Anästhesie bei operativen Interventionen in der Gynäkologie
Diese Kapitel beschreibt die anästhesiologischen Anforderungen in der Gynäkologie mit dem Schwerpunkt eines interdisziplinären Verständnisses aller involvierter Kollegen. Für ein präzises Erlernen sowie eine Anleitung der beschriebenen Narkosetechniken wird auf die einschlägige Literatur verwiesen. Ziel dieses Kapitels ist es, die Kenntnis von potenziellen Problemfeldern, konventionellen Maßnahmen und weiterführenden Lösungen zu vermitteln.
Der Anästhesist stützt seine Entscheidungen auf Anamnese, körperlichen Untersuchungsbefund sowie die bereits vorhandenen Untersuchungsergebnisse. Reichen diese Befunde nicht aus, muss der Anästhesist die noch erforderlichen Untersuchungen selbst durchführen oder veranlassen (Wilhelm 2012).
Damit diese Befundzusammenschau sowohl dem wissenschaftlichen Stand als auch den Anforderungen des täglichen Arbeitsablaufs gerecht werden kann, ist in Deutschland eine präoperative Evaluation entsprechend den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) unerlässlich (Zwissler et al. 2010). Ziel dieser präanästhesiologischen Visite ist das rechtzeitige Erkennen von vorbestehenden Störungen oder Problemfeldern, um durch eine spezifische Vor- und Nachbehandlung das Risiko perioperativer Ereignisse zu minimieren (s. Übersicht).
Aufgaben der anästhesiologischen präoperativen Visite
Einschätzung des körperlichen und psychischen Zustands
Wahl und Planung des Anästhesieverfahrens
Wahl möglicher Überwachungsmaßnahmen
Anforderung zusätzlicher präoperativer Diagnostik
Aufklärung der Patientin mit Einwilligungserklärung
Sensibilisierung für die Ängste und Sorgen der Patientinnen
Verordnung einer Prämedikation
Ggf. weitere Verfahren der Risikominimierung
Der Zeitpunkt der anästhesiologischen präoperativen Visite ist nach allgemeinem Verständnis der Vorabend der Operation, die Visite sollte nicht länger als 6 Wochen zurückliegen. Sofern dies nicht vermeidbar ist und kein erhöhtes anästhesiologisches Risiko vorliegt (ASA 1–2), ist bei ambulanten Eingriffen eine Aufklärung am Morgen des Operationstags vertretbar. Zum Zeitpunkt der Aufklärung sollte die Patientin einwilligungsfähig sein. Einwilligungsfähig ist, wer Art, Bedeutung und Tragweite (Risiken) der ärztlichen Maßnahme erfassen kann (Biermann 1997).
Für die Einschätzung des perioperativen Gesamtrisikos werden mehrere Haupteinflussfaktoren unterschieden, darunter insbesondere die Patientin mit ihrer aktuellen Erkrankung und weiteren Begleiterkrankungen, die Art und Dauer des geplanten operativen Eingriffs sowie die Wahl und Durchführbarkeit des geplanten Narkoseverfahrens (z. B.: Wie gut ist die Patientin zu intubieren?).
In Bezug auf das Fachgebiet der Gynäkologie stellt das Erkennen und Abwägen von kardiovaskulären Risikofaktoren einen wesentlichen Faktor der anästhesiologisch präoperativen Visite dar. Dabei stellen intraabdominale, auch laparoskopische Eingriffe ein mittleres kardiales Risiko mit einer Letalität von bis zu 5 % dar. Eingriffe an beispielsweise der Mamma oder oberflächliche Inzisionen der Vulva fallen in den Bereich eines niedrigen kardialen Risikos mit einer Letalität <1 %. Zu den wesentlichen anästhesiologischen Risiken zählen dabei
hypoxische Zustände durch Intubations- und Beatmungsschwierigkeiten,
eine Aspiration,
kardiovaskuläre Schwankungen,
allergische Reaktionen auf die gewählten Medikamente sowie
Auf der Grundlage der Risikobewertung ordnet der aufklärende Anästhesist die Patientin einer Risikokategorie zu, die meist nach dem sehr einfachen Schema der American Society of Anesthesiologists (ASA) angegeben wird (Tab. 1). Die aufsteigende Nummerierung impliziert ein höheres perioperatives Risiko.
Tab. 1
ASA-Risikogruppen
ASA-Gruppe
Beschreibung
ASA 1
„Normaler“, ansonsten gesunder Patient
ASA 2
Leichte Allgemeinerkrankung, keine Leistungseinschränkung
ASA 3
Schwere Allgemeinerkrankung mit Leistungseinschränkung
ASA 4
Schwere Allgemeinerkrankung mit Leistungseinschränkung, prinzipiell lebensbedrohlich mit oder ohne Operation
ASA 5
Patient liegt im Sterben, Tod mit oder ohne Operation
Zur Planung eines reibungsfreien organisatorischen und interdisziplinären Ablaufs haben die DGAI und der Berufsverband Deutscher Anästhesisten mit der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe und dem Berufsverband der Frauenärzte im Jahr 2010 eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit in der operativen Gynäkologie und in der Geburtshilfe veröffentlicht (Vereinbarung 1996).
Besondere anästhesiologische Überlegungen in der Gynäkologie
Die Qualität der geleisteten Anästhesie wird von der Patientin anhand ihres postoperativen Befindens beurteilt. Dazu zählen beispielsweise Schmerzfreiheit, Fehlen von Übelkeit, Erbrechen, Fehlen von Punktionshämatomen oder Muskelschmerzen, Qualität des postoperativen Erwachens, Zeitraum bis zur Rekonstitution.
Übelkeit und Erbrechen stellt innerhalb des Fachgebiets der Gynäkologie eine häufige postoperative Nebenwirkung dar. Das pathophysiologische Modell geht davon aus, dass über die Rezeptoren der Chemorezeptortriggerzone (pharmakologische und mechanische Reize) emetische Stimuli an das Brechzentrum im Hirnstamm in der Nähe des Tractus solitarius (Vagusgebiet) weitergeleitet werden, wo die muskuläre Koordination des Brechreizes erfolgt. Die generelle Inzidenz von postoperativer Übelkeit und Erbrechen (PONV) ist mit 35–52 % der Patienten beschrieben, ein Viertel davon leidet unter Erbrechen. Bei gynäkologischen Patientinnen scheint dieser Prozentsatz um den Faktor 2–3 erhöht (Koivuranta et al. 1997). Das Risikoprofil wird konventionell nach dem Apfel-Score bestimmt (Tab. 2) (Apfel und Roewer 2004). Deutlich ersichtlich ist das gesteigerte Risikoprofil junger nichtrauchender Patientinnen. Mit steigenden Punkten summiert sich das Risiko von 10 % (0 P) auf 20 % (1 P), 40 % (2 P), 60 % (3 P) und 80 % bei maximaler Punktzahl.
Tab. 2
Risiko-Score nach Apfel. (Nach: Apfel und Roewer 2004)
Risikofaktor
Punkte
Weibliches Geschlecht
1
Nichtraucher
1
Bekannte PONV nach früheren Anästhesien oder anamnestische Reisekrankheit (Kinetose)
Die Wahrscheinlichkeit für PONV (postoperative nausea and vomiting) steigt mit der Punktzahl: 0 P = 10 %; 1 P = 20 %; 2 P = 40 %; 3 P = 60 %; 4 P = 80 %
In den Consensus Leitlinien der internationalen Society for Ambulatory Anesthesia (http://www.sambahq.org) ist das verfügbare Portfolio zur Reduktion der PONV-Häufigkeit ausführlich aufgeführt (Gan et al. 2014). Zu den wirkungsvollsten präventiven Maßnahmen zählt insbesondere die Wahl einer totalen intravenösen Anästhesie (TIVA) mit Propofol als Narkoseverfahren. Ebenso gilt die Anwendung kurzwirksamer Opioide wie Alfentanil oder Remifentanil als vorteilhaft. Bei Patientinnen mit bekannter Kinetose oder PONV in der Vorgeschichte sollte perioperativ prophylaktisch ein Antiemetikum verabreicht werden. Zur Anwendung kommen hierbei 5-Hydroxytryptamin3-Rezeptorantagonisten (Ondansetron, Tropisetron, Granisetron, Dolasetron), Butyrophenonderivate (z. B. Haloperidol) sowie Dexamethason. Ferner schließt das vorgeschlagene Spektrum die Wahl von regionalanästhesiologischen Verfahren, wenn möglich, mit ein, sowie bei Eskalation von Dimenhydrinat, Scopolamin oder Neurokinin-1-Rezeptorantagonisten. Eine Akupunktur am Punkt Perikard 6 ist stets indiziert (s. unten). Die PONV-Prophylaxe der Anästhesiologischen Klinik der Universität Greifswald kombiniert wie empfohlen verschiedene dieser Schritte in Abhängigkeit vom Apfel-Scores (Tab. 3). Unter Einsatz dieses starren Regimes konnte die Inzidenz von PONV in einer qualitativen Untersuchung mehr als halbiert werden (Usichenko et al. 2013).
TIVA Totale intravenöse Anästhesie; Pe 6 Punkt Perikard 6
Zu den weiteren Überlegungen zählen die Wahrnehmung von Ängsten und Sorgen. Ein einfühlsames Vorgehen sowie der Beginn einer positiven Arzt-Patient-Beziehung ist gerade im Hinblick auf psychisch belastende Operationen (z. B. Mastektomie) ein wertvoller Part ärztlichen Handelns.
Wie bei allen Operationen gilt es, Lagerungsschäden zu vermeiden. Dabei gilt grundsätzlich die interdisziplinäre Zusammenarbeit zum Schutz der Patientin als höchst sinnvoll. Die adäquate präoperative Lagerung erleichtert nicht nur dem Operateur die Arbeit, sondern verkürzt auch die Operationszeit relevant, da eine suboptimale Lagerung stets zu erneuten Neu-, und Umlagerungen und damit unnötigen Verzögerungen führt. Die meisten abdominellen gynäkologischen Operationen werden in Steinschnittlagerung bzw. in Kopftieflagerung durchgeführt, was dem Operateur ein vergrößertes Maß an Bewegungsfreiheit gewährt. Bei langen Eingriffen gilt es Schäden des N. peroneus communis im Bereich des Fibulaköpfchens zu vermeiden. Bei langen Eingriffen (z. B. Ovarialkarzinomoperationen) wird eine Durchbewegung der Beine alle 2 h zur Prophylaxe eines Komplexen regionalen Schmerzsyndroms (CRPS) empfohlen. Durch den zunehmenden Einsatz mono-, und bipolarer Instrumente ist besonders auf das Liegen im Trockenen zu achten, um schweren Verbrennungen vorzubeugen, v. a. im ileosakralen Bereich. Der Operationsassistent zwischen den Beinen sollte sich nicht auf die Patientin aufstützen, hypotone Zustände begünstigen das Auftreten von Lagerungsschäden.
Neben einer adäquaten Lagerung der Patientin im Wachzustand sowie kontinuierlicher Überprüfung während der Operation hat sich der Einsatz unterfütterter Unterlagen als vorteilhaft erwiesen, auch um ein Rutschen in Richtung des Anästhesisten zu vermeiden. Es können sogenannte Erdnussbetten zur einfacheren Lagerung zum Einsatz kommen.
Eingriffe in Kopftieflage (insbesondere Laparoskopien) prädisponieren ferner für Schädigungen am Plexus brachialis. Ein vorbestehendes Thoracic-Outlet-Syndrom stellt einen zusätzlichen Risikofaktor dar. Indirekte Schädigungen finden sich häufig am ausgelagerten Arm (z. B. bei Mamma-Operationen), mit einer Inzidenz von ca. 4 % (Weniger und Weis 2012).
Eine sorgfältig geplante Schmerztherapie ist ein entscheidendes Kriterium für eine qualitativ hochwertige Versorgung der Patientinnen. Neben dem unangenehmen Ereignis akuter postoperativer Schmerzen und verbundenen Risiken, wie verspätete Mobilisation oder respiratorische Insuffizienz, steht das Risiko persistierender Schmerzen über das eigentliche Ereignis hinaus (Chronifizierung) (Ossipov et al. 2014). Nach einer Mastektomie ist dieses Risiko beispielsweise mit 20 % angegeben. Bereits eine Sektio hat ein 10 %iges Risiko persistierender Schmerzen (Denk et al. 2014). Generell liegt diese Komplikation bei Frauen um bis zu 50 % höher als bei Männern. Prinzipiell lassen sich systemische und regionale Verfahren voneinander unterscheiden. Während es für das Konzept einer präemptiven medikamentösen Therapie keine Belege gibt, wirkt die Gabe eines peripheren Analgetikums (in der Regel intravenös Metamizol oder Diclofenac) ca. eine halbe Stunde vor Narkoseende günstig auf den postoperativen Schmerzverlauf. Die subkutane Infiltration der Operationsnarben (mit Lidocain 1 %) stellt einen weiteren möglichen Baustein der Schmerztherapie dar. Sofern ein regionales Verfahren indiziert ist, in der Gynäkologie in der Regel ein Periduralkatheter (PDK), sollte dieses mit der Patientin ausführlich vorher besprochen werden.
Neben der postoperativen Basisversorgung mit einem peripheren Analgetikum der WHO-Stufe 1 sollte Patientinnen ohne Periduralanästhesie (PDA) ein postoperativ indiziertes Opioid zu definierten Abrufzeiträumen angeboten werden (Piritramid, Morphin). Die Gabe zweier peripherer Analgetika der WHO-Stufe 1 sowie eine Steigerung der Dosierung über die tägliche Empfehlung hinaus ist obsolet. Die Gabe von Paracetamol außerhalb geburtshilflicher Indikationen kann aus analgetischer Sicht nicht überzeugen. Sollte ein gesteigerter Schmerzmittelbedarf vorliegen, ist über eine frühzeitige Anlage einer patientenkontrollierten Opioid-Analgesiepumpe (patient-controlled analgesia; PCA) nachzudenken. Dabei können die Patientinnen ihren Bedarf in einem kontrollierten Rahmen über eine elektrische Pumpe frei abrufen. Das Abrufverhalten wird täglich ausgelesen und die Dosis entsprechend angepasst. Dies ist ebenfalls bei mit Opioiden vorbehandelten Patientinnen eine geeignete Maßnahme, um eine Über-/Unterdosierung zu vermeiden. Der anästhesiologische Schmerzdienst, wenn vorhanden, sollte rechtzeitig bei komplizierten Verläufen hinzugezogen werden. Bei liegendem PDK kann über eine kontinuierliche oder eine patientenkontrollierte Schmerztherapie (patient-controlled epidural analgesia; PCEA) nachgedacht werden. Die Vorteile der PCEA liegen in der individuellen Steuer- und Abrufbarkeit. Die PDK-Systeme sollten neben einem Lokalanästhetikum auch niedrigdosierte Opioide enthalten. Die zusätzliche Anwendung von Akupunktur ist eine geeignete Maßnahme, um Schmerzmedikation und -intensität zu reduzieren (s. unten).
Auf die Behandlung chronischer und tumorspezifischer Schmerzen wird an dieser Stelle nicht explizit eingegangen. Prinzipiell greift an erster Stelle das WHO-Stufenmodell zur onkologischen Schmerztherapie.
Akupunktur in der Anästhesiologie
Der Einsatz von Nadelstimulationstechniken an Akupunkturpunkten zur Verbesserung des perioperativen Outcomes ist bereits seit den 1980er-Jahren beschrieben. Der Gießener Anästhesist Herget berichtete eindrucksvoll über die erfolgreiche Durchführung von kardiochirurgischen Eingriffen in Akupunktur-assistierter Anästhesie (Herget et al. 1976). Der Akupunktur wird ein substanzieller Effekt auf die postoperative Schmerzlinderung bestätigt. Kleinere Effekte zeichnen sich bezüglich Sedierung, Einsparung an Narkosemedikamenten und Verringerung von Komplikationen ab (Chernyak und Sessler 2005). In einem aktuellen Cochrane-Review wird die qualitativ überzeugende Wirkung der Stimulation am Punkt Perikard 6 beschrieben (Abb. 1).
Abb. 1
Der Akupunkturpunkt Perikard 6. Die weißen Linien geben den Abstand des Punkts zur volaren Handgelenksfalte wieder, dieser beträgt zwei Daumenbreiten der Patientin. Die roten gestrichelten Linien markieren die Sehnen des M. palmaris longus sowie des M. flexor carpi radialis. Im angezeigten Abstavom Handgelenk, mittig zwischen den Sehnen befindet sich die Nadelungsstelle in einer Tiefe von ca. 1–1,5 cm
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Nicht nur Prophylaxe und Therapie postoperativer Übelkeit oder Erbrechens, sondern auch eine Gleichwertigkeit zu den konventionellen Antiemetika kann angenommen werden (Lee et al. 2015). Dies ist einer der Gründe für die Aufnahme der Perikard-6-Stimulation in das Portfolio zur PONV-Behandlung der SAMBA-Gruppe (s. oben) (Gan et al. 2014).
In einer Untersuchung an der Frauenklinik der Universität München wurde die Wirksamkeit einer perioperativen Akupunktur auf das Outcome laparoskopisch operierter Patientinnen untersucht (Fleckenstein et al. 2014, 2018). Die aktuelle Studie zeigt erstmals, dass Akupunktur die Dauer von der Extubation bis zum Zeitpunkt eines stabilen Kreislaufs und Entlassung aus dem Aufwachraum um 35 % gegenüber einer Kontrollgruppe verringert. Weitere Beobachtungen der Studie implizieren eine verkürzte Extubationszeit, sowie eine geringere Inzidenz von PONV (in Bezug auf Erbrechen).
Der Einsatz von Akupunkturkonzepten im anästhesiologischen Alltag nimmt zu. Die gegenwärtige Datenlage stützt die Einbindung von anästhesiologischer Akupunktur zur Verbesserung der qualitativen Versorgung der Patientinnen und ist als Bestandteil moderner Anästhesiekonzepte klar zu empfehlen.
Anästhesiologisches Vorgehen bei gynäkologischen Operationen
Kleinere gynäkologische Eingriffe
In diese Gruppe gehören gynäkologische Untersuchungen in Narkose, oberflächliche Operationen an Vulva oder Vagina, kleinere Exzisionen an der Mamma, Hysteroskopien und Kürettagen sowie Follikelpunktionen.
Die meisten der oben genannten Eingriffe werden ambulant durchgeführt. Für diese gelten die Anforderungen an ambulantes Operieren; dies beinhaltet eine adäquate Vorbereitung und postoperative Überwachung. Bei vaginalen Eingriffen muss der Gebärmutterhals meist dilatiert werden; dieser Prozess ist unangenehm bis schmerzhaft und bedarf der adäquaten Sedierung und Analgesie der Patientin. Zudem sind Bewegungen der Patientin zu vermeiden, die zu einem gesteigerten Risiko von Perforationen durch das Operationsinstrumentarium (v. a. des Uterus) führen könnten.
Bei fehlenden Kontraindikationen lassen sich die oben erwähnten meist kurzen Eingriffe problemlos in Larynxmaske oder Maskennarkose durchführen. Ein peripherer Venenzugang ist meist ausreichend. Als Narkoseform hat sich die totale intravenöse Anästhesie (TIVA) etabliert, d. h. die ausschließliche Verwendung injizierbarer Anästhetika. Der Hintergrund hierfür ist insbesondere die Reduktion der Inzidenz von PONV. Als Narkosemedikamente werden zumeist Propofol gewählt, als Opioid Alfentanil (kurze Halbwertzeit); auch gut titriertes Sufentanyl oder Fentanyl gelten als gleichwertig. In jedem Fall gilt es, bei vorhandener Indikation (erhöhtes PONV-Risiko, s. oben) eine PONV-Prophylaxe (s. oben) zu verabreichen, sowie ggf. eine postoperative Schmerztherapie zu beginnen.
Mittlere gynäkologische Eingriffe
Hierzu zählen Laparoskopien, Operationen des Beckenbodens (z. B. Inkontinenzoperationen), größere Exzisionen der Mamma sowie die brusterhaltende Operation beim Mammakarzinom
Alle Operationen unter laparoskopischen Bedingungen sollten, bedingt durch den gesteigerten intraabdominalen Druck, als Intubationsnarkosen durchgeführt werden. Eine Magensonde sollte entsprechend gelegt werden, um einerseits Magensäfte zu entleeren, andererseits vorhandene Luft aus der Beatmungsphase zu reduzieren. Bei Anlage einer Magensonde sollte eine ösophageale Temperatursonde eingeführt werden. Die Anlage eines Blasenkatheters wird empfohlen. Vaginale Eingriffe und Exzisionen der Mamma können unter Umständen auch in Larynxmaske operiert werden. In allen Fällen sollten zwei großvolumige periphere venöse Zugänge gelegt werden, um rasch auf mögliche Blutungen oder sonstige Volumenschwankungen reagieren zu können. Bei Operationen der Mamma mit beidseits angelegten Armen sollte mindestens ein Zugang zugänglich sein, vorteilhaft ist beispielsweise der Zugang über eine V. jugularis externa oder eine Verlängerung der Infusionsleitungen.
Bei voroperierten Patientinnen mit axillärer Lymphadenektomie sowie bei Patientinnen mit geplanter axillärer Lymphknotenentnahme ist die Anlage eines i. v.-Zugangs am ipsilateralen Arm obsolet (Cave: Lymphödem). Unter Umständen muss ein Zugang am Fuß gewählt werden.
Die Patientinnen sollten darüber hinaus nach Möglichkeit mit einem externen Wärmegerät oder anderen entsprechenden Maßnahmen über die Narkosedauer normotherm gehalten werden (s. Temperatursonde).
Als Narkoseverfahren wird neben der TIVA bei bestimmten physiologischen Konstellationen eine balancierte Narkose, also die Hinzunahme von Inhalationsanästhetika – nach Ausschluss von Kontraindikationen – gewählt.
Bei laparoskopischen Eingriffen ist ein Regionalanästhesieverfahren in der Regel nicht nötig, bei teillaparoskopischen Eingriffen oder größerer Mamma-Chirurgie kann eine zusätzlichePeriduralanästhesie in Abhängigkeit vom Analgesieniveau der Patientin durchaus nützlich sein. Manche Inkontinenzverfahren werden von den operierenden Gynäkologen gerne in Regionalanästhesie (z. B. Spinalanästhesie) durchgeführt, um die Patientinnen perioperativ zum Husten auffordern zu können (z. B. transvaginale Schlingenoperationen).
Laparoskopische Eingriffe sind mit verschiedenen hämodynamischen Auswirkungen vergesellschaftet: Abhängig vom intraabdominalen Gasdruck nimmt der venöse Rückstrom ab und der periphere und pulmonale Widerstand steigen an. Dies führt zu einem Absinken des Herzzeitvolumens. Eine Kopftieflage wirkt in diesem Fall begünstigend entgegen. Eine mäßige Volumengabe (ca. 500 ml kristalloide Lösung) vor Anlage des Pneumoperitoneums kann in der Regel eine ausgeprägte Hypotension vermeiden. Bei sonstigen Instabilitäten des Kreislaufs – auch bei sitzender Lagerung bei Mamma-Operationen – stellt ein Volumenersatz mit kristalloiden Lösungen, ggf. unter Hinzunahme von niedrig dosiertem Noradrenalin eine gut praktikable Gegenmaßnahme dar.
Größere gynäkologische Eingriffe
In diese Gruppe gehören onkologische Operationen mit Beteiligung mehrerer Organsysteme oder Lymphadenektomien, großflächige Vulvektomien, Mastektomien sowie komplexe plastisch-rekonstruktive Eingriffe.
Zu den großen Eingriffen der Gynäkologie zählt neben anderen zweifelsohne die Operation nach Wertheim-Meigs beim Zervixkarzinom (Laparotomie mit Hysterektomie, Resektion der Parametrien und des oberen Scheidendrittels, ausgedehnte Lymphknotenentfernung; Kap. „Zervixkarzinom: Therapie der Primärerkrankung“; Kap. „Operative Eingriffe: Uterus“) und die Operationen beim Ovarialkarzinom (Laparotomie mit Hysterektomie, Adnexektomie bds., pelvine und paraaortale Lymphonodektomie, Omentektomie, Deperitonealisierung, offenes Staging, ggf. mit viszeralchirurgischen Eingriffen, wie Darmteilresektionen, Appendektomie, Splenektomie Leberteilresektionen und ggf. Eröffnung des Zwerchfells; Kap. „Epitheliales Ovarialkarzinom: Diagnostik und Therapie der Primärerkrankung“; Kap. „Nicht-epitheliale maligne Ovarialtumoren: Diagnostik und Therapie“; Kap. „Operative Eingriffe: Adnexe“).
Neben den bisher beschriebenen Maßnahmen der Intubationsnarkose (s. oben) ist zudem ein invasives Monitoring in den meisten Fällen unerlässlich. Dieses beinhaltet neben der Anlage eines ZVK bei älteren und vorerkrankten Patientinnen auch die intraarterielle Blutdruckmessung. Liegt ein massiver Aszites vor (häufig beim Ovarialkarzinom) oder wird ein Subileus vermutet, ist eine Ileuseinleitung indiziert. Liegt ein massiver Aszites oder auch ein Pleuraerguss vor, kann dieser bereits präoperativ zu Einschränkungen der Lungenfunktion im Sinne einer restriktiven Ventilationsstörung führen. In diesen Fällen sollte eine prä- oder intraoperative Anlage einer Thoraxdrainage diskutiert werden.
Neben dem Bereithalten von Blutkonserven ist der Einsatz von Fremdblut sparenden Maßnahmen wie der präoperativen isovolämischen Hämodilution oder der Einsatz eines Cellsavers zu überlegen. Dies kann jedoch nur bei sicher benignen Eingriffen in Erwägung gezogen werden. Insbesondere bei fortgeschrittenen Erkrankungen ist der perioperative Volumenbedarf auch ohne Blutung bereits stark erhöht.
Neben einem präoperativen Volumenmangel prädisponiert die große Wundhöhle zu weiteren Flüssigkeitsverlusten. Neben kristalloiden Lösungen werden bei ungestörter Gerinnung und strenger Indikationsstellung auch kolloide Lösungen empfohlen (S3-Leitlinie Intravasale Volumentherapie bei Erwachsenen 2020). Beim Vorliegen einer plasmatischen Gerinnungsstörung müssen neben „fresh frozen plasma“ (FFP), ggf. auch Faktorenkonzentrate (PPSB, Faktor I) gegeben werden.
Ein weiterer Ansatz ist das Patient Blood Management, ein multidisziplinäres und patientenzentriertes Behandlungskonzept zum rationalen Einsatz von Blutprodukten (Meybohm et al. 2015).
Intraoperativ kann jederzeit eine erhebliche Blutung aus Karzinomgewebe oder bei Lymphonodektomien aus benachbarten, großen Gefäßen (Iliakalarterien, Aorta, V. cava) auftreten.
Bei Einverständnis der Patientin und fehlender Kontraindikation wird ein kombiniertes Narkoseverfahren (Allgemeinanästhesie und Periduralanästhesie) empfohlen. Die Anlage des Katheters erfolgt tiefthorakal im Bereich von Th9. Die Vorteile dieser Punktion gegenüber einer lumbalen Technik sind die Reduktion hämodynamischer Nebenwirkungen und eine Erleichterung der postoperativen Mobilisierung. Die Narkoseführung beinhaltet neben den Sedativa, Relaxanzien und Opiaten das gesamte Spektrum der kardiozirkulatorisch stabilisierenden Pharmaka. Routinemäßig sollte eine Antibiotikaprophylaxe nach dem klinischen Standard durchgeführt werden. Je nach Größe und erwarteter Komplikation des Eingriffs ist bereits präoperativ ein postoperatives Überwachungs- oder Intensivbett einzuplanen.
Größere rekonstruktive bzw. ästhetische Eingriffe an der Mamma beinhalten oben genannte Planung; aufgrund des jüngeren Alters der Patientinnen und eines meist geringeren Narkoserisikos kann jedoch auf invasives Monitoring oftmals verzichtet werden.
Neben der verbesserten Narkoseführung dient die thorakale Periduralanästhesie insbesondere der postoperativen Schmerztherapie. Der Einsatz sogenannter epiduraler patientenkontrollierter-Analgesiesysteme (PCEA) wird empfohlen. Dabei können die Patientinnen ihren Bedarf in einem kontrollierten Rahmen über eine elektrische Pumpe frei abrufen. Sollte ein epidurales Verfahren nicht möglich oder frustran sein, wird die Anlage einer systemischen (intravenösen) PCA empfohlen. Auch bei Mastektomien und entsprechenden Lappenplastiken ist die Wahl einer PDA aus schmerztherapeutischer Sicht dringend zu empfehlen, eine Reduktion chronischer postoperativer Schmerzen gilt klinisch als gesichert. Das Auftreten von weiteren Folgekomplikationen (Pneumonien, Thrombosen, etc.) wird ebenfalls verringert.
Postoperative anästhesiologische Visite
Mit der Verlegung aus dem Aufwachraum auf die Allgemeinstation endet in der Regel bei den meisten Patientinnen die anästhesiologische Betreuung, sofern der Klinikstandard keine weiteren Maßnahmen wie einen postoperativen anästhesiologischen Schmerzdienst vorsieht. Dennoch ist eine zusätzliche postoperative anästhesiologische Visite sinnvoll, v. a. unter den Aspekten des Erkennens anästhesiebedingter Nebenwirkungen im Sinne einer Qualitätssicherung. Hierbei besteht die Möglichkeit, die Ergebnisse des eigenen Handelns zu überprüfen, aber auch, der Patientin, dem Operateur oder dem Krankenpflegepersonal der Station im konkreten Fall beratend zu Verfügung zu stehen (Wilhelm 2012). Wurde eine perioperative Akupunktur mit Dauernadeln durchgeführt, ist eine postoperative Visite zur Entfernung der Nadeln zwingend.
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