Die Körpertemperatur wird beim Gesunden durch ein Gleichgewicht zwischen Wärmeproduktion und -verlust in einem engen Bereich konstant gehalten. Dieses Equilibrium kann auch bei körperlicher Aktivität und sogar bei extremen Umweltbedingungen aufrechterhalten werden.
Der Verlust von Wärme erfolgt über Verdunstungsverluste, Konvektion, Wärmestrahlung und Wärmeleitung. Im Wasser erhöht sich die Wärmeleitung des Körpers auf das 20- bis 30-Fache. Bei Kälteexposition versucht der Hypothalamus, die Wärmeproduktion durch Kältezittern und eine Aktivierung der Schilddrüsen- und Nebennierenfunktion zu steigern. Die vermehrte Katecholaminproduktion führt zu einer Vasokonstriktion, die den Wärmeverlust über die Extremitäten und die Haut vermindert.
Wird der Mensch längere Zeit niedrigen Temperaturen ausgesetzt, vermindert der Körper seine Wärmeabgabe und erhöht seine Wärmeproduktion durch Kältezittern, das, wenn es anhält, ein charakteristisches Kennzeichen der
Hypothermie ist (Abwehrstadium). Die Körperkerntemperatur wird durch eine Umverteilung des Blutes aus der Haut und den Extremitäten in den Körperstamm auf Kosten der Körperperipherie aufrechterhalten. Infolge der peripheren Vasokonstriktion kann es zu einer Kreislaufzentralisation mit der Gefahr peripherer Erfrierungen kommen. Es entsteht eine Stase kühlen Blutes in der Körperperipherie, in der das Blut verbleibt, und es gibt kaum noch einen Austausch mit dem Körperkern.
Wenn die Körperkerntemperatur unkontrolliert unter 35 °C fällt, entwickelt sich ein zunehmend generalisiertes Krankheitsbild, dessen klinische Symptome und Schweregrad mit dem Ausmaß des Temperaturabfalls zunehmen. Schließlich entwickelt sich eine zunehmende Sinusbradykardie, der
Vorhofflimmern, im Verlauf Kammerflimmern und zuletzt eine Asystolie folgen.
Einteilung
Die
Hypothermie kann willkürlich als mild (35–32 °C), moderat (32–28 °C) oder schwer (weniger als 28 °C) klassifiziert werden (Tab.
1).
Tab. 1
Einteilung der Hypothermie (Soar et al.
2010)
Mild | 35–32 °C | Kältezittern, Frösteln, blasse Haut, erhöhter Muskeltonus, tiefe Atmung, periphere Vasokonstriktion, beginnende Bewusstseinsstörung; Blutdruck, Herzfrequenz und Atemfrequenz sind anfangs erhöht, Abfall bei anhaltender Hypothermie, Abfall des Herzzeitvolumens, Verminderung der renalen tubulären Resorptionsfunktion („Kältediurese“), Abnahme der Leber- und Nebennierenfunktion |
Moderat | 32–28 °C | Blaugraue Haut, Abnahme aller Vitalfunktionen, Bradykardie, Hypotonie, erhöhter Muskeltonus, fehlende Kompensationsmechanismen wie Kältezittern, Antriebslosigkeit, zunehmende Bewusstseinstrübung bis Somnolenz, Koma tritt üblicherweise erst unter 30 °C Körperkerntemperatur ein |
Schwer | <28 °C | Abnahme der Eigenatmung bis hin zur Apnoe, Arrhythmien bis hin zum Kammerflimmern, fehlende höhere neurologische Funktionen, Hirnstammreflexe können nicht ausgelöst werden |
Das auf klinischen Symptomen basierende Schweizer System zur Stadieneinteilung kann von Rettungskräften am Ort des Ereignisses verwendet werden, um die Patienten zu charakterisieren (Tab.
2; Durrer et al.
2003; Lott et al.
2021). Zusätzlich sollte die Körperkerntemperatur gemessen werden.
Tab. 2
Schweizer Klassifizierungssystem zur Stadieneinteilung anhand klinischer Symptome, d. h. Vitalfunktionen,
Atmung, Kreislauf und Kältezittern (Durrer et al.
2003; Lott et al.
2021)
Stadium I | Phase der „Frierreaktion“ Ansprechbarer Patient mit klarem Bewusstsein und Kältezittern | 35–32 °C |
Stadium II | Phase der „Erregungsabnahme“ Patient erschwert ansprechbar mit Bewusstseinstrübung ohne Zittern | <32–28 °C |
Stadium III | Phase der „Lähmung“ Patient nicht ansprechbar, bewusstlos, Lebenszeichen vorhanden | <28–24 °C |
Stadium IV | Phase des „Scheintodes“ (reversibel) keine oder nur minimale Lebenszeichen, minimaler Kreislauf, Atem- und Herzkreislaufstillstand | <24 °C |
Stadium V | | <15 °C |
Üblicherweise sind sich Menschen mit einer
Hypothermie ihrer Situation nicht bewusst, weil die Symptome allmählich beginnen und ein zunehmender Verwirrtheitszustand, der in einen Bewusstseinsverlust mündet (Erschöpfungsstadium), die eigene Wahrnehmung stark beeinträchtigt. Unter einer Körperkerntemperatur von 30 °C treten schließlich zunehmend motorische Paresen (Lähmungsstadium) und ventrikuläre Arrhythmien bis hin zum Kammerflimmern auf (Tab.
1). Unterhalb einer Körperkerntemperatur von 20 °C lassen sich keine Vitalzeichen mehr erheben, weder
Atmung, Puls noch EKG-Aktivitäten.
Ätiologie und Kofaktoren der Hypothermie
Die Entstehung einer
Hypothermie ist in erheblichem Maße von der körperlichen Konstitution, dem Ausmaß bestehender Vorerkrankungen und Kofaktoren abhängig: Während junge gesunde Menschen eine Kälteexposition vergleichsweise gut kompensieren können, sind Kinder und ältere Menschen mit zunehmender Komorbidität häufiger betroffen, v. a., wenn sie alkoholisiert oder bewusstseinsgetrübt sind, z. B. unter Drogeneinfluss, bei schweren Grunderkrankungen, Verletzungen oder Verwahrlosung. Nicht selten fallen diese Patienten durch Desorientiertheit, geistige Verwirrung oder motorische Störungen auf.
Bei Kindern ist zu beachten, dass sie infolge des größeren Verhältnisses von
Körperoberfläche zu Körpermasse deutlich schneller auskühlen als Erwachsene.
Dennoch kann eine
Hypothermie auch bei normaler
Thermoregulation auftreten, wenn der Gesunde einer kalten Umgebung exponiert wird, insbesondere, wenn Nässe und Wind als Kofaktoren hinzukommen oder eine Immersion in kaltem Wasser die Ursache ist. Die Einwirkung von Wind erhöht den Wärmeverlust durch Konvektion und kann die Entstehung einer Hypothermie wesentlich begünstigen. Der Wind Chill Index (Roshan et al.
2010) gibt für die jeweilige Windgeschwindigkeit v [m/s] und Lufttemperatur T [°C] die Temperatureinwirkung [°C] auf die Haut an.
Die vielfältigen Ursachen der akzidentellen
Hypothermie sind besonders erwähnenswert (Tab.
3), weil das Erkennen einer atypischen klinischen Symptomatik und ein frühzeitiger Behandlungsbeginn entscheidend für den Verlauf sind.
Tab. 3
Ursachen einer akzidentellen Hypothermie
Kleidung | Unzureichend, feucht, Isolation nicht an die Klimabedingungen angepasst, Vernachlässigung des Wärmeverlustes über den Kopf |
Exposition | Geringe aktive Bewegung in kühler Umgebung reduzierter körperlicher Zustand, körperliche Erschöpfung oder Bewusstlosigkeit in kühler Umgebung inadäquate Raumtemperatur, Obdachlosigkeit, Immobilität bei Bewusstlosigkeit, Verwahrlosung zu langer Aufenthalt im Wasser, Bade-/Ertrinkungs-/Tauchunfall, Sturz ins Wasser bei niedrigen Temperaturen, Eisimmersion, Seenotfall |
Drogen-/medikamentös induziert | Alkohol, Phenothiazine, Sedativa |
Internistische Erkrankungen | |
Metabolische Störungen | |
Affektionen der Haut | Verbrennungen, Dermatitis exfoliativa, schwere Psoriasis, Ichthyosis |
Neurologisch | |
Infektionen | Sepsis, schwere Sepsis, septischer Schock |
Iatrogen | Aggressive Volumensubstitution, Operationen mit inadäquatem Schutz vor Auskühlung, Hitzschlag |
Lebensalter | |
Diagnose
Eine
Hypothermie kann infolge der Anamnese oder durch das Auffinden eines kollabierten Patienten in einer Umgebung, die eine Kälteexposition wahrscheinlich erscheinen lässt, sowie einer orientierenden klinischen Untersuchung vermutet werden. Zur Bestätigung benötigt man ein spezielles Hypothermometer zur Bestimmung der Körperkerntemperatur, mit dem sich tiefe Temperaturen adäquat messen lassen:
-
Tympanothermometer mittels Thermistortechnik (Shin et al.
2013)
-
Ösophagus-Temperaturmesssystem (Pasquier et al.
2020).
Handelsübliche Infrarot-Tympanothermometer sind in der Regel nicht zur Messung niedriger Temperaturen geeignet (Strapazzon et al.
2014). Ein Nachteil der Tympanothermometer sind Fehlmessungen bei verstopften Gehörgängen und unsichere Werte beim Herzkreislaufstillstand.
Die Diagnose einer umgebungsbedingten
Hypothermie ist in den meisten Fällen offensichtlich, z. B. wenn Patienten bei niedrigen Temperaturen im Freien aufgefunden werden. In unseren Breiten sollte bei jedem verletzten oder kollabierten Patienten, der längere Zeit im Freien verbracht hat, an eine Hypothermie gedacht werden und bereits präklinisch eine Messung der Körpertemperatur erfolgen. Die Möglichkeit einer Hypothermie im Sommer, v. a. bei Wind und Nässe sowie bei inadäquater Bekleidung, wird häufig unterschätzt. In kühlen und geschlossenen Räumen, die schlecht beheizt sind oder durch eine Klimaanlage gekühlt werden, sind die Symptome oft diskret und weniger offensichtlich ausgeprägt, sodass leichte und moderate Schweregrade der Hypothermie leicht übersehen werden können. Das Auftreten der akzidentellen Hypothermie wird deshalb in gemäßigten Breiten möglicherweise unterschätzt. Besonders bemerkenswert ist, dass die Letalität bei innerhäusiger Hypothermie signifikant höher ist als bei Patienten, die im Freien aufgefunden werden.
Es ist zu beachten, dass manche Patienten bis zu einer Körperkerntemperatur von 28 °C abkühlen und noch bei Bewusstsein sein können, was zu einer Fehleinschätzung des Schweregrades führen kann.
Bei somnolenten oder bewusstlosen Patienten sowie bei schwerer
Hypothermie sollte als Erstes geprüft werden, ob die Atemwege frei sind und ob eine adäquate Ventilation und Zirkulation vorliegen. Das Vorhandensein von Lebenszeichen sollte bis zu eine Minute lang überprüft werden und dabei nicht nur klinisch untersucht werden, sondern auch das
EKG, EtCO
2 und Ultraschall eingesetzt werden, weil die Lebenszeichen so minimal sein können, dass sie leicht übersehen werden können (Lott et al.
2021; Paal et al.
2016).
Dilatierte Pupillen bei fehlenden Lebenszeichen sind kein sicheres Todeszeichen und können infolge verschiedener Ursachen auftreten (Mehta et al.
2000; Lopez-Pison et al.
1999; Kemp und Sibert
1991). Die üblicherweise als sichere Todeszeichen verwendeten Charakteristika wie Leichenflecke und Leichenstarre sind bei
Hypothermie nicht verlässlich. Bei einer schweren Hypothermie mit einem Kreislaufstillstand besteht die Gefahr, dass eine Todesfeststellung erfolgt, obwohl eine Behandlungsoption, prinzipiell sogar mit einem guten neurologischen Outcome möglich ist (Soar et al.
2010).
Bei einer Körperkerntemperatur von 18 °C kann das Gehirn einen Kreislaufstillstand bis zu 10-mal länger tolerieren als bei 37 °C.
So gibt es einige Kasuistiken, die über erfolgreiche Behandlungen solcher Patienten ohne neurologische Folgen berichten, woraus sich der Grundsatz „Nobody is dead until warm and dead“ herleitet (Iyer et al.
2007). Die niedrigste akzidentelle
Hypothermie mit einer langen Reanimationsbehandlung, die ein Mensch ohne relevante neurologische Spätschäden überlebt hat und über die publiziert wurde, trat bei Anna Bågenholm auf, einer schwedischen Ärztin, die nach einem Skiunfall in Norwegen ca. 80 min unter einer Eisfläche im Wasser eingeschlossen war, die letzten 40 min davon mit einem Kreislaufstillstand. Beim Auffinden hatte sie eine Körperkerntemperatur von 13,7 °C, lichtstarre Pupillen und einen Herz-Kreislauf-Stillstand – die erfolgreiche Reanimation und Stabilisierung dauerte 9 h (Gilbert et al.
2000).
Therapie
Bei milden Formen der
Hypothermie sollte nasse Kleidung sofort entfernt und einer weiteren Auskühlung vorgebeugt werden (Aluminiumrettungsdecke, warme Kleidung, Kopfbedeckung, Verabreichung warmer Getränke). Mit zunehmendem Verlust des Bewusstseins und Sistieren des Kältezitterns beginnt die sog. „danger zone“, ab der eine möglichst schonende Rettung aus dem Gefahrenbereich erfolgen sollte, um einem iatrogenen Schaden vorzubeugen.
Bei allen Maßnahmen ist besonders darauf zu achten, dass der Patient nur sehr behutsam bewegt und gelagert werden sollte, da bei Bewegungen die Körperkerntemperatur infolge einer Umverteilung kühleren Blutes von peripher nach zentral noch weiter absinken kann und so ein Bergungstod induziert werden kann, ein Phänomen, das auch bei der Wiedererwärmung auftreten kann („afterdrop“). Demzufolge sollten Patienten nur in waagerechter Position aus dem Gefahrenbereich gerettet und komplett immobilisiert werden.
Währenddessen ist eine lückenlose Überwachung der Vitalparameter und ein EKG-Monitoring wegen der hohen Gefahr der Induktion von
Herzrhythmusstörungen notwendig; eine ständige Reanimationsbereitschaft ist erforderlich (Durrer et al.
2003). Es ist zu beachten, dass Notfallmedikamente ab diesem Schweregrad in der Regel nicht mehr wirksam sind (Lott et al.
2021). Eine weitere Auskühlung sollte unbedingt verhindert werden. Eine Wärmepackung (Mütze, Wolldecken, Aluminiumfolie, chemische Wärmebeutel) ist neben gewärmten Infusionen die geeignetste Maßnahme zur präklinischen Isolation. Nicht vergessen werden sollte eine wärmende Kopfbedeckung, denn bis zu 50 % der gesamten Wärmeverluste des Körpers gehen über den Kopf und Nacken verloren. Bei somnolenten oder bewusstlosen Patienten sollte zudem auf eine adäquate Sauerstoffzufuhr und einen schonenden Umgang geachtet werden.
Bei fehlenden Vitalfunktionen sollte ein den aktuellen Leitlinien entsprechendes Vorgehen mittels Basic und Advanced Life Support gemäß ABCDE-Ansatz („airway, breathing, circulation, disability, exposure“) erfolgen, prinzipiell nach dem gleichen Behandlungsalgorithmus wie bei normothermen Patienten. Die Sicherung der Vitalfunktionen, der Wärmeerhalt und schnelle Transport in ein Krankenhaus, das über eine dem Stadium entsprechende Wiedererwärmungstechnik verfügt, sind Schlüsselinterventionen in der präklinischen Phase. Instabile Patienten (RR
syst. < 90 mmHg, ventrikuläre
Herzrhythmusstörungen, Körperkerntemperatur < 30 °C) sollten in eine Klinik mit ständig verfügbarem extrakorporalem Kreislauf transportiert werden (ECLS) (Lott et al.
2021).
Präklinisch sollte auf eine Reanimation bei
Hypothermie nur bei tödlicher Verletzung oder Erkrankung, prolongiertem Atemstillstand oder nicht komprimierbarem Thorax verzichtet werden (Olasveengen et al.
2021; Soar et al.
2021; Lott et al.
2021).
Die Indikation für eine Reanimation sollte in Anbetracht der unzuverlässigen Kriterien, die üblicherweise für die Todesfeststellung Verwendung finden, und der vergleichsweise guten Prognose, v. a., wenn die
Hypothermie vor der Asphyxie eintritt, eher großzügig gestellt werden. Hierbei ist es von großer Bedeutung, dass eine Abkühlung des menschlichen Körpers zu einer Verringerung des zellulären Sauerstoffverbrauches von ca. 6 % pro Abfall um 1 °C führt, wobei sich dieser Abfall nicht streng linear verhält, sodass es bei 28 °C zu einer Reduktion auf ca. 50 % und bei 22 °C auf ca. 75 % des Ausgangswertes kommt (Wood
1991).
Präklinisch sollte nur bei einer klaren Todesursache, wie bei einer tödlichen Verletzung, einer präfinalen Erkrankung oder einer langen Hypoxiezeit sowie bei einem nicht komprimierbaren Thorax auf Reanimationsmaßnahmen verzichtet werden (Lott et al.
2021).
Die Intubation sollte, wenn notwendig, wegen der Möglichkeit der Induktion von
Herzrhythmusstörungen vorsichtig durchgeführt werden. Wenn möglich sollte eine aktive Atemgasklimatisierung mit 40–46 °C erfolgen.
Besonderheiten bei Reanimation hypothermer Patienten
Bei der Herzdruckmassage ist zu beachten, dass eine
Hypothermie die Rigidität des Thorax erhöht und damit auch den nötigen Kraftaufwand. Das hypotherme Herz reagiert kaum auf die Gabe von Medikamenten, die im Rahmen der Reanimation verabreicht werden, deshalb wird ihre Applikation erst ab einer Körperkerntemperatur über 30° empfohlen. Gleiches gilt für die Schrittmachertherapie, falls notwendig. Unterhalb von 30 °C sollte die elektrische Kardioversion bei
ventrikulärer Tachykardie oder die Defibrillation bei Kammerflimmern maximal 3-mal durchgeführt werden, bei fehlendem Erfolg erst wieder nach Erreichen von 30 °C.
Wegen der verlangsamten Metabolisierung von Medikamenten wird bis zum Erreichen einer Körperkerntemperatur von 35 °C eine Verdopplung der Zeitintervalle bei der Applikation gemäß ALS-Algorithmus empfohlen, darüber normal übliche Applikationszeitpunkte (Lott et al.
2021). Wenn möglich, sollten Medikamente zentral gegeben werden. Während und nach der Reanimation sollten engmaschig die Blutgase,
Elektrolyte und der Blutzucker kontrolliert werden, weil infolge der Rezirkulation und Wiedererwärmung mit raschen behandlungspflichtigen Veränderungen gerechnet werden muss.
Alle Arrhythmien außer Kammerflimmern sistieren in der Regel spontan mit der Wiedererwärmung des Patienten und sollten nicht speziell behandelt werden, außer sie bestehen nach Erreichen der Normothermie fort. Bradykardien sind charakteristisch bei einer schweren
Hypothermie, deshalb ist eine Schrittmachertherapie erst indiziert, wenn eine hämodynamische Instabilität nach Wiedererwärmung fortbesteht (Lott et al.
2021).
Nach der Stabilisierung bzw. Wiederherstellung der Vitalfunktionen sollte der Patient aus der die
Hypothermie induzierenden Umgebung in eine möglichst warme verbracht werden oder die Einwirkung der verursachenden Noxe gestoppt werden. Sollten die Reanimationsmaßnahmen primär nicht erfolgreich sein, sollten diese auf dem Transport in eine geeignete Zielklinik, in der Verfahren zur Wiedererwärmung verfügbar sind, fortgesetzt werden, um einem weiteren Wärmeverlust vorzubeugen. Patienten mit einer schweren Hypothermie ohne Vitalzeichen (Stadium IV) müssen unter Reanimation in ein geeignetes Zielkrankenhaus gebracht werden.
In der Folge sind Maßnahmen indiziert, die zu einer raschen Normalisierung der Körperkerntemperatur beitragen. Neben der Standardintensivtherapie kommen verschiedene Techniken zur Wiedererwärmung zur Anwendung:
Die passive externe Wiedererwärmung beinhaltet die Abtrocknung des gesamten Körpers und Schaffung einer isolierenden Umhüllung für den Patienten, z. B. durch Decken, damit sich die Körpertemperatur durch die eigene Wärmeproduktion normalisieren kann. Dabei sollte der Patient so wenig wie möglich bewegt werden.
Bei schweren Formen der
Hypothermie können Techniken der aktiven externen Wiedererwärmung eingesetzt werden, mit denen Wärme durch Kontakt zum Patienten übertragen wird, z. B. durch das Einhüllen in vorgewärmte Decken oder den Hautkontakt mit warmen Wasserflaschen. Warme Infusionslösungen (bis zu 42 °C) können zu einer Erwärmung von 1–1,5 °C/h führen, ihre Anwendung sollte den Transport jedoch nicht verzögern.
Aktiv interne Methoden umfassen invasive Techniken zur Wiedererwärmung des Körperkerns, wie die Hämofiltration, die Herz-Lungen-Maschine, aber auch die rektale oder gastrale Lavage mit erwärmten isotonischen Flüssigkeiten oder eine
Beatmung mit aktiver Atemgasklimatisierung („Feuchtbeatmung“). Die Herz-Lungen-Maschine wird meist bevorzugt, weil sie den Kreislauf und die Oxygenation ersetzt und die Körperkerntemperatur um 8–12 °C/h erhöhen kann, die HLM hat aber den Nachteil einer begrenzten Verfügbarkeit. Insofern kommt der Wahl der Zielklinik eine große Bedeutung zu.
Bei der Wiedererwärmung benötigen die Patienten wegen der dadurch bedingten Vasodilatation große Mengen vorgewärmter Infusionslösungen, deren Ausmaß möglichst durch
hämodynamisches Monitoring gesteuert werden sollte.
Zur Abschätzung der Prognose und Entscheidung, ob der Patient mithilfe einer extrakorporalen Zirkulation wiedererwärmt werden sollte, wird der HOPE-Score (Hypothermia Outcome Prediction after ECLS;
https://hypothermiascore.org/) empfohlen (Pasquier et al.
2018; Lott et al.
2021), der insgesamt 6 kategoriale bzw. kontinuierliche Variablen enthält, die im Schockraum rasch erhoben werden können (Geschlecht, Alter, Köpertemperatur, Serum-Kalium, Dauer der CPR, Asphyxie; Berechnung: Score = 2,44 – 1,55 × male – 1,95 × (asphyxia-related mechanism) – 0,0191 × age – 2,07 × log
2potassium – 0,573 × log
2 (CPR duration) + 0,937 × temperature – 0,0247 × temperature. Die Überlebenswahrscheinlichkeit berechnet sich nach: HOPE survival probability = exp(score)/(1 + exp(score)).