Zu den Mikrodeletionen, die heute klinisch mittels zellfreier DNA-Analyse angeboten werden, gehören im Wesentlichen das Di-George-Syndrom (Locus 22q11.2), die Monosomie 1p36 (Locus 1p36), das Angelmann-Syndrom/
Prader-Willi-Syndrom (Locus 15q11.2-q13), das 5p-/Cri-du-chat-Syndrom (Locus 5p15) und das 4p-/Wolff-Hirschhorn-Syndrom (Locus 4p 16.3). Die echte pränatale
Prävalenz von Mikrodeletionen ist schwer zu schätzen. In einer größeren Studie konnten in 1,7 % der Fälle aus ca. 2000 Proben, die aufgrund von fortgeschrittenem mütterlichem Alter durchgeführt wurden, klinisch relevante Mikrodeletionen/-duplikationen im Microarray gefunden werden (Wapner et al.
2012). Die Deletionsgröße, die mit der NIPT-Methodik erkannt werden kann, liegt bei ca. 3 Mb und viele
Deletionen sind kleiner als die genannte kritische Größe (Yaron et al.
2015). In einer aktuellen
Metaanalyse aus sieben Studien von über 470.000 NIPT-Analysen und 210 bestätigten Mikrodeletions- und -duplikationssyndromen lag der positiv-prädiktive Wert bei 40 % (29–91 %) und die Falsch-positiv-Rate bei <0,1 % (Familiari et al.
2021) (Abb.
2). Eine Detektionsrate und falsch-negativ Rate konnte in der Metaanalyse nicht ermittelt werden, da in der Mehrheit der unauffälligen Proben keine postnatale Bestätigung durchgeführt wurde und viele Erkrankungen nicht unmittelbar am klinischen Bild nach der Geburt erkannt werden können (Familiari et al.
2021). Die genannten Werte müssen deshalb mit großer Vorsicht interpretiert werden. In einem größeren Hochrisikokollektiv wurde kürzlich die
Mikrodeletion 22q11 untersucht (Bevilacqua et al.
2021). Für 735 inkludierte Analysen lag die Detektionsrate bei 70 % (32/46 Fälle) und die Falsch-positiv-Rate bei 0 % (Bevilacqua et al.
2021). Zum aktuellen Zeitpunkt bleibt eine Empfehlung zum klinischen Einsatz des
NIPT auf Mikrodeletionen aufgrund der begrenzten Datenlage umstritten. Bei einer klinischen Indikation zur Testung, z. B. aufgrund einer positiven Familienanamnese oder bei einer Fehlbildung ist aktuell die invasive Diagnostik empfohlen. Aktuell würde ein breit angelegtes Screening aufgrund der niedrigen Prävalenz und des niedrigen PPVs zu einer großen Verunsicherung der Patientin und vielen vermeidbaren invasiven Eingriffen führen. Damit würde hier der eigentliche Vorteil des NIPT wieder minimiert. Es ist jedoch denkbar, dass sich in Zukunft die Datenlage verbessert, die Analyseverfahren verfeinern und sich die Empfehlungen ändern könnten.