Allgemeine Aspekte
Bereits bei der ersten Vorstellung ist eine Beratung zum Lifestyle in der Schwangerschaft ratsam. Ziel der Aufklärung sollte sein, bei maximaler Sicherheit für Mutter und Kind eine möglichst uneingeschränkte Lebensgestaltung zu erreichen (National Collaborating Centre for Women’s and Children’s Health
2008).
Der Erstkontakt bietet sich ebenfalls an, um über sinnvolle antenatale Untersuchungen, z. B. das
Ersttrimesterscreening und die spezielle fetale Organdiagnostik zwischen 19 und 22. SSW, zu beraten. In diesem Zusammenhang ist nicht nur auf die Vorteile der genannten Untersuchungen hinzuweisen, sondern auch auf das damit verbundene Risiko falsch-positiver bzw. falsch-negativer Befunde.
Generell sollte über die physiologischen Veränderungen in der Schwangerschaft von Mutter und Kind aufgeklärt und ein „Fahrplan“ für die weitere Betreuung in der Schwangerschaft erstellt werden.
Im Verlauf der Schwangerschaft sollte eine Beratung zur Physiologie der
normalen Geburt, zur Wahl der Geburtsklinik, zur Stilltätigkeit, zur allgemeinen Betreuung des neugeborenen Kindes, zur neonatalen Vitamin-K-Prophylaxe und zu den
Screeningtests auf Stoffwechselerkrankungen erfolgen. Auch ist die Schwangere auf die Notwendigkeit regelmäßiger zahnärztlicher Kontrollen hinzuweisen (z. B. sind Entzündungen jedweder Art potenzielle Frühgeburtsauslöser).
Grundsätzlich sollte ausreichend frühzeitig eine ambulante Vorstellung in der gewählten Geburtsklinik erfolgen. Hierbei können die persönlichen Wünsche der Schwangeren besprochen, v. a. aber auch deren Risikoprofil ermittelt werden. Eine rechtzeitige Behandlung bzw. Abwendung von Risiken sowie die sorgfältige Geburtsplanung verhelfen zu einer Reduktion der fetomaternalen Morbidität.
Gegen Ende der Schwangerschaft sollte das Management bei Terminüberschreitung erläutert werden, idealerweise in Absprache mit der betreuenden Geburtsklinik (National Collaborating Centre for Women’s and Children’s Health
2008).
Ein detaillierter Überblick über Frequenz und Häufigkeiten der Vorsorgeuntersuchungen im Niedrigrisikokollektiv laut aktueller Fassung der Mutterschafts-Richtlinien
ist in Tab.
1 dargestellt. Diese Untersuchungen dienen der Erkennung einer Risikoschwangerschaft. Liegt ein solche vor, müssen die Überwachungsintervalle verkürzt, weitere Untersuchungsmethoden, z. B. Dopplersonographie und computerisiertes
CTG, hinzugezogen und die Schwangere ggf. stationär in einer Klinik überwacht werden.
Tab. 1
Frequenz und Häufigkeit der Vorsorgeuntersuchungen im Niedrigrisikokollektiv. (Nach Gemeinsamer Bundesausschuss
2012)
Allgemeine Beratung | x | x | x | x | x | x | x | x | x | x | x |
Ausführliche Anamnese | x | | | | | | | | | | |
Vaginale Untersuchung | x | | | | | | | | | | |
Messung von Körpergewicht und Blutdruck | x | x | x | x | x | x | x | x | x | x | x |
Messung des Fundusstands | | | x | x | x | x | x | x | x | x | x |
Nachweis fetaler Herzaktion | x | x | x | x | x | x | x | x | x | x | x |
CTG | | | | | | | | | | | |
Kindliche Lage | | | x | x | x | x | x | x | x | x | x |
| x | | | | | | | | | | |
| x | | | | x | | | | | | |
| | | | | | x* | | | | | |
Hb-Bestimmung | x | | | | | x | x | x | x | x | x |
U-Stix, ggf. Kultur | x | x | x | x | x | x | x | x | x | x | x |
| x | | | | | | | | | | |
Hepatitis B | | | | | | | x | | | | |
| | | | | | | | | | | |
Diabetesscreening | | | | | x | | | | | | |
Spezielle Ultraschalldiagnostik | | x | | x | | | x | | | | |
Berufliche Tätigkeit
Um eine weitergehende Beratung zu ermöglichen, sollte die berufliche Tätigkeit der Schwangeren im Detail erfragt werden. Der Mehrzahl der Schwangeren kann versichert werden, dass die Fortführung ihrer beruflichen Tätigkeit keine Gefahr für sie oder ihr werdendes Kind darstellt (National Collaborating Centre for Women’s and Children’s Health
2008).
Die im pflegerischen und ärztlichen Bereich üblichen Beschäftigungsverbote von Schwangeren werden häufig vorsorglich ausgesprochen. Harte Fakten für dieses Vorgehen fehlen. Die in Deutschland gelebte Praxis, schwangere Frauen nicht im OP-Bereich arbeiten zu lassen, ist im nicht deutschsprachigen Ausland weitgehend unbekannt. Es gibt keine Evidenz dafür, dass bei routinemäßiger Tätigkeit im Operationssaal negative gesundheitliche Folgen für Mutter und Kind zu erwarten sind.
Grundsätzlich sollten schwere körperliche Arbeit sowie der Kontakt mit möglichen Noxen in der Schwangerschaft vermieden werden. Ferner sollte dafür gesorgt werden, dass wechselnde Körperhaltungen eingenommen werden können.
Sport in der Schwangerschaft
Moderate sportliche Betätigung in der Schwangerschaft ist nicht mit einer erhöhten Komplikationsrate assoziiert. Die sportliche Betätigung sollte möglichst im aeroben Bereich stattfinden, Sportarten mit der Gefahr eines abdominalen Traumas wie z. B. Kampfsportarten, Sportarten mit hoher Gefahr von Stürzen und exzessiver Gelenkbelastung sowie das Sporttauchen sind allerdings zu meiden (National Collaborating Centre for Women’s and Children’s Health
2008).
Grundsätzlich führen extensive Sportbelastungen zu einer Umverteilung des Herzzeitvolumens weg von der Gebärmutter und hin zur aktivierten Muskulatur.
Nikotin- und Drogenabusus
Alle Schwangeren sollten auf die Risiken eines Nikotinabusus, auch durch Passivrauchen, hingewiesen werden. Eine besondere Problematik ist hierbei die Blockierung des Hämoglobinmoleküls für den Sauerstoff durch das im Rauch enthaltene Kohlenmonoxid. Langzeituntersuchungen zeigten bei Kindern rauchender Mütter in Korrelation mit der Anzahl der gerauchten Zigaretten einen verringerten Kopfumfang sowie eine Einschränkung der intellektuellen Entwicklung. Sowohl die Rate an intrauteriner Wachstumsrestriktion als auch der Frühgeburtlichkeit sind bereits beim
Rauchen von weniger als 10 Zigaretten/Tag signifikant erhöht (Voigt et al.
2009).
Die beste Therapieoption ist der komplette Verzicht. Gelingt der Schwangeren eine Abstinenz nicht, sollte sie zumindest die Zahl der täglich gerauchten Zigaretten auf ein Mindestmaß reduzieren oder eine Ersatztherapie in Form von Nikotinpflastern wahrnehmen. Diese Pflaster sollten vor dem Schlafengehen entfernt werden.
Auch alle anderen Drogen wie z. B.
Kokain sind in der Schwangerschaft schädlich (National Collaborating Centre for Women’s and Children’s Health
2008).
Reisen in der Schwangerschaft
Flugreise
n in der Schwangerschaft sind mit einem erhöhten Thromboserisiko verbunden („economy class syndrome“). Ob die Schwangerschaft allerdings einen eigenen zusätzlichen Risikofaktor darstellt, ist nicht abschließend geklärt. Angepasste Kompressionsstrümpfe sind eine effektive Möglichkeit, das diesbezügliche Risiko zu reduzieren. Der
Sauerstoffpartialdruck ist in der Flugkabine um ca. 20 % reduziert. Bei ungestörter plazentarer Funktion gelingt es dem Fetus auch unter ungünstigerer Sauerstoffversorgung, sich in der Regel ausreichend zu oxygenieren.
Beim
Autofahren ist auf den richtigen Sitz der Sicherheitsgurte oberhalb und unterhalb des schwangeren Uterus zu achten. In aller Regel können beim Tragen eines Gurtes Schädigungen des ungeborenen Kindes vermieden werden (Fruchtwasser fungiert als ein „flüssiger Airbag“) (National Collaborating Centre for Women’s and Children’s Health
2008).
Saisonale Influenza
In die aktuellen Mutterschafts-Richtlinien wurde die Beratung über die Vorteile einer Grippeschutzimpfung aufgenommen. In Deutschland ist die prophylaktische Immunisierung gegen eine saisonale
Influenza ab dem 2. Schwangerschaftsdrittel empfohlen, bei spezieller Risikokonstellation bereits im 1. Trimenon (Gemeinsamer Bundesausschuss
2012). Da die inaktivierte Form des Grippeimpfstoffes als sicher gilt, wird in den USA die Schutzimpfung auch im 1. Trimenon empfohlen (Moro et al.
2012).