Sterben auf der ITS ist häufig und kommt selten unerwartet. Die Anzahl der Sterbefälle auf ITS nach Beendigung lebensunterstützender Maßnahmen nimmt international deutlich zu (Truog et al.
2008; Truog et al.
2001). In einer französischen Studie konnte gezeigt werden, dass 53 % der Sterbefälle auf ITS nach Therapielimitierung (Tab.
1) auftreten (Ferrand et al.
2001).
Tab. 1
Formen der Begrenzung intensivmedizinischer Maßnahmen (nach (Scheffold et al.
2009))
Therapiebegrenzung („withholding treatment“) | Instrument der Limitation therapeutischer Maßnahmen auf einem zuvor definierten Umfang |
Therapiebeendigung („withdrawing treatment“) | Aktive Beendigung jeglicher lebenserhaltender Maßnahmen |
Therapiereduktion/Therapieminimierung | Rücknahme begonnener intensivmedizinischer Maßnahmen |
In der europäischen ETHICUS-Studie wurden lebensverlängernde Maßnahmen bei 9,8 % aller Intensivaufnahmen (3068 von 31.417 Patient:Innen) bzw. bei 76 % aller sterbenden Patient:Innen (n = 4056) eingestellt (Sprung et al.
2003). Amerikanische Daten gehen hierbei sogar von 90 % aus (Prendergast und Luce
1997). Die mediane Zeitdauer von der ersten Entscheidung zur Therapielimitierung bis zum Tod der Patient:Innen lag in der ETHICUS-Studie bei 14,7 (2,9–54,7) Stunden (Sprung et al.
2003). Die ETHICUS-2 Studie untersuchte zwischen 2015 und 2019 die Praktiken am Lebensende auf 199 ITS in 36 Ländern weltweit (Avidan et al.
2021). Eine Limitation lebenserhaltender Behandlungen wurde bei 10.401 Patient*Innen registriert (11,8 % aller Aufnahmen auf der ITS und 80,9 % von 12.850 Patient*Innen der Studienpopulation. Die häufigste Einschränkung war das Unterlassen einer lebenserhaltenden Behandlung (5661 [44,1 %]), gefolgt von Beendigung der lebenserhaltenden Behandlung (4680 [36,4 %]). In einer retrospektiven Beobachtungsstudie wurde die deutschlandweite fall-pauschalenbezogene Krankenhausstatistik (DRG-Statistik; DRG, „diagnosis related groups“) zwischen 2007 und 2015 ausgewertet (Fleischmann-Struzek et al.
2019). Dabei wurden Hospi-talisierungen, Anzahl der Todesfälle und die Inanspruchnahme einer Inten-sivtherapie untersucht. Die jährlichen bevölkerungsbasierten Inzidenzen wurden auf die Alters- und Geschlechtsverteilung der deutschen Bevölkerung standardisiert. Die standardisierten Krankenhausbehandlungsraten stiegen jährlich um 0,8 % (von 201,9 auf 214,6 pro 1000 Einwohner), während die Krankenhausbehandlungsraten mit Inanspruchnahme einer Intensivtherapie jährlich um 3,0 % (von 6,5 auf 8,2 pro 1000 Einwohner) stiegen. Unter allen Todesfällen in der deutschen Bevölkerung nahm der Anteil der Todesfälle im Krankenhaus mit Inanspruchnahme einer Intensivtherapie jährlich um 2,3 % zu (von 9,8 auf 11,8 %). Unter den Krankenhaustodesfällen erhöhte sich der Anteil der Patient*Innen, die eine Intensivtherapie erhielten, jährlich um 2,8 % von 20,6 % (2007) auf 25,6 % (2015). In der Altersgruppe ab 65 Jahre stieg die Zahl der im Krankenhaus Verstorbenen, die eine Intensivtherapie erhielten, dreimal so schnell wie die der Krankenhaustodesfälle.