Für die Leitung der Geburt ist es von entscheidender Bedeutung, frühzeitig festzustellen, ob die Beziehung des Kopfes zum mütterlichen Becken von den physiologischen Einstellungen bei bestimmten Höhenständen abweicht. Die Kenntnis der Nomenklatur von Lage, Stellung, (Pol-)Einstellung und Haltung ist bei der Beschreibung des Geburtsvorganges bzw. bei einem evtl. notwendigen Eingriff (in den Geburtsvorgang) unerlässlich.
Haltungsanomalien
Haltung beschreibt die Beziehung der Körperteile des Kindes zueinander. Bei einer Schädellage beschreibt die Haltung, ob sich der Kopf des Kindes in gestrecktem oder gebeugtem Zustand befindet. Bei Beckenendlagen oder Querlagen beschreibt die Haltung die Relation zwischen Extremitäten und Rumpf.
Haltungsanomalien sind Abweichungen von der Beugehaltung des Kopfes beim Durchtritt durch den (oberen) Geburtskanal.
Zu den Haltungsanomalien gehören die regelwidrigen Schädellagen, welche wiederum in Deflexionslagen und die Roederer-Kopfhaltung eingeteilt werden können.
Regelrecht
Hinterhauptshaltung: Kopf ist gebeugt, Kinn liegt auf der Brust
Regelwidrig
Deflexionshaltungen (Haltungsanomalien)
In ca. 1 % der Fälle kommt es durch eine fehlende Flexion zu einer Deflexion (Streckung) des Kopfes. Je nach Grad der Deflexion unterscheidet man zwischen Vorderhaupts-, Stirn- und Gesichtshaltung. Im Sinne der Abbiegungsübereinstimmung dreht sich der Rücken des Kindes fast immer nach hinten, sodass es auch zur dorsoposterioren Stellungsanomalie kommt. Bei Deflexionshaltungen liegen die Kinder dann i. d. R. in einer dorsoposterioren Schädellage, da so eine Spontangeburt leichter möglich ist als bspw. bei einer dorsoanterioren Schädellage.
Aufgrund der gestörten Geburtsmechanik führen die Deflexionslagen oftmals zu protrahierten Geburtsverläufen mit der Gefahr eines Geburtsstillstandes. Grundsätzlich ist – bis auf eine Ausnahme – eine vaginale Entbindung möglich.
Die mentoposteriore Gesichtslage ist geburtsunfähig und eine Sectio ist in jedem Falle indiziert.
Die digitale Untersuchung und die einzubeziehende
Ultraschalldiagnostik ermöglichen es, regelwidrige Anpassungsvorgänge in Form von Haltungs- und Einstellungsänderungen frühzeitig zu erkennen und geeignete Maßnahmen einzuleiten. Um mittels Ultraschall die Position des fetalen Hinterhauptes zu bestimmen, sollte zuerst die genaue Lage der fetalen Wirbelsäule im Verhältnis zur Mutter identifiziert werden. Das Hinterhaupt befindet sich ausgehend von der fetalen Wirbelsäule in einem Winkel von 180°. Danach wird der Schallkopf über die Symphyse positioniert, um einen Querschnitt des fetalen Schädels zu bekommen. Ausgehend von dieser Schnittebene können das Kleinhirn aufgesucht bzw. die Orbitae dargestellt werden. Der Schallkopf kann auch unterhalb der Symphyse positioniert werden („transperineal/translabial“), falls der Kopf bereits zu tief im Becken ist und die oben genannten Strukturen sich nicht mehr darstellen lassen (Ghi et al.
2018).
Die Streckhaltung geringsten Grades ist bei 0,8 % aller Geburten zu erwarten. Bei pathologischen Beckenformen (Trichterbecken) kann es zur Vorderhauptshaltung kommen. Mit Eintritt des Kopfes in das kleine Becken übernimmt die große Fontanelle die Führung, sie wird zur knöchernen Leitstelle. Die Pfeilnaht verläuft in einem schrägen Durchmesser, und der Rücken ist schräg nach hinten gerichtet (Ib- oder IIb-Stellung).
Die Diagnose ergibt sich aus dem Palpationsbefund, wobei die palpatorische Beurteilung durch eine große Geburtsgeschwulst erschwert sein kann. Die sonografische Diagnostik sichert die Diagnose.
Am Knie des Geburtskanals dreht sich die Pfeilnaht in den geraden Durchmesser und die große Fontanelle nach vorn. Wegen der größeren Durchtrittsebene (Planum frontooccipitale mit 34–35 cm Umfang) muss im Geburtskanal ein größerer Widerstand überwunden werden, sodass es bei ausgetragenen Kindern zur Verlängerung von Eröffnungs- und insbesondere Austrittsperiode kommt. Das größere Durchtrittsplanum führt zu einer starken Dehnung von Scheidenausgang und Damm. Die Gefahr von schweren Geburtsverletzungen steigt signifikant an.
Charakteristisch sind der protrahierte Geburtsverlauf und der früh auftretende Pressdrang, oft noch vor der vollständigen Eröffnung des Muttermundes. Verantwortlich dafür könnte die starke Dehnung des unteren Uterinsegmentes sein.
Sehr selten übernimmt die Stirn beim Tiefertreten des Kopfes die Führung und bleibt bis zur Geburt in der Führungslinie. Die Stirnhaltung lässt sich nach der Rotation in nasoanteriore (am häufigsten), nasotransversale und in nasoposteriore (selten) Einstellungen differenzieren. Als ursächliche Faktoren werden geburtsmechanische Störungen beim Tiefertreten und der Rotation des Kopfes angenommen (relatives Missverhältnis). Die frühzeitige Ausbildung einer großen Geburtsgeschwulst mit nachfolgender starker Konfiguration des Kopfes kann diese Haltungsanomalie begünstigen.
Ungünstig wirkt sich das große funktionelle Planum cygomaticoparietale (36 cm Umfang) aus, das sich nicht selten bei vollständiger Streckung zur Gesichtshaltung auf das Planum tracheloparietale (34 cm) vermindert. Wegen der erheblichen Raumbeanspruchung kommt es zum stark verzögerten Tiefertreten des Kopfes und zum protrahierten Geburtsverlauf.
Kommt es zur Spontangeburt, erfolgt der Austritt mit schräg verlaufender Stirnnaht, da das seitlich der Mittellinie liegende Jochbein schmaler ist und so besser in den Schambogen nach ventral ausweichen kann. Geburtsmechanisch ist von besonderer Bedeutung, dass das funktionelle Planum die Beckeneingangsebene erst passiert hat, wenn die knöcherne Leitstelle (nicht die Geburtsgeschwulst) deutlich unter der Interspinallinie zu tasten ist.
Ein aufgrund einer falsch-tiefen Einschätzung des Höhenstands unternommener vaginaler Entbindungsversuch kann schwerwiegende Folgen haben.
Entscheidet sich ein erfahrener Operateur unter besonders günstigen Voraussetzungen zur vaginal-operativen Entbindung, so ist der Vakuumextraktion der Vorzug zu geben – jedoch nur, wenn ausreichende Platzverhältnisse ein exzentrisches Anlegen der Glocke (möglichst über dem „flexion point“) und eine Flexion des Kopfes erlauben.
Bestätigt sich bei protrahiertem Geburtsverlauf der Verdacht auf eine Stirnhaltung, sollte die abdominale Schnittentbindung frühzeitig indiziert werden.
Bei maximaler Streckung des Kopfes tritt das Gesicht in die Führungslinie. Oft geht der Gesichtshaltung eine Stirnhaltung beim Eintritt in das Becken voraus. Funktionelles Planum ist das Planum tracheoparietale. Ursächliche Faktoren können eine hyperdolichozephale Kopfform (Zurückhalten des Hinterhauptes an der Linea terminalis), ein spastisch verengtes unteres Uterinsegment, ein enger Beckeneingang und ein vorliegender Arm sein. Die Geburtsdauer ist nicht so stark verlängert wie bei einer Stirnhaltung. Verursacht wird die Verzögerung durch geburtsmechanische Störungen beim Deszensus und durch einen geringeren Druck auf die Zervix mit nachfolgender hypokinetischer Uterusaktivität.
Bei der inneren Untersuchung fällt die unregelmäßige Oberfläche auf. Sind das Kinn, die Nase und die Margines supraorbitales zu tasten, ist die Diagnose gesichert.
Im Zusammenhang mit der maximalen Streckung drehen sich der Rücken und das Hinterhaupt in der Regel nach dorsal (o.p.-Rotation), sodass mit dem Hervortreten des Kinns unter der Symphyse und dem Stemmpunkt im Bereich des Kehlkopfes der Kopf in einer großen Beugung in Richtung Symphyse geboren werden kann.
Geburtsunmöglich ist eine mentoposteriore (dorsoanteriore) Gesichtshaltung, weil die für den Austritt notwendige weitere Streckung nicht erfolgen kann.
Einstellungsanomalien
Einstellung beschreibt die Beziehung des Kopfes zum mütterlichen Becken und ist somit das Resultat aus Lage, Poleinstellung, Stellung und Haltung.
Die Einstellungsanomalien des Kopfes umfassen den hohen Gerad- und den tiefen Querstand sowie die Asynklitismen und die hintere Hinterhauptslage. Die Ursache dieser Anomalien ist häufig ein fetopelvines Missverhältnis. Bis auf eine Ausnahme ist eine vaginale Geburt bei den Einstellungsanomalien möglich. Durch Lagerungsmethoden und Unterstützung der Wehen kann versucht werden, eine bessere Einstellung des Kopfes zu erreichen. Teilweise ist jedoch eine operativ-vaginale Entbindung oder eine sekundäre Sectio notwendig.
Der hintere Asynklitismus stellt als einzige Einstellungsanomalie eine geburtsunmögliche Lage dar und ist immer eine Indikation zu einer sekundären Sectio.
Ursächlich spielen vorwiegend mütterliche pelvine (enge Interspinaldistanz und genügend weite Sakralhöhle), ausnahmsweise weichteilbedingte Anomalien der Geburtswege, seltener fetale Faktoren (Frühgeburtlichkeit, brachyzephaler Kopf) eine Rolle. Begünstigt werden kann eine o.p.-Rotation auch durch eine tiefe Vorderwandplazenta, durch feste Nabelschnurumschlingungen und durch Vorliegen eines Armes/einer Hand.
Nutzen und Risiken manueller und instrumenteller Rotationsmanöver können nicht abschließend beurteilt werden. Als effektivste Intervention wird die Vakuumextraktion angesehen mit einer „Autorotation“ in bis zu 90 % der Fälle.
Bei Persistenz der o.p.-Rotation wird aber nur bei der Hälfte der Fälle eine Spontangeburt erreicht. Angesichts der hohen mütterlichen und kindlichen Morbidität einer vaginal-operativen Entbindung erscheint bei persistierender o.p.-Rotation und noch in oberer Beckenmittenposition stehendem Kopf der aktuelle Trend zur abdominalen Schnittentbindung gerechtfertigt.
Wird eine vaginal-operative Entbindung indiziert, kann mit der Vakuumextraktion in vielen Fällen durch eine beugende erste Traktion noch eine Rotation in die geburtsmechanisch günstige vordere Hinterhauptshaltung erreicht werden.
2.
Beim regelrechten Geburtsverlauf steht der Kopf bei einem Höhenstand auf Beckenboden in vorderer Hinterhauptshaltung, d. h. in Beugehaltung mit gerader Pfeilnaht und führender, vorn stehender kleiner Fontanelle. Beim tiefen Schrägstand ist eine um 45° unvollständige Rotation festzustellen.
Beim regelrechten Geburtsverlauf steht der Kopf bei einem Höhenstand auf Beckenboden in vorderer Hinterhauptshaltung, d. h. in Beugehaltung mit gerader Pfeilnaht und führender, vorn stehender kleiner Fontanelle. Beim tiefen Schrägstand ist eine um 45° unvollständige Rotation festzustellen.
3.
Tiefer Querstand des Kopfes
Definition: Der Kopf steht auf Beckenboden, die Pfeilnaht verläuft quer und kann den längsovalen Beckenausgang nicht passieren.
Ein tiefer Querstand
kann bei pathologischen Beckenformen (Trichterbecken, langem Becken) vorkommen.
I.
tiefer Querstand: Hinterhaupt links
II.
tiefer Querstand: Hinterhaupt rechts
Typischerweise hat der Kopf keine ausreichende Beugehaltung eingenommen, sodass beide Fontanellen auf gleicher Höhe zu palpieren sind. Der ausgebliebenen Haltungsänderung kommt die wesentliche Bedeutung für die Einstellungsanomalie zu.
Kann mit der Lagerung auf die Seite der kleinen Fontanelle die notwendige Beugehaltung erreicht werden, erfolgt die Drehung in den tiefen Geradstand häufig spontan. Wird bei ausreichenden Wehen innerhalb 1 h keine Tendenz zur Drehung erkannt, ist die operative Geburtsbeendigung zu erwägen. Die Vakuumextraktion bietet klare Vorteile. Nach dem exzentrischen Anlegen der Glocke im Bereich der kleinen Fontanelle wird häufig schon mit der ersten (beugenden) Traktion die Rotation der Pfeilnaht in den geraden Durchmesser erreicht, sodass aus vorderer Hinterhauptshaltung entbunden werden kann.