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Die Intensivmedizin
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Publiziert am: 28.01.2023

Point of Care Testing in der Gerinnungsanalytik

Verfasst von: Christian F. Weber und Kai Zacharowski
Perioperativ auftretende Gerinnungsstörungen stellen einen unabhängigen Prädiktor für kardiale und nichtkardiale Ereignisse dar und wurden mit erhöhter perioperativer Morbidität und Mortalität assoziiert. Eine schnellstmögliche und umfassende Diagnose der zugrunde liegenden Gerinnungsstörung ermöglicht eine zielgerichtete Therapie und ist deswegen von hoher klinischer Relevanz bei der intensivmedizinischen Versorgung von koagulopathischen bzw. hämorrhagischen Patienten. Neben der üblicherweise im Zentrallabor durchgeführten klassischen konventionellen Gerinnungsdiagnostik stehen im klinischen Alltag zunehmend sog. Point-of-care- (POC-) Methoden zur bettseitigen Gerinnungsdiagnostik und zum Therapiemonitoring von Gerinnungsstörungen zur Verfügung. Das methodische und diagnostische Spektrum der POC-Methoden wächst kontinuierlich und reicht vom einfachen Streifentest bis zu komplexen Verfahren, deren Bedienung und Ergebnisinterpretation trainierten Untersuchern vorbehalten ist und spezifische, an die jeweilige POC-Methode und das Patientenkollektiv adaptierte Hämotherapie-Algorithmen notwendig macht.
Definition
Point-of-care-Diagnostik (POC-Diagnostik)
Der Begriff Point-of-care-Diagnostik in der perioperativen Medizin beschreibt die Durchführung der Analysen am Ort der Patientenversorgung: im Operationssaal, auf der Intensivstation, im Schockraum und in der Notaufnahme oder auch präoperativ, z. B. in der Anästhesieambulanz. Synonyme sind bettseitige oder patientennahe Diagnostik.
Abhängig von der Fragestellung werden die verschiedenen POC-Testverfahren gezielt eingesetzt. Die einzelnen Methoden erfassen jeweils nur Teilaspekte der Hämostase und können somit nur gemeinsam und sich ergänzend den komplexen physiologischen Gerinnungsprozess abbilden. Selbst bei Kombination mehrerer methodisch unterschiedlicher Methoden bleiben Teilaspekte der Hämostase unerkannt – beispielsweise lassen sich die Einflüsse von Hypothermie, Azidose, Anämie aber auch Einzelfaktordefizite oder bestimmte Antikoagulantien nicht oder nur unspezifisch abbilden (Nath et al. 2022).

Pro und Kontra der konventionellen und POC-Gerinnungsanalytik

Der komplexe Ablauf und die Funktionen der Blutgerinnung lassen sich aus pathophysiologischer und analytischer Sicht in 4 Abschnitte unterteilen.
Primäre Hämostase,
  • Thrombin- und Fibringenerierung,
  • Gerinnselbildung und -stabilisierung,
  • Fibrinolyse.
Bei der primären Hämostase spielen die vaskulären Komponenten (Endothel, Gefäßmuskulatur etc.), die Thrombozyten und der von-Willebrand-Faktor (vWF) eine wichtige Rolle. Bei der Thrombingenerierung sind die zahlreichen extrinsischen und intrinsischen Gerinnungsfaktoren von essenzieller Bedeutung. Das hierbei entstehende Thrombin ist das Schlüsselenzym der Gerinnung und der Initiator der Gerinnselbildung. Im Gegensatz zur Thrombinbildung sind in diesem 3. Abschnitt nur wenige Faktoren beteiligt: das Fibrinogen bzw. Fibrin, die Thrombozyten und der das Gerinnsel stabilisierende Faktor XIII. Die maßgeblich über Plasmin vermittelte Fibrinolyse folgt als 4. und letzte Phase, welche unter physiologischen Bedingungen später und adäquat reguliert stattfindet.
Die Parameter und Globaltests der konventionellen Routinegerinnungsdiagnostik (Thrombozytenzahl, INR, aPTT und Fibrinogenkonzentration) sind nicht geeignet, um die beschriebenen Funktionen des Gerinnungssystems abzubilden. Nach oftmals zeitaufwendigem Transport und präanalytischer Aufbereitung der Blutproben (z. B. Zentrifugation) wird mit dem Beginn der Analyse der Blutprobe erst verzögert begonnen. Die Messungen erfolgen standardisiert bei 37 °C, deshalb können durch Hypothermie induzierte Gerinnungsstörungen nicht detektiert werden. Durch Zentrifugation werden die korpuskulären Elemente des Bluts (Erythrozyten, Leukozyten etc.) eliminiert, und somit wird deren Funktion im Hämostaseprozess bei der Analyse nicht berücksichtigt. Die rein quantitative Messung der Thrombozytenzahl erfasst die Kapazität der primären Hämostase nur unzureichend. Eine spezifische und sensitive Diagnose der (Hyper)fibrinolyse ist mit den konventionellen Gerinnungsanalysen nicht möglich (Tahitu et al. 2022).
Eine Metaanalyse von 64 Studien, die zwischen 1950 und 2013 publiziert wurden, zeigte, dass es keine Evidenz aus randomisierten Studien gibt, die den Nutzen von konventioneller Gerinnungsdiagnostik für das perioperative Blutungsmanagement bestätigt (Haas et al. 2015).
Ein besseres Abbild der physiologischen Funktionen und der analytischen Abschnitte des Gerinnungsprozesses liefern die POC-Methoden. Diese POC-Systeme sind in ihren analytischen Technologien sehr heterogen. Gemeinsam ist, dass durch den Wegfall eines zeitaufwendigen Probentransports und die Vereinfachung der Präanalytik binnen weniger Minuten Parameter zur Diagnostik und zum Therapiemonitoring einer Koagulopathie zur Verfügung stehen.
Zur Analyse werden meist geringe Mengen von Vollblut verwendet. Die Zentrifugation entfällt und ermöglicht dadurch die Erfassung des Gerinnungsprozesses in einem physiologischeren Umfeld als bei der konventionellen Analytik. Die Kapazität der primären Hämostase, die Dynamik der Gerinnselbildung, die Gerinnselfestigkeit, sowie die Stabilität des Gerinnsels in Abhängigkeit von der Zeit eignen sich als Surrogatparameter für eine klinische Blutungsneigung und lassen sich mit der Kombination verschiedener POC-Methoden quantifizieren (Volod et al. 2022; Hanke et al. 2017).
Auch wenn das diagnostische Spektrum der POC basierten Gerinnungsdiagnostik stetig wächst und mittlerweile auch Methoden zur bettseitigen sensitiven und spezifischen Detektion der Effekte von direkten oralen Antikoagulantien sowie des fibrinolytischen Systems zur Verfügung stehen (Groene et al. 2021a; Bachler et al. 2021) bleiben einige Ursachen für Gerinnungsstörungen selbst bei Kombination mehrerer POC-Methoden verborgen:
Es existieren derzeit keine POC-Methoden zum bettseitigen sensitiven und spezifischen Monitoring der hämostaseologischen Effekte von Hypothermie, Azidose und Anämie sowie einiger hereditärer Koagulopathien (z. B. Einzelfaktormangelzustände) oder bestimmter Antikoagulantien. Auch die Effektivität der Notfall-Reversierung bestimmter direkter oraler Antikoagulantien (Xa Inhibitoren) lässt sich nicht sicher abbilden.
Im Gegensatz zu den konventionellen Analysen im Gerinnungslabor ist die Durchführung der POC-Methoden zur Gerinnungsdiagnostik im Regelfall durch Personal ohne umfassende Ausbildung und medizinisch-technische Erfahrung in Labortätigkeiten möglich. Bei den meisten Methoden müssen die Reagenzien nicht manuell vorbereitet werden, und die Bedienung der Geräte ist einfach zu erlernen.
Die Nachteile der POC-Diagnostik gegenüber den konventionellen Laboranalysen bestehen in der Bindung von Personal und Zeit für die Messung und Ergebnisinterpretation, Qualitätskontrollen, Dokumentation sowie Leistungserfassung für Abrechnungszwecke. Die Qualitätskontrollen der Methoden werden dadurch erschwert, dass das Vollblut als Probenmaterial nur über eine sehr kurze Zeitspanne stabil ist und deswegen beispielsweise Methoden zur Analyse der Thrombozytenfunktion nicht in Ringversuchen kontrolliert werden können. Verfügbare Kontrollmaterialen bestehen deshalb meist aus lyophilisiertem Plasma oder sonstigen vom Hersteller der jeweiligen POC-Methode bereitgestellten Lösungen, bei deren Analyse im Rahmen der Qualitätskontrolle das Einhalten bestimmten Referenzwerte untersucht wird.
Die Ergebnisse der gleichen POC-Messungen in verschiedenen Einrichtungen, sogar an verschiedenen baugleichen Geräten sind daher nur bedingt miteinander vergleichbar. Die mangelnde Reproduzierbarkeit der Ergebnisse erschwert die Berechnung von Sensitivität und Spezifität einzelner Verfahren.
Die „Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen – Rili-BÄK“ legt verbindliche Anforderungen für die Qualitätskontrolle fest. Regelmäßige interne Kontrollen, in der Regel mit Kontrollmaterialien des Herstellers, müssen durchgeführt werden. Die Teilnahme an Ringversuchen wird empfohlen. Bei POC-Methoden, zu denen analoge Verfahren im Labor verfügbar sind (TPZ, aPTT), kann die externe Kontrolle durch vergleichende Untersuchungen zwischen dem POC-System und dem Labor erfolgen.
Die Implementierung von POC-Verfahren in Hämotherapiealgorithmen ermöglicht eine zielgerichtete Hämotherapie und reduziert dadurch die Transfusionsrate allogener Blutprodukte. Metaanalysen mehrerer prospektiv randomisierter Studien zeigten, dass die Anwendung von POC-basierten Hämotherapie-Algorithmen bei der Versorgung koagulopathischer Patienten mit einem besseren klinischen Outcome assoziiert ist (Veigas et al. 2016; Wikkelsø et al. 2017).
Die Gegenüberstellung zeigt, dass die bettseitige Gerinnungsdiagnostik keine Konkurrenz, sondern eher eine Erweiterung der konventionellen Gerinnungsanalytik darstellt. Eine schnellere Diagnostik, ein kontinuierlich weiterentwickeltes breiteres diagnostisches Spektrum und die wissenschaftliche Begleitung der Implementierung von POC-Methoden im klinischen Alltag haben dazu geführt, dass POC-basierte Hämotherapie einen festen Platz in der Versorgung akut-koagulopathischer und hämorrhagischer Patienten gefunden hat.

Verfahren zur Erfassung der primären Hämostase

Die konventionelle Gerinnungsdiagnostik liefert mit der „Thrombozytenzahl“ lediglich eine quantitative Analyse der primären Hämostase, die bekanntermaßen von eingeschränktem klinischem Wert ist. Es besteht deswegen regelhaft der Bedarf einer qualitativen Analyse der primären Hämostase, und hier insbesondere der Thrombozytenfunktion.
In den 1960er- bis 80er-Jahren wurde die Thrombozytenfunktionsdiagnostik v. a. nach dem Verfahren von Born (1962) im plättchenreichem Plasma durchgeführt. Seit einigen Jahren werden zunehmend Analyseverfahren entwickelt und eingesetzt, welche patientennah aus dem Vollblut Teilaspekte der primären Hämostase erfassen. Methodisch unterscheiden sich die Verfahren hinsichtlich der Aktivierung, der im Test auftretenden Scherkräfte sowie der Detektion der Thrombozytenaktivierung.
Es existieren heute verschiedene POC-Methoden zur Analyse der primären Hämostase. Sie unterscheiden sich substanziell in der ihrem Messprinzip zugrunde liegenden Methodik. Grundsätzliches und methoden-übergreifendes Prinzip ist, dass üblicherweise mit Heparin antikoaguliertes Blut in eine Testzelle verbracht wird und dort auf unterschiedlichem Weg und mit unterschiedlichen Agonisten eine Aktivierung der Thrombozyten erfolgt. Durch die Aktivierung der Thrombozyten kommt es zu einer Veränderung in der Messzelle, die beispielsweise elektrisch oder optisch analysiert wird und wodurch die thrombozytäre Stimulierbarkeit als Surrogat der Thrombozytenfunktion quantifizierbar wird.
Das methodenspezifische analytische Prinzip umfasst nach thrombozytärer Aktivierung beispielsweise die Zeitmessung bis zum Verschluss einer Kapillare (PFA100®-Gerät), die Erfassung einer Impedanzänderung zwischen zwei Metalldrähten nach Anhaften aktivierter Thrombozyten (Multiplate®-System) oder die Veränderung der Turbidität einer Blutprobe (VerifyNow®). Klassische in-vitro Agonisten zur Stimulierung der Thrombozytenaggregation sind das Thrombin-Rezeptor aktivierende Peptid (TRAP), Arachidonsäure, Kollagen oder ADP.
Das Anwendungsspektrum der POC-Methoden zur Analyse der primären Hämostase umfasst neben der Diagnostik von antikoagulatorische Effekten von Aggregationshemmern (COX-Inhibitoren, ADP-Inhibitoren, Glykoprotein IIb/IIIa-Inhibitoren) insbesondere
Limitationen der Verfahren zur Erfassung der primären Hämostasen
Als Hauptlimitation gilt, dass die Ergebnisse der POC-Methoden zur Analyse der primären Hämostase von externen Faktoren beeinflussbar sind und dadurch die Aussagekraft der Ergebnisse eingeschränkt sein kann. Die Ergebnisse variieren in Abhängigkeit der Thrombozytenzahl und des Hämatkrits der untersuchten Blutprobe. Außerdem hat die Dauer einer präanalytischen Ruhephase einen Einfluss auf die Ergebniskonsistenz einzelnen Methoden, was den Nutzen dieser Systeme für das Management akuter Blutungen limitiert.
Die Methoden zur bettseitigen Diagnostik der Thrombozytenfunktion sind wichtige Tools für die Detektion von hereditären, iatrogen induzierten oder akut erworbenen Störungen im Bereich der primären Hämostase, die Effektivitätskontrolle nach Einsatz von Blutprodukten und anderen Hämotherapeutika und das Therapiemonitoring von antikoagulatorischer Therapie.

Verfahren zur Erfassung von Parametern der plasmatischen Gerinnung

Die bettseitigen Verfahren zur Bestimmung von Parametern der plasmatischen Gerinnung erfassen lediglich den Abschnitt der Thrombingenerierung aus dem Gerinnungsprozess. Die gewonnenen Informationen ermöglichen jedoch die sinnvolle Anwendung dieser Geräte bei bestimmten Fragestellungen:
  • Monitoring der oralen Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten (Quick-Wert bzw. Thromboplastinzeit, TPZ),
  • Monitoring der Heparin-Wirkung (aktivierte partielle Thromboplastinzeit, aPTT),
  • Monitoring der Antikoagulation mit unfraktioniertem Heparin und anderen Antikoagulanzien bei Eingriffen mit der extrakorporalen Zirkulation sowie periinterventionell mittels aktivierter Gerinnungszeit (ACT).

TPZ- und aPTT-Bestimmung

Methoden zur bettseitigen Bestimmung der Thromboplastinzeit (TPZ) und aPTT sind Handgeräte mit Einwegteststreifen, die die Analysen aus einem Tropfen Vollblut durchführen können. Die Methoden eignen sich für das Monitoring einer oralen Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten. Die Methoden sind nach WHO-Richtlinien gegen internationale Referenzthromboplastine standardisiert und können auch als Patientenselbsttest angewandt werden.

ACT-Bestimmung

Eine stetig wachsende Zahl verschiedener POC-Geräte wird zur bettseitigen Bestimmung der aktivierten Gerinnungszeit (ACT) aus Vollblutproben verwendet. Die angewandten Methoden unterscheiden sich in der Art ihrer Messtechnik erheblich. Es gibt Verfahren, bei denen Blut über Teststreifen oder durch Kapillaren bzw. Einwegkassetten fließt, deren Oberflächen mit Aktivatoren präpariert sind. Bei anderen Messtechniken wird das Blut in Küvetten überführt und der aktivierte Gerinnungsprozess mit einer optischen Methode detektiert. Als Aktivatoren wird meistens Kaolin oder Celite verwendet.
Der größte Nachteil dieser Vielfalt ist, dass die Ergebnisse unterschiedlicher Testsysteme nur bedingt miteinander vergleichbar sind. Daher existieren keine einheitlichen Referenz- und Zielwerte.

Viskoelastische Vollblutverfahren zur kombinierten Erfassung der plasmatischen Gerinnung, Gerinnselfestigkeit und Fibrinolyse

Die Verfahren zur viskoelastischen Gerinnungsdiagnostik aus Vollblut basieren auf dem Prinzip der klassischen Thrombelastographie nach Hartert (1981), die sich wegen methodischer Limitationen (keine Einwegtestzellen, hohe Vibrationsempfindlichkeit) nicht im labormedizinischen und klinischen Alltag etablieren konnte.
Das diagnostische Prinzip der Viskoelastometrie (z. B. mittels ROTEM® oder ClotPro®) basiert in Anlehnung an die von Hartert entwickelte Methode darauf, dass ein Stempel in eine mit Vollblut gefüllte Küvette ragt und sich der Stempel (bzw. die Küvette) in dem üblicherweise mittels Zitrat antikoagulierten Blut kontinuierlich dreht. Der der Drehbewegung entgegenwirkende Widerstand in der Küvette wird kontinuierlich erfasst und graphisch aufgetragen. Nach Hinzugabe von methodenspezifischen Agonisten kommt es in-vitro zur Gerinnungsaktivierung und in dessen Folge zum Anstieg des Widerstands durch zunehmende Gerinnselfestigkeit. Andere Methoden basieren auf der Analyse der Viskoelastizität durch eine Resonanzmethode (z. B. TEG6s®) oder der Analyse der Gerinnselfestigkeit mittels Ultraschall-basierter Sonorheometrie (z. B. Quantra®).
In Abhängigkeit der verwendeten POC-Methode variiert der Aufwand für den Anwender: Bei einigen Methoden ist es erforderlich, dass Blutproben und Agonisten vom Anwender in die Messzelle pipettiert werden – andere Methoden zeichnen sich durch einen höheren Automatisierungsgrad aus und ermöglichen dadurch eine kürzere Personalbindung.
Die Dauer der Gerinnungsaktivierung nach Hinzugabe der Agonisten kann auf das Potential der Gerinnungsaktivierung und damit auf die Gerinnungsfaktoren hinweisen; die Höhe des Widerstandes kann die Bestandteile des Gerinnsels reflektieren (Thrombozytenzahl, Fibrinogen, Faktor XIII) und das frühzeitige Nachlassen der Gerinnselfestigkeit kann Rückschlüsse auf das fibrinolytische System ermöglichen (Abb. 1).
Klassisches Testspektrum der Viskoelastometrie
  • Extrinsische Aktivierung z. B. mittels Gewebsfaktor (=Tissue Factor; TF). Verlängerte CT-Zeiten können extrinsische Faktorenmangelzustände oder eine effektive Wirkung von Vitamin K Antagonisten anzeigen.
  • Extrinsische Aktivierung z. B. mittels Gewebsfaktor (TF) + Cytochalasin zur Inhibierung von Thrombozyten. In diesem Test werden die Thrombozyten inhibiert, so dass die im Test dargestellte maximale Clotfestigkeit hauptsächlich von Fibrinogen determiniert wird. So lässt dieser Test Rückschlüsse darauf zu, ob ein Fibrinogenmangel vorherrscht oder eine eingeschränkte Gerinnselfestigkeit auf eine Thrombozytopenie zurückzuführen sein kann.
  • Extrinsische Aktivierung z. B. mittels TF + Aprotinin. In Vitro würde eine Hyperfibrinolyse durch das Aprotinin gehemmt. Wenn bei dem Test mit klassischer extrinsischer Aktivierung das Gerinnsel frühzeitig zusammenbricht und in diesem Test mit Aprotinin nicht, dann gilt eine (Hyper)fibrinolyse als bestätigt.
  • Intrinsische Aktivierung z. B. mittels Ellagsäure. Die CT-Zeit reflektiert die intrinsischen Faktoren der Gerinnungsaktivierung – eine Verlängerung kann auf einen intrinsischen Faktorenmangel (z. B. bei massivem Blutverlust) oder auf die Wirkung von Antikoagulantien (unfraktioniertes Heparin oder Xa-Inhibitoren) hinweisen.
  • Intrinsische Aktivierung z. B. mittels Ellagsäure + Heparinase. In vitro wird unfraktioniertes Heparin durch die Heparinase inhibiert. Sollte nach klassischer intrinsischer Aktivierung eine verlängerte CT-Zeit vorliegen und würde in diesem Test mit Heparinase die CT-Zeit normalisiert, dann wäre das ein Beweis für das Vorliegen eines Heparin-Effektes.
Die klassischen Tests eignen sich zur Analyse von extrinsischen und/oder intrinsischen Faktorenmangelzuständen und erlauben eine Differenzierung zwischen echtem „Faktorenmangel“ und dem Vorhandensein von Vitamin K – Antagonisten oder unfraktioniertem Heparin oder Xa-Inhibitoren. Außerdem erlaubt das klassische Testspektrum eine Differentialdiagnose von eingeschränkter Gerinnselfestigkeit (Thrombozytenmangel, Fibrinogenmangel oder beides) sowie die Diagnose einer Hyperfibrinolyse.
Erweitertes Spektrum
  • Direkte orale Antikoagulantien (DOAK)
    Von besonderem Interesse ist wegen der klinischen Relevanz das Monitoring von direkten oralen Antikoagulantien (Xa- und Thrombin-Inhibitoren), deren Effekte sich nur unzureichend in der konventionellen Gerinnungsdiagnostik, den klassischen viskoelastischen Tests oder der Standard-antiXa-Aktivität abbilden lassen und bei denen auch mit Blick auf den Einsatz spezifischer Pharmaka zur Reversierung der antikoagulatorischen Effekte ein rasch verfügbares sowie sensitives und spezifisches Monitoring dringend notwendig ist. Das ClotPro® System verfügt mit dem RVV- und dem ECA-Test über zwei viskoelastische Testverfahren, die für das Monitoring von Xa- bzw. Thrombininhibitoren eingesetzt werden können.
  • TPA
    Im TPA-Test des ClotPro® wird in vitro durch den Zusatz von tissue Plasminogen-Aktivator (tPA) eine Lyse induziert. Der Test kann sich dafür eignen das fibrinolytische System abzubilden (Heinz et al. 2021) oder die Wirkung von Tranexamsäure zu überprüfen (Groene et al. 2021b).
Literatur
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