Mammogenese und Laktogenese I
Die erste Phase des Laktationszyklus – die Mammogenese – beginnt mit dem Eintritt der Schwangerschaft.
Hohe Östrogenspiegel führen zu einem starken Wachstum der Brustdrüse sowie zu einer Proliferation der Drüsengänge. Dies wird von der Schwangeren bereits früh in der Schwangerschaft bemerkt. Zusätzlich führen die hohen Progesteronspiegel zu einer zunehmenden sekretorischen Differenzierung des Brustdrüsengewebes.
Auch die Prolaktinspiegel steigen im Verlauf der Schwangerschaft
stark an und erreichen ein Vielfaches der Normwerte außerhalb der Schwangerschaft.
Prolaktin unterstützt die sekretorische Differenzierung des Brustdrüsenepithels. Außerdem induziert Prolaktin über membranständige Rezeptoren der Brustepithelzellen die Milchbildung.
In der Mitte der Schwangerschaft beginnt die Laktogenese I.
Unter Prolaktineinfluss beginnt die Synthese von Muttermilchbestandteilen. Dies zeigt sich in einem Anstieg der
mRNA von z. B. Kasein, α-Laktalbumin sowie der Produktion von Laktose, die im maternalen
Urin nachgewiesen werden kann (Jones und Spencer
2007). Ab der 18. SSW kann es gelegentlich zum Austritt von
Kolostrum aus den Mamillen kommen. Allerdings werden die Prolaktinrezeptoren der Brustdrüse in der Schwangerschaft auch von
Progesteron und humanem Plazentalaktogen (HPL, „human placental lactogen“
) besetzt. Diese Hormone haben eine höhere
Affinität zum Prolaktinrezeptor als
Prolaktin selbst und besitzen eine antagonistische Wirkung. Auf diese Weise wird eine Produktion großer Milchmengen in der Schwangerschaft verhindert.
Laktogenese II
Diese Phase des Laktationszyklus beginnt mit der Geburt der Plazenta
und wird auch als Initiierung der reichlichen Milchbildung bezeichnet (Neville und McManaman
2003; Neville und Morton
2001).
Diese Phase ist entscheidend für den Stillerfolg, da die ersten Stillerfahrungen der Mutter und auch die endokrinen Abläufe den Grundstein für eine lange Stillbeziehung legen.
Durch die Geburt der Plazenta kommt es zu einer Abnahme der HPL-Konzentration. Die Prolaktinrezeptoren werden frei und
Prolaktin kann nun seine Wirkung am reifen Brustdrüsengewebe voll entfalten – die Milchproduktion setzt ein.
Die basalen Prolaktinspiegel sind weiterhin deutlich erhöht. Zusätzlich kommt es während des Saugens an der Brust zu Prolaktinspitzen. Die Prolaktinrezeptoren können ausreichend besetzt werden, ihr Abbau wird verhindert. Dies ist nicht nur für die Initiierung der Milchbildung optimal, sondern auch eine Voraussetzung für eine langfristige und ausreichende Milchproduktion. Dabei ist die Dauer des Saugens an der Brust von untergeordneter Bedeutung.
Die Häufigkeit des Saugens spielt eine größere Rolle, sodass Wöchnerinnen empfohlen wird, nicht nach einem strengen Zeitplan, sondern nach Bedarf des Kindes anzulegen, um eine optimale Stimulation der Brustdrüse zu erreichen.
Die Progesteronspiegel sinken etwas verzögert ab, sodass auch die progesteronbedingte Inhibition der Prolaktinwirkung innerhalb der ersten Tage post partum sukzessive abnimmt – es kommt zur „initialen Brustdrüsenschwellung“ bzw. zum „Milcheinschuss“. Zusätzlich verschließen sich die Tight Junctions zwischen den Epithelzellen der Brustdrüse. Dadurch verändert sich die Zusammensetzung der Muttermilch – aus
Kolostrum wird die reife Muttermilch. Wichtige endokrine Schlüsselfaktoren für den Verschluss der Tight Junctions sind
Progesteron,
Prolaktin und
Glukokortikoide (Nguyen et al.
2001). Die Initiierung der Milchbildung erfolgt also endokrin.
Es konnten verschiedene
Risikofaktoren für eine
gestörte Laktogenese II identifiziert werden. Hohes maternales Alter, niedrige Parität und seltene Stillmahlzeiten sind mit einer verzögerten Laktogenese II assoziiert. Auch vorbekannte
Adipositas und Zuckerstoffwechselstörungen – wie insbesondere der insulinpflichtige
Gestationsdiabetes – sind zusätzliche Faktoren, die die Laktogenese II negativ beeinflussen (Matias et al.
2014). So ist die Rate an ausschließlichem
Stillen bei Wöchnerinnen im Zustand nach Gestationsdiabetes niedriger als bei gesunden Wöchnerinnen (Haile et al.
2016).
Laktogenese III
Als Laktogenese III bezeichnet man die Phase der etablierten Milchbildung vor Einführung der Beikost.
Es wird so viel Muttermilch produziert, wie der Säugling benötigt, und die Produktion erfolgt ad hoc während der Stillmahlzeit. Der basale Prolaktinspiegel normalisiert sich zunehmend über Wochen. Die Geschwindigkeit dieser Normalisierung ist unter anderem von der Häufigkeit der Stillmahlzeiten abhängig (Wilde et al.
1995). Allerdings kommt es weiter zu Prolaktinspitzen während des Saugens an der Brust. Dies führt zur bedarfsgerechten Produktion der Muttermilch.
Die Aufrechterhaltung der Milchbildung und die Regulation der Milchmenge erfolgen über einen autokrinen Mechanismus der Brustdrüse selbst (Neville und McManaman
2003).
Schlüssel hierfür ist der sogenannte Feedback Inhibitor of Lactation
(FIL). Hierbei handelt es sich um ein Protein, das vom Brustdrüsenepithel in die Muttermilch sezerniert wird. Initial in Ziegenmilch identifiziert, konnte der FIL später in Kuhmilch und schließlich auch in menschlicher Muttermilch nachgewiesen werden (Prentice et al.
1989). Der FIL wirkt als lokaler Inhibitor der Milchproduktion. Seine Wirkung ist konzentrationsabhängig (Wilde et al.
1995). Es gibt Hinweise dafür, dass
Serotonin in Säugetieren einer der Wirkstoffe des Feedback Inhibitor of Lactation sein könnte (Collier et al.
2012).
Erfolgt eine nahezu vollständige Entleerung der weiblichen Brust während einer Stillmahlzeit, ist die Konzentration des FIL in den Alveolen niedrig. Bleiben größere Milchmengen bei unzureichender Entleerung der Brust zurück, steigt die FIL-Konzentration in den Alveolen an. FIL bindet an spezifische apikale Rezeptoren der Epithelzellen. Dies führt zu einer intrazellulären Signalkaskade, die eine Reduktion der Milchmenge zur Folge hat. Der genaue intrazelluläre Signalweg ist noch unklar. Eine Störung der Proteinproduktion wird jedoch vermutet (Rennison et al.
1993).
Abstillen
Das
Abstillen kann zu jedem Zeitpunkt in der Stillzeit medikamentös oder konservativ erfolgen. Beide Wege machen sich unterschiedliche endokrine Regulationsmechanismen zunutze.
Dopamin ist als Prolactin Inhibiting Factor bekannt. Dopamin-ähnliche Substanzen wirken im ZNS hemmend auf die Prolaktinproduktion und unterbrechen die Prolaktin-induzierte Milchbildung, allerdings unter Inkaufnahme möglicher zentralnervöser Nebenwirkungen wie Unruhe oder Stimmungsschwankungen.
Beim konservativen
Abstillen wird die Wirkung des Feedback Inhibitor of Lactation (FIL) ausgenutzt.
Das Anlegen wird reduziert, sodass die bereits produzierte Milch in den Alveolen zurückbleibt, was eine Erhöhung der Konzentration an FIL zur Folge hat. Über den autokrinen Regulationsmechanismus kommt es sekundär zu einer Reduktion der Milchbildung und zur Involution des Drüsengewebes. Zusätzlich entfallen die saugbedingte Prolaktinspitzen und damit der Stimulus für die weitere Milchproduktion.