „damage associated molecular patterns (DAMPs)“ bei Lösung der Plazenta mit konsekutiver Aktivierung der intravasalen Gerinnung, im Extremfall bis hin zur DIC, eine zusätzliche Bedeutung zu.
Bekannte Veränderungen der Hämostaseparameter in der Schwangerschaft sind in Tab. 1 zusammengefasst (Übersicht bei Thornton und Douglas 2010).
Tab. 1
Physiologische Veränderungen des Gerinnungssystems in der Schwangerschaft
Parameter
Veränderung
(↓)
MPV, β-Thromboglobulin, Thromboxan A2
Fibrinogen, vWF/FVIII-Komplex
↑↑
FVII, IX, X, XII
FV, XI
FXIII
(↓)
Protein S, (erworbene APC-Resistenz)
Protein C, Antithrombin
↑; ≈
t-PA
PAI-1, PAI-2, TAFI
D-Dimere, F1 + 2, TAT
Abkürzungen:
APC  = aktiviertes Protein C, F  =  Faktor, F1 + 2  = Prothrombinfragmente 1 und 2, MPV  = mittleres Thrombozytenvolumen, PAI  =  Plasminogen-Aktivator-Inhibitor, TAFI  = Thrombin-aktivierbarer Fibrinolyseinhibitor, TAT  =  Thrombin-Antithrombin-Komplex. t-PA  =  Plasminogen-Aktivator, vWF  = von-Willebrand-Faktor
Danach entsteht der während der Schwangerschaft physiologischerweise zunehmende prokoagulatorische Zustand durch eine Veränderung des hämostatischen Gleichgewichts.
Dieses wird vermittelt durch den Anstieg prokoagulatorischer Faktoren: insbesondere einer Zunahme des von-Willebrand-Faktor/FVIII-Komplexes um das 2- bis 3-fache (Tab. 1), der Abnahme bzw. Modulierung der natürlichen Gerinnungsinhibitoren (insbesondere Abfall der Protein-S-Aktivität aufgrund des Anstiegs seines C-IVb-Bindungsproteins), während Antithrombin und Protein C unbeeinflusst bleiben oder sogar leicht ansteigen.
Der Fibrinogenspiegel steigt bis zum Termin auf im Mittel 4,8 g/l (Bereich 3,5–9,0 g/l).
Die Verschiebung des Gleichgewichts wird noch verstärkt durch eine Verminderung fibrinolytischer Faktoren ab der 20. SSW: Verminderung der Plasminogen-Aktivator-Konzentrationen (t-PA), Erhöhung des endothelialen Plasminogen-Aktivator-Inhibitor-1 (PAI-1), Anstieg des aus der Plazenta stammenden PAI-2(Robb et al. 2009).
Als Ausdruck der Gerinnungsaktivierung mit gesteigerter Fibrinbildung und Fibrinolyse steigt die Konzentration der D-Dimere (terminales Lyseprodukt des quervernetzten Fibrins) in der normalen Schwangerschaft graduell an (Kawaguchi et al. 2013). Es liegen Referenzintervalle für die D-Dimere bei gesunden Schwangeren für verschiedene Reagenzien vor (Bergmann et al. 2014).
Allerdings kann die Bestimmung der D-Dimere weder zum Ausschluss einer venösen Thrombose, noch zur Risikostratifizierung eingesetzt werden. Simultan zum Anstieg der D-Dimere zeigt sich eine Erhöhung des Thrombin-Antithrombinkomplexes und der Prothrombinfragmente F1 + 2 als Indikatoren für eine gesteigerte Thrombinbildung.
Thrombelastografische Analysen erlauben als Globaltest die integrierte Darstellung der Gerinnungsaktivierung, Gerinnselbildung und Fibrinolyse – auch in der normalen Schwangerschaft (Huissoud et al. 2009). Allerdings kann die Definition einer vermehrten fibrinolytischen Aktivität nicht uniform gewählt werden, sondern muss jeweils krankheitsbezogen erfolgen (Stettler et al. 2019).
Als weiterer möglicher Hinweis auf einen prokoagulatorischen Zustand kann auch die erhöhte Konzentration der „Release-Faktoren“ Plättchenfaktor 4 und ß2-Thromboglobulin (aus den Alphagranula der Thrombozyten) angesehen werden. Dies entspricht allerdings eher einer „Reaktionsbereitschaft“, denn die Resultate zur Untersuchung der tatsächlichen Thrombozytenaggregation während der Schwangerschaft zeigten bisher keine einheitlichen Ergebnisse (Leal et al. 2016; Blomqvist et al. 2019).
Demgegenüber bleiben die absolute Thrombozytenzahl und die Thrombozytenüberlebenszeit in der physiologischen Schwangerschaft im Allgemeinen unbeeinflusst. Allerdings treten bei 5–8 (12) % aller Schwangeren milde Thrombozytopenien auf (Gestationsthrombopenie), die die häufigste Ursache für eine Thrombozytopenie in der Schwangerschaft sind. Zumeist liegen die Werte in diesen Fällen zwischen 100 und 150 G/l, nur in 10 % d. F. < 100 G/l. Als mögliche Ursachen werden die vermehrte Dilution und ein erhöhter Umsatz von Thrombozyten im 3. Trimenon diskutiert. Die Gestationsthrombopenie ist asymptomatisch, tritt meist in der Spätschwangerschaft auf und bildet sich innerhalb von wenigen Tagen (bis 6 Wochen) post partum zurück. Eine fetale Thrombozytopenie besteht nicht und eine Behandlung ist nicht erforderlich (Lefkou und Hunt 2012).
Der Zustand der Hyperkoagulabilität bleibt bei gesunden Schwangeren für mehr als 3 Wochen nach der Geburt bestehen, für das freie Protein S werden die Ausgangswerte erst 6–8 Wochen post partum erreicht. Die Marker der Thrombozytenaktivierung normalisieren sich erst bis zu 12 Wochen nach der Geburt.
Parallel zu dieser Gerinnungsaktivierung tritt die schwangerschaftsinduzierte Hämodilution (überproportionaler Anstieg des Plasmavolumens im Vergleich zum Erythrozytenvolumen, Abfall des Hämatokrits) mit Steigerung der Mikrozirkulation und der kapillären Perfusion auf, die als kompensatorischer Effekt anzusehen ist (Cowman et al. 2017).
Der zeitliche Verlauf erlaubt, folgende Hämostasestörungen zu unterscheiden:
  • akut auftretende, erworbene Hämostasestörungen: Verlust-(Verdünnungs)koagulopathie und die perakute disseminierte intravasale Gerinnung (DIC), Verbrauchskoagulopathie.
  • chronisch persistierende, erworbene Hämostasestörungen: Diese betreffen vor allem sekundäre thrombozytäre hämorrhagische Diathesen oder die subklinische Gerinnungsaktivierung (bis zur chronischen kompensierten DIC), die dann bei zusätzlichen Belastungsfaktoren dekompensieren kann.
  • angeborene Koagulopathien, z. B. von-Willebrand-Syndrom, plasmatische Gerinnungsstörungen (FVII-Mangel und Konduktorinnenstatus für Hämophilie A oder B) oder kongenitale Thrombozytopathien.

Akut erworbene Hämostasestörungen

In der Geburtshilfe gehören schwere peripartale Blutungen nach wie vor zu den gefährlichsten und unkalkulierbarsten Notfallsituationen. Schwere Verläufe treten meist in Verbindung mit akut erworbenen Hämostasestörungen auf.
Alle 7 min stirbt eine Frau auf der Welt an einer peri(post)partalen Blutungskomplikation, das entspricht ca. 140.000 Frauen pro Jahr. Damit steht die peripartale Blutung auch heute noch mit einem Anteil von 25 % an führender Stelle mütterlicher Todesursachen. Lebensbedrohliche peripartale Blutungen betreffen 1/1000 Geburten. Daher wurden in internationalen (ACOG Practice Bulletin No. 183, 2017; RCOG Green-Top Guideline No. 52 2016; NATA Consensus Statement 2019) und nationalen Leitlinien (AWMF-Leitlinie 015/063 2022) verbindliche Grundlagen zur Prävention, Diagnostik und Therapie peripartaler Blutungskomplikationen und Gerinnungsstörungen publiziert, um die mütterliche Morbidität und Mortalität zu senken.
Die Geburtshilfe muss als der erste Kontaktpunkt für Schwangere mit periparatalen Blutungen ein System bieten, das die adäquate Akutversorgung sicherstellt und die optimierte Behandlung dieser gefährdeten Schwangeren in einem multidisziplinären Ansatz garantiert. Vom raschen und fachkundigen Handeln hängt im Einzelfall das Schicksal der Frau und des Kindes entscheidend ab.

Kombination von Verlust- und Verdünnungskoagulopathie

Die Verlust- und Verdünnungskoagulopathie ist die häufigste Ursache für eine peripartale Hämostasestörung. Mit ihr muss bei einer gesunden, normovolämischen Frau gerechnet werden, sobald eine (noch) nicht kontrollierte, behandlungsbedürftige Blutung besteht. Auslösend sind der Blutverlust mit Verbrauch an Gerinnungsfaktoren und die Behandlung mit Volumenersatz.
Die Durchblutung des Uterus beträgt am Termin 600–800 ml/min. Daher ist z. B. bei einer Uterusatonie ein hämodynamisch relevanter Blutverlust innerhalb kürzester Zeit möglich.
Heute sind Verlustkoagulopathien infolge von Abortblutungen, nach Ruptur einer Extrauteringravidität oder bei Placenta praevia (< 1 %) selten. Die häufigste Ursache für eine Koagulopathie sind postpartale Uterusatonie, gefolgt von Plazentaimplantationsstörungen infolge der drastisch gestiegenen Sectioraten sowie schwere geburtstraumatische Verletzungen, einschließlich Uterusruptur. Außerdem ist mit einer Kombination aus Verlust-, Verdünnungs- und Verbrauchskoagulopathie zu rechnen, wie z. B. bei schwerer vorzeitiger Plazentalösung (Abschn. 3.3).

Pathophysiologie

Als Folge der Zunahme von Plasma- und Erythrozytenvolumen resultiert in der Schwangerschaft eine Steigerung des zirkulierenden Blutvolumens um ca. 37 % (1,5–2 l).
Praxistipp
Als Faustregel kann gelten, dass das Blutvolumen einer Schwangeren 8,5–9 % ihres Körpergewichtes beträgt (z. B. bei einer 70 kg schweren Schwangeren: 6,0–6,3 l).
Dieser „protektiven Hypervolämie“, verstärkt durch die hämodynamisch relevante postpartale Umverteilung des Blutvolumens aus dem uteroplazentaren Strombett in die mütterliche Zirkulation, steht der Blutverlust unter der Geburt gegenüber. Solange die von Patientin zu Patientin unterschiedliche physiologische Pufferkapazität ausreicht, bleibt der Zustand der Mutter kompensiert und hämodynamisch stabil, kann aber für den Geburtshelfer plötzlich und unerwartet in einen dekompensierten Zustand übergehen mit hämorrhagischem Schock und nachfolgender Koagulopathie. Dabei führt die Substitution großer Blutverluste mit kristalloiden Lösungen sowie Erythrozytenkonzentraten zu einer Verdünnung mit Abfall aller Gerinnungsfaktoren.
Aufgrund der physiologischen Pufferkapazität bleibt eine gesunde normovolämische Schwangere bis zu einem Blutverlust von 1000–1200 ml meist klinisch unauffällig und kann vorübergehend sogar einen Blutverlust bis 1500 ml ohne eindeutige Zeichen hämodynamischer Instabilität tolerieren (Mori et al. 2021). Bei einem kontinuierlichen Blutverlust > 1500 ml besteht jedoch ein signifikant erhöhtes Risiko für einen schweren hämorrhagischen Schock. Entscheidend in diesem Zusammenhang ist daher nicht nur das Volumen des Blutverlustes, sondern auch dessen Dynamik. Das sollte vor allem vor dem Hintergrund bedacht werden, dass ein Blutverlust von 1000–1500 ml innerhalb von 10 min. nach der Geburt entstehen kann.
Praxistipp
Wegweisend ist der Verlauf des Obstetric-Shock-Index (OSI) (Quotient aus Herzfrequenz und systolischem Blutdruck: Normwerte bei Schwangeren 0,7–0,9), dessen Anstieg bei wiederholten Bestimmungen im Verlauf einer persistierenden Blutung die Dynamik der hämodynamischen Instabilität widerspiegelt. Handlungsbedarf besteht bei einem OSI ≥ 1 (Mori et al. 2021).
Dem Anstieg der Herzfrequenz über die physiologische Sinustachykardie hinaus folgt ein systolischer Blutdruckabfall. So ist bei Unterschreiten von 90 mmHg systolisch oder 30 % des Ausgangswertes mit einem Verlust des Blutvolumens von 25–35 % zu rechnen. Der diastolische Blutdruck kann infolge einer Erhöhung des peripheren Gefäßwiderstandes (Vasokonstriktion) über längere Zeit konstant bleiben. Mit einer Oligurie ist spätestens bei einem Blutverlust von 1,5–2 l zu rechnen, mit einer Anurie ab einem Blutverlust von > 2 l.

Klinisches Vorgehen und Diagnostik

(Übersichten bei Kadir und Davies 2013 sowie Lier und Rath 2011)
Ziel des klinischen Vorgehens ist immer die Vermeidung des Volumenmangelschocks und einer durch Verlust und Verdünnung entstehenden Koagulopathie durch folgende Maßnahmen (Lier und Rath 2011):
  • Antizipieren von Risikofaktoren (präpartal, intra- und postpartal) einschließlich Erhebung einer Blutungs- und Medikamentenanamnese sowie Blutbildbeurteilung. Eine präpartale Anämie < 10 g/dl erhöht das Risiko für eine schwere postpartale Blutung um das ca. 30-fache (Butwick et al. 2017).
  • Realistische Einschätzung des Blutverlustes: Blutverlust bei präexistenten Risikofaktoren und Verdacht auf eine verstärkte postpartale Blutung messen (z. B.z.B. skalierte Klebeauffangbeutel)!
Visuell wird der Blutverlust um 33–75 % bei vaginaler Geburt und bei der Sectio (selbst bei Messung) um ca. 20 % unterschätzt, insbesondere durch unerkannte Blutverluste in Tücher, Laken und auf dem Fußboden. Dabei gilt: Je höher der Blutverlust ist, desto größer ist das Ausmaß der visuellen Unterschätzung. Wichtig ist deshalb das Trainieren der visuellen Beurteilung des Blutverlustes z. B. durch bildliche Algorithmen, die im Kreißsaal verfügbar sein sollten, oder durch Simulationstraining.
  • Rasche Diagnosestellung und Beseitigung der Blutungsursache: Medikamentös und/oder chirurgisch: u. a. rechtzeitige Applikation von Uterotonika (Oxytocin/Prostaglandine) bei Uterusatonie, unverzügliche chirurgische Versorgung von geburtstraumatischen Verletzungen.
  • Logistische Maßnahmen:
    Frühzeitige Information anderer benötigter Fachdisziplinen: Ruf nach kompetenter Hilfe (erfahrener Geburtshelfer, dann Anästhesist) möglichst innerhalb von 10 min nach Diagnose der postpartalen Blutung und bei Persistenz der Blutung (multidisziplinäres Team).
    Bei akuter, behandlungsbedürftiger Blutung Kreuzprobe, Blutbild (mind. Hämoglobin, Hämatokrit, Gesamtleukozyten und Thrombozyten) sowie Gerinnungslabor (Quick, aPTT, Fibrinogen), wenn verfügbar: viskoelastische Testverfahren (z. B. Rotationsthrombelastometrie, Thrombelastographie, ggf. frühzeitige Verlaufskontrollen veranlassen).
    Kontrolle der Vitalparameter (Blutdruck, Puls, Urinausscheidung).
    Rechtzeitig Erythrozytenkonzentrate, u. U. Thrombozytenkonzentrate und gefrorenes Frischplasma bestellen, Antifibrinolytika (Tranexamsäure) und Gerinnungsfaktorkonzentrate (vor allem Fibrinogenkonzentrat) im Kreißsaal bereithalten!
    Voraussetzungen für rasche operative Intervention schaffen (manuelle Plazentalösung, Nachkürettage, Uteruskompressionsnähte, Hysterektomie)
Die Zielwerte für die Substitution von Erythrozyten, Thrombozyten und Gerinnungsfaktoren bei akuter und anhaltender Blutung sind in Tab. 2 dargestellt (AWMF-Leitlinie 015/063).
Tab. 2
Zielwerte für die Substitution von Erythrozyten, Thrombozyten und Gerinnungsfaktoren bei akuter und anhaltender Blutung (AWMF-Leitlinie 015/063)
Parameter
Zielwert
Kommentar
Bei massiver Blutung:
Hämoglobinkonzentration von 7–9  g/dl
(4,3–5,5  mmol/l)
bei Hämatokrit um 30 %
Im Notfall: 2–4 EK
Blutgruppe 0 Rhesus negativ
Thrombozytenzahl
Bei transfusionspflichtiger Blutung:  ≥ 100 G/l
 
Faktor XIII*
> 60 %
Faktorenkonzentrat 1250 E
≥ 2 g/l
Fibrinogenkonzentrat 2–4 g intravenös
Gefrorenes Frischplasma
> 20–30 ml/kgKG
Rahmenbedingungen beachten:
Körpertemperatur > 34 °C
Ionisiertes Ca2+ > 0,9 mmol/l
pH-Wert  > 7,2
*sofern verfügbar
Diese Transfusionsempfehlungen basieren nicht auf Studien, die bei Schwangeren mit postpartaler Blutung durchgeführt wurden. In Terminnähe liegt die Fibrinogenkonzentration mit 3,5–9 g/l (im Mittel 4,8 g/l) deutlich über den Konzentrationen bei Nichtschwangeren (1,5–4 g/l) (Szecsi und Jorgensen 2010). Ab einer Fibrinogenkonzentration von 0,75 g/l beginnt bei suffizienter Stimulation die Bildung des stabilen Blutgerinnsels und ist unter In-vitro-Bedingungen (optimierte Rahmenbedingungen, kein FXIII-Verlust) bei gesunden, Nichtschwangeren bei einer Konzentration von 2–2,5 g/l optimal (Bollinger et al. 2009).
Der negative prädiktive Wert für eine schwere postpartale Blutung lag nach einer prospektiven Studie bei einer Fibrinogenkonzentration > 5 g/l bei 79 %, der positive prädiktive Wert einer Fibrinogenkonzentration < 2 g/l bei 100 % (Charbit et al. 2007). Allerdings konnte die präventive Gabe von Fibrinogenkonzentraten in den bisherigen randomisierten kontrollierten Studien (mit oder ohne Steuerung durch viskoelastische Testverfahren) bei Schwangeren mit schwerer postpartaler Blutung keine signifikante Verbesserung des Outcomes zeigen (Collins et al. 2017; Ducloy-Bouthors et al. 2021).
Des Weiteren legt die größte bisher verfügbare prospektive Studie zur Pathophysiologie der Hämostase bei PPH nahe, dass insbesondere die Einschränkung der Bildung eines stabilen Gerinnsels das entscheidende Problem darstellt. Dabei ist weniger die Fibrinogenkonzentration allein, sondern vor allem die verfügbare Quervernetzungskapazität (als FXIII) relevant (Haslinger et al. 2020).
Praxistipp
Quick-Wert und aPTT berücksichtigen nicht die Effekte von Anämie, Thrombozytopenie, FXIII, Azidose, Hypothermie und Hypokalzämie. Bei pathologischen Quick- und aPTT-Werten muss an einen Gerinnungsfaktormangel gedacht werden.
In Ergänzung zu den globalen Gerinnungstests werden daher zunehmend viskoelastische Testverfahren im Vollblut als neue Point-of-care-Methode für die Beurteilung der Gerinnselfestigkeit eingesetzt (z. B.ROTEM, TEG), zu denen auch Untersuchungen bei postpartalen Blutungen und Gerinnungsstörungen vorliegen (Solomon et al. 2012; de Lange et al. 2012).
Der große Vorteil liegt in der raschen Verfügbarkeit dieser Globalverfahren, was eine zeitnahe Einschätzung der Situation als Grundlage für eine Therapieentscheidung (insbesondere Gabe von Gerinnungsfaktoren, Thrombozyten) erlaubt. Konventionelle Labortests benötigen i. A. 30–60 min. und sind daher in der Akutsituation wenig hilfreich.
Häufige klinische Probleme, wie die Wirkung von Thrombozytenaggregationshemmern oder das Vorliegen eines von-Willebrand-Syndroms, können mit den klassischen viskoelastischen Testverfahren allerdings nicht detektiert werden. Hierzu sind andere Analysen (z. B. Thrombozytenfunktionstests) erforderlich. In diesen Fällen ist eine Abstimmung zwischen Geburtshilfe und Labor im Sinne eines Algorithmus hilfreich, um im Notfall Zeit zu sparen.
Mit der Point-of-care-Analytik können die Auswirkungen der Verlust- und Verdünnungskoagulopathie zeitnah erkannt und das Vorliegen einer (ausgeprägten) Hyperfibrinolyse schnell erfasst werden. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf die Therapie der Gerinnungsstörung.

Therapie

Entscheidend für das Ausmaß der Hämostasestörung und für die Prognose ist die rechtzeitige Beseitigung der Krankheitsursache (z. B. durch Entbindung bei schwerer vorzeitiger Plazentalösung). Bei persistierender Blutung sollte auf ein konsequentes Procedere geachtet werden (Lier und Rath 2011).
  • Adäquate Volumenzufuhr mit vorgewärmten kristalloiden Lösungen: initial z. B. 1500 ml Ringerlaktat bei Blutverlust > 1000 ml oder Zeichen der hämodynamischen Instabilität.
Volumenmangelschock, Mikrozirkulationsstörungen und Minderperfusion der Organe können Gerinnungsstörungen im Sinne einer DIC verstärken. Ein protrahierter Volumenmangel (protrahierter Schockzustand) sollte im Hinblick auf die mütterliche Morbidität und Mortalität daher immer vermieden werden!
Ein Blutverlust von 20–30 % des Blutvolumens (≥ 1,2–1,5 l) erfordert die rasche Gabe von Erythrozytenkonzentraten und gefrorenem Frischplasma (GFP): > 20–30 ml/kgKG, bei vital bedrohlichen Blutungen in einem Verhältnis von 1:1. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang die aktuelle Querschnittsleitlinie der Bundesärztekammer (BÄK) zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten (Gesamtnovelle 2020).
Praxistipp
Faustregel: 1 Erythrozytenkonzentrat erhöht den Hämoglobinspiegel bei einer 70 kg schweren Patientin um 1–1,5 g/l.
Im äußersten Notfall (fehlende Blutgruppenbestimmung, Antikörpersuchtest oder Kreuzprobe) können Blutgruppe-0-Rhesus-negative Erythrozytenkonzentrate und gefrorenes Frischplasma der Blutgruppe AB gegeben werden.
Hilfreich ist die vorbereitende interdisziplinäre Klärung, ob durch den Einsatz von lyophilisiertem Plasma eine Zeitverzögerung vermieden bzw. reduziert werden kann. Eine Kontrolle der Hämostaseparameter sollte in der akuten (Blutungs-) Situation regelmäßig (ca. alle 30 min.) erfolgen, in der nicht akuten (aber noch ungeklärten) Situation alle 4–6 Std.
Gefrorenes Frischplasma muss aufgetaut werden (Zeitverlust: 30–45 min). daher ist eine vorherige Klärung sinnvoll, ob lyophilisiertes Plasma verwendet werden kann.
Praxistipp
Bei einer persistierenden peripartalen Blutung sollte als 1. Schritt i. d. R. (außer bei Kontraindikationen – insbesondere DIC mit Mikrozirkulationsstörungen) die Gabe von Tranexamsäure erfolgen (WOMAN Trial Collaborators 2017). Dabei ist darauf zu achten, dass die Gabe frühzeitig, am besten zeitnah mit der i.v.-Gabe von Oxytocin (jedoch nicht prophylaktisch) erfolgt.
Damit können möglicherweise die Dynamik des weiteren, potenziell schweren Verlaufs reduziert und das Sicherheitsprofil der Tranexamsäure verbessert werden (Brenner et al. 2019).
Zeigt sich, dass in Kombination mit anderen parallel zu beginnenden medikamentösen (Uterotonika), mechanischen (Uterustamponade) bzw. operativen (z. B. Uteruskompressionsnähte) Maßnahmen die Blutung nicht kontrolliert werden kann, ist unverzüglich eine weitergehend hämostatische Therapie einzuleiten.
Bei der Verwendung von GFP sind hohe Transfusionsvolumina (> 20–30 ml/kgKG) erforderlich, um einen signifikanten Anstieg der Spiegel an Gerinnungsfaktoren zu erreichen. Damit besteht die Gefahr der Volumenüberlastung und des Lungenödems bei diesen Risikopatientinnen!
Ein TRALI (Transfusion-Related Acute Lung Injury) kommt bei 1/2000–5000 transfundierten Einheiten GFP, insbesondere bei Schwangeren mit kardialen und hämatologischen Grunderkrankungen, vor.
Die Volumenüberlastung (TACO: Transfusion-Associated Circulatory Overload) kann vermindert werden, indem Gerinnungsfaktorkonzentrate zur hämostatischen Therapie eingesetzt werden. Transfusionsbedingte Komplikationen sind sehr selten, die Sicherheit von Faktorenkonzentraten ist infolge einer Virusinaktivierung hoch.
Es sollte darauf geachtet werden, dass der Fibrinogenspiegel nicht unter 2 g/l absinkt. Auch wenn über den genauen Cut-off-Wert bisher keine Klarheit besteht (Cortet et al. 2012), ist nach bisherigem Wissensstand davon auszugehen, dass die Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufes bei Fibrinogenspiegeln unterhalb von 2 g/l um das bis zu 12-fache erhöht ist (Charbit et al. 2007).
Bisher wurde der Bildung eines stabilen Fibringerinnsels zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Auch nach Korrektur der vorliegenden Fibrinogenkonzentrationen ist die präpartale FXIII-Aktivität der wichtigste prädiktive Parameter für den späteren Blutverlust (Haslinger et al. 2020). Dies trifft im Allgemeinen bei operativen Settings zusammen mit der Thrombozytenzahl auch für die Prädiktion der Gerinnselfestigkeit mittels viskoelastischer Testverfahren (Rotationsthromboelastometrie, ROTEM, von Rappard et al. 2017) und den intraoperativen Transfusionsbedarf zu (Listyo et al. 2020). Daraus leitet sich ab, vor der Gabe von mehr Substrat (Fibrinogen) zunächst die Quervernetzung durch adäquate Verfügbarkeit von FXIII (FXIII im Normbereich mind. > 60 %) sicherzustellen. Allerdings steht die FXIII-Bestimmung in den meisten Laboren noch nicht zur Verfügung. Ob ein (nicht spezifizierter) Faktorenmangel vorliegt, kann aber mittels ROTEM-Diagnostik frühzeitig erkannt und dann, der Epidemiologie folgend, FXIII in der akuten Blutungssituation substituiert werden.
Außerdem stellt eine Thrombozytopenie < 75 G/l bei einer persistierenden Blutung und der Notwendigkeit zur Erythrozytensubstitution oder zur operativen Intervention eine zwingende Indikation zur Gabe von Thrombozyten dar. Bei transfusionspflichtiger Blutung sollte ein Wert von 100 G/l angestrebt werden (AWMF 015/063).
In einer akuten Blutungssituation sollten keinerlei antithrombotische Substanzen (z. B. Heparin) verabreicht werden, da a priori von einer erhöhten Blutungsgefahr auszugehen ist (Blutungsverstärkung!).
Bei fortbestehender Blutung und nach Ausschöpfen aller chirurgischen und die Hämostase stabilisierenden Maßnahmen kann die intravenöse Applikation von rekombinantem FVIIa (rFVIIa) mit 90 μg/kgKG als probatorische Therapie erwogen werden (Off-Label-Use), möglichst vor einer geplanten Hysterektomie. rFVIIa bindet an den Tissue factor mit der Folge der Aktivierung von FX und einem konsekutiven Thrombin-Burst
Aus Fallserien geht hervor, dass die Anwendung von rFVIIa in durchschnittlich 85 % d. F. zu einem Sistieren oder einer klinisch nachweisbaren Reduktion der Blutung und bei ca. 60 % zu einem Erhalt des Uterus führen kann (Übersicht bei Rath 2012).
Die rasche Verfügbarkeit von Blutbild und Gerinnungslabor sowie von Erythrozytenkonzentraten und gefrorenem Frischplasma ist heute unverzichtbare Voraussetzung für jede geburtshilfliche Tätigkeit.
Schwangere mit hohem peripartalem Blutverlust, erschwerter Plazentalösung und ausgedehnten geburtstraumatischen Verletzungen sind hinsichtlich thromboembolischer Komplikationen im Wochenbett besonders gefährdet. Bei Blutverlust > 1000 ml mit chirurgischer Intervention und/oder Notwendigkeit zur Gabe von Erythrozytenkonzentraten ist mit einem bis zu 12-fach hohem Risiko für thromboembolische Komplikationen post partum zu rechnen (Übersicht bei Rath et al. 2016). Daher empfiehlt sich nach Stabilisierung der Gerinnungssituation (adäquate lokale Hämostase und Normalisierung der Laborparameter) der Beginn einer medikamentösen Thromboseprophylaxe. Diese Beurteilung sollte 6 Std. post interventionem ein 1. Mal erfolgen. Ist eine medikamentöse Thromboseprophylaxe zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich, sollte bis zu deren Beginn eine physikalische Thromboseprophylaxe (z. B. pneumatische Kompression) durchgeführt werden.

Disseminierte intravasale Gerinnung (DIC) und Verbrauchskoagulopathie

Disseminierte intravasale Gerinnung (DIC): Definition
Die disseminierte intravasale Gerinnung (DIC)stellt eine erworbene, lebensbedrohliche, systemische, thrombohämorrhagische Komplikation dar und ist als sekundäre Folge verschiedener zugrunde liegender Pathologien zu verstehen (also keine eigenständige Krankheitsentität). Sie ist das Ergebnis einer unkontrollierten systemischen Aktivierung des Gerinnungssystems/der Fibrinolyse mit Verbrauch von Thrombozyten (frühester Indikator), Verbrauch von Gerinnungsfaktoren/-Inhibitoren mit konsekutiver hämorrhagischer Diathese und/oder generalisierter (Mikro-)Thrombosierung mit einer Ischämie-bedingten Funktionseinschränkung verschiedener Organe bis hin zum Multiorganversagen im Sinne eines Circulus vitiosus.
Daraus folgt, dass die Grundlage jeder Behandlung einer DIC, die (möglichst frühzeitige) Behandlung der Grunderkrankung sein muss. Auch die hämostatische Therapie der DIC muss so früh wie möglich erfolgen und hat damit die Aufgabe, Zeit für die Behandlung der Grunderkrankung zu gewinnen. Daher sollte ein Scoring für eine (potenzielle) DIC möglichst frühzeitig erfolgen (Alhousseini et al. 2022).
Die DIC betrifft 0,03–0,35 % aller Schwangerschaften (Rattray et al. 2012; Erez et al. 2015). Sie kommt vor allem im Rahmen folgender Pathologien vor:

Pathophysiologie

Als „Initialzünder“ der systemischen akzelerierten intravasalen Gerinnungsaktivierung kommen in Abhängigkeit von der Ätiologie nach Zellschädigung als Triggersysteme infrage:
  • der direkte Übertritt von prokoagulatorischen Substanzen in die mütterliche Zirkulation, z. B. von DNA und Histonen (Kim et al. 2015; Alhamdi und Toh 2017), bzw.
  • die Freisetzung oder Exposition von Gewebefaktor (Tissue factor) bei ausgedehnter Gewebetraumatisierung oder seiner Exposition auf der Oberfläche von Endothelzellen oder Monozyten nach deren vorheriger Aktivierung durch proinflammatorische Zytokine, wie z. B. bei septischen Erkrankungen.

Klinischer Verlauf

Klinisch kann es als Folge der systemischen Gerinnungsaktivierung mit gesteigerter Thrombinbildung und (mindestens initial) erhöhter Fibrinbildung zu einer Thrombosierung der Mikrostrombahn kommen, was mit einem entsprechenden Verbrauch an Gerinnungsfaktoren, Thrombozyten und Inhibitoren (z. B. Antithrombin) einhergeht. Aus der Mikrothrombosierung/Perfusionsminderung in der Endstrombahn können Beeinträchtigungen verschiedener Organsysteme resultieren (initial vor allem Niere, Lunge), bei weiterem Fortschreiten bis hin zum Multiorganversagen (Abb. 1). Die parallel eingeleitete Plasmin- bzw. Elastase-induzierte Fibrinolyse führt zum proteolytischen Abbau von Fibrin, der u. U. dazu beiträgt, bei schweren Verläufen die Endstrombahn noch offenzuhalten (Madoiwa 2015; Onishi et al. 2020). Liegt eine solche Situation vor, ist der Einsatz eines Antifibrinolytikums kontraproduktiv. Die parallele Aktivierung des Komplementsystems ist ein prognostischer Faktor für den Verlauf der DIC (Zhao et al. 2015).
Cave
Die DIC kann einen dynamischen Verlauf aufweisen, bei dem der Übergang zwischen Perfusionsstörung und hämorrhagischer Diathese als Ausdruck einer klinisch manifesten Verbrauchskoagulopathie, u. U. mit Akzentuierung durch die begleitende Fibrinolyse, bei foudroyanten Verläufen (z. B. schwere vorzeitige Lösung, HELLP-Syndrom) sich innerhalb von Stunden vollziehen kann. Die ist i. d. R. erkennbar an deutlichen Veränderungen der globalen Gerinnungstests wie Quick, aPTT und in der Thrombelastografie bzw. in spezifischen Tests anhand der Thrombozyten, D-Dimere, von Fibrinogen und Antithrombin. Daher ist eine kurzfristige Verlaufsbeobachtung notwendig.

Diagnose

Die Diagnose gründet sich auf die Anamnese, die Art der Grunderkrankung, die klinischen Symptome sowie auf die laborchemischen Befunde. Zur raschen Diagnoseorientierung hat sich außerhalb der Schwangerschaft die Anwendung von DIC-Scores bewährt. Bestehende Scores wurden für die Schwangerschaft inzwischen adaptiert bzw. weiterentwickelt (Erez et al. 2014) und überprüft oder validiert (Hizkiyahu et al. 2019; Rabinovich et al. 2019). Die Anwendung dieser Scores lässt eine strukturierte und vor allem standardisierte Vorgehensweise zu. Hinweise, ab wann der Score bzw. seine Elemente wiederholt überprüft werden sollten, finden sich in Tab. 3.
Tab. 3
Empfehlungen zur Verlaufsbeobachtung von Laborparametern bei Differenzialdiagnose DIC. (Modifiziert nach Erez et al. 2014)
Kontrollbedarf: Laborwerte im Verlauf bei bestehender Differenzialdiagnose DIC
Tendenz ohne Therapie
Thrombozytenzahl
(Cave: dynamischer Abfall!)
< 150 G/l
INR
> 1,3
< 3,5 g/l
Antithrombin
< 70 %
D-Dimere*
In der initialen Diagnose nicht hilfreich, evtl. zur Verlaufskontrolle bei Behandlung
*in der Schwangerschaft physiologisch erhöht
Praxistipp
Entscheidend ist immer, an die Möglichkeit einer DIC zu denken! Daher sind eine rechtzeitige Bestimmung der Hämostaseparameter und engmaschige Kontrollen (Verlaufsbeobachtung oft richtungsweisend!), intensive klinische Überwachung, Blutdruck, Puls, stündliche Urinausscheidung, Pulsoxymetrie, Blutgase wichtig.
Vorrangiges Ziel ist es, ein Multiorganversagen bzw. eine tödliche Koagulopathie zu vermeiden!
Tab. 3 zeigt einen Vorschlag zur Initiierung der Verlaufsbeobachtung von Laborparametern bei Grenzwerten, die bereits ein ernstes Warnsignal darstellen.
In der Frühphase einer DIC kann die intravasale Gerinnungsaktivierung/Hyperkoagulabilität mithilfe der im Routinelabor angebotenen globalen Gerinnungstests nicht mit Zuverlässigkeit erfasst oder als klinisch irrelevant eingestuft werden, umso wichtiger ist daher, in dieser initial noch kompensierten Phase die Verlaufsbeobachtung einzuleiten.
Praxistipp
Da das Stadium der intravasalen Gerinnungsaktivierung über eine klinisch noch inapparente und mit den globalen Gerinnungsparametern oft nicht erfassbare Phase der intravasalen Fibrinbildung schnell und fließend in eine klinisch manifeste Koagulopathie übergehen kann, ist eine laborchemische Verlaufskontrolle zunächst alle 1–2 Std. unerlässlich.

Therapie

Die kausale Behandlung einer DIC besteht nach korrekter Diagnose immer in der Beseitigung der zugrunde liegenden Pathologie, in der Geburtshilfe also i. A. in der unverzüglichen Beendigung der Schwangerschaft, ggf. durch Sectio caesarea (z. B. bei schwerer vorzeitiger Plazentalösung oder ausgeprägtem HELLP-Syndrom), bei Infektionen in deren adäquater Therapie. Die spezifische hämostaseologische Therapie dient dazu, die kausale Therapie der zugrunde liegenden Pathologie zu ermöglichen (im Sinne des Zeitgewinns und der Zurverfügungstellung von notwendigen Rahmenbedingungen). Die hämostaseologische Therapie ist aber per se keine kausale Therapie der DIC. Sie muss darauf abzielen, die in der jeweiligen Situation unterschiedliche Ausprägung der DIC zu verbessern. Präsentiert sich die DIC als Hämorrhagie, muss ausreichend Gerinnungspotenzial (prokoagulatorische Faktoren) zur Verfügung gestellt werden, um den resultierenden Verbrauch zu kompensieren, bis die zugrunde liegende Pathologie beseitigt werden kann. Es ist darauf hinzuweisen, dass der auslösende Faktor der DIC immer die erhöhte Thrombingenerierung ist, auch im Rahmen der entstandenen Verbrauchskoagulopathie. Wenn möglich, sollte frühzeitig ein Hämostaseologe beratend hinzugezogen werden mit der Frage, wie lange eine gegen die vermehrte Thrombingenerierung gerichtete Strategie noch sinnvoll ist und ab wann darauf verzichtet werden muss, um nicht eine Blutungsneigung auszulösen oder sie zu verstärken.
Neben der rechtzeitigen Laboranalyse ist die sofortige Bereitstellung von Erythrozytenkonzentraten (Kreuzprobe) und blutgruppengleichem gefrorenem Frischplasma (GFP), ggf. in Kombination mit Einzelfaktorkonzentraten oder Prothrombinkomplexkonzentrat (PPSB), erforderlich. Diese Maßnahme hat unverzüglich mit der Diagnosestellung zu erfolgen, um nicht unnötig Zeit bis zur Verfügbarkeit der Präparate zu verlieren, zumal sich der Eintritt einer klinisch manifesten Koagulopathie mit lebensbedrohlicher Blutung rasch und damit zeitlich nicht sicher abschätzbar entwickeln kann. Bei schwerem Verlauf der DIC kann die endogene Fibrinolyse dazu beitragen, die terminale Endstrombahn offenzuhalten, allerdings ist dieser Effekt klinisch kaum zu quantifizieren. Daher sollte bei etablierter Diagnose einer DIC auf die Anwendung von Antifibrinolytika verzichtet werden. Eine Ausnahme stellt ein Ultima-ratio-Ansatz bei vorherrschender Aktivierung des fibrinolytischen Systems mit akuten schweren Blutungen dar.
Eine bilanzierte Volumensubstitution unter Kontrolle des zentralen Venendrucks kann die Präzipitation von Fibrin in der terminalen Strombahn und damit das initiale Ausmaß der Organmanifestationen durch Aufrechterhaltung einer ausreichenden Mikrozirkulation reduzieren und die begleitende metabolische Azidose korrigieren. Bei der Volumengabe sollte darauf geachtet werden, dass kolloidale Lösungen nur dann eingesetzt werden, wenn kristalloide Infusionslösungen nicht ausreichen, da Kolloide in unterschiedlichem Ausmaß eine Störung der Fibrinpolymerisierung und eine verzögerte Gerinnselbildung mit verstärkter Blutung induzieren können. Außerdem kommt der Korrektur der metabolischen Azidose eine wichtige Bedeutung zu.
Bei persistierender Blutung und ab einem Blutverlust von 1500–2000 ml sollte eine konsequente Substitution mit Erythrozytenkonzentraten (bei hämodynamischer Instabilität trotz adäquater Volumenzufuhr auch schon früher) erfolgen: Gabe von Erythrozytenkonzentraten und GFP im Volumenverhältnis 2:1–1:1. Bei der Gabe von GFP ist davon auszugehen, dass 20–30 ml/kgKG benötigt werden, um eine effektive Substitution zu ermöglichen, bei anhaltender, schwerer Blutung kann die Gabe von Fibrinogenkonzentrat zur Aufrechterhaltung eines adäquaten Fibrinogenspiegels notwendig sein.
Bei der Anwendung von GFP ist an das Risiko einer resultierenden Volumenüberlastung mit einer Gefahr des Lungenödems zu denken. Bei Volumenüberlastung oder wenn Verlaufskontrollen der Labor- und/oder Thrombelastografiewerte zeigen, dass die Substitution mit GFP für die Aufrechterhaltung einer adäquaten Prokoagulatorenkonzentrationnicht ausreicht, sollte die Substitution von Gerinnungsfaktoren mittels Konzentraten und Thrombozytenkonzentraten erfolgen, auch um der konkomittierenden Verdünnung infolge Volumengabe besser entgegenwirken zu können. Deren Einsatz richtet sich primär nach dem klinischen Bild. Zielwerte sind dabei eine INR < 1,5, Thrombozyten > 80 G/l, FXIII > 60 %, Fibrinogen ≥ 2 g/l und Antithrombin > 60 %. Übliche – jedoch immer individuell festzulegende – Dosierungen sind beim Einsatz von PPSB 20–25 E/kgKG, FXIII 15–20 E/kgKG, Fibrinogen 30–50 mg/kgKG und Antithrombin 10–20 E/kgKG.
Bei der Anwendung von PPSB-Präparaten (enthalten Vitamin-K-abhängige Gerinnungsfaktoren II, VII, IX, X sowie Protein C und S) ist Vorsicht geboten, da diese Präparate einen unterschiedlich hohen Anteil bereits aktivierter Gerinnungsfaktoren enthalten können mit der Gefahr schwerer thromboembolischer Komplikationen. Daher sollte die Anwendung von PPSB mit einem hämostaseologischen Konsiliarius besprochen und die Gabe von Antithrombin erwogen werden.

Hämostaseprobleme bei speziellen Krankheitsbildern

Es besteht der Eindruck, dass die klassischen, mit einer DIC einhergehenden Krankheitsbilder (wie z. B. vorzeitige Plazentalösung, septischer Abort) in den letzten 10–20 Jahren vor allem durch eine Verbesserung der Diagnostik (u. a. Sonografie) zahlenmäßig in den Hintergrund getreten sind, während das Problem der DIC beim HELLP-Syndrom und bei der Fruchtwasserembolie eine „Renaissance“ erfahren hat.

Präeklampsie/HELLP-Syndrom

In Abhängigkeit von der Latenzzeit zwischen Diagnosestellung und Schwangerschaftsbeendigung sowie vom Schweregrad der Erkrankung liegt die Häufigkeit einer DIC beim HELLP-Syndrom im Mittel bei 15 % (Haram et al. 2017), bei (schwerer) Präeklampsie/Eklampsie ausweislich von Kohortenstudien bei 12–14 % (Übersicht bei Haram et al. 2017).
In einer Übersichtsarbeit wird darauf hingewiesen, dass eine manifeste DIC bei einer Präeklampsie selten ist und fast ausschließlich im Zusammenhang mit einem HELLP-Syndrom auftritt (Haram et al. 2017). Die Ursache, warum die DIC beim HELLP-Syndrom signifikant häufiger ist als bei schwerer Präeklampsie, ist bisher unklar. Bei beiden Verlaufsformen kommt es über eine systemische maternale Inflammation zu einer verstärkten Aktivierung des Gerinnungssystems, z. B. durch die gesteigerte Freisetzung von Tissue factor aus u. a. aktivierten Monozyten/Endothelzellen.
Bei initial noch kompensierter Gerinnungsaktivierung und inapparenter Mikrozirkulationsstörung kann bei Persistenz des Circulus vitiosus aus zunehmender endothelialer Dysfunktion, systemischer Inflammation und intravasaler Gerinnungsaktivierung dieses kompensierte Stadium fließend und für den Geburtshelfer nur schwer erkennbar in einen dekompensierten Zustand mit Störung der Globalgerinnung und Multiorganversagen übergehen.
Neuere Untersuchungen zeigen, dass die Präeklampsie mit einer Aktivierung des Komplementsystems und der Interaktion von prokoagulatorischen Faktoren mit Endothelzellen einhergeht (Youssef et al. 2021). Dieser Mechanismus kann offenbar zu einer Präsentation wie einer DIC führen.
Bei schwerer Präeklampsie vor der 34. SSW sind die Hämostasestörungen ausgeprägter als bei schwerer Präeklampsie in Terminnähe.
Beim HELLP-Syndrom kommt es gleichzeitig in 11–20 % d. F. zu einer vorzeitigen Plazentalösung, die ihrerseits bei schwerer Ausprägung bei bis zu 35 % der Betroffenen mit einer DIC assoziiert sein kann. Darüber hinaus können ausgeprägte Leberhämatome oder eine Ruptur (1–2 %) zu einer verminderten Produktion von Gerinnungsfaktoren in der Leber beitragen (Haram et al. 2017).
Gerinnungsstörungen können das Ausmaß einer zerebralen Blutung (häufigste Todesursache) bei schwerer Präeklampsie/Eklampsie oder HELLP-Syndrom verstärken. Andererseits ist infolge der reaktiven Thrombozytose im postpartalen Verlauf des HELLP-Syndroms (bis zu 30 % der Patientinnen) mit einem potenziell erhöhten Thromboembolierisiko zu rechnen.
Praxistipp
Beim HELLP-Syndrom sind nach Erfahrungen der Autoren der dynamische Abfall der Thrombozyten und des Antithrombins (sensitiver Lebersyntheseparameter) sowie der progrediente Anstieg der D-Dimere richtungsweisend für einen schweren Krankheitsverlauf und damit Entscheidungshilfe im Sinne einer raschen Schwangerschaftsbeendigung (Rath et al. 2000).
Zu beachten ist, dass der Thrombozytennadir 23–29 Std. post partum erreicht wird und eine Normalisierung der Thrombozytenzahl innerhalb von 6–11 Tagen nach der Geburt zu erwarten ist.
Gerinnungsstörungen treten i. d. R. erst bei Thrombozytenzahlen unter 100 G/l auf (Haram et al. 2017).
Bei schwerer Präeklampsie/Eklampsie und vor allem beim HELLP-Syndrom sollte frühzeitig (bei Diagnosestellung) eine Gerinnungsdiagnostik erfolgen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Thrombozytopenie obligates Kriterium des HELLP-Syndroms ist, aber per se noch nicht eine klinisch relevante Koagulopathie anzeigt.
Zeigt die Gerinnungsdiagnostik allerdings bereits in einem frühen Stadium weitere pathologische Befunde, dann besteht ein deutlich erhöhtes Risiko, dass diese Patientinnen im weiteren Verlauf Blutprodukte benötigen (Combs et al. 2021). Soweit bisher beurteilbar, können auch viskoelastische Verfahren zum Screening eingesetzt werden (Lidan et al. 2019), wobei auf eine lokale Verifizierung der zu verwendenden Grenzwerte zu achten ist.

Vorzeitige Plazentalösung

Mit einer vorzeitigen Plazentalösung muss bei 0,4–1 % aller Schwangerschaften gerechnet werden. Das Ausmaß der Hämostasestörung hängt entscheidend vom Schweregrad der Ablösung (> 25 % der Haftfläche) und von der Latenzzeit zwischen Diagnosestellung und Schwangerschaftsbeendigung ab. Das Risiko für die Entwicklung einer DIC ist deutlich erhöht bei gleichzeitigem intrauterinem Fruchttod und ausgedehntem retroplazentaren Hämatom infolge der kontinuierlichen Freisetzung von Tissue factor in die mütterliche Zirkulation mit systemischer Aktivierung der Gerinnung (Erez et al. 2015).
Die Rate an Gerinnungsstörungen ist dementsprechend unterschiedlich zwischen 0,5 und 20 % (Hall 2009), möglicherweise auch unabhängig vom Schweregrad eines vorbestehenden HELLP-Syndroms (Gomez-Tolub et al. 2022, vgl. Abschn. 3.3.1).
Bei der vorzeitigen Plazentalösung können verschiedene, sich parallel entwickelnde und oft nicht scharf voneinander zu trennende pathophysiologische Ursachen zur Koagulopathie führen:
  • Aus dem Blutverlust, vor allem bei retroplazentarem Hämatom (bis zu 2 l Volumen), kann in Verbindung mit der notwendigen Volumentherapie eine Verlust- und Verdünnungskoagulopathie resultieren.
  • Durch die Ablösung der Plazenta kommt es zur Freisetzung großer Mengen prokoagulatorischer Substanzen, z. B. von Tissue factor plazentaren Ursprungs (wirksamer als zirkulierender Tissue factor) in die mütterliche Zirkulation. Dies führt konsekutiv zu einer systemischen Aktivierung des Gerinnungssystems und deren Folgen sowie zu einer (systemischen) inflammatorischen Reaktion mit unkontrollierter Thrombinbildung (Erez 2017).
  • Darüber hinaus kann es bei zunehmender Ausbreitung des retroplazentaren Hämatoms zu einem lokalen Verbrauch von Gerinnungsfaktoren kommen (Übersicht bei Haram et al. 2017).
Postpartal erfolgen mit der Geburt der Plazenta ein rascher Abbau von Fibrinogen und Fibrin sowie eine Aktivierung der Fibrinolyse aufgrund der hohen Aktivität in Plazenta und Myometrium (Uszynski et al. 2001). Die daraus resultierenden Fibrin-/Fibrinogenabbauprodukte können ihrerseits durch Störung der Fibrinpolymerisierung und der Thrombozytenaggregation die Gerinnung in der Endstrecke weiter hemmen.
Die fibrinolytische Aktivität erreicht ihr Maximum ca. 3 Std. nach der Geburt und kann bis zu 6–10 Std. post partum eine vorhandene zusätzliche Blutungsneigung weiter verstärken (Rath und Lier 2013). Diffuse Blutungen aus dem offenen uterinen Wundbett können sich dadurch zu einer klinisch relevanten hämorrhagischen Diathese entwickeln (Rath und Heilmann 1999).

Dead-fetus-Syndrom

Unter Berücksichtigung „historischer“ Untersuchungen versteht man darunter eine zunächst klinisch inapparente Gerinnungsstörung mit Fibrinogen- und Thrombozytenabfall, bedingt durch die Einschwemmung von prokoagulatorisch und proinflammatorisch wirksamer Substanzen. Mit einer DIC ist zu rechnen, wenn der abgestorbene Fet mehr als 5 Wochen in utero verbleibt (Bick et al. 2006). In Anbetracht regelmäßiger Schwangerenvorsorgeuntersuchungen und sonografischer Kontrollen mit rascher Schwangerschaftsbeendigung bei der Diagnose intrauteriner Fruchttod, spielt heute das Dead-fetus-Syndrom in der Geburtshilfe praktisch keine Rolle mehr, auch nicht, wie umfangreiche klinische Erfahrungen zeigten, bei Absterben eines Zwillings.
Das Risiko für eine DIC besteht dann, wenn eine ausgeprägte vorzeitige Lösung (mit retroplazentarem Hämatom) zum Absterben des Feten führt. Nach einer aktuellen PubMed-Recherche finden sich seit mehr als 10 Jahren keine Publikationen mehr zum Dead-fetus-Syndrom.

Fruchtwasserembolie (FWE)

Die Fruchtwasserembolie ist eine seltene, unvorhersehbar eintretende Komplikation mit einer Inzidenz von 1,1–7,7/100.000 Geburten. Sie ist charakterisiert durch die Trias aus kardiovaskulärer Dekompensation (Hypotension, Herzstillstand), pulmonaler Insuffizienz (Dyspnoe, Zyanose, Hypoxie) und disseminierter intravasaler Gerinnung. Die FWE steht in den Industrieländern mit einem Anteil von 5–25 % an 1. bis 3. Stelle direkter Müttersterbefälle.
Die fallbezogene Sterblichkeit der Mutter liegt zwischen 11 und 35 % (Rath 2017).
Bei jeder plötzlichen kardiovaskulären Dekompensation und/oder mütterlichem Tod ohne erklärbare Ätiologie im Rahmen der Geburt sollte an eine FWE gedacht werden (Rath et al. 2014).
Pathophysiologisch kommt es nach Eintritt von Fruchtwasser bzw. Fruchtwasserbestandteilen (u. a. Vernix, fetale Schuppen, Mekonium) in die mütterliche Zirkulation über endozervikale Venen, über Zervix- bzw. Uterusläsionen oder über die Plazentahaftfläche zur Endothelaktivierung, starken Inflammationsreaktion und Aktivierung der Gerinnung (massiv höhere Thrombingenerierung im Fruchtwasser im Vergleich zu umgebender Zirkulation) sowie zur Degranulation von Mastzellen (Uterus, Herz, Lunge) mit Freisetzung von u. a. Beta-Tryptase und Histamin. Des Weiteren wird das Komplementsystem aktiviert mit Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen, Kallikrein und Bradykinin sowie einer Erhöhung der Gefäßpermeabilität (Benson 2012; Busardo et al. 2015). Klinische Gemeinsamkeiten mit dem anaphylaktischen Schock legen die Hypothese einer „anaphylaktoiden“ Reaktion auf unlösliche bzw. lösliche Fruchtwasserbestandteile nahe („anaphylactoid syndrome of pregnancy“, Kobayashi 2015).
Initial kommt es infolge pulmonaler Vasokonstriktion mit Erhöhung des pulmonalen Widerstandes zumindest passager zu einer pulmonalen Hypertonie. Die kardiale Folge ist eine akute Rechtsherzüberlastung mit Rechtsherzversagen, es kann eine Myokardischämie infolge Hypoxämie und lokaler akuter Hypersensitivitätsreaktion (sogenannte „kardiale Anaphylaxie“) entstehen (Tsunemi et al. 2012). Schwere Ventilations- und Perfusionsstörungen führen zur Hypoxämie. Konsekutiv kann ein akutes Linksherzversagen mit Lungenödem resultieren. Hier ist ein frühzeitiges und aggressives Management zwingend, um die Überlebenschancen der Patientinnen zu verbessern (Sultan et al. 2016).
Bei 30–45 % der Patientinnen, die diese Initialphase der Erkrankung überleben, entwickelt sich eine Koagulopathie mit DIC, die bereits 10–30 min. (50 % innerhalb von 4 Std.) und bis zu 9 Std. nach klinischer Erstmanifestation auftreten kann (Ito et al. 2014; Kaur et al. 2016).
Es wird angenommen, dass sowohl die prokoagulatorische und proinflammatorische Komponente wie auch die fibrinolytische bzw. verlustkoagulopathorische und damit hämorrhagische Komponente (Hasegawa et al. 2016; Oda et al. 2020; Fudaba et al. 2021) das klinische Bild in unterschiedlichem Ausmaß beeinflussen, was die Variabilität der klinischen Manifestation (thrombembolisch mit rascher Mikrozirkulationsstörung und Endorganversagen einerseits, massiver Blutungstyp andererseits) erklären kann.
In 15 % d. F. tritt eine schwere postpartale Blutung als Initialsymptom der FWE auf („atypische“ FWE, Tsunemi et al. 2012), begleitet von einer ausgeprägten Uterusatonie. Als dessen Ursache wird eine infolge des Übertritts von Fruchtwasser in uterines Gewebe bzw. Gefäße ausgelöste anaphylaktoide Reaktion mit Zytokin-vermittelter Inflammation und Komplementaktivierung im Myometrium angesehen (Kobayashi 2015; Kaur et al. 2016).
Bei therapierefraktärer Uterusatonie mit persistierender Blutung ist die rechtzeitige Hysterektomie vorzunehmen (betrifft 16,7–25 % d. F., Übersicht bei Rath 2017).
Die Diagnose der FWE basiert auf den klinischen Symptomen (Kim et al. 2021). Der histologische/immunhistochemische Nachweis von Fruchtwasserbestandteilen fetalen Ursprungs in der pulmonalen Strombahn gilt in Verbindung mit der entsprechenden klinischen Symptomatik als beweisend für die Diagnose (Rath et al. 2014).
Therapie
Bereits bei Verdacht auf eine FWE ist eine sofortige und koordinierte Zusammenarbeit zwischen Geburtshelfern, Anästhesisten, Intensivmedizinern und der Transfusionsmedizin und/oder der Hämostaseologie mit folgenden Therapiezielen erforderlich (Rath et al. 2014):
  • Wiederherstellung/Aufrechterhaltung der Oxygenierung,
  • Normotension und adäquates Herzzeitvolumen,
  • Korrektur einer etwaigen Koagulopathie,
  • zeitnahe, rechtzeitige Entbindung: möglichst Not-Sectio innerhalb von 3–5 min. unter Reanimationsbedingungen.
Folgende spezifische Maßnahmen sind zu treffen:
  • Sofern klinisch erforderlich: kardiopulmonale Reanimation mit endotrachealer Intubation und Ventilation mit möglichst hohem FiO2 und niedrig gehaltenem positiv-endexspiratorischem Druck, die Kontrolle durch regelmäßige Blutgasanalysen ist erforderlich.
  • Zuverlässiger Aspirationsschutz.
  • Therapie der Hypotension mit primär kristalloidbasierter Volumengabe und frühzeitigem Einsatz von Vasopressoren.
  • Postpartal: Prävention der Uterusatonie durch die adäquate Gabe von Uterotonika nach Leitlinie, bei auf Uterotonika und uteruserhaltende Maßnahmen therapierefraktärer FWE rechtzeitige Indikation zur Hysterektomie stellen.

Septische Krankheitsbilder

Hierzu zählen vor allem die Endomyometritis nach Sectio caesarea, nach (komplizierter) vaginaler Entbindung oder anderen prä- oder peripartalen operativen Eingriffen, die septische Ovarialvenenthrombose, Infektionen der ableitenden Harnwege, der septische Abort sowie die Chorioamnionitis, wobei 80 % d. F. mit Sepsis im Wochenbett auftreten und meist Folge einer Infektion des Uterus sind. Auf die Definition der Sepsis und deren Pathophysiologie wird in anderen Kapiteln eingegangen.
Störungen der Hämostase treten bei der Sepsis und beim septischen Schock im Sinne der Entwicklung einer DIC häufig schon in der Frühphase der Erkrankung auf und sind dann von ausschlaggebender prognostischer Bedeutung.
Entgegen früheren Auffassungen wird heute mehrheitlich angenommen, dass die initiale Aktivierung der Gerinnung bei der Sepsis vor allem durch das exogene System („extrinsic system“) ausgelöst wird. Dabei ist die durch Endotoxin und Zytokine induzierte Expression von Tissue factor vor allem durch Monozyten/Makrophagen und Endothelzellen, die unter physiologischen Bedingungen dieses Protein nicht oder geringer freisetzen, von besonderer pathophysiologischer Bedeutung. Einerseits ist dabei der Einfluss der Typ-1-Interferone und der davon abhängigen Signalwege (insbesondere high-mobility group box 1, HMGB1) relevant, die einen direkten Einfluss der angeborenen Immunantwort auf das Gerinnungssystem vermitteln (Ruf 2020; Yang et al. 2020). Zum anderen kommt es auch zur direkten Aktivierung der Gerinnung über die Freisetzung zellulärer Anteile (Alhamdi und Toh 2017). Dabei ist die angeborene Immunantwort in der Abfolge der gerinnungsaktivierenden Ereignisse früher relevant.
Die Therapie der Hämostasestörung richtet sich nach den in Abschn. 3.2 dargestellten Prinzipien.

Chronisch erworbene Hämostasestörung

Nach der Anämie ist die Thrombozytopenie die zweithäufigste hämatologische Auffälligkeit in der Schwangerschaft, deren Ursache schwangerschaftsassoziiert oder chronisch sein kann und ggf. erst in der Schwangerschaft manifest wird (Bergmann und Rath 2015).
Zu den in der Schwangerschaft relevanten thrombozytär (mit-)bedingten Hämostasestörungen zählen u. a.:
  • die (Auto-)Immunthrombozytopenie (ITP),
  • die thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP) sowie
  • angeborene und vor allem exogene (medikamentenbedingte) Thrombozytopathien.

Autoimmunthrombozytopenie (immunthrombozytopenische Purpura; ITP)

Autoimmunthrombozytopenie: Definition
Die Autoimmunthrombozytopenie ist definiert als isolierte Thrombozytopenie mit und ohne Blutungsneigung, bei der Antikörper gegen die eigenen Thrombozyten gebildet werden (ohne klinisch apparente Begleiterkrankungen [primäre ITP, ca. 80 % d. F.] oder andere Ursachen für eine Verminderung der Blutplättchen [z. B. systemischer Lupus erythematodes, Leukämie, HIV-, HCV-Infektionen, Medikamente]). Man unterscheidet 3 Phasen der Erkrankung:
1.
die akute, neu diagnostizierte ITP (die ersten 3 Monate der Erkrankung),
 
2.
die persistierende ITP (3.–12. Monat) sowie
 
3.
die chronische ITP (Dauer > 12 Monate) (Übersicht bei Provan et al. 2019).
 
Die (chronische) ITP stellt ca. 3 % aller Thrombozytopenien in der Schwangerschaft dar. Die Diagnose darf erst nach Beurteilung des Blutausstrichs zum Ausschluss einer EDTA-induzierten Pseudothrombozytopenie bzw. von Riesenthrombozyten (z. B. May-Hegglin-Anomalie) und Ausschluss anderer Grunderkrankungen, die mit einer sekundären Thrombopenie assoziiert sind, gestellt werden.

Pathogenese

Diese Form der Thrombozytopenie ist charakterisiert durch den Nachweis gebundener Autoantikörper der Klasse IgG gegen die Glykoproteinkomplexe IIb/IIIa und Ib/IX der zirkulierenden Thrombozyten und ihrer Vorstufen. Allerdings schließt der fehlende Nachweis antithrombozytärer Antikörper eine ITP nicht aus. Die mit Immunglobulin beladenen Plättchen werden durch die Sequestrierung in der Milz zerstört. Bei der akuten Form sind infolge viraler Infektionen hauptsächlich Kinder betroffen, es finden sich bis zu 80 % Spontanremissionen nach 3–6 Monaten. Bei der chronischen Form beträgt die Rate der Spontanremissionen im Erwachsenenalter 80 % nach 5 Jahren. Die Inzidenz liegt bei insgesamt 2–4/100.000 Personen (Matzdorff et al. 2021).
Bei Frauen mit ITP wird in 30 % d. F. die Diagnose erst in der Schwangerschaft zum Zeitpunkt der Geburt gestellt, bei der Mehrzahl dieser Patientinnen fehlen die klinischen Symptome einer Thrombozytopenie. Betroffen sind 1–5/10.000 Schwangere.
Die Gestationsthrombozytopenie ist ca. 100-mal häufiger. Eine sichere Unterscheidung ist häufig erst mit der Kontrolle der Thrombozytenzahl post partum möglich.

Klinik und Diagnostik

Die Diagnose ITP ist primär eine Ausschlussdiagnose und sollte nicht vorschnell gestellt werden.
Falls eine hämorrhagische Diathese besteht, imponieren petechiale Blutungen der Haut im Bereich der Beine, Arme, in der Brust-Nacken-Region sowie der Schleimhäute. Intrauterine Blutungen sind unwahrscheinlich.
Praxistipp
Bei einer ITP besteht ein geringgradig erhöhtes Risiko für postpartale Blutungskomplikationen. Allerdings ist auf eine optimale chirurgische Blutstillung bei der Episiotomie und bei geburtshilflichen Verletzungen zu achten.
Sofern die Diagnose ITP nicht früher gestellt wurde, wird die Thrombozytopenie häufig erst bei der routinemäßigen Laboruntersuchung im Rahmen der Kreißsaalaufnahme der Patientin entdeckt. 15 % der Frauen mit ITP weisen zu Geburtsbeginn eine Thrombozytopenie < 50 G/l auf.
Ist die Verdachtsdiagnose einer ITP gestellt, umfasst die Diagnostik die folgenden Maßnahmen (in Anlehnung an Provan et al. 2019; Matzdorff et al. 2021):
  • Ausführliche Anamnese (Thrombozytopenie vor der Schwangerschaft?, Blutungs- oder Thromboseanamnese, Voroperationen, Zahnbehandlungen, Medikamente, ggf. Fragen zur Differenzialdiagnose).
  • Körperliche Untersuchung (Blutungszeichen, Milz-, Lebergröße und Lymphknoten nicht vergrößert tastbar).
Laboranalytik
  • Differenzialblutbild mit Beurteilung des Blutausstrichs (erhöhter Anteil von großen, jungen Blutplättchen, Ausschluss von Aggregaten, Riesenthrombozyten oder Fragmentozyten)
  • GOT, GPT, γ-GT, LDH
  • Gerinnungsstatus (Fibrinogen, aPTT, Quick)
  • Lupusantikoagulans, Anti-Phospholipid-Ak, ANA, ggf. auch Ausschluss vWS Typ 2B oder ADAMTS13-Defizienz
  • TSH (ITP kann mit Schilddrüsenfunktionsstörungen assoziiert sein, ca. 10 %)
  • Serologische Untersuchungen zum Ausschluss von Hepatitis-B- oder -C-, HIV- oder Helicobacter-pylori-Infektionen (Harnstoffatemtest)
Die Betreuung sollte in Zusammenarbeit mit einem hämatologischen Konsiliarius erfolgen.
Bis auf eine Thrombozytopenie sind Blutbild- und Gerinnungsparameter i. A. im Normbereich.
Die Untersuchung der PAIgG im Serum der Mutter wird heute nicht mehr generell empfohlen, da sie insbesondere in der Schwangerschaft häufig unspezifisch (auch bei Frauen mit normalen Thrombozytenzahlen) positiv ausfällt. Der Nachweis gebundener, spezifischer Glykoprotein-Antikörper kann die Diagnose ITP unterstützen, der negative Test schließt sie aber nicht aus.
Praxistipp
Derzeit existiert kein geeigneter Test, um eine Autoimmunthrombozytopenie eindeutig zu beweisen!
Der Nachweis gebundener Thrombozytenantikörper hat eine Spezifität von ca. 80 % und eine Sensitivität von ca. 55 %. Für den sog. MAIPA-Test (Monoclonal-Antibody-Immobilisation-of-Platelet-Antigen-Test) liegt die Spezifität bei ca. 98 %. Auch Schwangere mit Gestationsthrombozytopenie können Thrombozytenantikörper aufweisen.

Therapie

Schwangere mit Thrombozytenzahlen > 50 G/l weisen weder in der Schwangerschaft noch unter der vaginalen Geburt ein signifikant erhöhtes Blutungsrisiko auf, eine Behandlung ist daher nicht erforderlich.
Für eine Sectio caesarea und eine Spinalanästhesie sind Thrombozytenzahlen > 50 G/l erforderlich, für eine Periduralanästhesie > 80 G/l (Provan et al. 2019, s. auch Querschnittsleitlinie, BÄK 2020 zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten).
Praxistipp
Eine Behandlungsindikation besteht bei einer Thrombozytopenie < 20–30 G/l (Gefahr von Spontanblutungen) unabhängig vom Schwangerschaftsalter sowie bei Schwangeren im 1. und 3. Trimenon mit Thrombozytenzahlen zwischen 20 und 30 G/l oder bei Blutungen, da Patientinnen mit chronischer ITP an sehr niedrige Thrombozytenzahlen adaptiert sind (Provan et al. 2019). Nach den deutschen Empfehlungen (Matzdorff et al. 2021) besteht eine Behandlungsindikation ante partum bei klinischen Blutungszeichen oder Thrombozytenzahlen < 20–30 G/l, am Entbindungstermin werden Werte > 50 G/l gefordert. Eine Behandlung benötigen ca. 25 % der Schwangeren mit ITP.
Äquieffektiv im primären Ansprechen und Methoden der 1. Wahl sind (Provan et al. 2019; Matzdorff et al. 2021):
  • Die Gabe von Glukokortikoiden: niedrigdosiert Prednison 10–20 mg/Tag über 2–3 Wochen oder initial höhere Dosierung mit entsprechenden Nebenwirkungen (z. B. Steroiddiabetes, Hypertonus), Prednisolon 0,5–2 mg/kgKG/Tag für 1–2 Wochen (keine Präferenz in der deutschen Leitlinie), Reduktion der Glukokortikoiddosis auf eine Dosis, die noch eine ausreichende Thrombozytenzahl gewährleistet – direkt peripartal ggf. Dosis unverändert belassen und erst postpartal langsam reduzieren.
  • Alternativ steht die wesentlich teurere Applikation von Immunglobulin (IgG) zur Verfügung. Dosis 400 mg/kgKG/Tag über 5 Tage oder 1 g/kgKG über 8 Std. für 2 Tage.
  • Akuttherapie bei gefährlicher Blutung oder nicht aufschiebbarer Operationsvorbereitung: Gabe von Methylprednisolon i. v. z. B. 1 g in Kombination mit Immunglobulin oder Azathioprin.
  • Auf die Gabe von Thrombozyten sollte, wenn immer möglich, verzichtet werden. Allerdings können bei nicht beherrschbaren Blutungskomplikationen Thrombozytenkonzentrate transfundiert werden, ggf. in Kombination mit Tranexamsäure i. v. (1 g über 10 min).
    Die Rate schwerer postpartaler Blutungskomplikationen wird mit 8–21 % angegeben.
Über den Einsatz von Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten (TRAs) bei Schwangeren liegen keine ausreichenden Daten vor. Da diese diaplazentar übertragen werden können, ist eine kindliche Thrombopenie möglich.
Versagen alle medikamentösen Maßnahmen einschließlich der Gabe von Immunsuppressiva, empfiehlt sich als Ultima Ratio die (endoskopische) Splenektomie im 2. Trimenon bei symptomatischen (blutenden) Schwangeren mit Thrombozytenwerten < 10 G/l.
Praxistipp
An eine Impfung 2 Wochen präoperativ sollte gedacht werden (polyvalenter Impfstoff gegen Pneumokokken und Menigokokken Typ C).

Geburtshilfliches Vorgehen

(Übersichten bei Provan et al. 2019; Matzdorff et al. 2021)
  • Bei mütterlichen Thrombozytenzahlen > 50 G/l kann die vaginale Geburt erfolgen, eine notwendige Sectio caesarea ist auch in diesen Fällen möglich.
  • IgG-Thrombozyten-Antikörper werden transplazentar auf das Kind übertragen. Eine neonatale Thrombozytopenie < 50 G/l findet sich bei 10–15 % der Neugeborenen mit einer Rate an Hirnblutungen von < 1,5 % und einer neonatalen Mortalität von < 1 %. Die mütterliche Thrombozytenzahl korreliert nicht mit einer möglichen Thrombozytopenie des Kindes. Im Gegensatz zur neonatalen Alloimmunthrombozytopenie besteht kein erhöhtes Risiko für eine intrauterine Blutung. Blutungen manifestieren sich meist peri- und bis ca. 1 Woche postnatal.
  • Besonderes Augenmerk sollte auf splenektomierte Schwangere gelegt werden, die selbst i. d. R. zwar höhere Thrombozytenzahlen haben, deren Antikörper aber weiterhin präsent und diaplazentar übertragbar sind. Entgegen früherer Auffassung sind weder die Nabelschnurpunktion noch die Blutuntersuchung von der fetalen Kopfschwarte unter der Geburt geeignete Methoden zur Bestimmung der fetalen Thrombozytenzahl. Ein höheres Risiko für eine neonatale ITP haben die Kinder von Müttern, die auf die Splenektomie nicht ansprachen. Es besteht eine hohe Korrelation zwischen der Thrombozytenzahl des 1. Kindes und der weiteren Kinder (Koyama et al. 2012).
Wichtig
  • Eine Sectio caesarea ist nur aus geburtshilflicher Indikation indiziert, nicht aber aufgrund der ITP per se.
  • Eine Vakuumextraktion/komplizierte instrumentelle operative Entbindung oder das Anlegen einer Kopfschwartenelektrode sollten unterbleiben.
Unmittelbar nach der Geburt sollte eine Bestimmung der Thrombozytenzahl aus dem Nabelschnurblut erfolgen, um eine schwere Thrombozytopenie des Kindes rechtzeitig zu erkennen (Gefahr der neonatalen Hirnblutung).
  • Der kindliche Thrombozytennadir wird zwischen dem 2.–5. Tag post partum erreicht. Die beschriebenen Blutungskomplikationen treten zumeist erst 24–48 Std. postpartal auf.
  • Auf eine optimale Uteruskontraktion post partum ist zu achten (evtl. Uterotonika). Keine Gabe von Schmerzmedikamenten wie NSAR, die die Thrombozytenfunktion hemmen. Paracetamol ist ein geeignetes Analgetikum!
  • Es besteht kein Stillverbot!
  • Nach Sectio caesarea und insbesondere bei weiteren Risikofaktoren der Mutter (u. a. Adipositas, Alter > 35 Jahre), ist bei Thrombozytenzahlen > 50 G/l eine adaptierte Thromboseprophylaxe zu geben (Kompressionsstrümpfe, Heparin), bei Thrombozytenzahlen > 100 G/l sollte die lokal übliche Heparinstandarddosis für den Hochrisikobereich appliziert werden.

Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP; Moschkowitz-Syndrom)

Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP; Moschkowitz-Syndrom): Definition
Die TTP ist eine seltene, thrombotische Mikroangiopathie (TMA) mit einer Inzidenz von ca. 1:100.000 Schwangerschaften. Sie entsteht auf dem Boden eines Endothelschadens und kann grundsätzlich alle Organsysteme betreffen. Aufgrund der fehlenden oder eingeschränkten von-Willebrand-spaltenden Protease, gehen überwiegend von-Willebrand-Faktor enthaltende hyaline Thromben in der Mikrozirkulation mit einher (Kremer Hovinga und George 2019).
Die TTP ist differenzialdiagnostisch von weiteren TMAs, die schwangerschaftsassoziiert auftreten können, dem erworbenen hämolytisch- urämischen Syndrom (aHUS) und dem HELLP-Syndrom abzugrenzen.
Die TTP tritt in 90 % d. F. antepartal auf, bei 58 % der Patientinnen bis zur 24. SSW.
In 5–25 % d. F. wird die Erkrankung in der Schwangerschaft oder postpartal manifest, sodass diese als prädisponierender Faktor gilt. Die mütterliche Letalität wird in Abhängigkeit vom Einsatz der Plasmapherese/-transfusion mit 18–44 %, die Fehl- und Totgeburtenrate mit 30–80 % angegeben (von Auer et al. 2015). In einer Fallserie lag die Mortalität der Schwangeren bei 6 %, die der Neugeborenen weiterhin bei 66 % (Kasht et al. 2020).

Pathophysiologie

Ausgelöst durch einen Endothelschaden werden ultragroße, supranormale von-Willebrand-Faktor-Multimere in die Zirkulation freigesetzt, die die Aggregation von Thrombozyten an Stellen mit hohen Scherkräften (Arteriolen, Kapillaren) auslösen. Die fehlende Spaltung dieser supranormalen Multimere ist der zugrunde liegende Pathomechanismus der Erkrankung. Ursächlich kann ein angeborener Mangel/eine Verminderung < 10 % der vWF-spaltenden Protease sein (hereditäre Form, Upshaw-Schulman-Syndrom) oder eine erworbene Verminderung bedingt durch Antikörper gegen diese Metalloproteinase ADAMTS13. Bei den hereditären Formen kann der molekulargenetische Defekt am ADAMTS13-Gen nachgewiesen werden. Bei Patienten mit Tumoren oder z. B. transplantatassoziierter TTP kann die ADATMTS13-Aktivität noch normal sein, dann ist von einem anderen Pathomechanismus auszugehen.
Der Verlauf ist bei 2/3 der Patienten rezidivierend, unbehandelt liegt die Letalität bei 90 %. Durch die Gabe von GFP zum Ersatz der fehlenden vWF-spaltenden Protease bzw. durch Plasmaaustausch bei antikörperinduzierter Verminderung konnte die Letalität auf ca. 10 % gesenkt werden. Dennoch bleibt auch in der Remission ein insgesamt höheres Mortalitätsrisiko bei diesen Patientinnen bestehen (Sukumar et al. 2021).
Verschiedene Trigger sind bekannt: Infektionen, bestimmte Medikamente (Östrogene, Sulfonamide, Zytostatika, NSAR, Ciclosporin und Ticlopidin) sowie Grundkrankheiten wie die Kollagenosen, Malignome oder die Schwangerschaft selbst.
Da der vWF ein Akutphaseprotein ist, kann die vermehrte endotheliale Freisetzung im Rahmen von Infektionen oder chronischen Entzündungsreaktionen oder durch den physiologischen Anstieg in der Schwangerschaft bei Patientinnen mit einem angeborenen (oder erworbenen) Mangel an vWF-spaltender Protease die Mikrothrombenbildung auslösen.
Die Unterscheidung zwischen der hereditären oder erworbenen Form ist für die Prognose und Therapieoption im Hinblick auf eine genetische Beratung von großer klinischer Relevanz.

Klinik und Diagnostik

Als klassische klinische Symptome der TTP gelten neben der schweren Coombs-negativen mikroangiopathisch-hämolytischen Anämie (➔ Fragmentozyten/Schistozyten im peripheren Blutausstrich) die Thrombozytopenie, Fieber bei 60 % der Patientinnen, neurologische Symptome wie Krämpfe oder passagere Hemiparesen sowie Nierenfunktionsstörungen, wobei sich allerdings alle 5 Symptome nur bei 40 % der Patientinnen nachweisen lassen, während die Trias Anämie, Thrombozytopenie und neurologische Symptome in etwa 75 % d. F. auftritt.
Richtungsweisend für die rasche Diagnostik/Differenzialdiagnostik sind der Nachweis von Fragmentozyten im peripheren Blutausstrich, die Thrombozytopenie und die Coombs-negative hämolytische Anämie.
Praxistipp
Im Gegensatz zur ITP mit diaplazentarer Übertragung antithrombozytärer IgG-Antikörper auf den Fetus und konsekutiver kindlicher Thrombozytopenie, weisen die Neugeborenen von an TTP erkrankten Müttern keine Anämie und keine Thrombozytopenie auf.
Die TTP-Diagnose wird klinisch gestellt, da die heute zur Verfügung stehende Analytik zur Bestimmung der Aktivität der vWF-spaltenden Protease (ADAMTS13) bzw. der Antikörper gegen dieselbe nur in wenigen Laboren zur Verfügung steht. Zur Sicherung der Diagnose ist diese Analytik aber zwingend zu veranlassen.
Der Nachweis einer verminderten Aktivität der ADAMTS13 ist beweisend für die Diagnose.
Die meist frühzeitig auftretenden neurologischen Symptome sind klinisch richtungsweisend – beim hämolytisch-urämischen Syndrom (aHUS) das Nierenversagen, das in der Mehrzahl der Fälle aber erst im Wochenbett auftritt (Fakhouri et al. 2010).
Die DIC (hyaline Thromben bestehen fast ausschließlich aus Fibrinogen und Fibrin) ist eine seltene Komplikation, der Gerinnungsstatus ist normwertig und der Fibrinogenspiegel sowie die D-Dimere sind physiologisch in der Schwangerschaft erhöht.

Differenzialdiagnostik

Die Diagnose einer TTP ist besonders dann schwierig, wenn sie im 3. Trimenon oder im Wochenbett auftritt, da bei den meisten Patientinnen die Thrombozytopenie das einzige Symptom ist. Die verzögerte Diagnose führt häufig zu einem verspäteten Therapiebeginn mit Verschlechterung der Prognose. Daher kommt der differenzialdiagnostischen Abgrenzung, vor allem gegenüber dem HELLP-Syndrom, aber auch anderen seltenen Schwangerschaftskomplikationen und Erkrankungen eine besondere Bedeutung zu (Faridi und Rath 1996; Tab. 4).
Tab. 4
Differenzialdiagnose der thrombotischen Mikroangiopathien und anderer Erkrankungen mit Thrombozytopenien. (Mod. n. Faridi und Rath 1996)
Parameter
TTP
ITP
APS
HELLP
Thrombozytopenie
+++
+++ Antikörper!
+++
++
++
+(+)
Sekundär
Hämolyse
+++
+++
+
++
+(+)
 
Leberenzyme
(+)
(+)
++
++
Sekundär
Sekundär
++ (kann fehlen)
Sekundär
Proteinurie
+
++
Sekundär
+++ (kann fehlen)
++
Entzündungszeichen
++ (Fieber)
+ (Fieber)
+++ (Fieber)
+++
Nierenbeteiligung
+
+++
Möglich
+, selten +++
+++
Sekundär
Zentrale Symptome
+++
Sekundär
+ → ++
+
Initial
Andere Kriterien
Defizienz an ADAMTS13
1. und 2. Trimenon
Häufig postpartal
Antiphospholipid-Antikörper-Thrombosen, Aborte
3. Trimenon, postpartal
Antinukleäre Antikörper bei > 90 % Anamnese
Sekundäre Gerinnungsstörung
Die Abgrenzung zum HELLP-Syndrom gelingt am ehesten anhand folgender Kriterien:
  • Das HELLP-Syndrom ist häufiger (0,5 % aller Schwangerschaften) als die TTP.
  • Bei der TTP fehlen zumeist (aber nicht in allen Fällen) Hypertonie und Proteinurie.
  • Die Erhöhung der Leberenzyme (SGOT, SGPT) ist signifikant geringer.
  • Die Thrombozytopenie und die hämolytische Anämie sind meist ausgeprägter als beim HELLP-Syndrom, das im Vergleich zur TTP durch eine rasche Normalisierung der Laborwerte nach der Geburt gekennzeichnet ist.
  • Die ADAMTS-13-Spiegel sind beim HELLP-Syndrom nicht < 10 % vermindert, bei der TTP im Allgemeinen deutlich < 5 % (Stella et al. 2009).
Darüber hinaus sind in die Differenzialdiagnosen einzubeziehen:
  • Coombs-positives Evans-Syndrom,
  • schwere Sepsis und
  • protrahiert verlaufende Infektionserkrankungen (z. B. Meningitis, Malaria).

Therapie

(Übersicht bei Scully 2020)
In jedem Fall ist bei Verdacht auf eine TTP die interdisziplinäre Kooperation mit einem Hämatologen unerlässlich.
Die Akutbehandlung sollte nach Sicherstellung einer Serum- und Citratplasmaprobe für die Analytik unverzüglich eingeleitet werden. Die initiale Therapie der Wahl ist der tägliche Plasmaaustausch mit anfangs 40–60 ml/kgKG in den ersten 3 Tagen, dann 30–40 ml/kgKG. Meistens sind 8 Therapien innerhalb von 2 Wochen erforderlich. Sofern die Plasmapherese nicht zur Verfügung steht bzw. bei fehlendem Nachweis von Antikörpern gegen die ADAMTS13-Protease (angeborene TTP), wird die Gabe von GFP 30 ml/kgKG unter Intensivüberwachung und Volumenkontrolle empfohlen. Thrombozytentransfusionen gelten nicht mehr als streng kontraindiziert.
Praxistipp
  • Die Gabe von Thrombozytenkonzentraten ist nur bei einer lebensbedrohlichen Blutung indiziert und sollte ausschließlich in Absprache mit einem Hämatologen erfolgen.
  • Die alleinige Gabe von Glukokortikoiden ist in der Akutsituation nicht von Nutzen.
  • Einen weiteren Therapieansatz bei refraktärer Verlaufsform oder Rezidiven der TTP stellt die Applikation von Rituximab (Anti-CD20-Ak) dar. Er wirkt über die Elemination der Autoantikörper gegen ADAMTS13-produzierende B-Zellen.
Cave
Nebenwirkungen: Das Medikament ist plazentagängig, es bestehen nur geringe Anwendungserfahrungen bei Schwangeren.
Das kürzlich für die Akutbehandlung zugelassene Medikament Caplacizumab, ein Antikörper-Fragment, das die Interaktion zwischen von-Willebrand-Faktor und Thrombozyten inhibiert, ist für die Behandlung von Schwangeren bisher nicht zugelassen. Es gibt Hinweise, dass dieses Medikament die Prognose der Betroffenen verbessert (Peyvandi et al. 2021).

Atypisches hämolytisch-urämisches Syndrom (aHUS)

Dieses schwere Krankheitsbild wird verursacht durch genetische Varianten von Komplementfaktoren oder durch Antikörper gegen Komplementregulatoren (Faktor H; seltener). Zumeist gibt es einen Trigger, wie eine Infektion oder die Geburt selbst, der die Überaktivierung des alternativen Komplementwegs auslöst (Jokiranta 2017). Die Symptome treten überwiegend erst im Wochenbett auf und umfassen schwere Nierenfunktionsstörung infolge von Mikrothrombosierung sowie hämolytische Anämie und Thrombozytopenie. Andere Organe können ebenfalls betroffen sein.
Die Inzidenz wird für beide Geschlechter mit 0,23–1,9/Mio angegeben, die Prävalenz mit 4,9/Mio.
Die differenzialdiagnostische Abgrenzung zur TTP erfolgt durch Bestimmung der ADAMTS13-Aktivität (> 10 %) und Ausschluss von Shiga-Toxin im Stuhl (pathognomonisch für das typische HUS).
Unbehandelt lag die Letalität bzw. das Auftreten des kompletten Nierenversagen binnen eines Jahres bei 50 %. Die Rate liegt nach Einführung der Behandlung mit Eculizumab (C5-Inhibitor) bei < 15 %.

Angeborene Gerinnungsstörungen

von-Willebrand-Syndrom

Definition
Das von-Willebrand-Syndrom ist eine autosomal-dominant (seltener rezessiv) vererbte Erkrankung mit verschiedenen Subtypen entsprechend der quantitativen und/oder qualitativen Verminderung des von-Willebrand-Faktors (vWF).
Es ist die häufigste angeborene Gerinnungsstörung mit einer Prävalenz (Laboranalytik) von ca. 1 %. Klinisch relevante Blutungskomplikationen zeigen sich aber nur bei 1/3000–1/10.000 aller Betroffenen.
Eine detaillierte Beschreibung des Krankheitsbildes, der Subtypen und der Genetik findet sich bei Leebeek und Eikenboom (2016).

Pathogenese

Der von-Willebrand-Faktor wird in den Endothelzellen und Megakaryozyten synthetisiert und hat eine multimere Struktur. Durch Polymerisation beträgt seine Größe 40.000 kDa. Nach Sekretion aus den Endothelzellen in die Zirkulation erfolgt eine Spaltung ultrahochmolekularer Multimere durch die vWF-spaltende Protease (ADAMTS13). Der vWF hat 3 wichtige Funktionen für die Hämostase:
1.
Er vermittelt die Interaktion der Thrombozyten durch Bindung an den GPIb-Rezeptor der Thrombozyten.
 
2.
Er bindet an freiliegende Kollagenstrukturen der defekten Gefäßwand.
 
3.
Er ist Trägerprotein für FVIII:c im Plasma; hierdurch wird der vorzeitige proteolytische Abbau von FVIII:c vermieden (der frühere Terminus FVIII-assoziiertes Antigen spiegelt dies wider).
 
Die verschiedenen Subtypen des vWS erklären sich durch die unterschiedlichen genetischen Varianten mit den entsprechenden Änderungen auf Proteinebene. Dies führt zu:
  • funktionellen Störungen,
  • Störungen der Multimerisation,
  • verstärktem Abbau hochmolekularer Multimere,
  • gestörtem intrazellulären Transport

Klinik und Diagnostik

Richtungsweisend für die Erkrankung ist die typische Blutungsanamnese häufig seit der Kindheit. Hypermenorrhöen und Menorrhagien finden sich bei 10–25 % der Betroffenen, darüber hinaus Epistaxis, Schleimhautblutungen (z. B. Zahnfleischbluten), vermehrte Hämatomneigung, posttraumatische (-operative) Hämorrhagie z. B. nach Zahnextraktion, nach der Geburt, selten auch Gelenkblutungen.
Durch einen gezielten Fragenkatalog zur Blutungsanamnese mit oder ohne Erhebung eines „bleeding scores“ können Frauen mit Hämostasestörungen und insbesondere mit von-Willebrand-Syndrom frühzeitig (vor der Schwangerschaft) identifiziert werden (James 2020).
Da es in der Schwangerschaft zu einem Anstieg des vWF/Faktor-VIII-Komplexes kommt, sind Blutungen insbesondere beim Subtyp 1 selten. In 90 % dieser Fälle sind die Faktorenspiegel am Termin im Normbereich (Tab. 5). Beim Typ 2 steigt der vWF-Antigen-Spiegel in der Schwangerschaft an, die vWF-Aktivität infolge der Bildung von abnormalen vWF-Multimeren aber nur minimal oder gar nicht. Der Subtyp 2B wird häufig erst in der Schwangerschaft oder peripartal über die Labordiagnose „Thrombozytopenie“ diagnostiziert, die durch spontane Thrombozytenaggregate infolge einer erhöhten Produktion abnormaler intermediärer Multimere verursacht wird. Der Subtyp 3, charakterisiert durch das Fehlen des vWF, zeigt in der Schwangerschaft keinen Anstieg des vWF-Spiegels, aber einen marginalen Anstieg des FVIII.
Tab. 5
Einteilung des von-Willebrand-Syndroms
Typ
Kennzeichen
1
Partieller quantitativer Mangel an vWF (Häufigkeit: ca. 70 %)
2
Qualitativ veränderter vWF
–2A
Fehlen der großen und intermediären vWF-Multimere und reduzierte vWF-abhängige Thrombozytenadhäsion
–2B
Fehlen der großen vWF-Multimere, milde Thrombopenie durch vermehrte Bindung an GPIb der Thrombozyten
–2M
Qualitative Varianten mit Multimerisierungsdefekten
–2N
Qualitative Variante mit verminderter FVIII:c-Bindung
3
Völliges Fehlen des vWF
Es gibt zunehmend Hinweise, dass sich das Blutungsrisiko im Wochenbett auch bei Frauen mit niedrigem von-Willebrand-Faktor bzw. vWS-Typ 1 erhöht, auch wenn im 3. Trimenon von-Willebrand-Faktor-Werte > 50–200 % erreicht werden (Lavin et al. 2018). In einer bevölkerungsbasierten Studie aus den USA lag die Inzidenz der postpartalen Blutungen bei Patientinnen mit von-Willebrand-Syndrom bei 6,5 % (bei gesunden Frauen bei 4 %), davon traten 73 % in der 1. Woche post partum und nochmals 17 % verzögert nach > 2 Wochen auf (O’Brien et al. 2020).
In älteren Studien wird die PPH-Inzidenz bei Frauen mit vWS mit 6–37 % angegeben.
Von besonderer Bedeutung sind sekundäre postpartale Blutungen mit einer Inzidenz von bis zu 33 % (starker Abfall des vWF/FVIII-Komplexes auf die Ausgangswerte ca. 3 Wochen postpartal) ohne geburtshilfliche Ursachen, die die ersten Zeichen eines von-Willebrand-Syndroms sein können.
Das Risiko zur Notwendigkeit von Bluttransfusionen ist um das 5-Fache erhöht und betrug in einer nationenweiten Studie aus den Niederlanden 11 % aller Geburten mit von-Willebrand-Syndrom (de Wee et al. 2011) und 9,5 % in einer Multizenterstudie (Lavin et al. 2018)
Aufgrund der Komplexität der Funktionen des vWF ist eine Kombination von verschiedenen Tests notwendig, um ein vWS auszuschließen bzw. den korrekten Subtyp zu erfassen. Die endgültige Klassifikation mittels Analyse der vWF-Multimere ist notwendig, um die richtigen Therapieoptionen für die betroffenen Patienten abzusichern.
Die in der Übersicht dargestellte Stufendiagnostik wird empfohlen.
Stufendiagnostik bei von-Willebrand-Syndrom
Orientierende Diagnostik bei entsprechender Anamnese
  • Quick, aPTT, Thrombozytenzahl
  • Die Blutungszeit ist bei einer Sensitivität von nur 50 % nicht zu empfehlen.
Die erweiterte Diagnostik
  • vWF-Antigen, vWF-Aktivität und/oder Kollagenbindungsaktivität (CBA)
    Eine überproportionale Verminderung der vWF-Aktivität bzw. CBA im Verhältnis zum vWF-Antigen spricht für einen Typ-2-Defekt mit Fehlen hochmolekularer Multimere
  • FVIII:c
Spezielle Diagnostik
vWF-Multimere, FVIII-Bindungskapazität, RIPA-Test: vermehrte Ristocetin-induzierte Thrombozytenaggregation bei Typ 2B
(Übersichten bei Leebeek und Eikenboom 2016 sowie James et al. 2021)

Therapie

(Übersichten bei Pavord et al. 2017; Leebeek et al. 2020)
Um das Entbindungsmanagement festzulegen, wird die Bestimmung des von-Willebrand-Faktors (Antigen und Aktivität) in der ca. 34. SSW gefordert.
Patientinnen, die zum Zeitpunkt des Geburtsbeginns einen Wert für den vWF/FVIII-Komplex von > 50 % aufweisen und asymptomatisch sind, bedürfen keiner Therapie (mehrheitlich Typ 1). Dieser Schwellenwert wird in neueren Arbeiten als zu niedrig angesehen, da sich eine hohe Rate an postpartalen Blutungen bei Frauen mit niedrigen von-Willebrand-Faktor bzw. von-Willebrand-Faktor Typ 1 trotz des physiologischen Anstiegs gezeigt hat. In der aktuellen niederländischen Leitlinie wurde daher ein Zielwert > 80 % festgelegt (Richtlijn-Diagnostiek-en Behandling-van-von-Willebrand 2020). Nur bei geringerer Aktivität (< 50 % bzw. 80 %) sollte eine Substitution bei Geburtsbeginn bzw. vor einem Kaiserschnitt durchgeführt über mindestens 3–5 Tage nach der Geburt werden.
Bis auf die Subgruppen Typ 2 und 3 ist das Medikament der 1. Wahl bei dieser Erkrankung Desmopressin (DDAVP) in einer Dosierung von 0,3–0,4 μg/kgKG über 30 min., das die FVIII-Spiegel erhöht und die Freisetzung von endogenem vWF aus Endothelzellen stimuliert.
Praxistipp
Da selten auch schwere Nebenwirkungen (z. B. Hyponatriämien) auftreten können und bisher keine randomisierten oder kontrollierten Studien vorliegen (Karanth et al. 2019), muss der Einsatz von DDAVP immer im Rahmen einer fallbezogenen Risiko-Nutzen-Analyse erfolgen und die entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen berücksichtigt werden (Einschränkung der Zufuhr freier Flüssigkeit, Aufrechterhaltung der Diurese).
Beim Typ 2B kann durch DDAVP eine bestehende Thrombozytopenie noch verstärkt werden, DDAVP ist daher bedingt kontraindiziert.
Eine verstärkte, primäre postpartale Blutung in der Anamnese ist eine Indikation für die Gabe von DDAVP peripartal sowie ggf. 24 Std. später, evtl. in Kombination mit Tranexamsäure (initial 1 g i.v. über 10 min.) und später oral.
Eine aktive Leitung der Nachgeburtsperiode ist zu empfehlen.
Sollte diese Therapie nicht ausreichen oder handelt es sich um die Subtypen 2 und 3, sollten vWF-Konzentrate bzw. FVIII-Konzentrate mit hohem vWF-Gehalt gegeben werden.
Als Dosierungen sub partu und im Wochenbett wurden empfohlen: 40-(60) IE/kgKG als Initialdosis, 20–30 IE/kgKG alle 12 Std. für die ersten 3–5 Tage, 20–30 IE/kgKG für weitere 5–7 Tage nach Sectio-Entbindung.
Wenn möglich, sollte die Dosierung anhand tatsächlich gemessener Konzentrationen an vWF bzw. FVIII festgelegt werden.
Praxistipp
Insbesondere nach einer Sectio ist unter Substitutionstherapie auf die adäquate Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem Heparin zu achten.
Eine verstärkte Nachblutung im Wochenbett kann noch 2–3 Wochen (15,7 ± 5,2 Tage) nach der Entbindung auftreten, wenn es zum Abfall der Faktorenspiegel auf die Ausgangswerte kommt. Über die Möglichkeit einer verstärkten Nachblutung im Wochenbett sollte die betreuende Hebamme informiert werden.
Praxistipp
Bisher liegen keine Hinweise dafür vor, dass aufgrund einer etwaigen Blutungsgefährdung des Fetus bzw. Neugeborenen die Sectio caesarea Vorteile im Vergleich zur vaginalen Entbindung bietet. Allerdings sollten protrahierte Geburtsverläufe oder schwierige vaginaloperative Entbindungen vermieden werden.
Unter entsprechender Faktorensubstitution bzw. nach laborchemischer Kontrolle können i. d. R. Regionalanästhesien bei von-Willebrand-Patientinnen mit Typ 1 durchgeführt werden (vWF-Faktor-Aktivität sollte > 50 % gehalten werden). Die UK-Leitlinie sieht bei Patientinnen mit Subtyp 2 trotz Substitution noch Risiken und rät beim Typ 3 trotz Substitution ganz ab (Pavord et al. 2017).
Zur Prophylaxe oder Behandlung postpartaler Blutungen (PPH) konnte die Effektivität von Tranexamsäure in großen Multizenterstudien belegt werden (WOMAN Trial Collaborators 2017; Sentilhes et al. 2018, 2021). Dosierung initial 1 g über 10 min. (100 mg/min.) i.v., ggf. Wiederholung nach 30 min. bei persistierender Blutung und Fortführung einer oralen Gabe 10–15 mg/kgKG bzw. 3–4× tgl 1000 mg p.o. bei Frauen mit einer bekannten Blutgerinnungsstörung, wie dem von-Willebrand-Syndrom. Die Halbwertszeit von Tranexamsäure beträgt 2 h, es wird zu 90 % renal ausgeschieden (Cave: Kumulation bei Nierenfunktionsstörungen). Ein erhöhtes Thromboserisiko besteht dabei nicht.

Konduktorin für Hämophilie

Hämophilie A: Definition
Die Hämophilie A ist eine X-chromosomal-rezessiv vererbte Erkrankung mit einem Mangel an FVIII-Aktivität (FVIIIc). Bei der schweren Form der Hämophilie A liegt die Restaktivität bei < 1–2 %, bei der mittelschweren bei 2–5 % und bei der milden Form zwischen 5 und 25 %.
Hämophilie B: Definition
Die Hämophilie B ist ebenfalls eine X-chromosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, bei der eine Verminderung des Gerinnungsfaktors FIX mit der gleichen Klassifikation wie bei der Hämophilie A vorliegt.
Aufgrund des Vererbungsmodus erkranken typischerweise Männer, während Frauen das betroffene Gen als Konduktorinnen vererben, aber auch mit einer Blutungsneigung auffallen können. Etwa 30 % der Konduktorinnen weisen eine verminderte FVIII- bzw. FIX-Aktivität auf. Daher wird zwischen asymptomatischen und symptomatischen Konduktorinnen unterschieden (van Galen et al. 2021). Die Klärung des möglichen Konduktorinnenstatus sollte nach Stammbaumerhebung (jede Tochter eines Hämophiliepatienten ist obligate Konduktorin) bzw. humangenetischer Beratung bei Kinderwunsch der Frau möglichst vor einer geplanten Schwangerschaft erfolgen, da die Analytik je nach Mutation sehr aufwendig sein kann.
Die Inzidenzen der Hämophilie A und B betragen 1:4000 bzw. 1:20.000 der männlichen Neugeborenen. Man nimmt an, dass auf jeden betroffenen Hämophiliepatienten 1,6 Konduktorinnen kommen. Das Vorliegen einer normalen Genkopie führt i. d. R. zu einer Gerinnungsfaktoraktivität von etwa 50 % der Norm, die zumeist ausreichend für eine klinisch effektive Hämostase ist.

Diagnostik und Klinik

Abhängig von der Restaktivität des FVIIIc bzw. FIX kommt es zu einer entsprechend verlängerten PTT bei normalem Quick-Wert und normaler Thrombozytenfunktion. Eine normale PTT schließt eine Subhämophilie (25–50 % FVIII–Restaktivität) bzw. den Konduktorinnenstatus nicht aus.
Differenzialdiagnostisch muss bei der Hämophilie A immer auch ein von-Willebrand-Syndrom einschließlich des Subtyps mit einer FVIII-Bindungsstörung (vWS-Typ Normandy) ausgeschlossen werden, da das von Willebrand-Syndrom autosomal vererbt wird und sich andere Therapieoptionen ergeben.
In der Schwangerschaft kommt es bei einer Konduktorin für die Hämophilie A i. A. zu einem ausreichenden Anstieg der FVIII-Aktivität; der Anstieg des FIX bei einer Konduktorin für die Hämophilie B ist in der Schwangerschaft gering.
In jedem Fall ist eine gemeinsame Betreuung der Schwangeren mit Hämatologie/Hämostaseologie und einem pädiatrischen Hämophiliekonsil indiziert.
Empfehlungen
(Übersichten bei Srivastava et al. 2013; Leebeek et al. 2020)
Frauen mit bekannter Hämophilie in der Familie sollte möglichst vor einer geplanten Schwangerschaft eine genetische Beratung angeboten werden, um die Familienkonstellation und Möglichkeiten einer genetischen Diagnostik zu prüfen. Die Gendiagnostik ist heute bei Hämophiliepatienten und auch bei weiblichen Angehörigen möglich. Ist in einer Familie die krankheitsverursachende Genvariante z. B. durch die Untersuchung eines Indexpatienten bekannt, können in der Familie Anlageträgerinnen (Konduktorinnen) durch eine vergleichende Gendiagnostik aus einer EDTA-Blutprobe schnell und sicher erkannt werden.
Bei Schwangeren mit bekannter Hämophilie in der Familie kann eine fetale Geschlechtsbestimmung, sofern nicht mittels Ultraschalluntersuchung zu erkennen, durch nicht invasive pränatale Tests (NIPT) oder durch invasive Pränataldiagnostik erfolgen. Nach invasiver Pränataldiagnostik (Chorionzottenbiopsie oder Amniozentese) ist bei männlichen Feten auch die spezifische Gendiagnostik auf die familiäre Genvariante möglich.
Für schwere monogene oder chromosomale Erkrankungen ist in Deutschland seit ca. 2013 auch eine Präimplantationsdiagnostik (PID) in engen Grenzen möglich. Voraussetzung ist nach den gesetzlichen Bestimmungen, dass ein oder beide Eltern Anlageträger für eine schwere Erbkrankheit sind, oder dass bei einem Elternpaar ein hohes Risiko für Fehl- oder Totgeburten besteht. Eine PID erfordert immer eine künstliche Befruchtung. Die Behandlung darf nur an ausgewiesenen PID-Zentren durchgeführt werden und erfordert für jedes einzelne Paar ein individuelles zustimmendes Votum der verantwortlichen PID-Ethikkommission. PID für Hämophilie ist angesichts der bestehenden Therapiemöglichkeiten vermutlich ein Grenzfall und abhängig von der Einzelfallentscheidung der verantwortlichen PID-Kommission.
Praxistipp
Eine Faktorenbestimmung empfiehlt sich bei der 1. Konsultation, vor jedem invasiven Eingriff sowie um die 34. SSW, um den Behandlungsplan für die Entbindung festzulegen. Darüber hinaus sind Gerinnungsanalysen post partum indiziert, da dann die FVIII-Aktivität rasch abfällt und mit Blutungen auch noch 2 Wochen postpartal gerechnet werden muss. Ist eine aktuelle Faktorenanalyse bei Geburtsbeginn nicht möglich, sollte der letzte Befund aus dem 3. Trimenon herangezogen werden. Bei Werten < 50 IE/dl muss eine adäquate Faktorensubstitution vorgenommen werden.
Wichtig ist eine möglichst atraumatische Geburt mit Vermeidung von Geburtsverletzungen. Bei einem männlichen Neugeborenen ist ein invasives fetales Monitoring (z. B. Skalpelektrode und fetale Blutgasanalyse) ebenso zu vermeiden wie eine Vakuumextraktion und protrahierte Geburtsverläufe.
Das Risiko betroffener Neugeborener für Kephalhämatome und intrakranielle Blutungen ist erhöht. Die Inzidenz an symptomatischen Hirnblutungen bei hämophilen Neugeborenen soll nach vaginaler Geburt bei 2,4 % liegen. Sie ist nach vaginal-operativer Entbindung 7-fach erhöht und am niedrigsten nach elektiver Sectio (1,7 %). Der Geburtsmodus bei bekannter Hämophilie des Kindes wird kontrovers diskutiert. Leitlinien zufolge ist in diesen Fällen die vaginale Geburt nicht kontraindiziert, die Indikation zur elektiven Sectio (ab 39 + 0 SSW) ist individuell zu stellen (Pavord et al. 2017). Die US-Leitlinie hingegen empfiehlt die Sectio bei einem (potenziell) betroffenen Jungen (National Hemophilia Foundation: MASAC guideline 265 2021).
Eine Spinal-/Periduralanästhesie ist bei Faktorenwerten > 50 IE/dl und normalem Gerinnungsstatus möglich. Ein spinales Hämatom ist selten (< 0,2 %).
Postpartal besteht ein erhöhtes Blutungsrisiko. Die Häufigkeit für eine primäre PPH beträgt 22 % und für eine sekundäre 11 %. Die aktive Leitung der Nachgeburtsperiode ist zu empfehlen. Nach der Geburt ist eine Bestimmung der Faktorenaktivität durchzuführen. Faktorenaktivitäten > 50 IE/dl sollten nach vaginaler Geburt über 3 Tage und nach Sectio caesarea über 5 Tage aufrechterhalten werden.
Trotzdem ist die Rate an PPH erhöht, sodass z. B. die niederländische Fachgesellschaft FVIII/IX-Werte > 80 % um die 34. SSW als sicher ansieht und bei niedrigeren Werten eine Faktorsubstitution bzw. wenn möglich die Infusion von DDAVP empfiehlt (ggf. zusätzliche orale Gabe von Tranexamsäure).
Nach der Geburt sollte Nabelschnurvenenblut innerhalb von 2 Std. einer Gerinnungsanalyse zugeführt werden (Cave: auch gesunde Neugeborene haben eine verlängerte PTT, daher ist dann eine Einzelfaktorenanalyse anzuschließen). Bei protrahierter Geburt und/oder mittlerem/schwerem Faktorenmangel sollte eine Schädelsonografie bzw. bei symptomatischen Neugeborenen ein Schädel-CT vorgenommen werden.

Therapie

Bei Patientinnen mit einer Faktorrestaktivität < 50 % zum Zeitpunkt der Entbindung ist die Blutungsgefahr erhöht. Sub partu, möglichst erst nach Abklemmen der Nabelschnur, kann bei einer verminderten FVIII-Aktivität (< 30–50 %) DDAVP in einer Dosierung von 0,3–0,4 μg/kgKG in Kochsalzlösung über 30 min. infundiert ausreichend sein oder FVIII-Konzentrat gegeben werden (Laffan et al. 2014). Es ist zu erwarten, dass die vWF-Aktivität darunter um das 2-bis 3-fache und die FVIII-Aktivität um das 2- bis 6-fache der Ausgangswerte ansteigen, was für eine effektive Hämostase ausreichend erscheint. DDAVP ist bei Hämophilie B nicht wirksam. In diesen Fällen ist bei einem Faktorenspiegel < 50 % die prophylaktische Gabe von FIX-Konzentrat indiziert, ebenso bei Akutblutungen.
DDAVP tritt nur in geringen Mengen in die Muttermilch über (Lefkou und Hunt 2012).
Cave
Oxytocin kann die antidiuretische Wirkung von DDAVP (synthetisches Vasopressinanalogon) verstärken.
Generell ist bei Einsatz von DDAVP auf potenzielle Nebenwirkungen zu achten, insbesondere auf Hyponatriämien (u. U. wiederholte Natriumbestimmung und bei Bedarf diuretische Therapie).
Praxistipp
Der erforderliche Substitutionsbedarf an Faktorenkonzentrat bei einer Restaktivität von FVIII < 30 % bzw. FIX < 50 % berechnet sich nach der Formel, dass eine Einheit pro kgKG die messbare Aktivität um 1–2 % anhebt.
Zur Behandlung der Hämophilien stehen plasmatische oder gentechnisch hergestellte FVIII- bzw. FIX-Konzentrate zur Verfügung. Durch die Substitution sollten peripartal Faktoraktivitäten > 80 % (gemessen 30 min. nach der Gabe) für 3–5 Tage angestrebt werden. Die betreuende Hebamme sollte um das erhöhte Blutungsrisiko wissen. Eine wohnortnahe Versorgung der Wöchnerin ist zu gewährleisten.
Praxistipp
Stehen in einer akuten Situation keine Faktorenkonzentrate zur Verfügung, ist ausnahmsweise bei FIX-Verminderung die Applikation von PPSB möglich (Cave: thrombogene Wirkung), alternativ GFP auch bei FVIII- und/oder FIX-Verminderung.

Faktor-VII-Mangel

Pathogenese. Definition

Der FVII-Mangel wird autosomal-dominant vererbt, das FVII-Gen liegt auf dem Chromosom 13. FVII wird in der Leber gebildet und gehört zu den Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren. Die Inzidenz der klinisch relevanten Verminderung liegt bei 1:500.000 (Menegatti und Peyvandi 2019). In der Schwangerschaft steigt der FVII physiologisch nur leicht an.

Klinik und Diagnostik

Die Diagnose einer FVII-Verminderung ist häufig ein präoperativer Zufallsbefund, da die Patientinnen über einen subnormalen Quick-Wert auffallen.
Von einem hereditären Defekt ist auszugehen, wenn bei der Abklärung ein Vitamin-K-Mangel (FII- oder FX-Aktivität normal) und eine Lebersynthesestörung (Antithrombin und CHE normal) auszuschließen sind. Cave: Die FVII-Empfindlichkeit der Thromboplastinreagenzien für die Quick-Wert-Messung ist unterschiedlich, daher kommt es zu scheinbar wechselnden Werten!
Im Allgemeinen liegt die FVII-Restaktivität bei den heterozygoten Merkmalsträgern > 30–50 %, die Patientinnen sind in Bezug auf eine Blutungsneigung asymptomatisch. Die Blutungsneigung ist auch bei Werten < 30 % variabel und bei Werten < 20 % anzunehmen. Hier ist die klinische Beobachtung (Regelblutung, Voroperationen an den Schleimhäuten, z. B. Zahnextraktionen) entscheidend, um zu klären, ob peripartal eine Substitutionstherapie indiziert ist. Ein Faktorenkonzentrat sollte bereitgestellt werden. Das Risiko für postpartale Blutungskomplikationen ist deutlich erhöht.

Therapie

Bei FVII-Spiegeln < 10–20 % ist die prophylaktische Gabe von FVII-Konzentrat indiziert (Menegatti und Peyvandi 2019). Für diese Substitutionstherapie steht plasmatischer FVII (Immuseven®) zur Verfügung. Die Dosisrichtlinie 1 I. E./kgKG hebt den Plasmaspiegel um ca. 1,9 % der normalen Aktivität an. Ebenso verfügbar ist der gentechnisch hergestellte FVIIa (NovoSeven®) in einer Dosierung von 15 –30 μg/kgKG. Die Indikation sollte in Zusammenarbeit mit der Hämostaseologie gestellt werden.
Die Dosierung bzw. die Substitutionsintervalle richten sich im Notfall nach dem Quick-Wert (Normalisierung anstreben), da die Einzelfaktorenbestimmung nicht in jedem Labor verfügbar ist. Der FVII hat eine kurze Halbwertszeit von ca. 4 Std., sodass die ca. 6-stündliche Kontrolle des Quick-Wertes initial notwendig ist.
Sollte in einer Akutsituation kein Faktorenkonzentrat verfügbar sein, kann PPSB oder GFP gegeben werden.
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