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Die Intensivmedizin
Info
Verfasst von:
Hans-Joachim Wilke
Publiziert am: 21.04.2023

Hirntodfeststellung und intensivmedizinische Behandlung von Organspendern

Beim Hirntod ist die Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms irreversibel erloschen. Der Betroffene ist tief bewusstlos und zeigt auf stärkste Schmerzreize keinerlei Reaktion. Alle Hirnstammreflexe fehlen. Da die Eigenatmung ebenfalls nicht mehr vorhanden ist, muss künstlich beatmet werden. Gleichzeitig schlägt das Herz des Betroffenen autonom und der Restkörper ist adäquat durchblutet; medizinisch wie auch juristisch ist der Betroffene gleichwohl tot.
Bei festgestelltem, vermutetem oder erwartetem Hirntod sind die behandelnden Ärzte verpflichtet, einen möglichen postmortalen Organspendewunsch des Patienten zu ermitteln; während dieser Ermittlung ist der Patient intensivmedizinisch weiter zu behandeln.
Nach Feststellung des Hirntods und vorliegender Einwilligung in eine Organspende sowie gegebener Spendertauglichkeit ist Ziel der Behandlung die Vermeidung von Organschäden des Spenders bis zur Explantation.

Hirntodfeststellung

Einleitung

Die häufigste Ursache (ca. 60 %) für den Eintritt des Hirntodes ist die intrakranielle Blutung. Patienten mit intrakraniellen Blutungen werden fast ausschließlich auf hoch spezialisierten neurochirurgisch-neurologischen Intensivstationen behandelt. Gleichwohl kann jede intensivmedizinisch zu therapierende Erkrankung – etwa durch einen in diesem Zusammenhang auftretenden Herz-Kreislauf-Stillstand mit konsekutiver zerebraler Schädigung – in einem Zustand tiefster Bewusstlosigkeit sowie dem Erlöschen aller Hirnstammreflexe und dem Verlust der Spontanatmung münden. Wird durch geeignete Untersuchungen zweifelsfrei festgestellt, dass dieser Zustand des Patienten unumkehrbar ist, dann ist der Hirntod (Synonym: IHA = irreversibler Hirnfunktionsausfall) des betroffenen Patienten festgestellt.
Der so festgestellte Hirntod beendet zwar einerseits die Behandlungspflicht des Arztes, wirft aber andererseits immer auch die Frage nach einem möglichen Organspendewunsch des Verstorbenen auf.
Somit ist klar, dass jeder Intensivmediziner – gleichgültig ob er auf einer primär allgemeinchirurgischen, internistischen oder pädiatrischen Intensivstation tätig ist – mit dem Konzept des Hirntodes, seiner Diagnose und den mit seiner Feststellung einhergehenden medizinischen und rechtlichen Verpflichtungen vertraut sein muss, um sachgerecht und angemessen zu handeln.
Die nachfolgenden Ausführungen sollen das hierzu notwendige Wissen in kompakter Form vermitteln. Hierzu wird zunächst die Definition des Hirntodes vorgestellt und dann die Diagnose des Hirntodes beschrieben. Es schließt sich daran ein Abschnitt über die intensivmedizinische Behandlung des hirntoten Organspenders – die sog. „Spenderkonditionierung“ – an.

Definition des Hirntodes

Beim Hirntod ist die Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms erloschen. Andere Ursachen für diesen Funktionsverlust, wie zum Beispiel eine Intoxikation oder Stoffwechselentgleisungen, liegen nicht vor. Der Betroffene ist tief bewusstlos und zeigt auch auf stärkste Schmerzreize keinerlei Reaktion. Die weitere Untersuchung ergibt, dass alle Hirnstammreflexe erloschen sind. Da die Eigenatmung ebenfalls erloschen ist, muss der Betroffene künstlich beatmet werden. Gleichzeitig schlägt das Herz des Betroffenen autonom; Blutdruck, Sauerstoffsättigung und Körpertemperatur sind im Normbereich, der Körper ist augenscheinlich adäquat durchblutet. Ist dieser Zustand aufgrund geeigneter Untersuchungen als irreversibel einzuschätzen, dann bedeutet dies sowohl medizinisch als auch juristisch den Tod des Betroffenen.
Mit dieser Definition wird klargestellt, dass in Deutschland für die Diagnose immer der vollständige, komplette Funktionsausfall des Gesamthirns gefordert ist und somit Zustände, welche mit erhaltenen zerebralen Restfunktionen einhergehen, wie z. B. das „Locked-in-Syndrom“ (schwere Hirnstammschäden, vollständige Lähmung bei erhaltener kortikaler Funktion) oder das „apallische Syndrom“ (Verlust der kortikalen Funktion bei erhaltenem Hirnstamm) die Diagnose Hirntod nicht erlauben. Ebenso ist der Funktionsverlust des Hirnstamms allein – wie z. B. in einigen Bundesstaaten der USA – nicht als Hirntod zu werten.
Anders als der Herz-Lungen-Tod, der von jedem approbierten Arzt festgestellt werden darf, erfordert die Diagnose Hirntod nicht nur zwei voneinander unabhängige, besonders qualifizierte Diagnostiker, sondern diese Diagnostiker müssen einen klar vorgeschriebenen Diagnoseweg abarbeiten, bevor die Diagnose gestellt werden darf. Die hohen Anforderungen an die Qualifikation der Diagnostiker einerseits als auch der obligat einzuhaltende Diagnoseweg andererseits haben dazu geführt, dass es seit Einführung dieser Vorgaben in Deutschland zu keiner falsch-positiven Diagnose des Hirntodes gekommen ist.

Qualifikation der den Hirntod feststellenden Ärzte

Es müssen zwei voneinander „unabhängige“ Ärzte sein, wobei mit „unabhängig“ gemeint ist, dass zwischen den zwei Ärzten kein Abhängigkeitsverhältnis bestehen darf, wie das zum Beispiel bei einem Chefarzt und einem Oberarzt der gleichen Fachabteilung der Fall wäre. Beide Ärzte müssen über eine mehrjährige praktisch-klinische Erfahrung in der (intensivmedizinischen) Behandlung schwerer und schwerster Hirnschädigungen verfügen. Darüber hinaus müssen beide den Facharztstatus besitzen, d. h. die sog. „Facharztreife“ ist nicht ausreichend. Weiterhin muss einer der beiden Ärzte Facharzt für Neurologie oder Facharzt für Neurochirurgie sein. Bei der Hirntodfeststellung bei reifen Neugeborenen, Kleinkindern und Kindern sowie von Jugendlichen bis zum vollendeten 14. Lebensjahr muss einer der beiden Fachärzte Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin sein. Verfügt dieser Kinder- und Jugendmediziner über die Schwerpunktbezeichnung „Neuropädiatrie“ braucht der zweite Facharzt kein Facharzt für Neurologie oder Neurochirurgie sein.
Die wie vorstehend qualifizierten Ärzte dürfen grundsätzlich nicht an der Spende oder Allokation von Organen Hirntoter beteiligt sein und dürfen auch nicht den Weisungen oder Anordnungen solcher Transplantationsmediziner unterliegen. Im Kern sichern diese strengen Vorgaben – neben der Qualitätssicherung der Diagnostik – die Unabhängigkeit der Diagnostiker vor der Einflussnahme dritter Ärzte aber auch vor dem Interesse der Transplantationsmedizin an postmortalen Organspenden. Anders ausgedrückt:
Die Hirntoddiagnostik (HTD) ist eine ärztliche Aufgabe sui generis. Sie dient nur sekundär der Transplantationsmedizin. Ihre primären Aufgaben sind die Vermeidung sinnloser Therapien, die Sicherung begrenzter intensivmedizinischer Kapazitäten und die Schaffung von Gewissheit für die Hinterbliebenen des Betroffenen.

Die drei Stufen der Hirntoddiagnostik

In Deutschland müssen die den Hirntod feststellenden Ärzte nach einem obligaten 3-stufigen Diagnoseverfahren vorgehen, dessen Stufen hintereinander abgearbeitet werden müssen: Es sind dies die Stufen 1. Voraussetzung beim Patienten sowie Ausschluss anderer Ursachen für die Ausfallsymptome des Gehirns 2. Klinisches Syndrom und 3. Nachweis der Irreversibilität. Diese 3 Stufen sollen im Folgenden erläutert werden:

Stufe 1: Voraussetzungen beim Patienten und Ausschluss anderer Ursachen für die Ausfallsymptome des Gehirns

Zunächst ist festzuhalten, dass die Hirntoddiagnostik nicht bei Frühgeborenen oder Patienten mit schweren, angeborenen Hirnfehlbildungen wie zum Beispiel einer Anenzephalie durchgeführt werden darf, sondern die Patienten für eine valide Diagnostik reife Neugeborene oder ältere Patienten sein müssen. Es muss dann bei diesen Patienten vorab eine „akute schwere Hirnschädigung“ eindeutig und im Detail diagnostiziert worden sein, wobei der Begriff „schwer“ in diesem Zusammenhang bedeutet, dass beim Patienten ein tiefes Koma, ein Verlust der Hirnstammreflexe sowie eine Apnoe vorliegen müssen. Diese Hirnschädigung muss darüber hinaus immer nach ihrer Art – primär (direkt, unmittelbar) oder sekundär (indirekt, mittelbar) – und ihrer Lokalisation – supratentoriell oder infratentoriell – eingeordnet werden. Die Klassifikation der Hirnschädigung nach Art und Lokalisation ist deshalb so wichtig, weil sie unter Berücksichtigung des Alters des Patienten darüber entscheidet, welcher Nachweis der Irreversibilität in der dritten diagnostischen Stufe zulässig ist!
Primäre Hirnschädigungen betreffen das Gehirn unmittelbar bzw. direkt und sind:
Sekundäre Hirnschädigungen betreffen das Gehirn mittelbar bzw. indirekt:
  • Z. n. prolongierter Reanimation bei Herz-Kreislauf-Stillstand
  • Z. n. Hypoxie oder Hypoxämie
Nach Diagnose und Klassifikation der akuten schweren Hirnschädigung mit Bewusstseinsverlust, Erlöschen der Hirnstammreflexe und Apnoe müssen nun systematisch andere (potenziell reversible) Ursachen für den Funktionsverlust des Betroffenen ausgeschlossen werden. Es sind dies im Einzelnen:
  • Intoxikation (z. B. Alkohol) und/oder dämpfende Medikamente (z. B. Opioide, Benzodiazepine, Barbiturate)
    Drogen und Medikamente können aufgrund ihres Wirkmodus die Trias aus Koma, Hirnstammreflexie und Apnoe selbst verursachen bzw. mitverursachen. Ihr Einfluss auf den Zustand des Patienten muss also zweifelsfrei ausgeschlossen werden. Dies kann zum Beispiel durch eine angemessene Medikamentenpause, ein Drogenscreening, den Einsatz von Antidoten oder Spiegelbestimmungen geschehen.
  • Relaxation
    Muskelrelaxanzien verursachen zwar per se kein Koma, aber sie machen durch die komplette Lähmung der Willkürmuskulatur die Beurteilung der motorischen Antwort auf eine Reflexstimulation unmöglich. Ihr Einfluss auf den Zustand des Patienten kann durch ein neuromuskuläres Monitoring bzw. den Einsatz von Antidoten eliminiert werden.
  • Hypothermie (therapeutisch oder akzidentell)
    Bei Erwachsenen erlöscht die Reaktion der Pupille auf Lichteinfall bei Körperkerntemperaturen um 28–32° Celsius; die übrigen Hirnnervenreflexe sind bei 27–28° Celsius nicht mehr sicher beurteilbar. Um den Einfluss einer Hypothermie auf den Zustand des Patienten sicher auszuschließen, darf in Deutschland im Zusammenhang mit einer HTD die Körperkerntemperatur des Patienten 35° Celsius nicht unterschreiten.
  • Metabolische oder endokrine Entgleisung
    Beim Leber- bzw. Nierenversagen kann es durch die eingeschränkte bzw. fehlende Entgiftungsfunktion der genannten Organe zur Entwicklung einer tiefen Bewusstlosigkeit kommen. Bei einem Diabetes mellitus kann die Entgleisung des Blutzuckerspiegels in einen tiefen Komazustand münden und in einer Addison-Krise kann der Kortisolspiegel so stark abfallen, dass der Patient in ein Koma fällt. Eine valide HTD ist unter diesen Umständen nicht möglich.
  • Kreislaufschock
    Sowohl beim hypovolämischen, kardiogenen, septischen als auch anaphylaktischen Schock kommt es zu einem massiven Abfall des arteriellen Mitteldrucks und einer konsekutiven Mangelversorgung der nachgeschalteten Gewebe mit Sauerstoff. Der Sauerstoffmangel selbst induziert dann den Funktionsausfall der Organe. Im Zustand der Kreislaufinstabilität kann natürlich keine HTD durchgeführt werden.
    Zusammenfassend gilt somit:
    Eine Hirntoddiagnostik darf nur bei stabilem Kreislauf, normaler Körperkerntemperatur und Elektrolyt-, Blutzucker-, und Hormonhomöostase durchgeführt werden!

Stufe 2: Vorliegen des klinischen Syndroms

Für den Hirntod ist eine Symptomtrias (Syndrom) aus Koma, Ausfall der Reflexe des Hirnstamms und dem Verlust der Spontanatmung pathognomonisch. Die den Hirntod feststellenden Ärzte müssen das Vorliegen der 3 Symptome zweifelsfrei nachweisen und dokumentieren; bei Kindern, die das 2. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, müssen zusätzlich zum Nachweis der Symptomtrias ein Nulllinien-EEG (Elektroenzephalografie) oder Ausfall der Potenziale III–V in den frühen akustischen evozierten Potenzialen oder der zerebrale Zirkulationsstillstand durch TCD (Transkranielle Dopplersonografie)/Duplexsonografie demonstriert werden. Auf diese apparativen Zusatzuntersuchungen darf nur verzichtet werden, wenn im Rahmen des Irreversibilitätsnachweises eine Perfusionsszintigrafie vorgesehen ist
  • Koma
    Es muss ein tiefes Koma vorliegen, das dem Grad IV der allgemeinen Komaskala bzw. dem Erreichen einer Punktezahl von maximal 3 nach der Glasgow-Koma-Skala entspricht. Auch stärkste Schmerzreize dürfen somit zu keinerlei Reaktion des Patienten führen, im Besonderen nicht zu Grimassieren, ungezielten Abwehrbewegungen sowie Streck- oder Beugesynergismen. Aufgrund des Ausfalls des Hirnstamms ist dessen modulierender Einfluss auf den Tonus der Willkürmuskulatur erloschen, es kommt zu einer schlaffen Tetraplegie. Es dürfen allerdings rückenmarksvermittelte, spinale Reflexe (sog. „Lazaruszeichen“) noch nachweisbar sein, da das Rückenmark – im Gegensatz zum Gesamthirn – im Hirntod noch vital ist und diese spinalen Automatismen daher mit der Diagnose Hirntod kompatibel sind.
  • Hirnstammareflexie
    Pupillenreflex: Beim Gesunden verengen sich die Pupillen bei Lichteinfall und erweitern sich bei Dunkelheit. Beim Hirntoten ist die Lichtreaktion beidseits erloschen, die Pupillen sind lichtstarr, weit bis mittelweit und oft anisokor oder entrundet. Selbstverständlich sind vorbestehende Pupillenverletzungen auszuschließen!
    Okulozephaler Reflex: Beim Gesunden kommt es bei passiven Bewegungen des Kopfes zur Seite zu einer entgegengesetzten Bewegung der Bulbi, die Augen versuchen gewissermaßen das Objekt, welches zuvor im Blick war, weiterhin zu fixieren. Beim Hirntoten fehlt diese kompensatorische Gegenbewegung der Bulbi; die Bulbi bewegen sich vielmehr wie bei einer Puppe gleichsinnig zur passiven Drehbewegung mit (sog. „Puppenkopfphänomen“).
    Vestibulookulärer Reflex: Der Untersucher spült die Gehörgänge mit ca. 30 ml Eiswasser; beim Gesunden kommt es innerhalb von 1 min nach der Spülung zu ipsilateralen Augenbewegungen, während diese beim Hirntoten ausbleiben. Der vestibulookuläre Reflex ist erloschen.
    Kornealreflex: Beim Gesunden führt die Berührung der Kornea des Auges zum sofortigen ipsilateralen Lidschluss. Beim Hirntoten können die Bulbi berührt werden, ohne dass sich die Augenlider refektorisch schließen.
    Trigeminusschmerzreaktion: Bei der Hirntoddiagnostik werden alle 3 Äste des Drillingsnervs gereizt; beim Hirntoten dürfen sich keinerlei Schmerzreaktionen im Gesicht zeigen!
    Der Pharyngeal- oder Würgereflex: Er wird durch Berührung des Zungengrundes, der Tonsillenregion bzw. der Pharyngxhinterwand zum Beispiel mit einem Holzspatel ausgelöst. Im Hirntod fehlt die Würgereaktion auf Berührung vollständig.
    Tracheal- oder Hustenreflex: Beim Hirntoten fehlt der reflektorische Hustenstoß, der beim Gesunden zum Beispiel durch Absaugen der Trachea mit einem Katheter provoziert wird.
  • Apnoe
    Der obligatorische Nachweis des Ausfalls der Spontanatmung des Patienten erfolgt zeitlich immer nach der Feststellung des Ausfalls der Hirnstammreflexe. Dies liegt darin begründet, dass es durch den Anstieg des CO2-Partialdrucks auf Werte von wenigstens 60 mm Hg im Rahmen des Apnoetests unvermeidbar zu einer respiratorischen Azidose kommt, welche zu einer Erweiterung der intrakraniellen Gefäße führt, welche ihrerseits potenziell zu einer Hirndrucksteigerung des Patienten führt.
    In der Praxis geht man so vor, dass der Patient zunächst mit reinem Sauerstoff präoxygeniert wird, um ihm eine Sauerstoffreserve für die bevorstehenden Testmanöver zu schaffen. Der Patient wird dann vom Respirator diskonnektiert und es wird über eine in den liegenden Beatmungstubus eingebrachte Sonde etwa 6 l Sauerstoff/min insuffliert. Sodann wird eine temperaturkorrigierte Ausgangs-BGA (Blutgasanalyse) durchgeführt und dokumentiert. Da der CO2-Partialdruck unter Apnoe beim Lungengesunden um etwa 3–4 mmHg/min ansteigt, wird nach einer Diskonnektionsphase von etwa 5–6 min erneut eine (temperaturkorrigierte) BGA durchgeführt und dokumentiert. Bei Vorliegen eines CO2-Partialdrucks von 60 mmHg oder mehr, wird der Patient für mindestens (!) 1 min auf das Auftreten von spontanen Atemexkursionen hin beobachtet. Am Ende dieser Beobachtungsphase wird eine letzte BGA vorgenommen und dokumentiert. Es versteht sich von selbst, dass bei Auftreten von Komplikationen unter Hyperkapnie beim Patienten wie ein Sauerstoffsättigungsabfall, eine Hypotension oder Herzrhythmusstörungen der Apnoetest abgebrochen wird, um ihn zu anderer Zeit gegebenenfalls zu wiederholen.
    Bei Patienten mit chronisch-obstruktiven Lungenerkrankungen, die an erhöhte CO2-Partialdrücke adaptiert sind, darf der Apnoetest nicht durchgeführt werden. Bei solchen Patienten und Patienten, bei denen es aus anderen Gründen objektiv nicht möglich ist, den Apnoetest durchzuführen, kann unter dokumentierter Begründung ersatzweise auf den Nachweis des zerebralen Zirkulationsstillstands rekurriert werden.

3. Stufe: Nachweis der Irreversibilität des klinischen Syndroms

Durch den Nachweis der Irreversibilität wird zweifelsfrei belegt, dass der Zustand des Patienten (tiefes Koma, Ausfall der Hirnstammreflexe sowie der Spontanatmung) nicht nur vorübergehender Natur, sondern dauerhaft bzw. unumkehrbar ist. Grundsätzlich kann der Unumkehrbarkeitsbeweis auf viererlei Weise erfolgen: 1. durch die Einhaltung einer bestimmten Beobachtungszeit und anschließende erneute Feststellung des klinischen Syndroms; 2. unter Verzicht auf eine Beobachtungszeit durch den Nachweis des Ausfalls der kortikalen elektrischen Aktivität (Nulllinien-EEG oder erloschene evozierte Potenziale); 3. unter Verzicht auf eine Beobachtungszeit durch den Nachweis des zerebralen Zirkulationstillstands (zerebrale 4-Gefäß-Angiografie, Computertomografie-Angiografie, transkranielle Doppler- bzw. Duplexsonografie oder Perfusionsszintigrafie) sowie 4. einer Kombination aus Beobachtungszeit/klinischer Untersuchung und zusätzlich eine der oben aufgeführten apparativen Verfahren.
Welche der 4 genannten Verfahrensweisen zur Anwendung kommen, liegt dabei nicht im Ermessen der den Hirntod feststellenden Ärzte, sondern ergibt sich aus dem Lebensalter sowie – bei Patienten, die älter als 2 Jahre sind – der Art und Lokalisation der Hirnschädigung. Dies sei anhand dreier Beispiele erläutert:
  • 14-Tage altes Neugeborenes bei Zustand nach prolongierter Hypoxämie; die Voraussetzungen der akuten schweren Hirnschädigung und der Ausschluss anderer Ursachen für die Ausfallssymptome des Gehirns sind gegeben; im 1. Untersuchungsgang wurden Koma, Hirnstammareflexie und Apnoe nachgewiesen und der zerebrale Zirkulationsstillstand mittels TCD/Duplexsonografie demonstriert. Zum Nachweis der Unumkehrbarkeit dieses Zustands muss nun das Neugeborene für mindestens 72 h beobachtet werden und im Anschluss daran die Symptome Koma, Hirnstamm-Areflexie und Apnoe erneut festgestellt werden und zusätzlich der zerebrale Zirkulationsstillstand mittels TCD/Duplexsonografie demonstriert werden!
  • 10-jähriger Patient mit traumatischer (primärer), supratentorieller Hirnschädigung. Die Voraussetzungen der akuten schweren Hirnschädigung und der Ausschluss anderer Ursachen für die Ausfallsymptome des Gehirns sind gegeben; Koma, Hirnstammareflexie und Apnoe wurden festgestellt. Der Unumkehrbarkeitsnachweis kann nach einer mindestens 12-stündigen Beobachtungszeit und anschließender Demonstration der Persistenz von Koma, Hirnstammareflexie und Apnoe erfolgen. Alternativ kann unter Verzicht auf eine Beobachtungszeit der Unumkehrbarkeitsnachweis sofort durch ein Nulllinien-EEG oder erloschene evozierte Potenziale SEP/FAEP (Somatosensibel evozierte Potenziale/Frühe akustische evozierte Potenziale) oder den zerebralen Perfusionsstillstand (z. B. via TCD/Duplexsonografie oder Computertomografie-Angiografie) geführt werden.
  • 36-jährige Patientin mit infratentorieller Hirnblutung, also einer primären Hirnschädigung. Die Voraussetzungen der akuten schweren Hirnschädigung und der Ausschluss anderer Ursachen für die Ausfallsymptome des Gehirns sind gegeben; Koma, Hirnstammareflexie und Apnoe wurden festgestellt. In diesem Fall muss aufgrund der infratentoriellen Schädigung der Unumkehrbarkeitsnachweis obligat entweder durch ein Nulllinien-EEG oder die Demonstration des intrazerebralen Zirkulationsstillstands (z. B. mittels Computertomografie-Angiografie) geführt werden.
In der Praxis kommen, sofern die den Hirntod feststellenden Ärzte auf eine Beobachtungszeit verzichten wollen oder die Beobachtungszeit mit apparativen Verfahren kombinieren wollen bzw. müssen, die verschiedenen, in den Richtlinien zugelassenen Verfahren, mit folgender Häufigkeit zur Anwendung: EEG (ca. 70 %), TCD/Duplexsonografie (ca. 15 %), Perfusionsszintigrafie (ca. 10 %) sowie Computertomografie-Angiografie und evozierte Potenziale zusammen ca. 5 %. Die genannten Verfahren werden im Folgenden noch einmal kurz vorgestellt.
  • EEG:
    Die Richtlinien schreiben exakt vor, wie das EEG abzuleiten ist. So sind u. a. der verwendete Elektrodentyp, die Elektrodenwiderstände und die Verstärkereinstellung verbindlich festgelegt. Der Unumkehrbarkeitsnachweis ist nur dann erbracht, wenn eine weitgehend artefaktfreie hirnelektrische Stille (EEG-Nulllinie) von mindestens 30 min demonstriert wird.
  • TCD/Duplexsonografie:
    Mit diesem Verfahren werden die extra- und intrakraniellen hirnversorgenden Arterien mittels Ultraschalles aufgesucht und identifiziert und mittels Dopplertechnik überprüft, ob in diesen Gefäßen (noch) ein Blutstrom vorliegt. Beim Hirntoten ist der Blutstrom zum Erliegen gekommen, entsprechend finden sich im Doppler entweder ein „Null Fluss-Signal“ oder ein sog. „Pendelflusssignal“, welches einem funktionellen Durchblutungsstillstand entspricht.
  • Perfusionsszintigrafie (SPECT):
    Im Rahmen der SPECT wird dem Patienten ein geeignetes Radiopharmakon intravenös injiziert und dann in verschiedenen Ansichten und in tomografischer Technik überprüft, ob sich zunächst die zerebralen Gefäße darstellen lassen und ob sich das Radiopharmakon anschließend im Hirngewebe anreichert. Beim Hirntoten fehlen aufgrund des zerebralen Durchblutungsstillstands sowohl die Darstellung der intrakraniellen Gefäße als auch die Anreicherung des Radiopharmakons im Hirngewebe. Man spricht vom „Empty-skull-Phänomen“.
  • Computertomografie-Angiografie:
    Hier wird in tomografischer Technik unter Verwendung eines intravenös verabreichten Kontrastmittels die Darstellbarkeit der hirnversorgenden intrakraniellen Gefäße verifiziert. Beim Hirntoten kommt es auf Höhe der sog. „Dekapitationslinie“, also im Bereich des Eintritts der 4 hirnversorgenden Arterien (Aa. carotides internae und Aa. vertebrales) in das Schädelinnere, zu einem Abbruch der Kontrastmittelsäule.
  • Evozierte Potenziale:
    Unter der Voraussetzung, dass keine primär infratentorielle Hirnverletzung vorliegt, kann der Unumkehrbarkeitsnachweis auch durch Demonstration des Verlustes der kortikalen Komponenten der frühen akustischen-(FAEP) oder somatosensiblen Potenziale (SEP) erbracht werden. Die Anwendung beider Verfahren erfordert allerdings darüber hinaus obligat, dass beim Patienten ein Vorbefund aus gesunden Tagen mit intakten Nervenleitungsbahnen existiert, da sonst nicht auszuschließen wäre, dass der derzeitige kortikale Potenzialverlust auf einer angeborenen oder vorbestehenden Leitungsbahnschädigung beruht.

Ärztliche Pflichten nach Feststellung des Hirntods

Ist der Hirntod des Patienten in der oben dargestellten Weise ordnungsgemäß festgestellt, so ist sowohl aus medizinischer als auch aus rechtlicher Sicht der Tod des Patienten eingetreten. Auf dem nun auszufüllenden Leichenschauschein werden folgerichtig als Todesdatum- bzw. Uhrzeit das Datum und die Uhrzeit des Abschlusses der Hirntoddiagnostik eingetragen. Der Zeitpunkt des Hirntods bzw. Todes des Patienten ist also unabhängig vom Zeitpunkt der Beendigung der maschinellen Beatmung/Kreislaufunterstützung und einer eventuellen, nun möglichen Organspende. Mit der Feststellung des Hirntods ergeben sich für die behandelnden Ärzte aber noch weitere Pflichten: Zunächst ist, vor Beendigung der Behandlung, ein möglicher Organspendewunsch des Verstorbenen zu eruieren. Zusätzlich muss bei hirntoten Frauen im gebärfähigen Alter eine intakte Schwangerschaft durch geeignete Untersuchungen ausgeschlossen werden.
Solange also ein Organspendewunsch seitens des Hirntoten nicht ordnungsgemäß ausgeschlossen wurde, darf die Behandlung des Toten nicht abgebrochen werden, sondern sie muss im Gegenteil fortgeführt werden, bis ein Organspendewunsch sicher ausgeschlossen ist. Darüber hinaus müssen die behandelnden Ärzte den Hirntod des Patienten dem zuständigen Koordinator der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) melden, auch wenn eine Organspende z. B. aus medizinischen Gründen im gegebenen Fall unwahrscheinlich erscheint.
Feststellung eines möglichen Organspendewunsches des Verstorbenen
Zunächst müssen die behandelnden Ärzte überprüfen, ob sich der Verstorbene zu Lebzeiten im Hinblick auf eine Organ- und/oder Gewebespende schriftlich (Organspendeausweis, Patientenverfügung) oder mündlich (z. B. gegenüber dem Ehegatten oder den Kindern) eingelassen hat. Ist dies der Fall, so ist die Entscheidung des Verstorbenen für alle Beteiligten verbindlich, es gibt im Besonderen kein wie immer geartetes Vetorecht der Hinterbliebenen in Bezug auf dessen Entscheidung.
Liegt keine schriftliche oder mündliche Einlassung des Verstorbenen zur Organspende vor, so haben die Hinterbliebenen – in der Regel sind dies die Ehepartner oder die Kinder, in Einzelfällen auch die Großeltern oder hilfsweise dem Verstorbenen besonders nahestehende Personen – den mutmaßlichen Willen des Verstorbenen in Bezug auf eine Organ- oder Gewebespende zu ermitteln. Gelingt dies den entscheidungsbefugten Hinterbliebenen zweifelsfrei, so ist auch der so ermittelte mutmaßliche Wille des Verstorbenen für die behandelnden Ärzte, die Pflegenden und nachrangig entscheidungsbefugte Hinterbliebene verbindlich.
Sehen sich die Hinterbliebenen außerstande, den Willen des Verstorbenen bezüglich einer Organ- und Gewebespende zu ermitteln, so sind die Hinterbliebenen durch die behandelnden Ärzte darauf hinzuweisen, dass die Hinterbliebenen in diesem Fall das Recht haben, nach eigenen Wertmaßstäben für oder gegen eine Organspende zu entscheiden. Selbstverständlich müssen die behandelnden Ärzte die Durchführung des Ermittlungsverfahrens dokumentieren.
Es muss in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass die Ermittlung des Willens des Verstorbenen in der Praxis erhebliche Zeit in Anspruch nehmen kann. Während dieser Ermittlungsphase haben die behandelnden Ärzte nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, den Hirntoten weiter zu behandelnden; nun nicht mehr um seiner selbst willen, sondern zum Schutz der möglicherweise zu spendenden Organe. In diesem Zusammenhang ist es von besonderer Bedeutung, dass die Richtlinien der BÄK (Bundesärztekammer) ausdrücklich den Beginn der Ermittlung des Willens des Patienten schon bei vermutetem oder erwartetem Hirntod, also noch vor seiner formalen Feststellung, zulassen bzw. einfordern.
Bei vermutetem, erwartetem oder festgestelltem Hirntod müssen die behandelnden Ärzte den Willen des Patienten in Bezug auf eine Organspende ermitteln. Während der Ermittlung des Willens ist der Patient intensivmedizinisch weiter zu behandeln. Die Durchführung und das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens sind in der Krankenakte angemessen zu dokumentieren (s. Abb. 1 und Abb. 2).
Zusammenfassend gilt somit, dass in Deutschland eine Organ- bzw. Gewebespende nur möglich ist, wenn 2 Bedingungen erfüllt sind: der Hirntod des Spenders wurde richtlinienkonform festgestellt und es liegt eine rechtswirksame Zustimmung zur Spende vor; entweder durch den Spender selber oder durch entscheidungsbefugte Hinterbliebene.

Spendertauglichkeit

Selbst wenn die 2 zentralen oben aufgeführten Voraussetzungen zur Organspende gegeben sind, gibt es Erkrankungen des potenziellen Spenders, bei deren Vorliegen eine Organspende absolut kontraindiziert ist. Es sind dies:
  • HIV (Human Immunodeficiency Virus)-Erkrankung
  • Floride Tuberkulose
  • Gesicherte und nichtsanierte Sepsis mit nachgewiesenen multiresistenten Keimen
  • Nicht behandelbare Infektionen (z. B. Tollwut, Creutzfeld-Jakob)
  • Nicht kurativ behandelbare Malignome
Außerhalb der oben genannten Kontraindikationen sollte die individuelle Tauglichkeit eines potenziellen Spenders sorgfältig und unvoreingenommen geprüft werden bzw. nicht leichtfertig verneint werden; gerade auch vor dem Hintergrund des großen Mangels an gespendeten Organen in Deutschland. In der Praxis bedeutet dies, dass eine sachgemäße Entscheidung bezüglich der Tauglichkeit eines potenziellen Spenders nur unter Einbeziehung transplantationsmedizinischer Expertise und der Expertise der Koordinatoren der DSO erfolgen kann. So wird beispielsweise in jüngster Vergangenheit in Deutschland von erfolgreichen Leber- und Nierentransplantationen von über 80-jährigen Spendern berichtet.

Intensivmedizinische Behandlung des Organspenders

Einleitung

Nach richtlinienkonformer Feststellung des Hirntods und dem Vorliegen einer rechtswirksamen Einwilligung in eine Organ- bzw. Gewebespende sowie gegebener Spendertauglichkeit ist nunmehr einziges Ziel der intensivmedizinischen Weiterbehandlung des Spenders die Vermeidung funktioneller und struktureller Organschäden, die sog. „Organprotektion“ bzw. „Spenderkonditionierung“, denn der komplette Ausfall der zentralen Regulationsmechanismen führt zu schweren pathophysiologischen Veränderungen der Hämodynamik, des Elektrolythaushalts, der Körpertemperatur und der Lungenfunktion. Im Folgenden sollen die allgemein akzeptierten Behandlungsstrategien der am häufigsten vorkommenden Veränderungen kurz dargestellt werden.
Grundsätzlich gilt, dass ein ausreichender Perfusionsdruck (MAD (Mittlerer arterieller Druck) 70–100 mmHg) und Sauerstoffangebot (peripherer SaO2 (arterielle Sauerstoffsättigung) > 92 %) sichergestellt werden müssen. Im Hinblick auf Laborparameter und kardiopulmonale Zielgrößen wird man die gleichen Ziele wie bei kritisch kranken Patienten anstreben. So gilt zum Beispiel bei der Beatmung des Organspenders das Konzept der lungenprotektiven Beatmung: es werden kleine Tidalvolumina von ca. 6 ml/kg KG angewendet, der Inspirationsdruck wird auf ca. 30 mbar begrenzt und es wird zur Vermeidung eines expiratorischen Alveolarkollapses ein ausreichend hoher PEEP (positiver endexpiratorischer Druck) angelegt. Die applizierte Sauerstoffkonzentration wird nicht höher eingestellt, als es zu einer angemessenen Versorgung mit Sauerstoff notwendig ist. Des Weiteren kann bei instabilen Spendern ein erweitertes hämodynamisches Monitoring sinnvoll sein.

Häufige Probleme im Rahmen der organprotektiven Behandlung

Behandlung einer Hypovolämie/Hypotonie
Zur Korrektur eines intravasalen Volumendefizits ist die Gabe von balancierten Kristalloidlösungen Mittel der ersten Wahl. Sekundär können auch Albumin- bzw. Gelatinelösungen eingesetzt werden. Die Gabe von Hydroxyäthylstärke (HAES) sollte aufgrund der Gefahr von renalen Tubulusnekrosen vermieden werden.
Behandlung einer Hypotonie trotz adäquater Volumensubstitution
Nach Diagnose der Ursache (z. B. Herzinsuffizienz, Einschwemmung inflammatorischer Substanzen) Verabreichung von geeigneten Katecholaminen wie Adrenalin, Dobutamin oder Noradrenalin.
Behandlung einer Hypertonie bzw. Tachy- bzw. Bradyarrhythmie
Zur Therapie einer Hypertonie kommen peripher wirksame, gut steuerbare Antihypertonika zum Einsatz. In der Behandlung von Herzrhythmusstörungen wird man sich an etablierten Strategien orientieren. Hierbei ist zu beachten, dass eine Bradykardie wegen des Ausfalls des zentralen Sympathiko- bzw. Parasympathikotonus nicht mehr auf Atropin anspricht, sondern vielmehr direkt wirksame β-adrenerge Agonisten eingesetzt werden müssen.
Behandlung eines Diabetes insipidus centralis bzw. Dysbalancen des Natriumhaushalts
Bis zu 80 % aller Hirntoten entwickeln wegen des Ausfalls der Hypophysenfunktion einen zentralen Diabetes insipidus, der sich in einer Ausscheidung von > 5 ml/kg KG/h hypotonen Urins (spezifisches Gewicht < 1005) manifestiert. Der Diabetes insipidus lässt sich in der Regel gut mit der intravenösen Gabe von Desmopressin behandeln; entweder als Bolus von 1–4 μg oder kontinuierlich mit 0,5–2 μg/h.
Sehr häufig kommt es bei Hirntoten auch zu einer Hypernatriämie, die geeignet ist, bei Persistenz die zu spendenden Organe erheblich zu schädigen. Eine Hypernatriämie mit Hypovolämie sollte mit 5 %iger Glukoselösung bzw. Halbelektrolytlösungen korrigiert werden. Bei einer hypervolämischen Hypernatriämie wird ein Schleifendiuretikum wie Furosemid eingesetzt und die hierdurch erzielte Ausscheidungsmenge mit 5 %iger Glukoselösung oder Halbelektrolytlösung substituiert.
Behandlung einer Hypo- bzw. Hyperglykämie
Einer Unterzuckerung wird mit der Gabe von Glukoselösungen begegnet, eine Hyperglykämie (> 150 mg/dl) am besten unter kontinuierlicher, intravenöser Applikation von Insulin mit engmaschiger Kontrolle des Kaliumwerts.
Behandlung einer Hypothermie
Wegen des Ausfalls der hypothalamischen Temperaturregulation sind Hirntote durch erhebliche Wärmeverluste bedroht. Körperkerntemperaturen < 35° Celsius sind mit einer Linksverschiebung der Sauerstoffbindungskurve und konsekutiv erschwerter Sauerstoffabgabe an die Gewebe verbunden; hinzu kommt, dass sich die Blutgerinnung relevant verschlechtert. Zur Vermeidung bzw. Korrektur einer Hypothermie ist die Anwendung von Heizdecken und Warmluftgeräten indiziert. Infusionslösungen sollten grundsätzlich angewärmt werden.
Behandlung einer Hypokapnie
Der deutlich verminderte Gesamtstoffwechsel des Organspenders – oft in Kombination mit der zuvor zur Hirndrucksenkung angewendeten Hyperventilation – kann zu einer schweren respiratorischen Alkalose führen, welche im Systemkreislauf eine Vasokonstriktion mit hierdurch bedingter Durchblutungsminderung der Organe induziert. Darüber hinaus verschiebt sich unter der Alkaliämie die Sauerstoffkurve nach links, was die Lösung der Sauerstoffmoleküle vom Hämoglobin auf der Gewebeebene erschwert. Zur Therapie ist in der Regel eine Anpassung der Beatmungsparameter unter Kontrolle der Blutgase ausreichend.
Behandlung einer Anämie
Ein kritischer Wert unter den der Hämatokrit im Rahmen der Organprotektion nicht fallen sollte, ist nicht bekannt. Gleichwohl sollte die Indikation zur Gabe von Erythrozytenkonzentraten streng gestellt werden. Ein Hb-Wert > 7 g/dl wird im Allgemeinen als ausreichend angesehen.
Behandlung von Gerinnungsstörungen
Bei etwa 5 % aller Organspender kommt es zu klinisch relevanten Gerinnungsstörungen, die möglicherweise aufgrund eines Übertritts von neuronalem Material in den Systemkreislauf (mit)verursacht werden. Die Behandlung mit Gerinnungspräparaten und/oder gefrorenem Frischplasma (FFP) erfolgt nach etablierten, hämostaseologischen Strategien. Allerdings ist im gegebenen Kontext das primäre Ziel die Kontrolle der Blutung und nur sekundär die definitive Wiederherstellung der Gesamtgerinnung.
Zusammenfassend gilt also, dass die intensivmedizinische Betreuung des Organspenders genau so sorgfältig und umfassend sein muss wie die jedes kritisch Kranken, denn nur so wird Struktur und Funktion der zu transplantierenden Organe erhalten und auch die Anzahl der pro Spender gewonnenen Organe erhöht. Genauso wichtig wie eine sachgerechte Behandlung des Spenders ist aber auch die Länge der Zeit, die von der Feststellung des Hirntods bis zu Entnahme/Implantation der gespendeten Organe, vergeht. Je länger dieser Zeitraum ist, desto größer ist die Gefahr eines Transplantatversagens beim Empfänger.
Weiterführende Literatur
Bein T (2015a) Hirntodfeststellung. In: Die Intensivmedizin. Springer,
Bein T (2015b) Intensivmedizinische Behandlung des Organspenders. In: Die Intensivmedizin. Springer, Berlin/Heidelberg
Deutsche Stiftung Organtransplantation (2021) Verfahrensanweisungen der DSO gemäß § 11 des Transplantationsgesetzes
Deutsche Stiftung Organtransplantation (2022) Leitfaden für die Organspende
Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen (Transplantationsgesetz – TPG) vom 5. November 1997. In: Bundesgesetzblatt Jahrgang 1997
Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes vom 01.08.2012 und Gesetz zur Regelung der Entscheidungslösung im Transplantationsgesetz vom 01.08.2012. In: Bundesgesetzblatt Jahrgang 2012
Moskopp D (2015) Hirntod. Konzept – Kommunikation – Verantwortung. Thieme, Stuttgart
Schäfer K (2017) Vom Koma zum Hirntod. Kohlhammer, Stuttgart
Wissenschaftlicher Beirat der Bundesärztekammer (2015) Richtlinie für die Regeln zur Feststellung des Todes und die Verfahrensregeln zur Feststellung des endgültigen, nicht behebbaren Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms, vierte Fortschreibung
Wissenschaftlicher Beirat der Bundesärztekammer (2020) Richtlinie zur Spendererkennung