Einleitung
Patienten mit intensivpflichtigen schweren Erkrankungen können durch fehlende Zufuhr von Nahrung viel früher als Gesunde an Folgen der Mangelernährung leiden. Ein verspäteter Beginn der Ernährungszufuhr kann zu einem Kaloriendefizit führen, und gerade die ersten Tage des Intensivaufenthaltes sind hierbei entscheidend. Die Folgen eines verzögerten Beginns der Ernährung können mehr sekundäre septische Episoden, ein erhöhter Bedarf an
Antibiotika, eine Verlängerung der Beatmungszeit und eine längere Liegezeit auf der Intensivstation sein. Dabei ist der Erhalt der Funktion des Magen- und Darmtraktes für die Barrierefunktion zur Verhinderung einer bakteriellen Translokation, der Funktion des lokalen Immunsystems und Zottenintegrität wichtig. Auf der anderen Seite kann eine hyperkalorische Ernährungstherapie ebenfalls zu einer Verlängerung der Beatmungszeit und einer erhöhten Rate an Infektionen führen.
Eine Ernährungstherapie steht als supportive Maßnahme in der Reihenfolge hinter anderen intensivmedizinischen Handlungen. Bevor mit der Ernährung begonnen werden kann, muss der Patient stabilisiert worden sein. Dazu zählen die Behandlung und Kompensation Schocks, die Initiierung einer Beatmungstherapie, einer antibiotischen Therapie und andere lebenserhaltende Schritte. Bei enteraler Ernährung stellen intestinale Probleme (Ischämie, Obstruktion,
Ileus) Kontraindikationen dar.
Grundprinzipien der Ernährung
Die Ernährung von Intensivpatienten sollte früh beginnen.
Patienten, die nicht innerhalb von 3 Tagen voll oral ernährt werden können, sollten eine supportive Ernährung erhalten. Dabei ist die enterale Ernährung der parenteralen vorzuziehen.
Ein Ziel des frühen Beginns der Ernährung ist die Vermeidung eines signifikanten Kaloriendefizits in der 1. Woche. Das Kaloriendefizit berechnet sich aus dem Kalorienbedarf des Patienten abzüglich der zugeführten Kalorienmenge. Der Energiebedarf des Patienten kann über die indirekte Kalorimetrie bestimmt werden. Allerdings besitzen nicht alle Intensivstationen eine solche Messeinheit. Eine Möglichkeit der Abschätzung besteht in der Berechnung des Grundumsatzes nach Harris und Benedikt.
Der Kalorienbedarf des Intensivpatienten ist keine fixe Größe, sondern folgt krankheitsbedingten Schwankungen. Nach einen Trauma oder einer großen Operation, bei Verbrennungen oder
Sepsis kann der Energiebedarf phasenweise ansteigen und um 30–90 % höher als der Grundumsatz liegen. Ein Abfall auf normale Werte kann sich über längere Zeit einstellen. Bei einer Zustandsverschlechterung oder einer infektiösen Komplikation kann der Energiebedarf sich rasch verändern und auf Werte nahe dem Grundumsatz abfallen. Die Energiezufuhr sollte dem Bedarf folgen und sich an die gastrointestinale und metabolische
Toleranz anpassen.
Enterale Ernährung
Enterale Ernährung nutzt den physiologischen Weg für die Ernährungstherapie. Sie erhält die Struktur und Funktion der Darmzotten und führt zu einer Verbesserung der lokalen Immunität des Darmes im Gegensatz zu einer reinen parenteralen Ernährung (Guedon et al.
1986). Das Konzept der frühen enteralen Ernährung wurde bei postoperativen Patienten nach gastrointestinaler Chirurgie evaluiert. Bei diesen Patienten wurde eine Verminderung von sekundären Infektionen nachgewiesen (Lewis et al.
2001). Frühe enterale Ernährung reduziert die Anzahl der infektiösen Komplikationen auch bei allgemeinen Intensivpatienten (Gramlich et al.
2004).
Genutzt werden meist voll bilanzierte Ernährungslösungen, deren Einsatz die Zufuhr aller notwendigen Komponenten der Ernährung sicherstellt (Tab.
1). Bei besonderen Indikationen können alternative Präparate eingesetzt werden. Bei einer akuten exokrinen Pankreasinsuffizienz, die bei Intensivpatienten nicht selten ist, oder bei Diarrhöen können Lösungen mit
Oligopeptiden verabreicht werden. Bei erhöhtem Kalorienbedarf können hochkalorische Lösungen benutzt werden.
Tab. 1
Ernährungslösungen zur enteralen Ernährung
| Kohlenhydrate | |
Lipide | Langkettige Triglyzeride aus Sojabohnen, mittelkettige Triglyzeride |
| Isoosmolar (<350 mosmol/l), bestimmt durch den Hydrolysegrad der Eiweiße und Kohlenhydrate |
Energiedichte | 1,0 kcal/ml |
Ballaststoffhaltig | |
| Bilanzierte Diäten enthalten den Tagesbedarf deckende Mengen an Vitaminen und Spurenelementen |
Lösungen mit erhöhtem Energiegehalt | Energiedichte | 1,5 oder 2,0 kcal/ml; Nutzung zur Reduktion des Einfuhrvolumens |
Oligopeptidlösungen | Eiweiß | Peptide; Nutzung bei Störungen der Pankreasfunktion und Malabsorption, Diarrhö
|
Immunmodulierende Lösungen | | |
Lipide | Erhöhter Gehalt an n-3-Fettsäuren und/oder γ-Linolensäure |
Vitamine und Spurenelemente
| Erhöhter Gehalt an Vitaminen, Antioxidanzien, Nukleotiden |
Gastrointestinale Toleranz
Der Beginn der Ernährungstherapie sollte mit nur geringen Mengen (10 ml/h) erfolgen. Der Aufbau der Ernährung wird anhand der gastrointestinalen
Toleranz gesteuert. Dabei wird das gastrale Residualvolumen bestimmt und auf Reflux geachtet. Bei geringem Residualvolumen wird die enterale Ernährung stufenweise bis zum Erreichen der gewünschten Flussrate gesteigert. Unter Nutzung etablierter Ernährungsprotokolle und bei selektierten Patienten werden inzwischen höhere Residualvolumen (bis 500 ml) toleriert (Montejo et al.
2010) oder sogar auf deren Messung verzichtet und mit der endgültigen Flussrate gestartet (Reignier et al.
2013).
Parenterale Ernährung
Parenterale Ernährung nutzt einen nicht primär physiologischen Weg für die Ernährung. Bei Patienten, bei denen prinzipiell enterale Ernährung möglich ist, hat parenterale Ernährung den Nachteil einer erhöhten Komplikationsrate wie Katheterkomplikationen und Infektionen im Vergleich zu enteraler Ernährung.
Intensivpatienten, die innerhalb von 3 Tagen bedarfsdeckend oral oder enteral ernährt werden können, sollten keine parenterale Ernährung erhalten.
Falls bereits eine weitgehend ausreichende enterale Ernährung durchgeführt werden kann, sollte keine zusätzliche parenterale Ernährung installiert werden. Die Indikation zur (supplementierenden oder vollen) parenteralen Ernährung sollte streng gestellt werden, da eine zu frühe Nutzung mit einer erhöhten Rate an Infektionen und einer Verlängerung der Beatmungszeit assoziiert war (Casaer et al.
2011). Nicht bei allen Intensivpatienten kann aber beispielsweise aufgrund von Kontraindikationen oder wegen Intoleranz eine ausreichende enterale Ernährung durchgeführt werden. Parenterale Ernährung sollte in diesen Fall als eine
additive Ernährungsmöglichkeit nach dem 3. Tag installiert werden, da hier ebenfalls eine Reduktion sekundärer Infektionen erzielt wurde.
Parenterale Ernährung muss im Gegensatz zu den voll bilanzierten enteralen Ernährungslösungen modular aufgebaut werden. Sie besteht aus den Komponenten
Tab. 2
Komponenten der parenteralen Ernährung
Kohlenhydrate | Glukose | Präparate mit unterschiedlichen Konzentrationen | 40–60 %, etwa 60 % der Nichtproteinenergie | 4 | 1,0 | 2–4 (−5) g/kg Kg/Tag |
Lipidemulsionen | 1) Sojabohnenölbasierte Lipidemulsionen (LCT) 3) Mischungen aus Olivenöl (OO) und LCT 4) Fischölbasierte Lipidemulsionen (FO) 5) Mischungen aus LCT/MCT/FO ±OO | 1) Enthalten erhöhten Anteil mehrfach ungesättigter n-6-Fettsäuren (PUFA) 2) Reduzierter Gehalt an n-6-PUFA, schnellere metabolische Verwertung der MCT 3) Reduktion der n-6-PUFA, erhöhter Gehalt an n-9-einfach ungesättigten Fettsäuren4) Erhöhter Gehalt an n-3-PUFA; Nutzung zusätzlich zu 1), 2) oder3) 5) Reduktion von n-6-PUFA, geringer Anteil von n-3-PUFA | 30–50 %, etwa 40 % der Nichtproteinenergie | 9 | 0,7 | 0,8–1,5 g/kg Kg/Tag |
Aminosäuren | Glutaminhaltige Lösungen | 2) Zusätzlich zu 1) während parenteraler Ernährung | 1) 15–20 % | 1) 4 | 1) 0,8 | 1) 1–2 g/kg Kg/Tag |
Vitamine | | Fertige Kombinationspräparate | | | | Einfacher Tagesbedarf |
Spurenelemente |
| Fertige Kombinationspräparate | | | | Einfacher Tagesbedarf |
Es besteht die Möglichkeit, einzelne Komponenten zu kombinieren oder Zweikammerbeutel (enthalten
Glukose und
Aminosäuren) bzw. Dreikammerbeutel (enthalten zusätzlich Lipidemulsionen) zu nutzen. Bei Nutzung von Beuteln müssen weniger Manipulationen am Infusionssystem erfolgen, es besteht eine geringere Gefahr von Nutzerfehlern und ein geringeres Infektionsrisiko.
Eine parenterale Ernährung sollte immer mit allen Komponenten (Kohlenhydrate,
Aminosäuren, Lipide,
Vitamine,
Spurenelemente) durchgeführt werden. Aufgrund von pathophysiologischen Überlegungen, experimentellen Studien und Daten aus klinischen Studien bei chirurgischen Patienten raten die europäischen und deutschen Leitlinien, keine reinen auf Sojabohnenöl basierenden Lipidemulsionen mehr zu verwenden (Kreymann et al.
2007; Singer et al.
2009). Hintergrund ist der hohe Anteil von mehrfach ungesättigten n-6-Fettsäuren dieser Lipidemulsionen, die direkt oder indirekt über von der Arachidonsäure abgeleitete Lipidmediatoren wie
Prostaglandine und Leukotriene negative Wirkungen auf das Immunsystem und die Vasoregulation entfalten können.
Die zur Verfügung stehenden Aminosäurepräparate enthalten aufgrund von Stabilitätsproblemen kein
Glutamin. Glutamin ist die am häufigsten vorkommende Aminosäure des Körpers und besitzt die höchste Konzentration von allen
Aminosäuren im
Plasma. In Gesunden ist sie nicht essenziell, da sie in ausreichender Menge vom Körper synthetisiert werden kann. Glutamin ist Kohlenstoff- und Stickstofflieferant für die Nukleotidsynthese und wird für die intrazelluläre Glutathionsynthese benutzt. Im Entzündungs- und Stressstoffwechsel kann Glutamin allerdings zu einer essenziellen Aminosäure beispielsweise für
Lymphozyten oder für Epithelzellen des Gastrointestinaltraktes werden. Lymphozyten und
Makrophagen benötigen für eine optimale Abwehrfunktion die exogene Zufuhr von Glutamin. Die Aufrechterhaltung der intestinalen Struktur und Barrierefunktion ist an eine ausreichende Verfügbarkeit von Glutamin gekoppelt.
Die Zufuhr von
Glutamin führte in der multizentrischen REDOX-Studie (Heyland et al.
2013) bei Intensivpatienten mit mehreren Organversagen zu einer tendenziell höheren Sterblichkeit. Eine parenterale Anwendung sollte nur noch bei stabilen Intensivpatienten erwogen werden, die keine enterale Ernährung erhalten. Die enterale Applikation zeigte außerdem Vorteile bei Verbrennungspatienten.
Integration in ein gemeinsames Konzept
Enterale und parenterale Ernährung stellen keine sich gegenseitig ausschließenden Therapien dar. Eine Etablierung von Ernährungsprotokollen und damit Strukturierung der Ernährungstherapie steigert deutlich die Anzahl enteral ernährbarer Patienten. Untersuchungen vor und nach Etablierung von Protokollen zeigen klar den Vorteil hinsichtlich Verkürzung von Beatmungszeiten, Verminderung von sekundären Infektionen und verminderter Sterblichkeit. Enterale und parenterale Ernährung sollten in ein gemeinsames Konzept integriert werden. Die enterale Ernährung ist dabei die primär auszuschöpfende Therapieform. Falls eine ausreichende Ernährung enteral nicht durchgeführt werden kann, sollte der fehlende Anteil durch parenterale Ernährung nach dem 3. Tag ergänzt werden.
Maßnahmen zur Optimierung der enteralen Ernährung
Ein häufiges Problem des Intensivpatienten stellen der mangelnde Transport und der Reflux dar. Sie können durch die intensivpflichtige Erkrankung per se ausgelöst werden, da das Versagen des Gastrointestinaltraktes eine Organdysfunktion im Rahmen des Multiorganversagens darstellen kann. Weiterhin können Störungen der Motorik durch Hypoperfusion und
Hypoxämie, chirurgische Eingriffe im Abdomen,
Sepsis und
SIRS, Veränderungen im Elektrolyt- und Säuren-Basen-Haushalt und Flüssigkeitsstatus des Patienten induziert werden. Auf der anderen Seite können Maßnahmen wie Analgosedierung mit Morphinderivaten und die Therapie mit Vasopressoren zu Störungen der Motilität führen (Tab.
3).
Tab. 3
Laxanzien und Prokinetika
Verhinderung einer Obstipation Abführen Morphininduzierte Obstipation | Bisacodyl | Supp., 10 mg Drg., 10 mg |
Natriumpicosulfat | Trpf., 7,5 mg |
Macrogol 3350 | 10–40 g/Tag |
Ggf. Opoidantagonistena
| p.o. als Lsg. (Naloxon), s.c. (Methylnaltrexon) |
Gastroparese | Erythromycin | 3×100 mg i.v. |
Metoclopramid | 3×10 mg i.v. |
Gastroparese und Störung der intestinalen Motilität | Erythromycin | 3×100 mg i.v. |
Metoclopramid plus | 10–30 mg + |
Neostigmin | 0,5–1,5 mg, i.v., in 1–2 h |
Bei Patienten kann eine frühe Nutzung von laxierenden Medikamenten helfen, eine Obstipation zu vermeiden. Als erste Option kann Bisacodyl in Betracht gezogen werden. Bei Störungen der gastralen Entleerung und Reflux können Erythromycin oder Metoclopramid zum Einsatz kommen. Hierbei wirkt Erythromycin prokinetisch durch Stimulation der Motilinrezeptoren. Metoclopramid wirkt wahrscheinlich über die Aktivierung des 5-HT4-Rezeptors auf die Peristaltik.
Erythromycin sollte nicht länger als 3 Tage angewendet werden, da der Effekt auf die Motilinrezeptoren zeitlich begrenzt ist und ein mangelnder Effekt möglicherweise ein Hinweis auf eine Störung der Signaltransduktion sein kann. Eine
Metaanalyse zweier randomisierter Studien an Intensivpatienten zeigte eine deutlich erhöhte Frequenz von Diarrhöen und eine assoziierte Verlängerung der Liegezeit bei Nutzung einer Kombination von Erythromycin und Metoclopramid über 7 Tage (Nguyen et al.
2008).
Als Möglichkeiten zur Steigerung der intestinalen Motilität können Erythromycin oder eine Kombination von Metoclopramid und Neostigmin verwendet werden. Neostigmin hemmt als indirektes Parasympathomimetikum die Acetylcholinesterase. Als wichtige Nebenwirkungen können Bradykardie und Bronchokonstriktion auftreten.
Sonden
Ernährungssonden werden zur Zufuhr von bilanzierten Diäten und Medikamenten genutzt. Es können perkutane und transnasale (seltener durch den Mund) Zugangswege genutzt werden. Die geplante oder erwartete Lagedauer wird für den Zugangsweg berücksichtigt. Bei einer langfristigen (>4 Wochen) Ernährung sollte ein perkutaner Zugang genutzt werden. Das distale Ende der Sonde kann gastral oder postpylorisch (duodenal bzw. jejunal) platziert werden. Die Sonde sollte so „tief wie nötig und so hoch wie möglich“ gelegt werden. Die Anlage einer gastralen Sonde erfolgt meistens „blind“ und erfordert eine Kontrolle mittels Luftinsufflation und Auskultation oder durch Röntgen.
Als mögliche Kontraindikationen gelten neben Frakturen im Nasen- und Gesichtsbereich und Obstruktionen im Ösophagus auch schwere Störungen der Blutgerinnung und Thrombopenien. Komplikationen der Sondenanlage sind Schleimhautläsionen, Intubation und ggf. Perforation der Lunge sowie Blutungen. Bei Veränderungen im Ösophagus wie Varizen oder Strikturen ist die Indikation streng abzuwägen und erfordert ggf. ein gemeinsames Vorgehen mit dem Gastroenterologen (Endoskopie). Die Gefahr von Aspirationen bei Beschicken der Sonde ist bei der gastralen Lage höher als bei postpylorischer Anlage.
Der
Goldstandard der Anlage einer postpylorischen Sonde ist die endoskopisch gestützte Prozedur. Alternativ kann die Sonde auch radiologisch gestützt eingebracht werden. Neben einfachen postpylorischen Sonden gibt es Mehrlumensonden, die neben einem distalen Lumen zur Ernährung ein proximales (gastrales) Lumen zur Entlastung bieten. Nasoenterische Sonden besitzen oft einen geringen Innendurchmesser und müssen dann mittels Ernährungspumpen beschickt werden.
Als weitere Alternative sind Sonden verfügbar, die durch ihre Konstruktion mittels Motilität des Magens und Darms das distale Ende selbsttätig in den postpylorischen Dünndarm befördern. Diese Sonden besitzen beispielsweise ein spiralförmiges Ende, ein mit Gewichten beschwertes Ende oder weiche Widerborsten, die den postpylorischen Transport ermöglichen sollen. In einer kleinen Studie an Intensivpatienten, bei denen trotz pharmakologischer Motilitätssteigerung keine ausreichende enterale Ernährung möglich war, war die „blinde“ Anlage einer Sonde mit Widerborsten der endoskopisch gestützten Anlage unterlegen (Holzinger et al.
2009).
Perkutane Sonden
Eine perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) ermöglicht enteral eine langfristige Ernährung des Patienten. Sie wird endoskopisch gestützt angelegt. Zunächst wird mittels Diaphanoskopie ein möglicher Punktionsort ermittelt. Nach erfolgter transkutaner Punktion wird ein Faden nach oral gezogen und eine Sonde daran befestigt. Diese Sonde wird mittels des Fadens in den Magen und durch die Haut gezogen.
Intraoperativ oder in ähnlicher Technik wie eine PEG kann auch eine Jejunostomie anlegt (PEJ) werden. Eine weitere Möglichkeit, eine postpylorische Ernährung zu ermöglichen, besteht in der Wandlung einer bestehenden PEG. Mittels einer Verlängerung („jejunal extension tube“; JET) kann durch eine PEG endoskopisch oder radiologisch gestützt das distale Ende der Sonde in das Jejunum eingebracht werden (JET-PEG).
Nutzung von Sonden zur Applikation von Medikamenten
Die Applikation von Medikamenten über Sonden beim Intensivpatienten ist ein Teil der täglichen Routine. Allerdings müssen Tabletten, bevor sie über die Sonde gegeben werden können, entweder aufgelöst oder gemörsert werden. Nur wenige Medikamente besitzen eine explizite Zulassung für dieses Verfahren, trotzdem können viele Medikamente genutzt werden. In Betracht gezogen werden muss, dass beispielsweise retardierte Darreichungsformen eine veränderte Kinetik erlangen können. Erwogen werden muss ebenfalls, dass Medikamente durch Kontakt mit Magensäure oder Lichtexposition möglicherweise an Wirksamkeit einbüßen. Bei postpylorischer Lage des distalen Endes werden Medikamente nicht durch die Magensäure aktiviert oder können bei hoher
Osmolarität zu Diarrhö führen. In jedem Fall sollte geprüft werden, ob eine andere Zubereitung des Medikamentes wie Tropfen, Saft oder transdermale Pflaster verfügbar ist.
Bei Applikation sollte vor und nach dem Medikament die Sonde mit Wasser gespült werden, damit keine Interaktionen zwischen Ernährungslösung und Pharmaka die Stabilität und Wirksamkeit verändert und die Sonde nicht verstopft.
Metabolische Kontrolle und Toleranz
Blutzucker
Hyperglykämie
n sind ein häufiges Phänomen bei Intensivpatienten. Dabei ist noch nicht endgültig geklärt, ob dies ein adaptives Phänomen oder eine Umstellung des Stoffwechsels aufgrund der schweren Erkrankung oder Infektion darstellt. Interessanterweise gibt es Hinweise, dass die Oxidation von Kohlenhydraten in der schweren
Sepsis vermindert sein kann (Stoner et al.
1983). Zusätzlich kann es durch proinflammatorische
Zytokine wie Tumor-Nekrose-Faktor α und Endotoxin direkt oder Phosphatidylinsitol(PI)-3-Kinase-Proteinkinase B vermittelt über das Insulinrezeptorsubstrat- (IRS-) 1 zu einer Verminderung der insulinabhängigen Glukoseaufnahme in die Zelle kommen. Der mögliche Nutzen einer „Umverteilung“ der Glukoseaufnahme besteht in der Bevorzugung der insulinunabhängigen Aufnahme von
Glukose in Gehirn und Herz. Als ein Hintergrund der Insulinresistenz
kann in Betracht gezogen werden, dass Glukose bei einer schweren Erkrankung ohne Ernährungstherapie ein knappes Substrat darstellt. Eine Hyperglykämie aufgrund der Insulinresistenz wäre in diesem Fall eine adaptive Antwort des Körpers auf ein schweres Trauma oder eine Infektion.
In einer bahnbrechenden Arbeit konnten van den Berghe et al. (
2001) den Nutzen einer intensivierten Insulintherapie mit einem Zielblutzucker von 80–110 mg/dl bei Intensivpatienten zeigen. In ihrer monozentrischen Studie an zumeist kardiochirurgischen Patienten belegten sie einen Vorteil hinsichtlich Überleben, konnten aber auch beispielsweise eine Verminderung sekundärer Infektionen,
Nierenersatzverfahren und
Critical-illness-Polyneuropathie zeigen. Nachfolgende Studien erbrachten widersprüchliche Ergebnisse, bis zuletzt die NICE-SUGAR-Studie multizentrisch in Australien, Neuseeland und Nordamerika an über 6000 allgemeinen Intensivpatienten durchgeführt wurde (Finfer et al.
2009). In der Studie wurde der Unterschied zwischen einer konventionellen Blutzuckerkontrolle mit einen Ziel von ≤180 mg/dl und einer intensivierten Insulintherapie mit einem Zielkorridor zwischen 81 und 108 mg/dl untersucht. Nach 90 Tagen waren in der Gruppe mit intensivierter Insulintherapie signifikant mehr Patienten gestorben. Zusätzlich traten in dieser Gruppe mehr schwere
Hypoglykämien auf.
Auch in der VISEP-Studie waren in septischen Patienten deutlich mehr
Hypoglykämien in der Gruppe mit intensivierter Insulintherapie zu verzeichnen. Interessanterweise haben auch viele Patienten in der Kontrollgruppe der NICE-SUGAR Studie
Insulin erhalten, die Zufuhr wurde allerdings bei Unterschreiten einer Schwelle von 144 mg/dl gestoppt.
Unklar ist auch die Interaktion mit der Ernährungstherapie. Während van den Berghe den Patienten
Glukose intravenös infundierten, erhielten die Patienten der NICE-SUGAR-Studie zumeist eine enterale Glukosezufuhr.
Triglyzeride
Neben dem Blutzuckerspiegel können unter Ernährungstherapie auch die
Triglyzeride ansteigen. Hier sollte ein durch die Ernährung induzierter Anstieg von einer vorbestehenden Fettstoffwechselstörung abgegrenzt werden. Möglichkeiten zur Verminderung der Triglyzeride sind neben einer Verminderung der Zufuhr von Lipiden eine Nutzung von Präparaten, die mittelkettige Triglyzeride (MCT) enthalten und schneller aufgenommen und metabolisiert werden. Falls eine parenterale Ernährung mit Lipidemulsionen durchgeführt wird, kann durch Verteilung der Lipidmenge über einen längeren Zeitraum eine Reduktion der Triglyzeride erreicht werden. Auch bei parenteraler Ernährung kann versucht werden, ob neben einer Reduktion der Zufuhr der Einsatz MCT-haltiger oder fischölhaltiger Präparate zu niedrigeren Triglyzeridkonzentrationen führt.
Laborkontrollen in der Ernährungstherapie
Neben dem Blutzucker und den
Triglyzeriden sollten auch weitere Laborparameter regelmäßig bestimmt werden (Tab.
4).
Tab. 4
Laborparameter in der Ernährungstherapie
Metabolische Kontrolle | Blutzucker Triglyzeride | Triglyzeride ≤400 mg/dl |
Elektrolyte+Laktat | Kalzium | |
Leber-, Galle- und Pankreas-Parameter | Transaminasen γ-GT Alkalische Phosphatase Lipase | |
Ernährung | Cholinesterase | Parameter des Ernährungsstatus |
Die Kontrolle der Leber-, Cholestase- und Pankreasparameter ist nicht spezifisch für die Ernährungstherapie, ermöglicht aber, Störungen in dem Verdauungssystem zu erfassen und darauf mit der Ernährungstherapie zu reagieren. Als Parameter für die Wirksamkeit der Ernährungstherapie ist international und in Studien v. a.
Präalbumin
etabliert. Benutzt werden allerdings auch
Albumin und die Cholinesterase. Es muss beachtet werden, dass Albumin auch durch eine schwere Erkrankung vermindert sein kann („negatives Akutphasenprotein“). Präalbumin ist aufwendiger zu messen und wird nicht in allen Routinelabors vorgehalten. Die Cholinesterase reagiert als Parameter der Synthesefunktion der Leber rasch auf eine mangelnde Zufuhr von Ernährung und kann ebenfalls als Surrogat benutzt werden.
Re-Feeding-Syndrom
Das Re-Feeding-Syndrom wird durch den Beginn einer enteralen oder parenteralen Ernährung bei chronisch unterernährten Patienten ausgelöst. Es umfasst
-
Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolythaushaltes,
-
metabolische Entgleisungen,
-
intestinale Störungen,
-
neurologische Störungen,
-
kardiorespiratorische Störungen.
Das Syndrom kann bei mangelnder Ernährung beispielsweise bei Tumorpatienten, Patienten mit Alkoholabusus, bei
Anorexia nervosa, aber auch nach Hungerstreiks und anderen nicht medizinischen Ursachen (Vermisste ohne Nahrung, Verschüttete) auftreten.
Das Re-Feeding-Syndrom kann sich klinisch durch eine Vielzahl von Symptomen manifestieren und praktisch jedes Organsystem beeinflussen. Neurologisch können Krämpfe, Enzephalopathie und Lähmungen auftreten. Eine
respiratorische Insuffizienz kann sich entwickeln, kardial können Arrhythmien, EKG-Veränderungen und eine
Kardiomyopathie auftreten. Auch Rhabdomyolysen und Muskellähmungen sind beschrieben worden. Störungen der Nierenfunktion und der Funktion der
Leukozyten,
Erythrozyten und Plättchen können auftreten.
Durch die anabolen Veränderungen nach Zufuhr von Ernährung bei unterernährten Patienten kann ein Mangel an
Elektrolyten entstehen. Laborparameter des Re-Feeding-Syndroms sind Verminderungen der Phosphat-, Kalium-, Magnesiumkonzentration und Hyperglykämien. Auch eine Flüssigkeitsretention kann sich einstellen. Ein wichtiger Parameter ist die
Hypophosphatämie, da
Phosphat als integraler Baustein des ATP essenziell für die Energieversorgung der Zellen ist. Ebenso ist Phosphat in zelluläre Signaltransduktionsvorgänge (cAMP, cGMP) eingebunden und Bestandteil von Phosphoproteinen,
Phospholipiden, RNS und
DNS.
Ein Mangel an
Phosphat zieht massive Störung zellulärer Funktionen und damit der Funktion der Organe nach sich. Die Hypokaliämie kann zu Muskelschwäche,
Herzrhythmusstörungen und EKG-Veränderungen führen. Bei Kaliumkonzentrationen <2,5 mmol/l kann eine Rhabdomyolyse einsetzen. Mangel an
Magnesium löst neurologische Symptome (u. a. Hyperreflexie, Tetanie), Störungen der Muskelfunktion und kardiorespiratorische Insuffizienz aus. Bei Patienten mit Alkoholabusus kann noch ein Thiaminmangel bestehen, der sich in einer
Wernicke-Enzephalopathie, einer
Kardiomyopathie und Laktatazidose äußert.
Um das Re-Feeding-Syndrom zu vermeiden, sollte bei prädisponierten Patienten mit einer Korrektur der
Elektrolytstörungen vor dem Start der Ernährung begonnen werden. Gegebenenfalls sollten
Vitamine (Thiamin) und
Spurenelemente substituiert werden. Die Ernährung sollte hypokalorisch begonnen und dann langsam gesteigert werden. In schweren Fällen oder bei Patienten mit hohem Risiko können trotz einer nur sehr geringen Kalorienmenge von 5 kcal/kg Kg/Tag schwere Elektrolytentgleisungen auftreten.
Ernährung septischer Patienten
Auch septische Patienten sollten primär enteral ernährt werden, retrospektive Daten aus einer Prävalenzstudie des SepNet stützen diese Empfehlung (Elke et al.
2008). Die Kontrolle des Blutzuckerspiegels und die Abschätzung des Kalorienbedarfs sind bei septischen Patienten schwierig, da durch Schwankungen des Schweregrads der Erkrankung schnell Änderungen des Stoffwechsels ausgelöst werden können. Nachdem die VISEP-Studie des SepNet (Brunkhorst et al.
2008) wegen schwerer
Hypoglykämien in der Studiengruppe mit dem Therapieziel des Blutzuckerwertes von 80–110 mg/dl abgebrochen werden musste, wird inzwischen ein Ziel von <180 mg/dl angestrebt. Die Insulinresistenz in der
Sepsis beruht wahrscheinlich z. T. auf einer Störung in der Signaltransduktion der insulinabhängigen Glukoseaufnahme in die Zelle. Sie ist Teil einer Umstellung des Metabolismus von der Oxidation der
Glukose zu der Nutzung von Lipiden. Die Nutzung von reinen LCT-basierten Lipidemulsionen für die parenterale Ernährung wird in septischen Patienten allerdings nicht empfohlen, da sie zu einer gesteigerten Bereitstellung von Präkursorfettsäuren für Lipidmediatoren führen können.
Der Einfluss immunmodulierender enteraler Ernährung ist bei septischen Patienten untersucht worden. Bei Patienten mit niedrigem Schweregrad – gemessen mittels
APACHE-Score – wurde eine Verbesserung des Überlebens durch Lösungen mit n-3-Fettsäuren und
Arginin gefunden. Für Patienten mit schwerer
Sepsis und septischen Schock konnte dieser Vorteil nicht bestätigt werden. Während internationale Leitlinien die Nutzung von enteraler immunmodulierender Ernährung bei Patienten mit leichter Sepsis mit empfehlen (McClave et al.
2009), raten die Leitlinien des deutschen SepNet nicht zu einer Nutzung der argininhaltigen Ernährung, da a priori nicht der Schweregrad einer Sepsis vorhergesagt werden kann (Arbeitsversion, revidierte Leitlinie „Prävention, Diagnose und Therapie der Sepsis“, Deutsche Sepsis-Gesellschaft 2009).
Ernährung von Patienten mit akutem Lungenversagen
Das akute Lungenversagen ist pathophysiologisch durch eine pathologische Permeabilität der endothelial-alveolären Schranke gekennzeichnet. Gleichzeitig kommt es zum Sequestrieren von aktivierten
Leukozyten in der kapillären Strombahn mit konsekutiver Invasion in den Alveolarraum. Die physiologische Anpassung der Perfusion und Ventilation („matching“) ist erheblich gestört. Die beschriebenen Vorgänge werden auch durch aus der Arachidonsäure abgeleitete Lipidmediatoren reguliert. Eine Beeinflussung der Störungen ist experimentell durch n-3-Fettsäuren, die zu weniger aktiven Lipidmediatoren führen, beschrieben.
Eine enterale Immunonutrition mit n-3-Fettsäuren, γ-Linolensäure und Antioxidanzien konnte in mehreren multi- und monozentrischen Studien zu einer Verbesserung des pO
2/F
iO
2-Verhältnisses, einer Verminderung von Organversagen und zu einer Verkürzung der Beatmungszeit führen. Eine
Metaanalyse zeigte sogar eine hochsignifikante Verbesserung der Sterblichkeit (Marik und Zaloga
2008). Eine multizentrische Studie des amerikanischen ARDS-Netzwerkes, die die aktiven Bestandteile dieser Ernährung als Bolus verabreichte, wurde vorzeitig beendet, weil in einer Zwischenanalyse kein Vorteil gefunden werden konnte (Rice et al.
2011). Aufgrund der Unterschiede in dem Design der Studien (u. a. kontinuierliche vs. Bolusapplikation und unterschiedliche Kontrolllösungen) ist eine Integration der noch nicht publizierten Ergebnisse nicht einfach möglich, eine generelle Anwendung der Immunnutrition kann derzeit nicht empfohlen werden.
Für die parenterale Ernährung konnte gezeigt werden, dass bei der Zufuhr von Lipidemulsionen eine zu schnelle Infusion und damit Überlastung der Clearing-Funktion bei Patienten mit akutem Lungenversagen eine Störung der Anpassung von Ventilation und Perfusion der Lunge auslösen und das pO
2/F
iO
2-Verhältnis verschlechtern kann (Suchner et al.
2001).
Weiterhin konnten sogar nach zu schneller Infusion Lipidpartikel in dem Alveolarraum gefunden werden, die eine inflammatorische Reaktion auslösten (Lekka et al.
2004).
Die Lipidemulsion sollte deshalb langsam (mindestens über 12 h) infundiert werden.
Im Vergleich zu LCT-basierten Lipidemulsionen konnten in kleineren Studien an Patienten mit
Sepsis oder
Pankreatitis Vorteile hinsichtlich des pO
2/F
iO
2-Verhältnisses für Lipidemulsionen mit reduziertem Anteil von n-6-Fettsäuren und Fischöl gefunden werden (Huschak et al.
2005; Barbosa et al.
2010).
Auch für Patienten mit akutem Lungenversagen wird deshalb nicht mehr zur Nutzung von reinen LCT-basierten Lipidemulsionen für die parenterale Ernährung geraten.
Ernährung von Patienten mit Nierenversagen
Eine Einschränkung der Nierenfunktion führt zu einer Reduktion der Ausscheidung harnpflichtiger Substanzen, Wasser und
Elektrolyten sowie zu endokrinen Störungen. Eine metabolische Azidose, Anstieg von
Kalium,
Phosphat und
Magnesium können nachgewiesen werden. Im chronischen Fall können noch eine verminderte Aktivierung von
Vitamin D3 und konsekutiv ein sekundärer Hyperparathyreoidismus auftreten. Durch den Beginn der
Nierenersatztherapie werden die harnpflichtigen Substanzen eliminiert und die
Elektrolytstörungen korrigiert. Es kommt aber auch zu einem erhöhten Verlust von
Aminosäuren, wasserlöslichen
Vitaminen,
Spurenelementen und L-Carnitin. Je nach Dialysemethode wird dem Patienten Zitrat,
Laktat,
Glukose oder Bikarbonat zugeführt (Tab.
5).
ANV vor Nierenersatztherapie | Kohlenhydrate | 3–5 g/kg Kg/Tag (bis 7 g/kg Kg/Tag) |
Lipide | 0,8–1,2 g/kg Kg/Tag (bis 1,5 g/kg Kg/Tag) |
Protein | 0,6–0,8 g/kg Kg/Tag (bis 1,0 g/kg Kg/Tag) |
Energie | 20–25 kcal/kg Kg/Tag (bis 30 kcal/kg Kg/Tag, bedarfsadaptiert) |
Vitamine + Spurenelemente | Der Tagesbedarf wird bei enteraler Ernährung durch die volladaptierten Lösungen gedeckt. |
ANV unter Nierenersatztherapie | Protein | 1,0–1,2 g/kg Kg/Tag (bis 1,5 g/kg KG/Tag) |
Vitamine+Spurenelemente | Erhöhter Bedarf (ca. 1,5–2,5-fach) an wasserlöslichen Vitaminen und Spurenelementen. |
CNV vor Nierenersatztherapie | | Wie ANV vor Nierenersatztherapie |
Energiebedarf | 20–25 kcal/kg Kg/Tag (bis 35 kcal/kg Kg/Tag, bedarfsadaptiert) |
CNV unter Nierenersatztherapie | | Wie ANV vor Nierenersatztherapie |
Energiebedarf | 20–25 kcal/kg Kg/Tag (bis 35 kcal/kg Kg/Tag, bedarfsadaptiert) |
Generell sollten auch Patienten mit
Nierenversagen möglichst enteral ernährt werden. Im akuten Nierenversagen vor dem Start einer
Nierenersatztherapie sollte bei erhöhten Retentionsparametern und Anstieg der
Elektrolyte eine elektrolytreduzierte, eiweißreduzierte, nierenadaptierte hochkalorische (1,5–2,0 kcal/ml) Ernährung angewendet werden. Nach Beginn der Nierenersatztherapie ist eine nierenadaptierte und elektrolytreduzierte, eiweißreiche und hochkalorische Ernährung besser geeignet. Berücksichtigung finden sollte ebenfalls die Auswaschung von wasserlöslichen
Vitaminen durch den Einsatz der Nierenersatztherapie.
Ernährung in Patienten mit Leberversagen.
Durch das Leberversagen
per se und Folgeerkrankungen wie
portale Hypertension werden Störungen des Stoffwechsels und des Kreislaufs ausgelöst. Typische Folgen umfassen Ösophagusvarizen,
Aszites mit spontan bakterieller
Peritonitis, die
hepatische Enzephalopathie, Hypoalbuminämie und Störungen des Triglyzerid-, Glukose- und Aminosäurenmetabolismus.
Bei kompensierter Leberinsuffizienz sollte möglichst eine enterale Ernährung erfolgen. Die Anlage einer gastralen Sonde ist auch bei Ösophagusvarizen nicht absolut kontraindiziert, sollte allerdings nach Kenntnis des Schweregrades und Rücksprache mit einem Gastroenterologen erfolgen. Die Anlage einer PEG sollte bei
Aszites vermieden werden. Die empfohlene Energiezufuhr (30, ggf. bis 40 kcal/kg Kg/Tag) und Proteinzufuhr (1,2–1,5 g/kg Kg/Tag) muss an den Bedarf des Patienten angepasst werden.
Wegen der Störung wichtiger metabolischer Wege in der Leber sollten engmaschige Kontrollen von Blutzucker,
Laktat, Ammoniak und
Triglyzeriden erfolgen. Bei
hepatischer Enzephalopathie oder erhöhtem Ammoniak sollte die Ernährung auf Produkte mit höherem Anteil verzweigtkettiger
Aminosäuren (Leuzin, Isoleuzin,
Valin) und einem geringen Anteil von
Methionin umgestellt werden. Als weitere Unterstützung kann Ornithinaspartat gegeben werden.
Patienten mit
fulminantem Leberversagen sollten ebenfalls möglichst enteral ernährt werden, auch mittels nasoduodenaler Sonde. Es besteht eine hohe Gefahr von
Hypoglykämien, der mit einer ausreichenden Zufuhr von Kohlenhydraten, ggf. auch mittels Infusion von
Glukose, begegnet werden sollte.
Ernährung nach großen Operationen
Die Ernährung chirurgischer Patienten beginnt bei elektiven Patienten bereits vor Aufnahme auf der Intensivstation und muss in ein interdisziplinäres Konzept eingebettet werden. Der Patient sollte bereits präoperativ mittels standardisierter Tools auf Hinweise für Unterernährung untersucht werden. Gegebenenfalls sollte eine supplementierende enterale oder parenterale Ernährung installiert werden. Bei Patienten mit elektiver Tumorchirurgie des Halses (Laryngektomie, Pharyngektomie) oder des Abdomens (Ösophagektomie, Gastrektomie, Pankreatoduodenektomie) sollte die Instillation einer perioperativen Ernährung mit einer immunmodulierenden Lösung mit
Arginin, n-3-Fettsäuren und Nukleotiden erwogen werden.
In die Planung der Operation, beispielsweise bei abdominellen Eingriffen, sollte die Möglichkeit einer intraoperativen Anlage einer Jejunostomie oder einer Sondenanlage, deren Ende distal der Anastomose liegt, einfließen.
Durch Trauma oder einen chirurgischen Eingriff können Veränderungen des Stoffwechsels ausgelöst werden. In der primären Phase wird durch
Katecholamine der Kreislauf stabilisiert. Kortison und
Glukagon führen zu einer Glukoneogenese und Freisetzung von
Glukose zur Versorgung glukoseabhängiger Organe. Eine Insulinresistenz verhindert die Aufnahme von Glukose in insulinabhängigen Geweben und führt zu einer präferenziellen Nutzung in insulinunabhängigen Organen wie dem Gehirn. Durch Lipolyse werden freie
Fettsäuren als Energielieferanten zur Verfügung gestellt. Es folgt eine katabole Postaggressionsphase, in der zusätzlich zu der Lipolyse endogenes Eiweiß abgebaut wird, um nach Aufbrauchen der Glykogenspeicher Glukose zur Verfügung stellen zu können. Es schließt sich eine anabole Reparationsphase an, in der Gewebe und Strukturen wieder aufgebaut und repariert werden.
Eine orale oder enterale Ernährung nach chirurgischen Eingriffen sollte früh begonnen werden. In die Entscheidung für den Beginn und die Steigerung der Ernährung sollten die individuelle
Toleranz und die Art des operativen Eingriffs einfließen. Kontraindikationen für den Beginn einer oralen oder enteralen Ernährung sind
Ileus, intestinale Obstruktionen oder Ischämien und Schock.
Eine Ernährung über Sonde sollte bei Patienten begonnen werden, die nicht oral ernährt werden können. Betroffene Gruppen sind Patienten nach Eingriffen im Kopf-Hals-Bereich und nach gastrointestinaler Tumorchirugie. Ebenfalls sollten Patienten mit deutlicher Unterernährung und mit erwarteter inadäquater oraler Nahrungszufuhr über mehr als 10 Tage über Sonde ernährt werden. Der Beginn kann dabei innerhalb der ersten 24 h nach dem Eingriff mit kleinen Volumen (10 bis maximal 20 ml/h) erfolgen. Der Nahrungsaufbau bis zum Ernährungsziel kann 5–7 Tage dauern, ohne dass dies als negativ angesehen wird.