Skip to main content
Die Intensivmedizin
Info
Publiziert am: 14.07.2023

Ernährung der Intensivpatient*in

Verfasst von: Wolfgang H. Hartl
Die medizinische Ernährungstherapie (MET) des kritisch Kranken orientiert sich grundsätzlich an den Phasen der „kritischen“ Erkrankung und solle unter Verwendung eines Protokolls erfolgen. Zur Optimierung der MET ist die Einschätzung des Ernährungszustandes bei Aufnahme auf die Intensivstation erforderlich. Eine MET ist dann indiziert, wenn keine bedarfsdeckende orale Ernährung innerhalb der Akutphase der kritischen Erkrankung absehbar ist.
In der Praxis werden zunächst die ernährungstherapeutischen Ziele (Kalorien- und Proteinzufuhr) festgelegt. In einem zweiten Schritt erfolgt anhand der metabolischen Toleranz (Insulinbedarf, Phosphat-Konzentration) die individualisierte, täglich durchzuführende Festlegung der tatsächlichen Höhe der Kalorien- und Proteinzufuhr. Besonderheiten unter mechanischer Nierenersatztherapie und bei intestinalen Verlusten sind zu beachten. In allen Krankheitsphasen ist der orale Zugangsweg zu bevorzugen. Bei nicht-zielgerechter oraler Ernährung sollte in allen Krankheitsphasen aus ökonomischen Gründen bevorzugt eine enterale Ernährung eingesetzt werden. Eine (ggfs. supplementäre bzw. exklusive) parenterale Ernährung kommt nur zum Einsatz, wenn das Kalorien- und Proteinziel über die enterale Ernährung nicht oder nur unzureichend erreicht wird. Die Zusammensetzung der enteralen und parenteralen Nährlösungen bzw. deren spezifische Indikation orientierten sich an den Krankheitsphasen, der klinischen Situation und dem Ausmaß der Organdysfunktion.
Vitamine und Spurenelemente sollten dann substituiert werden, wenn mit enteraler Ernährung das kalorische Ziel nicht erreicht werden kann, bzw. wenn eine supplementäre parenterale Ernährung notwendig ist, um entsprechend der Krankheitsphase und der individuellen metabolischen Toleranz das gewünschte Kalorien- und Proteinziel zu erreichen. Unter exklusiver parenteraler Ernährung besteht immer eine Indikation zur Substitution von Mikronährstoffen.
Unter MET ist zur Bestimmung der metabolischen Toleranz, und angepasst an das Ausmaß der Substratverwertungsstörung, eine regelmäßige Kontrolle der Blutzuckerkonzentration erforderlich. Die Einstellung der optimalen Blutzuckerkonzentration (110 mg/dL (6,1 mmol/L) – 200 mg/dL (11 mmol/L)) erfolgt mittels Bolus-/Dauerinfusion von Insulin.
Unter enteraler Ernährung sind zusätzlich eine engmaschige Überwachung im Hinblick auf die gastrointestinale Toleranz, und die sorgfältige Berücksichtigung von Kontraindikationen unerlässlich.
Die Therapie paralytischer intestinaler Funktionsstörungen hängt von der anatomischen Lokalisation der Funktionsstörung ab, und beinhaltet medikamentöse, mechanische und endoskopische Optionen. Bei resorptiven intestinalen Funktionsstörungen orientiert sich die spezifische Therapie an der individuellen Pathophysiologie.
Besonderheiten der MET sind bei adipösen kritisch kranken Patient*innen, kritisch kranken Patient*innen nach bariatrischen Operationen, und bei extrakorporaler Unterstützung der kardialen und/oder pulmonalen Funktion mit mechanischen Herzunterstützungssystemen zu beachten

Einleitung

Stadien-abhängige Ernährungstherapie (Elke et al. 2018)

Grundsätzlich sollte die medizinische Ernährungstherapie (MET) des kritisch Kranken an die Phasen der „kritischen“ Erkrankung angepasst werden. Die Systemveränderungen, die regelhaft nach einer Homöostasestörung zu beobachten sind und die mit der MET interagieren, hängen ganz wesentlich von der Zeit ab, die seit dem Auftreten der Homöostasestörung vergangen ist (Abb. 1). Die verschiedenen Phasen der „kritischen“ Erkrankung können zusätzlich nach klinischen Kriterien charakterisiert werden (Tab. 1).
Tab. 1
Definition der Erkrankungsphasen im Verlauf einer kritischen Erkrankung. (Nach Elke et al. 2018)
Erkrankungsphase
Organdysfunktion
Inflammation
Metabolischer Zustand
Ungefähre Dauer/Zeit-raum (Tage)
Akutphase
    
Frühe Akutphase
Schwere oder zunehmende (Mehr-) Organdysfunktion
Progrediente Inflammation
Katabol
1–3
Späte Akutphase
Stabile oder sich bessernde Organdysfunktion
Regrediente Inflammation
Katabol-anabol
2–4
Postakutphase
    
Rekonvaleszenz/
Rehabilitation
Weitgehend wiederhergestellte Organfunktion
Resolution der Inflammation
Anabol
> 7
Chronische Phase
Persistierende Organdysfunktion
Persistierende Immunsuppression
Katabol
> 7
Durch einen sog. „second hit“ (erneute Homöostasestörung) ist ein Rückschritt von der Postakut- in die Akutphase jederzeit möglich.

Allgemeine Voraussetzungen für eine medizinische Ernährungstherapie (Elke et al. 2018; Weimann et al. 2022)

Grundvoraussetzung einer effektiven, jedoch immer nur symptomatischen MET ist es, dass die kausale Therapie der Grunderkrankung die Signalketten so schnell und effektiv wie möglich unterbricht, mittels derer der inflammatorische/infektiöse Fokus die Katabolie auslöst.
Die MET sollte immer unter Verwendung eines Protokolls erfolgen (Abteilungs-spezifische SOP), dabei ist die tägliche Registrierung der tatsächlich zugeführten Substrat- und Flüssigkeitsmenge (oral/enteral/parenteral) essenzieller Bestandteil des Protokolls. Zum Zeitpunkt der Aufnahme auf die Intensivstation sollte ferner der Ernährungszustand des kritisch Kranken abgeschätzt werden. Letzteres dient zur besseren prognostischen Einschätzung und soll auch bei mangelernährten Patienten*innen eine besondere Sorgfalt bei der Durchführung der MET induzieren.
Zur Einschätzung des Ernährungszustands bei Aufnahme sollten die aktuellen Kriterien der krankheitsspezifischen Mangelernährung der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) (Tab. 2) bzw. das SGA (Subjective Global Assessment) (Tab. 3) herangezogen werden.
Tab. 2
Definition der Mangelernährung entsprechend DGEM. (Nach Elke et al. 2018; Valentini et al. 2013)
Kriterium
Allgemeine Kriterien (Bezugsgröße: Körpergewicht vor Homöostasestörung)
• BMI < 18,5 kg/m2 oder
• ungewollter Gewichtsverlust > 10 % in den letzten 3–6 Monaten oder
• BMI < 20 kg/m2 und ungewollter Gewichtsverlust > 5 % in den letzten 3–6 Monaten oder
• Nahrungskarenz > 7 Tage oder
• reduzierte Energieaufnahme ≤ 75 % des geschätzten Energiebedarfs für ≥ 1 Monat
• (Hinweise für eine verminderte Muskelmasse: Trizepshautfaltendicke < 10. Perzentile)
Zusätzlich: subklinische, milde oder mäßige chronische Inflammation vor der Homöostasestörung
• laborchemische Zeichen einer inflammatorischen Krankheitsaktivität (z. B. „Crohn’s Disease Activity Index“)
Tab. 3
Diagnostik der Mangelernährung entsprechend dem Subjective Global Assessment (SGA) (nach Schütz und Plauth 2004); Nach Erhebung der Anamnese und Abschluß der körperlichen Untersuchung erfolgt auf der Basis dieser Befunde die rein subjektive Einschätzung des Ernährungszustandes (A, B oder C)
https://media.springernature.com/b30/springer-static/image/chp%3A10.1007%2F978-3-642-54675-4_38-2/MediaObjects/28639_0_De_38-2_Tab3_HTML.png?as=jpg&s=1
Zur Verlaufsbeobachtung sollte bei allen Intensivpatienten*innen als minimale Voraussetzung die regelmäßige Messung des aktuellen Körpergewichts möglich sein; Messungen sollten mittels Bettwaage bzw. bei mobilisierbaren Patienten*innen durch eine konventionelle Personenwaage erfolgen.
Nichtinvasive serielle Untersuchungen der Skelettmuskelmasse mittels Sonografie/MRT/CT/Bioimpedanzanalyse können dazu beitragen, den Ernährungszustand zum Aufnahmezeitpunkt als auch während des Intensivaufenthaltes einzuschätzen. Allerdings schränkt ein generalisiertes, durch Infektion/Inflammation ausgelöstes kapillares Leck (Vergrößerung des dritten Raums) die Aussagekraft morphologischer Methoden wie der CT oder der Sonografie, aber auch der Bioimpedanzanalyse ein; Volumina korrelieren dann nicht mehr mit der Proteinmasse und es wären spezifische Adjustierungen an den Wassergehalt des untersuchten Kompartiments durchzuführen.
Zur präziseren Einschätzung des Ernährungszustandes im Verlauf bietet der sog. Sarkopenie-Index Vorteile, da er weitgehend unabhängig von der Nierenfunktion ist und leicht erhoben werden kann. Der Index lässt sich berechnen als Quotient zwischen der Serumkreatinin-Konzentration x100 und der Serum-Cystatin-C-Konzentration. Im Hinblick auf die Diagnose einer Mangelernährung bei kritisch kranken Patienten wurden mit 90 % Sensitivität und 90 % Spezifität Schwellenwerte von 101 bzw. 43 publiziert (Barreto et al. 2019). Die besondere Wertigkeit liegt jedoch nicht im interindividuellen, sondern im intraindividuellen Vergleich (Verlaufskontrolle).
Eine während der intensivmedizinischen Therapie zunehmende Katabolie hat zwei zentrale Konsequenzen: Es müssen die Konzepte kritisch hinterfragt werden, die a) zur Beherrschung des Katabolie-auslösenden, inflammatorischen/infektiösen Fokus angewendet werden, und die b) die Grundlagen der Kalorienzufuhr im Rahmen der MET bilden.

Indikation für eine medizinische Ernährungstherapie (Elke et al. 2018)

Bei kritisch Kranken, bei denen keine bedarfsdeckende orale Ernährung innerhalb der Akutphase der kritischen Erkrankung absehbar ist, sollte eine medizinische Ernährungstherapie innerhalb von etwa 24 h nach Aufnahme auf die Intensivstation begonnen werden (unter Berücksichtigung des Kalorien- und Protein-/Aminosäureziels in der Akutphase, und der individuellen metabolischen und gastrointestinalen Toleranz, vgl. unten).

Festlegung der ernährungstherapeutischen Ziele (Elke et al. 2018, 2023)

Kalorisches Ziel

Zur Bestimmung des Ruheenergieumsatzes/kalorischen Ziels sollte idealerweise die indirekte Kalorimetrie eingesetzt werden. Spezifische Zielgruppen sind kritisch Kranke mit hohem Katabolie-Risiko (protrahierter septischer Schock), mit einem Risiko für ein Refeeding Syndrom (BMI < 18 kg/m2), einer voraussichtlichen Behandlungsdauer ≥ 7 Tage auf der Intensivstation, und mit Adipositas (BMI > 30 kg/m2, vgl. unten). Details zur technischen Durchführung der indirekten Kalorimetrie finden sich in (Elke et al. 2023).
Wenn keine Kalorimetrie zur Verfügung steht, sollte in der Akutphase der Energieumsatz bzw. das kalorische Ziel bei nicht-adipösen kritisch Kranke (BMI < 30 kg/m2) mit 24 kcal/kg aktuelles Körpergewicht/Tag geschätzt werden. Komplexe Formeln zur Berechnung des Energieumsatzes sollten nicht angewendet werden. Bei nicht-adipösen Patienten*innen ist bei Einsatz der Schätzformel das aktuelle Körpergewicht (idealerweise vor Homöostasestörung) als Berechnungsgrundlage zu verwenden.

Ziel der Proteinzufuhr

Bei nicht-adipösen Patient*innen (BMI < 30 kg/m2) ist die Bezugsgröße für das Proteinziel das aktuelle Körpergewicht vor Homöostasestörung. Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass für die Zufuhr von parenteralen Aminosäurenlösungen ein Multiplikator (x 1,2) notwendig ist, da – bezogen auf die Gewichtseinheit – Lösungen mit freien Aminosäuren etwa 17 % weniger Proteinäquivalent enthalten als geformtes Protein.
Für die Akutphase sind als Ziel der Proteinzufuhr 1,0 bzw. als Ziel der Aminosäurenzufuhr 1,2 g pro kg aktuellem Körpergewicht und Tag anzusetzen.
In der chronischen Phase der kritischen Erkrankung und bei Patienten*innen mit vorbestehender Mangelernährung entspricht das Ziel der Protein-/Aminosäurenzufuhr dem Ziel in der Akutphase. In der Rekonvaleszenzphase ist ein höheres Proteinziel (in Kombination mit einem intensiven Widerstandstraining) von bis zu 1,6 g Protein/kg aktuellem Körpergewicht und Tag anzustreben.

Festlegung der Kalorienzufuhrrate (Elke et al. 2018; Hartl et al. 2022)

Sowohl beim Einsatz von enteralen als auch parenteralen Produkten sollten die Gesamtkalorien aller zugeführten Makronährstoffe (inkl. Proteinen/Aminosäuren) sowie aller nicht ernährungsbezogener Präparate (Sedierung mit Propofol, Einsatz einer Citratdialyse) bei der Berechnung der Kalorienzufuhrrate berücksichtigt werden. 2 %-iges Propofol hat einen Fettgehalt von 0,1 g/ml ≈ 0,9 kcal/ml; Tri-Natrium-Citrat-Lösung von 0,59 kcal/mmol ≈3 kcal/g (die Zufuhr von 11–20 mmol/h entspricht einer Kalorienzufuhr von 150–270 kcal/h).

Kalorienzufuhr in der Akutphase

Die Kalorienzufuhrrate sollte mit 75 % des gemessenen oder geschätzten Energieumsatzes (also des Kalorienziels, s. o.) beginnen, und sollte entsprechend der individuellen metabolischen Toleranz (vgl. unten) so gesteigert werden, dass bis zum Ende der Akutphase (4–7 Tage nach Beginn der kritischen Erkrankung) 100 % des Kalorienziels erreicht werden. Bei eindeutigen Zeichen einer individuellen metabolischen Intoleranz (Blutzuckerspiegel > 200 mg/dl trotz einer Insulinzufuhr von > 1 IE/h) sollte die Kalorien-/Makronährstoffzufuhr so weit reduziert werden, bis eine Toleranz erreicht ist. Bei einer nicht beherrschbaren Intoleranz kann eine komplette Unterbrechung der Kalorienzufuhr bzw. dann auch eine weitere Steigerung der Insulinzufuhr zur Blutzuckerkontrolle nötig sein. Ein praxisorientiertes Konzept zur individuellen Steuerung der Substratzufuhr anhand des maximal täglichen Insulinbedarfs zeigt Abb. 2.
Ein weiterer Surrogatmarker für Intoleranzen gegenüber exogenen Substraten ist die Hypophosphatämie (< 0,65 mmol/l) (Refeeding-Syndrom). Ein Absinken der Phosphat-Konzentration kann als Indikator für eine schwere Substratverwertungsstörung angesehen werden – sofern andere Ursachen wie z. B. ein Phosphatentzug unter mechanischer Nierenersatztherapie, die Verabreichung hoher Katecholamindosen mit Verschiebung von Phosphat nach intrazellulär, eine respiratorische Alkalose oder eine medikamentös ausgeglichene Azidose ausgeschlossen sind. Es sollte dann eine Reduktion der aktuell praktizierten exogenen Kalorien-/Proteinzufuhr auf 25 % des kalorischen Ziels durchgeführt werden. Gleichzeitig sollte eine parenterale Phosphatzufuhr zur Normalisierung der Phosphatkonzentration erfolgen. Bleibt die Phosphatkonzentration dann in den nächsten 36 h stabil, dann ist eine Steigerung der Kalorien- bzw. Proteinzufuhr auf 100 % des Ziels indiziert (unter der Voraussetzung eines Insulinbedarfs < 2 IE/h).

Kalorienzufuhr bei vorbestehender Mangelernährung, in der Postakutphase (Rekonvaleszenz/Rehabilitationsphase) bzw. in der chronischen Phase der kritischen Erkrankung

In der anabolen Erholungsphase (Rekonvaleszenz/Rehabilitation) und in der chronischen Phase sollte die Kalorienzufuhr 100 % des gemessenen/geschätzten Energieumsatzes (also des Kalorienziels) betragen. Bei Patienten*innen mit vorbestehender Mangelernährung können die gleichen, an die individuelle metabolische Toleranz und die Phasen der Erkrankung angepassten Kalorienzufuhrraten bzw. das gleiche Kalorienziel verwendet werden, wie bei Patienten*innen ohne vorbestehende Mangelernährung. Allerdings sollte hier die MET unter besonders sorgfältiger Überwachung und unter Berücksichtigung eines Refeeding-Syndroms erfolgen.

Festlegung der Proteinzufuhrrate (Elke et al. 2018)

Proteinzufuhr in der Akutphase

Die Protein-/Aminosäurenzufuhrrate sollte parallel zur Kalorienzufuhr mit 75 % des Proteinziels beginnen, und sollte entsprechend der individuellen metabolischen Toleranz so gesteigert werden, dass bis zum Ende der Akutphase (4–7 Tage nach Beginn der kritischen Erkrankung) 100 % des Proteinziels erreicht werden. Bei eindeutigen Zeichen einer individuellen metabolischen Intoleranz (> 1 IE/h zur Aufrechterhaltung einer Blutglukosekonzentration < 180 mg/dl) ist die Protein-/Aminosäurenzufuhr proportional zur Gesamtkalorienzufuhr zu reduzieren.

Proteinzufuhr in der Postakutphase (Rekonvaleszenz/Rehabilitationsphase), in der chronischen Phase der kritischen Erkrankung bzw. bei vorbestehender Mangelernährung

In der chronischen Phase der kritischen Erkrankung, bei Patienten*innen mit vorbestehender Mangelernährung, und in der Rehabilitationsphase beträgt die Protein/Aminosäuren-Zufuhr 100 % des Ziels.

Proteinzufuhr unter mechanischer Nierenersatztherapie

Bei kritisch kranken Patienten*innen unter kontinuierlicher/intermittierender Nierenersatztherapie werden die gleichen, an die individuelle metabolische Toleranz und die Phasen der Erkrankung angepassten Protein/Aminosäurenzufuhrraten bzw. das gleiche Protein-/Aminosäurenziel verwendet wie bei Patienten*innen ohne Nierenersatztherapie. Es sollte jedoch der Therapie-assoziierte Verlust an Aminosäuren mittels entsprechender kontinuierlicher Aminosäurenzufuhr zusätzlich zur Kalorien-/Protein-/Aminosäurenzufuhr kompensiert werden.
Der während einer Hämodialyse auftretende Aminosäurenverlust kann approximativ mit ca. 2 g/Stunde (u. a. abhängig von Dialysedosis), bei kontinuierlichen Nierenersatzverfahren mit ca. 0,2 g/L Filtrat bzw. Dialysat (kontinuierliche venovenöse Hämofiltration, CVVH) bzw. 0,6 g/Stunde (kontinuierliche venovenöse Hämodialyse, CVVHD) angenommen werden. Unter Einsatz einer „Sustained low efficiency dialysis (SLED)“ liegt der Verlust an Aminosäuren in derselben Größenordnung wie bei kontinuierlichen Nierenersatzverfahren

Proteinzufuhr bei intestinalen Verlusten

Eiweißverluste über Drainagen (Aszites) oder Verbände sollten ausgeglichen werden. Bei offenem Abdomen/ausgeprägtem portalen Hypertonus kann der Eiweißverlust über Vakuumverbände/Drainagen bis zu 15–30 g/l Exsudat betragen. Die genaue Höhe des Verlustes kann über die Bestimmung der Gesamteiweißkonzentration im Drainagesekret ermittelt werden.
Der Ausgleich erfolgt durch intravenöse Albumin-Supplementierung. Als grobe Faustregel sind pro Liter abgelassenem Aszites 6–8 g Albumin i.v. zuzuführen.

Techniken der enteralen medizinischen Ernährungstherapie (Elke et al. 2018)

Applikationswege und -arten

In allen Krankheitsphasen ist der orale Zugangsweg zu bevorzugen. Bei nicht-zielgerechter oraler Ernährung sollte in allen Krankheitsphasen aus ökonomischen Gründen bevorzugt eine enterale Ernährung eingesetzt werden. Bei korrekter Applikation in der Akutphase (Berücksichtigung der individuellen Toleranz) ist – im Hinblick auf die Prognose der Patienten*in – der enterale mit dem parenteralen Applikationsweg vergleichbar. Eine (ggf. supplementäre bzw. exklusive) parenterale Ernährung kommt nur zum Einsatz, wenn das Kalorien- und Proteinziel über die enterale Ernährung nicht oder nur unzureichend erreicht wird. Das Konzept der „Zottenernährung“ ist verlassen.
Bei vorbestehender Mangelernährung sollte in der Akutphase – entsprechend der individuellen metabolischen Toleranz – frühzeitig eine ggf. supplementäre parenterale Ernährung zum Erreichen des Kalorien- und Proteinziels eingesetzt werden.
Unter enteraler MET ist der gastrale Zugangsweg gegenüber dem jejunalen Zugangsweg zu bevorzugen, wobei bei hohem Aspirationsrisiko/ausgeprägtem gastralen Reflux und geringem technischen Aufwand (Sondenanlage) ein jejunaler Zugang verwendet werden kann. Besteht in der chronischen Phase/Rehabilitationsphase die Indikation für eine enterale MET voraussichtlich für länger als 4–6 Wochen, so sollte eine PEG (perkutane endoskopische Gastrostomie)/PEJ (perkutane endoskopische Jejunostomie) angelegt werden.
Die gastrale Nahrung kann kontinuierlich oder als Bolusgabe zugeführt werden, die jejunale Ernährung sollte kontinuierlich (mittels Pumpe) appliziert werden. Beide Applikationswege müssen den Tag-Nacht-Rhythmus nicht berücksichtigen und sind über 24 h anzuwenden. Eine enterale MET kann auch bei nicht-invasiver Beatmung (NIV) erfolgen (Voraussetzung: effektive Schutzreflexe vorhanden und funktionierender Gastrointestinal-Trakt) bzw. kann auch bei Bauchlage oder offenem Abdomen zur Anwendung kommen (unter Berücksichtigung der individuellen Toleranz).

Überwachung (Hartl et al. 2013)

Voraussetzung der enteralen MET ist das individuelle Monitoring der metabolischen (s. o.) und gastrointestinalen Toleranz (Tab. 4).
Tab. 4
Überwachung der gastrointestinalen Toleranz unter enteraler Ernährung. Voraussetzung sind a) die Verwendung einer großlumigen und einlumigen Magensonde (≥ 14 Ch) (sog. „Ernährungssonden“, Jejunalsonden oder mehrlumige Magensonden mit kleinerem Durchmesser sind zur Überwachung nicht geeignet), und b) die korrekte Position der Sonde im Magen ohne Knickbildung
Maßnahme
Häufigkeit
Klinische Untersuchung des Abdomens
Mindestens 1x täglich:
Perkussion, Palpation, Auskultation und Inspektion
Bestimmung der Refluxmenge über Magensonde
1x/Pflegeschicht
Bestimmung des gastralen Residualvolumens (Aspiration mittels großvolumiger Magenspritze)
Alle 4–6 Stunden bei
- abdominal-chirurgischen Patienten*innen in der Akutphase
- hohem Risiko einer paralytischen Funktionsstörung
- nicht-invasiver mechanischer Beatmung:
verzichtbar bei
- Bei internistischen Patienten*innen mit invasiver Beatmung unter intensiver pflegerischer Überwachung
Darmtätigkeit (Stuhlbeschaffenheit und –frequenz)
1x Pflegeschicht
Konventionell-radiologische Untersuchung (konv. Röntgen-Abdomen in Rückenlage und in anterior-posteriorer Technik)
Nach Bedarf bei auffälligem klinischen Untersuchungsbefund (Distension, Verdacht auf Dickdarm-Ileus)
Bei Patienten*innen mit abdominal-chirurgischer Grunderkrankung ist für das gastrale Residualvolumen (GRV) ein Schwellenwert von 200 mL anzusetzen. Bei Erreichen des Schwellenwertes sollte eine Modifizierung der Zufuhrrate erfolgen (Pausieren der enteralen Ernährung für 4–6 Stunden, und anschließend erneute Messung des GRV).

Kontraindikationen

Bei schwerer intestinaler Dysfunktion (Tab. 5) darf eine enterale Ernährungstherapie nicht durchgeführt werden, sondern es muss eine parenterale Ernährung erfolgen, um das jeweilige Kalorien- und Proteinziel unter Beachtung der individuellen metabolischen Toleranz zu erreichen. Isolierte Magenentleerungsstörungen/Oberbauchatonien stellen aufgrund ihrer vergleichsweise leichten Überbrückbarkeit dagegen per se keine Kontraindikation dar.
Tab. 5
Kontraindikationen für eine enterale Ernährung. (Nach Elke et al. 2018)
Kontraindikationen
Funktionell
• hämodynamische Instabilität (hohe oder steigende Dosen an vasoaktiven Medikamenten)
• metabolische Entgleisung mit unkontrollierter Hypoxämie und Azidose
• unkontrollierte gastrointestinale Blutung
• schwere Magenentleerungsstörung (gastrales Residualvolumen > 500 ml/6 h)
• mesenteriale Ischämie
• abdominelles Kompartment-Syndrom
• paralytischer Dünndarmileus
• sehr schwere Leberdysfunktion (Ammoniakkonzentration ≥  200 micromol/l)
• Pseudoobstruktion des Kolons
• schwere Absorptionsstörungen (tgl. Stuhlgewicht > 350 g/Tag)
anatomisch
• Dünndarm-/Dickdarm-Leckage
• schwere entzündliche Veränderungen des Dickdarms (nekrotisierende Clostridien-Colitis)
• High-Output-Fistel ohne distalen Zugang zur Nahrungszufuhr
• mechanischer Dünndarm-/Dickdarm-Ileus
Speziell bei Patienten*innen mit hämodynamischer Instabilität (hohe oder steigende Dosen an vasoaktiven Medikamenten, z. B. Noradrenalin ≥ 0,5 μg/kg min, oder bei einem arteriellen Mitteldruck < 50 mmHg) sollte eine enterale Ernährungstherapie zunächst nicht durchgeführt werden. Erst nach Stabilisierung der hämodynamischen Situation (z. B. bei rückläufiger bzw. mindestens konstanter Dosis an vasoaktiven Medikamenten, bzw. bei regredienten Zeichen einer Organminderperfusion- z. B. mit der Laktat-Konzentration als biochemischem Marker- erfolgt dann der Beginn einer enteralen MET (aufbauend mit zunächst nur minimaler Zufuhrrate, < 25 kcal/h). Im Zweifelsfall ist eine parenterale Ernährung gesteuert nach der individuellen metabolischen Toleranz (s. o.) zu bevorzugen.
Abb. 3 zeigt ein Gesamtkonzept zur individuellen Steuerung der Substratzufuhr anhand des Ausmaßes des Noradrenalinbedarfs, des gastrointestinalen Funktionszustandes und der metabolischen Toleranz (Insulinresistenz).

Phasen-abhängiger/Organ-spezifischer Einsatz von spezifischen Nährlösungen

Tab. 6 zeigt Indikationen für den Phasen-abhängigen/Organ-spezifischen Einsatz von speziellen Nährlösungen. Bei Nierenversagen ist keine Anpassung der Zusammensetzung der Nährlösungen erforderlich.
Tab. 6
Indikation spezieller enteraler Nährlösungen in Abhängigkeit von der Krankheitsphase und Organfunktion
Art der Nährlösung
Indikation
Ballaststoff-frei
- Akutphase (erhöhtes Risiko bzgl. intestinal-ischämischer Komplikationen)
- Ileostoma
- neu angelegte Kolonanastomosen
Ballaststoff-haltig
(fermentierbare Fasern, z. B. Fruktooligosaccharide, Pektin, Inulin etc.)
Chronische/rehabilitative Phase
Erhöhter Gehalt an verzweigt-kettigen Aminosäuren
Schwere Leberdysfunktion (Ammoniakkonzentration 100–200 μmol/l) und zusätzlich hepatische Enzephalopathie
Fettfrei
Persistierende abdominelle Lymphfisteln
(parallele Infusion von parenteralen Fettlösungen zur Verhinderung eines Mangels an essenziellen Fettsäuren obligat)
Erhöhter Gehalt an Proteinen/Protein-Zusätze
Bei Nichterreichen des Proteinziels mittels Standard-Nährlösungen

Therapie paralytischer intestinaler Funktionsstörungen (Keller et al. 2022; Elke et al. 2018)

Tab. 7 zeigt Indikationen für die Therapie paralytischer intestinaler Funktionsstörungen in Abhängigkeit von der anatomischen Lokalisation. Prucaloprid ist in Deutschland als einziges Medikament zur Therapie der laxantienrefraktären Obstipation und Magenatonie zugelassen. Ansonsten ist ggf. der „Off-label use“ zu beachten (Sincalid, Pyridostigmin, Neostigmin, Amidotrizoesäure, Erythromycin).
Tab. 7
Indikation spezifischer antiparalytischer Therapien in Abhängigkeit von der anatomischen Lokalisation
Indikation
Therapie
Akute gastrale oder intestinale Paralyse
Reduktion/Terminierung einer antiperistaltisch wirksamen Ko-Medikation (Katecholamine, Opiate, Beta-2-Mimetika, Sedativa, Antidepressiva) (sorgfältige Schaden-/Nutzen-Abwägung)
Akute intestinale Paralyse
- selektive 5-HT4-Rezeptoragonisten (Prucaloprid)
- Opiatantagonisten (Methylnaltrexon, Naloxegol)
- Cholezystokininanaloga (Sincalid) - Acetylcholinesterasehemmer (Pyridostigmin, Neostigmin)
Akute, nicht vital bedrohliche Kolonparalyse (leichte Pseudoobstruktion)
- mechanische Maßnahmen (Klysma, Darmrohr, Hebe-Senk-Einlauf)
- Paraffinöl (Rizinusöl)
- osmotisch wirksame Substanzen:
 • Macrogol (Polyethylenglykol mit einem Molekulargewicht von 3350 bis 4000)
 • Amidotrizoesäure
(nicht in der Akutphase nach Neu-Anlage distaler Anastomosen)
Vital bedrohliche Kolon-Paralyse (schwere Pseudoobstruktion)
Endoskopische Dekompression, ggf. chirurgische Therapie (z. B. Coecostomie)
Akute gastrale Paralyse
Prokinetika mit proximaler Wirksamkeit
- Metoclopramid (maximal 30 mg für 5 Tage)
- Erythromycin
- selektive 5-HT4-Rezeptoragonisten (Prucaloprid)
Chronische bzw. Therapie-refrak täre gastrale Paralyse (ohne intestinale Paralyse)
Endoskopische Anlage einer Jejunalsonde (mit zusätzlicher großlumiger Magensonde)

Therapie resorptiver intestinaler Funktionsstörungen

Die Diagnose einer Diarrhoe orientiert sich an ihrer Zeitdauer und an der Konsistenz und dem Gewicht des Stuhlgangs. Schwere Diarrhoen sind charakterisiert durch ungeformten, flüssigen Stuhlgang, einem erhöhten Stuhlgewicht (> 200–300 g/Tag), und einer längeren Dauer (> 48 Stunden) bzw. durch eine Kombination dieser Variablen.
Die klinische Abklärung einer Diarrhoe beinhaltet die abdominelle Untersuchung, Quantifizierung des Stuhls, mikrobiologische Analyse einer Stuhlprobe auf Clostridium difficile (inklusive Bestimmung des Clostridium-difficile-Toxins A und B), Elektrolytstatus, und den Ausschluss einer medikamentös-induzierten Nebenwirkung (antimikrobielle Therapie). Auch wird zwischen infektiöser (= sekretorischer) und osmotischer Diarrhoe unterschieden, wobei letztere nach Nahrungskarenz sistiert.
Tab. 8 zeigt Indikationen für die Therapie resorptiver intestinaler Funktionsstörungen in Abhängigkeit vom Ausmaß und Pathomechanismus.
Tab. 8
Indikation spezifischer Therapien bei resorptiven intestinalen Funktionsstörungen in Abhängigkeit von der Pathophysiologie
Indikation
Therapie
Leichte spezifische sekretorische Diarrhoe
- Terminierung der vorbestehenden Antibiose
- Clostridien: spezifischen Antibiose (orales Vancomycin oder orales Fidaxomicin)
Schwere spezifische sekretorische Diarrhoe (nekrotisierende Kolitis)
- Terminierung der vorbestehenden Antibiose
- parenterale MET
- chirurgische Therapie bei schwerer Organdysfunktion
- Clostridien: spezifischen Antibiose (orales Vancomycin oder orales Fidaxomicin)
Leichte unspezifische osmotische Diarrhoe
- Loperamid
- eingestellte Opiumtinktur (Dropizol® 3 × 15 mg, höhere Dosierungen möglich – große therapeutische Breite)
- Verwendung ballaststoffhaltiger Nährlösungen (fermentierbare Ballaststoffe)
Schwere unspezifische osmotische Diarrhoe
Zusätzlich:
- Verwendung von Oligopeptidlösungen
- Verwendung von Nährlösungen ohne fermentierbare Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide und Polyole („FODMAPS“)
Therapierefraktäre unspezifische osmotische Diarrhoe
- temporäre parenterale MET
- bei Sistieren der Diarrhoe Wiederaufnahme der enteralen MET mit niedriger Zufuhrrate (entsprechend der gastrointestinalen Toleranz)

Techniken der parenteralen medizinischen Ernährungstherapie (Hartl et al. 2009, 2013; Elke et al. 2018)

Eine parenterale Ernährung erfolgt bei Kontraindikationen für eine enterale Ernährung (s. o.), um das an die Phase der Erkrankung und an die individuelle metabolische Toleranz angepasste Kalorien- bzw. Proteinziel zu erreichen. Eine kombinierte enteral-parenterale Ernährungstherapie ist dann indiziert, wenn die Kalorien- bzw. Protein-Zufuhrrate nicht alleine durch eine sichere enterale Ernährung erreicht werden kann. In der Akutphase kann temporär auf eine parenterale Fettzufuhr verzichtet werden. Tab. 9 zeigt Indikationen für den Einsatz verschiedener parenteraler Präparate in Abhängigkeit von der klinischen Situation.
Tab. 9
Indikation für den Einsatz verschiedener parenteraler Konzepte in Abhängigkeit von der klinischen Situation
Konzept
Indikation
Präparate
Supplementäre parenterale MET (Verabreichung über periphere Vene möglich)
Frühe Akutphase
- niedrigosmolare (≤ 900 mosmol/l) Zwei-Komponenten-Nährlösungen (Glukose, Aminosäuren, Mikronährstoffe)
- Zweikammerbeutel mit reduziertem Kalorien- und Aminosäurengehalt
Limitierungen bei peripher-venöser Applikation:
 bedenkliche Hygiene
 Verwendung von Infusionspumpen nicht möglich (unsichere Zufuhrrate)
 keine zielgerechte parenterale MET möglich
Inkomplette parenterale MET
• späte Akutphase
(> 250 mg/dl)
- hochosmolare (> 900 mosmol/l) Zwei-Komponenten-Nährlösungen (Glukose, Aminosäuren, Mikronährstoffe)
- Zweikammerbeutel mit erhöhtem Glukose- und Aminosäurengehalt
Limitierungen:
 - eine fettfreie MET > 7 Tage ist zu vermeiden
 - auch bei persistierender Hypertriglyzeridämie sollten mindestens 2 x/Woche Fette parenteral zugeführt werden
Komplette parenterale MET
(Verabreichung nur über zentralen intravenösen Verweilkatheter)
Postakutphase/chronische Phase
- hochosmolare (> 900 mosmol/l) Drei-Komponenten-Nährlösungen (Glukose, Fette, Aminosäuren, Mikronährstoffe)
- Dreikammerbeutel mit vorgegebenem Kalorien- und Aminosäurengehalt
Limitierungen:
 - die Zusammensetzung ist nicht die Determinante der Kalorien- und Proteinzufuhrrate!
 - Beachtung der vorgegebenen maximalen Infusionsdauer (abhängig vom Produkt und Körpergewicht) und Prävention von Infektionen, die von zentralen intravasalen Verweilkathetern ausgehen
Elektrolytfreie komplette parenterale MET
Schwere Hypernatriämie/-Kaliämie/-Phosphatämie
- getrennte Zufuhr von Mikronährstoffen und hochosmolaren Lösungen der Einzelkomponenten:
 Glukoselösungen 40 %, 20 %, 10 % (entspr. Flüssigkeitsbedarf)
 Aminosäuren-Lösungen 10 %
 Lipidlösungen 10–20 %
Limitierungen:
 - erhöhter Elektrolytüberwachungsbedarf
 - Glukose 5 % ist zur MET nicht geeignet
Leber-spezifische komplette parenterale MET
Schwere Leberdysfunktion (Ammoniakkonzentration > 100 micromol/l) mit hepatischer Enzephalopathie
Aminosäurelösungen mit einem erhöhten Gehalt an verzweigtkettigen Aminosäuren (+ Mikronährstoffe, hochosmolare Glukoselösungen, Fettlösungen)
Prolongierte komplette parenterale MET
Prolongiertes intestinales Versagen (ohne relevante weitere Organdysfunktion)
Glutamin-Dipeptid-haltige Aminosäurelösungen (oder Dipeptid-haltige Infusions-Zusätze in Kombination mit Aminosäuren-Lösungen 10 %) (+ Mikronährstoffe, hochosmolare Glukoselösungen, Fettlösungen)

Makronährstoffzufuhr (Elke et al. 2018; Hartl et al. 2013)

Immunmodulierende Substanzen

Immunmodulierende (speziell mit Arginin, Omega-3-Fettsäuren, Gamma-Linolensäure und Antioxidanzien angereicherte) enterale Nährlösungen sollten bei kritisch kranken Patienten*innen nicht eingesetzt werden. Eine über den Tagesbedarf hinausgehende spezifische enterale oder parenterale Glutamin- oder Argininzufuhr (Pharmakotherapie) ist ebenfalls nicht indiziert.

Kohlenhydrate, Fette und Aminosäuren

Tab. 10 zeigt spezifische Charakteristika der für den parenteralen Einsatz zur Verfügung stehenden Substrate.
Tab. 10
Charakteristika der für den parenteralen Einsatz zur Verfügung stehenden Substrate
Parenterales
Substrat
Quelle
Besonderheiten
Untergrenze der Zufuhrrate
Obergrenze der Zufuhrrate
Kohlenhydrate
Glukose 10 %, 20 %, 40 %
(keine Fruktose)
- keine exklusive Zufuhr
- Kontrolle der Blutzuckerkonzentration mehrfach täglich
- 1–2 g/kg Tag
- 0 g bei
 schwerster metabo-lischer Intoleranz
4 g/kg Tag
(ohne Hyperglykämie (> 200 mg/dl) und Insulin-Applikation)
Lipide
- Olivenöl 10 %, 20 %
- Sojaölreduziert und supplementiert mit Kokos- und Fischöl, bzw. mit Kokos-, Oliven- und Fischöl 20 %
- Infusion kontinuierlich über 12–24 h
- relativer kalorischer Fettanteil (innerhalb der Nicht-Eiweiß-Kalorien) < 50 %
- Kontrolle der Triglyzerid-Konzentration mindestens 2x/Woche
- keine klinisch relevanten Unterschiede zwischen Kokos-, Oliven- und Fischöl
Kontraindikationen:
 - angeborene Störungen des Lipidstoffwechsels
 - klinische Zeichen einer schweren Hypoxie (SaO2 < 85 %, Laktatazidose), DIC
- 0,5 bis 0,8 g/kg Tag zur Vermeidung eines Mangels an essenziellen Fettsäuren
(bei Verwendung von nicht auf Sojaöl basierenden, 20 % Lipidlösungen)
- 0 g (maximal für eine Woche) bei
 (Hypertriglyzeridämie > 250 mg/dl)
1,5 g/kg Tag
Aminosäuren
Synthetisch 10 %
- keine exklusive Zufuhr
- bei Nierenversagen keine spezifische Anpassung
- falls unter parenteraler MET das Proteinziel nicht mittels Standard-Produkten (Zwei-/Drei-Kammerbeutel) erreicht wird ➔ zusätzliche Verabreichung von Aminosäuren 10 %
- Umrechnung von Protein- auf Aminosäurenzufuhr durch Verwendung eines Multiplikators von 1,2 (unterschiedliche Dichte)
- 0,3–0,4 g/kg Tag
- 0 g (maximal für eine Woche) bei
 schwerster metabo-lischer Intoleranz
1,8 g/kg Tag
Im Rahmen einer MET erfolgt in der Akutphase und/oder bei ausgeprägtem Stressstoffwechsel mindestens 3–4 mal täglich eine Kontrolle der Blutzuckerkonzentration. Unter Insulintherapie muss die Überwachungsfrequenz in Abhängigkeit von der Dosis erhöht werden. Bei der Blutzuckereinstellung durch Insulingabe ist aus Sicherheitsgründen ein unterer Zielwert von 110 mg/dL (6,1 mmol/L) zu verwenden, und eine Konzentration von 80 mg/dl (4,4 mmol/L) nicht zu unterschreiten. Blutzuckerkonzentrationen bis zu 200 mg/dL (11 mmol/L) können toleriert werden. Empfehlungen für das Vorgehen in der Praxis finden sich in den Tab. 11 und 12.
Tab. 11
Initiierung einer Insulintherapie zur Einstellung der Blutzucker (BZ)-Konzentration (ohne vorbestehende Insulin-Perfusortherapie)
BZ-Konzentration (mg/dl)
Bolusmenge (IU)
Insulin-Infusionsrate (IU/h)
201–250
8
2
251–300
12
4
301–350
16
4
> 350
20
5
Es wird gleichzeitig ein Bolus verabreicht und eine Dauerinfusion gestartet
Tab. 12
Modifikation einer Insulintherapie zur Einstellung der Blutzucker (BZ)-Konzentration. (unter laufender Insulin-Perfusortherapie)
BZ-Konzentration (mg/dl)
Bolusmenge (U)
Insulin-Infusionsrate (U/h)
< 60
0
Abbruch, sofortige Gabe von Glukose 50 % 50 ml
➔ BZ-Messung nach 30 min, falls BZ > 80, weiter mit 50 % der alten Insulin-Infusionsrate, sonst weiter Pausierung
60–80
0
Abbruch
➔BZ-Messung nach 30 min, falls BZ > 80, weiter mit 50 % der alten Insulin-Infusionsrate,
80–200
0
Keine Veränderung
➔BZ-Messung nach 3–4 h, falls BZ in den nächste 4 h bis auf 80 fällt➔ weiter mit 70 % der vorbestehenden Insulin-Infusionsrate
201–250
4
Erhöhung der Insulin-Infusionsrate um 30 %
251–300
8
Erhöhung der Insulin-Infusionsrate um 30 %
301–350
12
Erhöhung der Insulin-Infusionsrate um 30 %
> 350
16
Erhöhung der Insulin-Infusionsrate um 50 %
Es wird gleichzeitig ein Bolus verabreicht und die Insulin-Infusionsrate geändert
Bei Insulin-Infusionsraten > 1 U/h ist unter MET die Kalorienzufuhr zu reduzieren
Bei Insulin-Infusionsraten > 6–8 U/h ist eine stündliche BZ-Messung erforderlich

Mikronährstoffzufuhr (Elke et al. 2023)

Vitamine und Spurenelemente sollten dann substituiert werden, wenn mit enteraler Ernährung das kalorische Ziel nicht erreicht werden kann bzw. wenn eine supplementäre parenterale Ernährung notwendig ist, um entsprechend der Krankheitsphase und der individuellen metabolischen Toleranz das gewünschte Kalorien- und Proteinziel zu erreichen. Unter exklusiver parenteraler Ernährung besteht immer eine Indikation zur Substitution von Mikronährstoffen.
Manche Kombinationspräparate zur Substitution enthalten nicht immer Vitamin K (Kofaktor bei der Synthese der Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X [Prothrombinkomplex], Protein C und S). In diesen Fällen erfolgt eine getrennte (zusätzliche) Substitution in Abhängigkeit von der gewünschten bzw. notwendigen Antikoagulation. Viele Vitamine sind licht- und sauerstoffempfindlich. Daher werden Vitaminpräparate vor Licht geschützt oder möglichst als Kurzinfusionen innerhalb von 30–60 Minuten verabreicht. Tab. 13 gibt eine Übersicht zu verschiedenen Richtwerten des Mikronährstoffbedarfs und -gehalts in handelsüblichen Präparaten.
Tab. 13
Übersicht zu Richtwerten des Mikronährstoffbedarfs bei gesunden Erwachsenen unter bilanzierter enteraler Ernährung und zum Mikronährstoffgehalt in handelsüblichen Präparaten. (Nach Elke et al. 2023)
Mikronährstoffe
Tagesbedarf für gesunde Erwachsene. (Alter 31–70 Jahre)
Tageszufuhr unter bilanzierter EEa
gemäß EU-Richtlinie
Gehalt kommerzieller Präparate zur EEb
Gehalt kommerzieller Präparate zur PE
    
Chrom
20–35 μg
18,75–225 μg
35–150 μg
10 μg/10 μg
Kupfer
0,9 mg
0,9–7,5 mg
1–3 mg
1,3 mg/0,4 mg
Fluorid
3–5 mg
0–3 mg
0–3 mg
0,95 mg/0,95 mg
Iod
150 μg
97,5–525 μg
150–300 μg
130 μg/130 μg
Eisen
8 mg
7,5–30 mg
18–30 mg
1,1 mg/1,1 mg
Mangan
1,8–2,3 mg
0,75–7,5 mg
2–3 mg
0,27 mg/-
Molybdän
45 μg
52,5–270 μg
50–250 μg
19 μg/19 μg
Selen
55 μg
37,5–150 μg
50–150 μg
32 μg/78 μg
Zink
8–11 mg
7,5–22,5 mg
10–20 mg
6,5 mg/5,0 mg
Vitamine
    
A (Retinol)c
700–900 μg
525–2700 μg
900–1500 μg
1,05 mg/3530 IE
D (Cholecalciferol)
15–20 μg
7,5–37,5 μg
25 μg
55 μg/200 IE
E (alpha-Tocopherol)
15 mg
7,5–45 mg
15 mg
10,2 mg/10 IE
K (Phyllochinon)d
90–120 μg
52,5–300 μg
120 μg
-/150 μg
B1 (Thiamin)
1,1–1,2 mg
0,9–7,5 mg
1,5 mge
3,51 mg/2,5 mg
B2 (Riboflavin)
1,1–1,3 mg
1,2–7,5 mg
1,2 mge
4,14 mg/3,6 mg
B3 (Niacin)
11–16 mg
13,5–45 mg
18 mge
46 mg/40 mg
B5 (Pantothensäure)
5 mg
2,25–22,5 mg
5 mge
17,25 mg/15 mg
B6 (Pyridoxin)
1,5–1,7 mg
1,2–7,5 mg
1,5 mge
4,53 mg/4 mg
B7 (Biotin)
30 μg
11,25–112,5 μg
30 μge
69 μg/60 μg
B9 (Folsäure)
400 μg
150–750 μg
330–400 μge
-/400 μg
B12 (Cyanocobolamin)
2,4 μg
1,05–10,5 μg
> 2,5 μge
-/5 μg
C (Ascorbinsäure)
75–90 mg
33,75–330 mg
100 mge
125 mg/100 mg
EE enterale Ernährung, PE parenterale Ernährung,
Kobalt wird als Vitamin B12 bereitgestellt. Da es keine Angaben zum Tagesbedarf für Carnitin, Cholin und Cobalt gibt, sind diese nicht in der Tabelle aufgeführt. Zum Erreichen einer Hochdosis einzelner Mikronährstoffe sollte auf die Verwendung von Einzelpräparationen zurückgegriffen werden.
a) Die EU-Richtlinie regelt den Inhalt von Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke, wobei die Mengen pro 100 kcal angegeben werden. Minimale und maximale Dosen entsprechend einer Zufuhr von 1500 kcal/Tag angegeben.
b) Bilanzierte Mikronährstoffmenge in enteralen Nährlösungen. Im Falle einer höheren Nährstoffzufuhr (z. B. 2000 kcal pro Tag oder mehr) stellt eine Überschreitung dieser Empfehlung kein Risiko dar, wenn man die oberen tolerierbaren Werte berücksichtigt.
c) Retinol umfasst Retinol und Retinylester.
d) Die Verabreichung der fettlöslichen Vitamine erfolgt zusammen mit der Lipidemulsion, wenn diese isoliert infundiert wird (komplette PE).
Tab. 14 gibt Empfehlungen zur spezifischen Krankheits-bezogenen bzw. individuellen (nach Spiegelbestimmung) Substitution und (Hochdosis-) Pharmakotherapie von Mikronährstoffen.
Tab. 14
Spezielle Empfehlungen zur krankheitsbezogenen bzw. individuellen (nach Spiegelbestimmung) Substitution und (Hochdosis-) Pharmakotherapie von einzelnen Mikronährstoffen bei kritisch Kranken (jenseits der Deckung des Basisbedarfs). (Nach Elke et al. 2018, 2023)
Mikronährstoff
Indikation
Therapie
Laborkontrolle
   
 
- klinische Anhaltspunkte für Thiaminmangel (z. B. chronischer Alkoholabusus, Mangelernährung)
- nach bariatrischen Eingriffen
- großzügige Indikationsstellung
Großzügige Dosierung (Substitution und Pharmakotherapie) bei hoher therapeutischer Breite
Verzichtbar
   
 
Alle kritisch Kranken
- keine Pharmakotherapie
- Substitution im Rahmen der Basis-Zufuhr
Keine
   
 
- Mangelernährung
- Immobilität
- chronisch Krankheit
- Pflegebedürftigkeit
Individualisierte Vitamin-D-Substitution nach Spiegel (25(OH)D ≤ 30 nmol/l (≤ 12 ng/ml): bis zu 10.000 IE Vitamin D/Tag enteral
Spiegelbestimmung bei Aufnahme und im Verlauf 1x/Woche
Kupfer (Cu)
   
 
- schwere Verbrennungen
- CRRT > 2 Wochen
- langfristige PE
Individualisierte Cu-Substitution nach Spiegel (Plasma-Cu < 8 mmol/l: 4–8 mg/Tag als intravenöse Kurzinfusion)
Spiegelbestimmung bei Aufnahme und im Verlauf 1x/Woche
Selen (Se)
   
 
- CRRT
- Verbrennungen
- krankheitsbezogene Se-Substitution: 375 μg/Tag
- keine hochdosierte Pharmakotherapie (1000–4000 μg/Tag)
Entfällt
 
Polytrauma/herzchirurgische Eingriffe
- krankheitsbezogene Pharmakotherapie: 275 μg/Tag
- keine hochdosierte Pharmakotherapie (1000–4000 μg/Tag)
Entfällt
 
Langzeit-PE (> 2 Wochen):
Individualisierte Se-Substitution nach Spiegel (Plasmaspiegel < 0,4 mmol/l [< 32 μg/l]: 100 mg Se/Tag i.v. bis Normalisierung)
1x/Woche
Zur Bestimmung des Status ist die Selen-Konzentration im Plasma erforderlich, idealerweise sollte zusätzlich die Glutathionperoxidase (GPX-3) - Konzentration im Plasma bestimmt werden (funktioneller Status).
Die gleichzeitige Bestimmung von CRP und Albumin ist für die Auswertung erforderlich.
Zink (Zn)
   
 
- Verbrennungen > 20 % Körperoberfläche
- GI-Verluste (protrahierte Durchfälle)
Individualisierte Zinksubstitution nach Spiegel (Plasma-Zn < 70 μg/dl: 30–35 mg/Tag i.v. für 2–3 Wochen)
Spiegelbestimmung bei Aufnahme und im Verlauf 1x/Woche
 
Langzeit-PE
Krankheitsbezogene Zinksubstitution: 12 mg/Tag i.v. für die Dauer der PE
Entfällt (ggf. Spiegelbestimmung alle 6–12 Monate)
   
 
Alle kritisch Kranken
Individualisierte Phosphatsubstitution nach Spiegel (Plasma-Ph < 0,65 mmol/l: 36 mmol/8 h in G5 % 250 ml i.v.)
1x täglich, speziell bei CRRT
CAVE: ohne Substitution ist die Ph-Konzentration ein Surrogatmarker eines Refeeding-Syndroms unter MET
AOX Antioxidanzien, CRRT kontinuierliche Nierenersatztherapie, GI gastrointestinal, i.v. intravenös, PE parenterale Ernährung, GPX Glutathionperoxidase

Spezielle Gruppen von kritisch Kranken (Elke et al. 2018, 2023)

Aufgrund der nicht ausreichenden Evidenz gibt es keine spezifischen Empfehlungen für kritisch kranke Patienten*innen mit vorbestehendem Diabetes mellitus, für Polytrauma-Patienten*innen oder für erwachsene Verbrennungspatienten*innen.

Adipöse kritisch Kranke und kritisch Kranke nach bariatrischen Operationen

Adipöse Patienten*innen (BMI ≥ 30 kg/m2) benötigen ein hypokalorisches MET-Konzept bei gleichzeitig hoher Proteinzufuhr. Es sollten enterale Ernährungslösungen mit niedriger Kaloriendichte (< 2 kcal/ml) und einem verringerten Verhältnis zwischen Nicht-Eiweiß- und Eiweiß-Kalorien zur Anwendung kommen.
Der Energieumsatz sollte, wenn immer möglich, mittels indirekter Kalorimetrie gemessen werden, und das Ziel der Kalorienzufuhr sollte 60 % des gemessenen Energieumsatzes betragen, wobei sich die tatsächliche Kalorienzufuhr an der metabolischen Toleranz (s. o.) orientiert.
Steht eine indirekte Kalorimetrie nicht zur Verfügung, dann berechnet sich das Kalorienziel (d. h. 60 % des Energieumsatzes) durch folgende Formeln: bei einem BMI zwischen 30–50 kg/m2 mit 11–14 kcal/aktuelles Körpergewicht und Tag, bei einem BMI > 50 kg/m2 mit 22–25 kcal/ideales Körpergewicht und Tag. Das Idealgewicht wird wie folgt definiert: Idealgewicht (kg) = 48,4 + 77,0 × (Körpergröße – 1,50 m). Das Proteinziel liegt bei adipösen kritisch kranken Patienten*innen (BMI ≥ 30 kg/m2) bei 1,5 g/kg (bzw. 1,8 g/kg Aminosäuren) Idealgewicht und Tag.
Als Obergrenze für die Glukosezufuhr sind bei einem BMI zwischen 30–50 kg/m2 maximal 2,5 g Glukose/kg aktuelles Körpergewicht und Tag, und bei einem BMI > 50 kg/m2 maximal 5 g Glukose/kg ideales Körpergewicht anzusetzen. Die Obergrenzen der Fett-Zufuhr liegen bei einem BMI zwischen 30–50 kg/m2 bei 0,9 g Fett/kg aktuelles Körpergewicht und Tag, und bei einem BMI > 50 kg/m2 bei 1,5 g Fett/kg ideales KG und Tag. Zur Vermeidung eines Mangels an essenziellen Fettsäuren liegen die minimalen Zufuhrraten bei 0,5 g Fett/aktuelles bzw. ideales kg und Tag (unter Zufuhr von nicht-Sojaöl-basierten, 20 % Lipidlösungen).
Kritisch kranke Patienten*innen mit bariatrischer Anamnese sollten ferner – unabhängig von der Basis-MET – zusätzlich Multivitaminpräparate/Präparate mit Spurenelementen zur Behandlung eines Mikronährstoffmangels erhalten.

Kritisch Kranke mit extrakorporaler Unterstützung der kardialen und/oder pulmonalen Funktion/mit mechanischen Herzunterstützungssystemen

Bei kritisch kranken Patienten*innen mit ECMO/ECLS sollte der Energieumsatz (Ziel der Kalorienzufuhr) primär mittels Körpergewichts-bezogener Formel geschätzt werden (s. o.). Eine indirekte Kalorimetrie sollte nicht zur Anwendung kommen. Besteht eine Indikation für eine parenterale Ernährung, so können Lipide entsprechend den Empfehlungen oben, jedoch unter engmaschiger Kontrolle des Membranoxygenators (Lipid-Depot-Bildung) infundiert werden. Die Infusion der Lipidemulsion sollte nicht direkt in den ECMO-Kreislauf, sondern über einen zentralen, Kreislauf-fernen Venenzugang als kontinuierliche Infusion über 12–24 h erfolgen
Literatur
Barreto EF, Kanderi T, DiCecco SR et al (2019) Sarcopenia index is a simple objective screening tool for malnutrition in the critically ill. J Parenter Enter Nutr 43(6):780–788CrossRef
Elke G, Hartl WH, Kreymann KG et al (2018) DGEM Leitlinie: Klinische Ernährung in der Intensivmedizin. Aktuel Ernährungsmed 43:341–408
Elke G, Hartl WH, Adolph M et al (2023) Laborchemisches und kalorimetrisches Monitoring der medizinischen Ernährungstherapie auf der Intensiv- und Intermediate Care Station: 2. Positionspapier der Sektion Metabolismus und Ernährung der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Med Klin Intensivmed Notfmed Apr 17:1–13.
Hartl WH, Jauch KW, Parhofer K, Rittler P (2009) Working group for developing the guidelines for parenteral nutrition of The German Association for Nutritional Medicine. Complications and monitoring – guidelines on Parenteral Nutrition, Chapter 11. Ger Med Sci 7:Doc17PubMedPubMedCentral
Hartl WH, Parhofer K, Kuppinger D, Rittler P, das DGEM Steering Commitee (2013) Besonderheiten der Überwachung bei künstlicher Ernährung. Aktuel Ernährungsmed 38:90–100
Hartl WH, Weimann A, Elke G (2022) Steuerung der Kalorien- und Proteinzufuhr – Grundlagen und praktische Umsetzung. In: Kluge S, Heringlake M, Marx G, Busch H-J (Hrsg) DIVI Jahrbuch 2021/2022. Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin, S 197–208
Keller J, Wedel T, Seidl H et al (2022) Update S3-Leitlinie Intestinale Motilitätsstörungen: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie. Gemeinsame Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM). Z Gastroenterol 60(2):192–218PubMed
Schütz T, Plauth M (2004). http://​www.​backlog.​de/​feedme/​scripts/​sga.​pdf. Zugegriffen am 27.03.2023
Valentini LV, Volkert D, Schütz T, Ockenga J et al (2013) Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM). DGEM-Terminologie in der Klinischen Ernährung. Aktuel Ernährungsmed 38:97–111CrossRef
Weimann A, Hartl WH, Adolph M et al (2022) Erfassung und apparatives Monitoring des Ernährungsstatus von Patient*innen auf der Intensiv- und Intermediate Care Station: 1. Positionspapier der Sektion Metabolismus und Ernährung der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Med Klin Intensivmed Notfmed 117(Suppl 2):37–50CrossRefPubMedPubMedCentral