Skip to main content
Die Intensivmedizin
Info
Publiziert am: 25.11.2022

Zerebrales und neurophysiologisches Monitoring

Verfasst von: Martin Jakobs, Alexander Younsi, Asita Simone Sarrafzadeh und Karl Ludwig Kiening
Ein erweitertes zerebrales, neurophysiologisches Monitoring dient bei zerebral geschädigten Patienten, z. B. nach einer aneurysmatischen Subarachnoidalblutung oder einem schweren Schädel-Hirn-Trauma dazu, noch gesundes Hirngewebe in seiner Funktion zu überwachen und vor sekundären Schädigungen zu bewahren.
Dieses dient im Wesentlichen eine physikalische oder funktionelle zerebrale Hypoxie (auf Grund von zerebraler Hypotonie, erhöhtem intrakraniellem Druck, verminderter Sauerstoffversorgung, vermindertem zerebralem Blutfluss oder anaerobem Zellstoffwechsel) zu detektieren und entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Neben dem Basismonitoring intubierter, schwer zerebral geschädigter Patienten in Form einer Messung des intrakraniellen Drucks (ICP) und dadurch Bestimmung des zerebralen Perfusionsdrucks (CPP) wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten verschiedene, invasive Monitoringverfahren entwickelt, mit denen sich z. B. der Hirngewebe Sauerstoff-Partialdruck (ptiO2), der zerebrale Blutfluss (CBF) und der Hirnstoffwechsel (Mikrodialyse) bestimmen lässt.
Von diesen kommerziell erhältlichen Verfahren hat jedoch lediglich die ptiO2-Messung einen weiteren Einzug in die klinische Routine und in international Empfehlungen vollzogen.
Weitere noninvasive Verfahren zur Messung der zerebralen Sauerstoffversorgung durch Infrarot Spektroskopie (NIRS) oder der vegetativen Funktion (Pupillometrie) wurden entwickelt und werden in einzelnen Zentren angewandt.
Prospektive, randomisierte und kontrollierte Studien, wonach ein erweitertes zerebrales Monitoring des Outcome von Patienten verbessert, fehlen jedoch aktuell noch,

Zerebrales Basismonitoring: intrakranieller Druck, zerebraler Perfusionsdruck

In erster Annäherung an das diagnostische Problem der zerebralen Minderdurchblutung wurde zunächst als Messparameter der intrakranielle Druck (ICP) und später der zerebrale Perfusionsdruck (CPP) – die Differenz von mittlerem arteriellen Blutdruck (MAP) und ICP – verwendet (Lundberg et al. 1965; Rosner und Daughton 1990). Der Einfluss von pathologischem ICP und CPP auf das klinische Outcome ist unstrittig. Die Einführung von interventionsbedürftigen Grenzwerten der beiden Druckgrößen (ICP ≥22 mmHg; CPP <60 mmHg) und ihre Behandlung führten zu einer Optimierung der Intensivtherapie, sodass beide Parameter heute die Grundlage des zerebralen Intensivmonitorings darstellen.
Allgemein gelten folgende interventionspflichtigen Grenzwerte
  • Intrakranieller Druck (ICP): ≥22 mmHg
  • Zerebraler Perfusionsdruck (CPP): <60 mmHg
Die Einhaltung der oben genannten physikalischen Druckgrenzen garantiert aber per se nicht einen adäquaten zerebralen Blutfluss (CBF) bzw. eine ausreichende zerebrale Oxygenierung und damit kein funktionell ausreichend versorgtes Hirngewebe.
Diese diagnostische Einschränkung wird besonders im Falle einer überschießenden zerebralen Vasokonstriktion, wie sie z. B. im Rahmen eines zerebralen Vasospasmus nach Subarachnoidalblutung auftreten kann, deutlich.
Hierunter kommt es oftmals, trotz „normaler“ ICP- und CPP-Werte, zur zerebralen Hypoxie/Ischämie, sodass ein erweitertes zerebrales Monitoring sinnvoll erscheint, um gesundes Hirngewebe vor sekundären Schädigungen im Sinne einer Hypoxie und Ischämie zu bewahren.

Prinzipien des zerebralen Monitorings

Die in der Folge vorgestellten Methoden des zerebralen Neuromonitorings stellen inhärent stets einen Kompromiss dar, da sich jedes Verfahren in einem Spannungsfeld verschiedener Grundprinzipien befindet, welche hier kurz erörtert werden sollen.
Invasive versus non-invasive Verfahren:
Invasive Verfahren des Neuromonitorings gehen mit einer temporären Implantation einer Messsonde in das Hirnparenchym, die Ventrikel oder Hirngefäße einher und erlauben daher eine direktere Messung der Zielparameter am Wirkort. Zwar sind die Maßnahmen meist minimalinvasiv und benötigen neben einer Stichinzision und einem wenige Millimeter messenden Bohrloch in der Schädekalotte keine weiteren operativen Eingriffe, jedoch können auch diese bei schwer geschädigten Patienten auch mit Komplikationen wie intrazerebralen Blutungen oder gar Infektionen (Sinha et al. 2017; Morton et al. 2012) einhergehen. Noninvasive Verfahren hingegen sind risikofrei anzuwenden, erfassen jedoch die gewünschten Veränderungen am Hirngewebe nur indirekt, da sie transkraniell oder transbulbär zur Anwendung kommen und lediglich Surrogate für das Hirngewebe selbst liefern.
Lokale versus globale Verfahren:
Lokale Verfahren wie invasive eingebrachte Messsonden für den Gewebesauerstoff-Partialdruck oder den zerebralen Stoffwechsel erfassen diese Messparameter meist nur in einem Radius von wenigen Millimetern um die Sonde. Zwar sind die Messmethoden local dann sehr spezifisch, jedoch nur sensible für kritische Veränderungen, sofern sich die Pathologie auch an diesem Ort ereignet. Weiter entfernte Hypoxien oder Ischämien erfassen diese Verfahren nicht. Globale Messverfahren wie die Messung des intrazerebralen Drucks erlauben die Beurteilung des Messwertes im gesamten intrakraniellen Raum (oder zumindest in den supratentoriellen Anteilen). Pathologische Veränderungen werden hier sehr sensible erfasst, jedoch erlaubt die Messung keinen Rückschluss auf den spezifischen Ort der zur Veränderung der Messwerte führenden Pathologie.
Kontinuierliche versus intermittierende Verfahren:
Intermittierende Messverfahren erlauben die exakte Wertbestimmung nur zu fixierten Zeitpunkten oder nach bestimmten Zeitintervallen (z. B. die Analyse des Hirnstoffwechsels), womit die zeitliche Auflösung dieser Verfahren geringer ist als solche Verfahren, die kontinuierliche Messwerte abliefern. Letztere Verfahren benötigen jedoch ebenso in gewissen zeitlichen Abständen Messeichungen, um eine adäquate Datenqualität zu gewährleisten. Hinzukommt für beide Verfahren, dass nicht nur der aktuelle Messwert, sondern auch der Trend der zeitlichen Veränderungen in einem gewissen Zeitraum, als auch das Zusammenspiel mit anderen physiologischen Messgrößen eine entscheidende Rolle in der Therapie spielt.
Keines der in der Folge vorgestellten Verfahren des erweiterten zerebralen Neuromonitorings ist im Hinblick auf diese Aspekte ideal – vielmehr bewegen sich alle Verfahren innerhalb dieses mehrdimensionalen Spannungsfeldes zwischen räumlicher, zeitlicher und funktioneller Sensitivität und Spezifität.

Monitoring der zerebralen Oxygenierung

Das Gehirn ist hinsichtlich einer drohenden O2-Minderversorgung besonders gefährdet, da es einerseits einen hohen O2-Verbrauch, andererseits keine nennenswerten O2-bzw. ATP-Speicher aufweist und auf einen vorwiegend aeroben Stoffwechsel zurückgreifen muss. Wie oben erwähnt, ist ein reines zerebrales „Druckmonitoring“ (ICP, CPP) oftmals ungenügend und bedarf der Ergänzung. Für ein Monitoring der zerebralen Oxygenierung stehen grundsätzlich drei gänzlich unterschiedliche Verfahren zur Verfügung, die im Folgenden näher erläutert werden.
Der Stellenwert des Monitorings der zerebralen Oxygenierung ist bei Patienten mit dem Risiko sekundärer Ischämien und Hypoxämien besonders hoch. Hierzu zählen Patienten mit aneurysmatischer Subarachnoidalblutung, schwerem Schädel-Hirn-Trauma (Vajkoczy et al. 2000) oder auch intrakranieller Blutungen.

Jugularvenöse Oxymetrie

Dieses invasive, globale und kontinuierliche Messverfahren stellt das älteste Verfahren zur Messung der zerebralen Oxygenierung dar. Auf Grund der Komplexität der Anlage des Messkatheters, sowie des Handlings bei Patientenmobilisierung und -transport, ist es in den vergangenen Jahren zu einer deutlichen Abnahme der Anwendung der jugularvenösen Oxymetrie gekommen. Eine Untersuchung britischer Neurointensivstationen zeigte, dass lediglich 3 % der Einrichtungen dieses Messverfahren noch anwendeten (Wijayatilake et al. 2015) und spiegelt damit die geringe klinische Relevanz wider. Dennoch soll die jugularvenöse Oxymetrie hier der Vollständigkeit halber kompakt vorgestellt und diskutiert werden.
Es handelt sich um die kontinuierliche Messung der O2-Sättigung im Bulbus der V. jugularis interna (SjvO2) über fiberoptischer Katheter (Cruz et al. 1990) zur Messung der zerebralen O2-Versorgung und des zerebralen O2-Umsatzes (CMRO2).

Messprinzip

Der Oxymetriekatheter wird hierbei retrograd über die V. jugularis interna bis zur Schädelbasis vorgeschoben und verwendet Licht ausgewählter Wellenlängen aus dem Rot- und Nahe-Infrarotspektrum zur Bestimmung der Rate an Lichtreflektion und -absorption des Hämoglobins der Erythrozyten – abhängig von der Auslastung mit Sauerstoffmolekülen.
Ein SjvO2-Monitoring sollte, als invasive Monitoringmethode, Patienten vorbehalten sein, die einem signifikanten Risiko einer zerebralen Hypoxie bzw. Ischämie unterliegen.

Aussagefähigkeit im Rahmen des Intensivmonitorings

Bei der SjvO2 können 3 Messbereiche definiert werden. Der Normalbereich erstreckt sich von 54–75 %. Werte <50 % werden als Desaturation (Schneider et al. 1998) und Werte >75 % als Hyperämie bezeichnet (Tab. 1).
Tab. 1
Einteilung jugularvenöser Oxymetrieergebnisse
Bereich
SjvO2
54–75 %
Desaturation
<50 %
Hyperämie
>75 %
Eine Desaturationsepisode ist definiert als eine über mindestens 15 min anhaltende Reduktion der SjvO2 auf <50 % und sollte therapeutische Gegenmaßnahmen bedingen.
Das S jvO 2-Monitoring eignet sich ferner zur Bestimmung des optimalen CPP und zur Überwachung hirndrucksenkender Maßnahmen, speziell bei kontrollierter Hyperventilation.
Einschränkungen der Aussagekraft der SjvO2 bestehen v. a. hinsichtlich der Identifizierung regionaler hypoxischer Areale, da die Methode als globales Verfahren zur Erfassung der zerebralen Oxygenierung angesehen wird.

Kontraindikationen & Komplikationsmöglichkeiten

Kontraindikationen für die SjvO2-Messung sind hämorrhagische Diathese, vorbestehende Infektionen des Punktionsorts, instabile Verletzungen der Halswirbelsäule und jede Art der zerebrovenösen Abflussbehinderung (z. B. Sinusvenenthrombose). Die Katheterisierung bei einem gleichzeitigen Tracheostoma stellt wegen der erhöhten Infektionsgefahr eine relative Kontraindikation dar.
Zwar gilt das Verfahren per se als sicher, jedoch können gefäßbezogene Komplikationen auftreten. Jugulavenenthrombosen wurden in einer Serie von 123 Patienten nicht beobachtet, folgenlose Punktionen der A. carotis im Rahmen der Anlage bei ca. 3 % (Goetting und Preston 1990).

Artefakte

Die Katheter können anfällig auf verschiedene Artefakte sein. Verlust der Lichtintensität deutet auf eine Katheterobstruktion hin, wohingegen bei zu hoher Lichtintensität die Katheterspitze der Gefäßwand anliegen kann. Ein Kinking des Katheters in der Vene kann zu sich wellenförmig ändernden Messwerten führen. Eine Röntgenologische Kontrolle kann hierzu dienen dies darzustellen und ggf. einen leichten Rückzug oder eine Neupositionierung anzustoßen.
Auch kann ein Rückfluss von extrakraniellem Blut in den Bulbus jugularis z. B. im Rahmen der zerebralen Herniation fälschlich hohe Messwerte (meist nach einem deutlichen Abfall) erzeugen.

Stellenwert im Rahmen des Intensivmonitorings

Trotz des wissenschaftlich gesicherten Nutzens ist die SjvO2 in der praktischen Anwendung v. a. wegen der ihr anhaftenden vielfältigen Probleme (hoher zeitlicher und personeller Aufwand bei hoher Artefaktanfälligkeit) vom Monitoring des regionalen Hirngewebe-pO2 (ptiO2) weitgehend verdrängt worden.
Zumeist erfolgt die Anlage für 2–4 Tage, wobei stabile Messungen bis zu 10 Tagen, z. B. nach Trauma und komplizierten Krankheitsverläufen wünschenswert wären.
Die Anwendung der SjvO2-Messung bei Patienten mit schweren hemisphärischen Infarkten korrelierte jedoch nur schlecht mit Phasen der ICP-Erhöhung oder Pupillenstörungen im Hinblick auf die bei Traumapatienten etablierten kritischen Schwellenwerte zur Desaturation (Spezifität 47 %). Daher wurde die Generalisierbarkeit dieser Schwellenwerte bei verschiedenen neurologischen Krankheitsbildern in Frage gestellt (Keller et al. 2002).

Nahe-Infrarot-Spektroskopie

Die Nahe-Infrarot-Spektroskopie (NIRS) ist, im Gegensatz zur jugularvenösen Oxymetrie und zur Messung des Hirngewebe-pO2 (ptiO2), eine nichtinvasive globale und kontinuierliche Methode zur Überwachung der zerebralen O2-Versorgung und -Utilisation.
Im Nahe-Infrarot-Wellenlängenbereich (650–1100 nm) besitzen die drei Chromophoren oxygeniertes Hämoglobin, desoxygeniertes Hämoglobin und oxydierte Zytochromoxydase aa3, das letzte Enzym der mitochondrialen Atmungskette, O2-abhängige spezifische Absorptionsmaxima.
Neben den eingangs erwähnten Parametern können abgeleitete Größen, wie das Gesamthämoglobin oder die regionale O2-Sättigung (SrO2), die das Verhältnis des oxygenierten Hämoglobins zum Gesamthämoglobin in Prozent anzeigt, dargestellt werden. Ferner kann die Veränderung der optischen Dichte von linker zu rechter Hemisphäre einen Hinweis auf sekundär entstehende intra- oder extrazerebrale Hämatome geben (Gopinath et al. 1993).

Artefaktverhalten und -erkennung

Bei der NIRS-Anwendung sind einige Fehler- und Artefaktquellen jedoch zu bedenken. Eine Nullpunktkalibrierung ist nicht möglich, sodass absoluten Referenzwerte zum Abgleich zur Verfügung stehen. Daneben ist das von der NIRS-Methode erfasste Hirnvolumen unbekannt und beschränkt sich wahrscheinlich nur auf die vordere Zirkulation auf Grund der meist (bi-)frontalen Elektrodenposition.
Es zeigten sich jedoch in einer Studie eine gute Korrelation zwischen NIRS-Abfällen und Befunden in der Xenon-verstärkten CT-Perfusionsbildgebung zeigte (Kim et al. 2010).
Bei neurologischen Intensivpatienten nach Trauma oder kraniellen Operationen können Hämatome die Eindringtiefe der NIRS-Messung nach intrakraniell erheblich reduzieren und ihre Qualität beeinträchtigen.

Stellenwert im Rahmen des Intensivmonitorings

Zwar stellt NIRS in der Theorie als noninvasives, vergleichsweise günstiges und schnell anzuwendendes in der Theorie eine gute Option für die Anwendung bei Intensivpatienten mit neurologischen und neurochirurgischen Krankheitsbildern dar, jedoch hat der Einsatz keinen evidenzbasierten Einzug in Leitlinien oder Therapiealgorithmen gefunden (Viderman und Abdildin 2021). Insbesondere fehlen größere multizentrische und kontrollierte Studien hierzu.
NIRS hat jedoch in der operativen Medizin bei herzchirurgischen Eingriffen, wo es zunehmend zur intraoperativen Detektion zerebraler Hypoxiephasen verwendet wird, gefunden – auch als Alternativverfahren zur Jugularvenösen Oxymetrie (Taillefer und Denault 2005).

Hirngewebe-pO2

Die kontinuierliche Messung des Hirngewebe-O2-Partialdrucks (ptiO2) beim Menschen ist ein invasives und lokales Verfahren zur Überwachung der zerebralen Oxygenierung. Über eine Bohrlochschraube wird ein pO2-Messkatheter in das Hirnparenchym (typischerweise in die weiße Substanz) eingeführt. Dieses Verfahren stellt trotz seines invasiven Charakters in der Neurointensivmedizin den Goldstandard in der Überwachung der zerebralen Oxygenierung dar und hat Einfluss in Leitlinienempfehlungen gefunden.

Messprinzip

Im Wesentlichen stehen für die kommerzielle Anwendung zwei verschiedene Elektrodentypen zur Verfügung. Zum einen eine sogenannte „Clark-Elektrode“, welche polarografisch die pO2-Werte erfasst und ein System, welches nach dem sogenannten „oxygen-quenching“ Verfahren arbeitet. Scheinbar differieren beide Sondensysteme in Ihren Messwerten leicht (Dengler et al. 2011).

Lage des Hirn-ptiO2-Katheters

Für die Interpretation der Hirngewebe-pO2-Messwerte ist die Lage des pO2-Mikrosensors im Verhältnis zur Läsion und Anatomie (weiße Substanz, graue Substanz) entscheidend.
Zur Überwachung der zerebralen Oxygenierung wird der Mikrosensor in der weißen Substanz positioniert. Will man den ptiO2 als Surrogat für die globale zerebrale Sauerstoffsituation verwenden, sollte der Katheter im vitalen Hirngewebe platziert werden. In einer Kontusion oder in ihrer unmittelbaren Umgebung ist z. B. der ptiO2 erniedrigt und die O2-Reaktivität (pO2-Anstieg bei Erhöhung der F1O2) deutlich herabgesetzt – ein Hinweis darauf, dass geschädigtes bzw. nekrotisches Gewebe vorliegt und die Messwerte dann nur repräsentativ für die lokale Pathologie sind (Kiening et al. 1998). Das Prinzip eine besonders hypoxieanfällige Region im Sinne einer Penumbra zu monitoren, wird jedoch in diesem Sinne auch von einigen Anwendern diskutiert.
Der überwiegende Anteil der Anwender bevorzugt für die Anlage des pO2-Katheters die typische rechts oder links frontale, präkoronare Insertionsstelle, wobei man versucht, in die Nähe des pathologischen Befundes zu gelangen, um einen besseren Überblick über die aktuellen Veränderungen im gefährdeten Gewebe zu bekommen. Darüber hinaus stellt eine präkoronare Lage auch eine „grenzzonennahe“ Lage zwischen Arteria cerebri anterior und media Territorien und damit eine besonders auf Hypoxien anfällige Region darstellt.
Neben der ptiO2-Sonde wird die parenchymatöse oder EVD-gestützte ICP-Messung, die Anlage einer arteriellen Blutdruckmessung sowie eine endtidale CO2-Messung empfohlen, um sinnvoll die Messwerte des Hirngewebe pO2 im Kontext beurteilen und ggf. behandeln zu können.

Zerebrale Hypoxie

Der theoretische Normalwert des mittleren ptiO2 in der weißen Substanz wird mit mehr als 20 mmHg angegeben. Als kritischer ptiO2 wird ein Abfall um 10–15 mmHg beschrieben als „hypoxische Episode“ ein ptiO2 von <10 mmHg, analog den sog. „Desaturationsepisoden“ (SjvO2 <50 %). Vergleichsmessungen mit der Bulbusoxymetrie zeigen im standardisierten Versuch ein paralleles Messverhalten der beiden Oxygenierungsparameter sowie eine gute Reagibilität des ptiO2-Katheters hinsichtlich eines kritischen CPP-Abfalls (Kiening et al. 1997).
Generell ist die Bewertung von ptiO2-Messwerten alleinig als kritisch anzusehen und sollten stehts im Zusammenhang mit anderen Messgrößen des Neuromonitorings wie dem CPP betrachtet werden. Darüber hinaus wird empfohlen, bevor spezifische Therapiemaßnahmen ergriffen werden, stabile Basisvoraussetzungen für ein aussagekräftiges Hypoxie Monitoring geschaffen werden (Chesnut et al. 2020). Hierzu zählen:

Therapie eines erniedrigten ptiO2

Die zerebrale Gewebeoxygenierung wird hauptsächlich von der Hirndurchblutung (CBF) und dem arteriellen O2-Gehalt bestimmt (Jaeger et al. 2005a).
Häufigste Ursache für einen Abfall des ptiO2 ist ein unzureichender CBF, verursacht durch intrakranielle Druckerhöhung, oder Blutdruckabfall.
Prinzipiell unterscheiden sich die Empfehlungen zur Therapie einer erniedrigten ptiO2 in Abhängigkeit eines normalen oder erhöhten intrakraniellen Drucks bei Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma (s. Tab. 2).
Tab. 2
Therapiealgorithmus bei erniedrigter ptiO2
Maßnahmen Level
Maßnahmen
Level 1
• CPP 60–70 mmHg (durch Volumentherapie, Vasopressoren & Inotropika)
• PaC02 >35 mmHg
• FiO2 auf maximal 60 % anheben, bis PaO2 im gewünschten Bereich
Level 2
• PaO2 auf maximal 150 mmHg anheben
ICP auf <22 mmHg senken
• Liquordrainage erwägen
• Optimierung der Sedierungstiefe, ggf. neuromuskuläre Blockade
• MAP Challenge zur Überprüfung der zerebralen Autoregulation-
 - MAP über 20 Minuten mittels Vasopressoren oder Inotropika um 10 mmHg anheben
 - Dokumentation der Schlüsselparameter vor, während und nach der MAP-Challenge (MAP, CPP, ICP, ptiO2)
• Bei positiver MAP-Challenge (Ansprechen der ptiO2 auf MAP-Erhöhung): CPP-Anhebung auf mehr als 70 mmHg mittels Volumenboli, Vasopressoren, Inotropika
• Bei negativer MAP-Challenge (kein Ansprechen auf MAP-Erhöhung): Level 3 Maßnahmen
Level 3
• PaCO2 45–60 mmHg (falls ICP dies zulässt)
• Normobare Hyperoxie PaO2 >150 mmHg
• Erythrozytenkonzentrat-Transfusion, wenn Hb <9 g/dl
Sinnvolle Zusatzmaßnahmen bei Wechsel des Maßnahmen-Levels
• Kranielles CT zur Reevaluation der intrakraniellen Pathologien
• Evaluation chirurgischer Maßnahmen für potenziell behandelbare Pathologien
• Abklärung extrakranieller Ursachen für Hypooxygenierung/ICP-Erhöhung
• Beurteilung der physiologischen Basisparameter (CPP, Blutgase,)
• Verlegung in ein spezialisiertes Neurointensiv-Zentrum
Adaptiert nach Chesnut et al. 2020
Hierbei wird die Rolle der ptiO2-Messung als zusätzlicher Parameter in der Rolle der zerebralen Autoregulation im Sinne der MAP-Challenge noch einmal besonders deutlich.
Details zur Therapie des erhöhten intrakraniellen Drucks können dem entsprechenden Kapitel (bitte Kapitelnummer eingeben) entnommen werden.

Komplikationen, Vor- und Nachteile

Bisher sind im Zusammenhang mit der Platzierung von ptiO2-Kathetern keine Komplikationen berichtet worden (Meixensberger et al. 1997; Vajkoczy et al. 2000). Offensichtlich ist das Risiko einer Infektion bzw. Blutung deutlich niedriger als bei der Anlage einer externen Ventrikeldrainage (hier: Infektion 2–10 %, Blutung 1–2 %).
Die Katheter weisen jedoch nach initialer Anlage eine bis zu 24 h andauernde Phase auf, in welcher die Messewerte nicht sicher verwertbar sind, da sich die Umgebung um die invasiv eingebrachte Sonde (z. B. Ödem, Mikroblutungen, …) zunächst stabilisieren muss. Zeigt die Sonde auch nach 24 h keine plausiblen oder stabilen Messwerte, kann temporär eine FiO2-Erhöhung auf hyperoxämische Werte angewendet werden, um das generelle Ansprechen der Sonde zu überprüfen.
Ist dies ebenfalls nicht erfolgreich oder inkonklusiv sollte eine zerebrale CT-Bildgebung erfolgen, um eine Katheterfehllage (z. B. subdural, Lage in einem bereits ischämisch veränderten Areal) oder eine Komplikation (intrakranielle Blutung durch Sondenanlage) auszuschließen.
Regelmäßige Nullpunktkalibrierungen sollten durchgeführt werden, um die Qualität der Messungen über mehrere Tage sicherzustellen.
Anzumerken ist, dass die ptiO2-Messonden nach dem Clark System in einem feuchten Milieu sowie nicht höher als bei Raumtemperatur gelagert werden dürfen, um fehlerhafte Messungen zu vermeiden.

Stellenwert im Rahmen des Intensivmonitorings

Insgesamt hat sich die invasive lokale ptiO2 Messung als Goldstandard gegenüber Jugularvenösen Messungen und NIRS-Monitoring etabliert.
In einer prospektiven Analyse von ptiO2-Messungen bei hochgradigen SAB Patienten (Hunt & Hess Grad 4) zeigten sich pathologische Messwertabfälle auf <10 mmHg häufig mit pathologischen ICP-Anstiegen und Phasen der zerebralen Herniation assoziiert (Meixensberger et al. 2003). Des Weiteren gehen ptiO2-Abfälle bei SAB-Patienten mit dem Nachweis eines angiografischen Vasospasmus und lokalen CBF-Abfällen einher (Veldeman et al. 2021).
Das rasche Ansprechen auf von ptiO2-Werten auf therapeutische Maßnahmen, sowie eine weitere subakute Besserung der Messwerte zeigte eine Studie, bei welcher ICP und ptiO2 vor während und nach einer dekompressiven Hemikraniektomie gemessen wurden. So wurde neben deutliche Besserungen von ICP und ptiO2 bei Kraniektomie und mit Duraeröffnung auch ein weitere kontinuierliche Verbesserung der Messwerte in den 12 Stunden nach dem operativen Eingriff detektiert (Jaeger et al. 2005b).
Neben Empfehlungen im Sinne eines Therapiealgorithmus bei erniedrigter ptiO2 bei Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma (s. Tab. 2), wird auch in internationalen Konsensus-Papieren zu multimodalem Neuromonitoring erwähnt (Le Roux et al. 2014):
  • Die Messung der ptiO2 wird bei Patienten mit Risiko auf zerebrale Ischämien empfohlen (Starker Empfehlungsgrad)
  • Die Position der Messsonde sollte sich nach der Art und Lage der führenden Pathologie richten (Starker Empfehlungsgrad)
  • ptiO2-Monitoring sollte stets mit anderen klinischen Parametern und Monitoringmethoden verwendet werden, um Prognose und Therapie zu beurteilen (Starker Empfehlungsgrad)
  • ptiO2-Monitoring sollte als Maßnahme verwendet werden, um die Therapiemaßnahmen der ICP/CPP-Therapie adäquat zu titrieren (Schwacher Empfehlungsgrad)

Kontinuierliche, quantitative Messung des zerebralen Blutflusses

Als weiteres invasives lokales und kontinuierliches Verfahren des erweiterten Neuromonitorings wurde Anfang der 2000er-Jahre die quantitative Messung des zerebralen Blutflusses (CBF) eingeführt.
Hierbei wird das Prinzip der Thermodiffusion angewandt, bei welcher über eine Sonde das Hirngewebe leicht über die physiologische Körpertemperatur erwärmt und die Wärmeableitung als Korrelat für den Blutfluss wenige Millimeter von der Heizelektrode gemessen (Vajkoczy et al. 2003). Als kritischer Grenzwert eines ungenügenden CBF wird 18 ml/100 g/min angegeben (Unterberg et al. 1997).

Komplikationen, Vor- und Nachteile

Die Anlage, sowie die hiermit verbundenen Risiken und Komplikationsmöglichkeiten entsprechen im Wesentlichen denen, der ptiO2-Messsonden. Insbesondere sollte auf die Positionierung in relevanten Hirnarealen geachtet werden. Es ist jedoch anzumerken, dass bei Patienten mit erhöhter Körperkerntemperatur die Messungen nicht zuverlässig durchgeführt werden können, da die Heizelektrode hierbei nicht auf supraphysiologische Werte das Hirngewebe aufheizt.

Stellenwert im Rahmen des Intensivmonitorings

Trotz Hinweise, dass die invasive CBF-Messung der Detektion eines zerebralen Vasospasmus bei Patienten mit schwerer Subarachnoidalblutung einer transkraniellen Doppler-Untersuchung überlegen sein könnte – sofern die Messsonde auch im entsprechend vom Vasospasmus betroffenen Areal zu Liegen gekommen ist, hat sich diese Monitoring-Technologie nicht relevant etablieren können.
Zuletzt wurde ein System zur Messung von zerebralem Blutfluss und Blutvolumen auf dem Boden einer invasiven NIRS-Technologie in Kombination mit repetitiven Injektionen von Indocyaningrün (ICG) in einer kombinierten Sonde mit Möglichkeit zur ICP und Temperaturmessung bei Patienten mit schwerer aneurysmatischer Subarachnoidalblutung erprobt (Seule et al. 2016).
Es existieren einzelne kommerziell erhältliche Systeme, jedoch hat die invasive CBF-Messung nicht Einzug in Leitlinien oder etablierte Therapiealgorithmen gehalten.
In Internationalen Konsensus-Papieren wird die invasive CBF Messung lediglich mit einem schwachen Empfehlungsgrad bei Patienten mit dem Risiko fokaler Ischämien und die Platzierung des Katheters auf der Hemisphäre des rupturierten Aneurysmas empfohlen (Le Roux et al. 2014).
Zur Beurteilung der kraniellen Durchblutung wird hier die Anwendung des transkraniellen Dopplers bzw. transkraniellen Ultraschalls klar favorisiert (Le Roux et al. 2014).

Quantitative Pupillometrie

Die regelmäßige Überprüfung der Pupillenreaktivität, sowie der Größe, Form und Seitengleichheit der Pupillen stellt beim analgosedierten Neurointensiv-Patienten eine einfache, schnelle und kosteneffiziente Methode des Monitorings dar. Die Enge anatomische Lage des N. Okulomotrius, welcher die Pupillenreaktion vermittelt, zum Tentoriumschlitz macht diese Untersuchungsmethode besonders relevant, um Phasen des erhöhten intrakraniellen Drucks und der zerebralen Herniation beurteilen zu können. Jedoch handelt es sich hierbei um ein subjektives und stark untersucherabhängiges Verfahren, welches hoher Interrater-Diskordanzen aufweist.
Bei der quantitativen Pupillometrie erfolgt eine standardisierte optische Analyse der Pupillengröße und Reaktivität auf einen definierten Lichtreiz vorgegebener Dauer und Stärke (auch im Seitenvergleich). Die von diesem noninvasiven, globalen und intermittierendem Monitoringverfahren erhobene Daten können auch in Reaktivitätsindices vereinfacht angegeben werden.

Messprinzip

Verschiedene Systeme zur quantitativen Pupillometrie sind kommerziell erhältlich. Bei diesem non-invasiven, globalen Verfahren wird das Messinstrument in einem vordefinierten Abstand vor die Pupillen des Patienten gehalten, ein vorgegebener Lichtreiz ausgelöst und quantitativ die Pupillengröße vor, während und nach dem Lichtreiz, sowie die Geschwindigkeit und Verzögerung der pupillären Konstriktion und Relaxation bestimmt.
Hieraus können nach Algorithmen Reaktivitätsindices wie der Neurological Pupil Index (NPi) berechnet werden. Hierbei liegen die Werte zwischen 0,0 und 5,0, wobei ein NPi von 0,0 eine absolute Pupillenstarre und ein NPi von 5,0 eine normal reaktive Pupille widerspiegelt (Abb. 1). Meist wird ein pathologischer NPi ab Werten von <3,0 definiert (Chen et al. 2011).
Zum Teil können die Daten chipbasiert einzelnen Patienten zugeordnet und gespeichert werden, sodass Trends und Veränderungen über einen längeren Zeitraum erfasst und beurteilt werden können.
Im Vergleich zur subjektiven Pupillometrie, welche durch erfahrene Pflegekräfte durchgeführt wurde, zeigte sich lediglich eine Konkordanz von 75 % zur quantitativen Pupillometrie. Relevante Anisokorien mit ≥1 mm Größenunterschied wurden subjektiv nur halb so häufig wie mit der quantitativen Pupillometrie erfasst (Couret et al. 2016).

Stellenwert im Rahmen des Intensivmonitorings

Durch die wenig zeitaufwendige und noninvasive Durchführbarkeit der quantitativen Pupillometrie konnte sich diese in den vergangenen Jahren – auch auf Grund höherer Akzeptanz durch das Intensiv-Pflegepersonal – zunehmend etablieren.
Bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma, intrakraniellen Hämatomen und Subarachnoidalblutungen, sowie Zeichen des erhöhten intrakraniellen Drucks im CT erfolgte die dichotome Analyse des Pupillen-Reaktivitätsindex (NPi). Patienten mit einem NPi <3,0 wiesen durchschnittlich signifikant höhere ICP-Werte auf als Patienten mit einem NPi zwischen 3,0–5,0 (Chen et al. 2011). Zum Teil wird berichtet, dass Verschlechterungen des NPis zum Teil mehrere Stunden einer ICP-Erhöhung vorausgingen, wobei diese Ergebnisse auf Grund der unklaren Pathophysiologie kritisch zu diskutieren sind. Bisher konnte keine Evidenz geschaffen werden, ICP-senkende Maßnahmen bei Patienten auf Grund alleinig eines sich verschlechternden NPis zu ergreifen.
In einer prospektiven Analyse mit ausschließlich analgosedierten Patienten mit spontanen intrazerebralen Blutungen zeigte die quantitative Pupillometrie insbesondere einen hohen negativen Vorhersagewert. Hier korrelierten normale Werte für die Latenz der Pupillenreaktion, sowie der Geschwindigkeit der Konstriktion und Relaxation in 99 % der Fälle mit normwertigen ICP-Werten (Giede-Jeppe et al. 2021).
Ein herabgesetzter Pupillen-Reaktivitätsindex (NPi) von <4,0 und eine Seitendifferenz von mehr als 0,2 lag signifikant häufiger bei Patienten mit nachgewiesenem oder klinisch wahrscheinlichem nonkonvulsiven Status epilepticus bei Pateinten mit unklarer Bewusstlosigkeit und v. a. stattgehabtem Krampfanfall vor (Godau et al. 2021), sodass die quantitative Pupillometrie potenziell in der Point-of-care Diagnostik von epileptogenen Zuständen herangezogen werden könnte.
Kritisch betrachtet werden müssen aber Substanzen, welche einen Einfluss die Pupillenreaktivität nehmen können und durchaus häufig Teil der intensivmedizinischen Therapie sind. Hierzu zählen Opiate, α2-adrenerge Rezeptor-Agonisten, und NMDA-Rezeptor-Antagonisten (Opic et al. 2021).
Bisher hat die quantitative Pupillometrie noch keinen Einzug in Leitlinien in Behandlung von neurologischen und neurochirurgischen Intensivpatienten gehalten.

Zerebrale Mikrodialyse

Die Mikrodialyse ermöglicht die Messung von Substanzen im Extrazellulärraum verschiedener Gewebe. Mit der Methode können bereits seit vielen Jahren im tierexperimentellen Bereich metabolische Vorgänge untersucht werden, wie sie z. B. typisch für die Entwicklung des sekundären Hirnschadens sind. Untersuchungen mit der zerebralen Mikrodialyse bei Patienten werden erst seit der Entwicklung geeigneter Mikrodialysekatheter durchgeführt (Woodman und Roberstoan 1996). Mittlerweile stehen ein Point-of-care Analysegeräte zu Verfügung, welche mehrere unterschiedliche Substanzen messen und in graphischer Form als Trendkurven darstellen können (Veldeman et al. 2021).
Diese ermöglichen die stündliche Messung von Substanzen des Gehirnstoffwechsels (Glukose, Pyruvat, Laktat), des exzitatorischen Neurotransmitters Glutamat, des Glyzerols als Marker der zerebralen Zellmembranstabilität, sowie des Harnstoffs als Referenzmarker (Tab. 3).
Tab. 3
Bettseitige Mikrodialyse. Wichtigste derzeit mit der bettseitigen Mikrodialyse erfassbare Parameter sowie ihre Interpretation
Parameter
Interpretation
Glukose
Energiesubstrat für die Gehirnzellen
Pyruvat
Metabolit von Glukose
Laktat
Metabolit von Glukose; wird bei O2-Mangel vermehrt gebildet
Laktat/Pyruvat-Quotient
Indikator für aerobe/anaerobe Stoffwechsellage
Glutamat
Exzitatorischer Neurotransmitter, wird z. B. bei Ischämie freigesetzt, wirkt zytotoxisch; Marker des sekundären Hirnschadens
Glyzerol
Zerebral: bei Zellmembrandegradation über Phospholipasen freigesetzt – Marker für Zellschaden
Harnstoff
Referenzparameter zur Kontrolle der Dialysequalität

Funktionsprinzip

Grundlage der Methode ist das Dialyseprinzip: Eine semipermeable Membran wird kontinuierlich von 2 Flüssigkeiten umgeben. Der Konzentrationsgradient zu messenden Substanz entlang der semipermeablen Membran führt zu einer Diffusion der Substanzen. Über eine Pumpe wird der Mikrodialysekatheter kontinuierlich mit physiologischer Lösung gespült und so der Konzentrationsgradient aufrechterhalten.
Die auf der Intensivstation einsetzbare Mikrodialyseeinheit besteht aus dem im Hirngewebe liegenden Mikrodialysekatheter, einer Pumpe, die den Katheter mit steriler Ringerlösung perfundiert, den Auffangbehältern für das Mikrodialysat („Vials“) und dem Analysegerät.
Die Vials müssen in regelmäßigen Abständen von zumeist einer Stunde gewechselt, aus der Pumpe entfernt und in die Analyseeinheit überführt werden,
Damit ermöglichen die bisher verfügbaren Mikrodialyse-Systeme lediglich ein intermittierendes Monitoring.
Lösungen, die ein kontinuierliches Monitoring und damit eine permanente Metabolismus-Analyse ermöglichen werden aktuell in den Markt eingeführt.

Zerebrale Hypoxie und Mikrodialyse

Die bisherigen Untersuchungen zeigen, dass die Mikrodialyseparameter die Schwere der SAB anzeigen mit signifikanten pathologischen Veränderungen im Energiestoffwechsel (z. B. hoher Laktat/Pyruvat-Quotient) und einen Anstieg des extrazellulären Glutamats bei klinisch-neurologischer Verschlechterung des Patienten im Rahmen einer sog. „delayed cerebral ischemia“ (DCI) (Sarrafzadeh et al. 2002). Ein weiteres Anwendungsgebiet ist die Kontrolle der Insulintherapie und der zerebralen Glukosespiegel bei neurochirurgischen Intensivpatienten (Schmutzhard und Rabinstein 2011).
PET-Untersuchungen bei dieser Patientengruppe haben gezeigt, dass die hohen Glutamat- und Glyzerolwerte mit einem kurzfristig erniedrigten regionalen CBF korrelieren, der Laktat/Pyruvat-Quotient hingegen erst nach längerer Ischämie (>6 h) ansteigt (Sarrafzadeh et al. 2004b). In einer Studie an 131 SAB-Patienten war der Laktat/Pyruvat-Quotient (bei Werten von >40) der aussagekräftigste prognostische metabolische Parameter für das 12-Monats-Outcome (Sarrafzadeh et al. 2004a). (Abb. 2)
Die stündlich gemessenen Parameter des zerebralen aeroben/anaeroben Metabolismus (Glukose, Pyruvat, Laktat) sowie des exzitatorischen Neurotransmitters Glutamat eines Patienten nach aneurysmatischer Subarachnoidalblutung. Gegen 16 Uhr kommt es zu einer Verschiebung des Metabolismus von aerob zu vorwiegend anaerob sowie zu einem Anstieg des Glutamats. Klinisch entwickelte die Patientin einen zerebralen Vasospasmus mit Zunahme der transkraniell gemessenen Blutflussgeschwindigkeiten
Bei Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma wurden Verschiebungen zum anaeroben Hirnstoffwechsel (erhöhter Laktat/Pyruvat-Quotient, Anstieg von Glutamat) ebenfalls mit Phasen erhöhtem ICP und erniedrigter PtiO2 beobachtet (Zeiler et al. 2017). Eine Verbesserung des Outcomes solcher Patienten bei nach auffälligen Mikrodialyse-Werten ausgerichteter Therapie wurde jedoch noch nicht gezeigt.
Weitere Untersuchungen liegen vor für Patienten mit Hirninfarkten (Berger et al. 2005) sowie bei Epilepsie, M. Parkinson und Hirntumoren (Hillered et al. 2005).

Stellenwert im Rahmen des Intensivmonitorings

Im Rahmen der Neurointensiv-Medizin kann die Mikrodialyse bei Patienten mit sekundärem Ischämie-Risiko und damit zumeist bei Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma und nach aneurysmatischer Subarachnoidalblutung angewendet werden (Peerdeman et al. 2003).
Daneben hat die Mikrodialyse einen Platz im intensivmedizinischen Monitoring der rekonstruktiven Medizin zur Überwachung der Vitalität freier Lappenplastiken gewonnen (Kääriäinen et al. 2018).
Dieses invasive, lokale und intermittierende Neuromonitoring-Verfahren hat insbesondere auf Grund des erhöhten Personal- und Kostenaufwand noch keine breite Verwendung in der klinischen Routineüberwachung gefunden. Es ist daher nicht Bestandteil von Leitlinien oder festen Therapiealgorithmen. Dies bedeutet, dass die Verwendung der Mikrodialyse bisher auch in keinen prospektiven und kontrollierten Studien bei Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma oder Subarachnoidalblutung zu einem verbesserten Outcome führen konnte.
In Konsensus-Papieren wird die Verwendung jedoch empfohlen (Le Roux et al. 2014).
  • Die Messung des zerebralen Metabolismus wird bei Patienten mit Risiko auf zerebrale Ischämien empfohlen (Starker Empfehlungsgrad)
  • Die Position der Messsonde sollte sich nach der Art und Lage der führenden Pathologie richten (Starker Empfehlungsgrad)
  • Zerebrales Metabolismus-Monitoring sollte stets mit anderen klinischen Parametern und Monitoringmethoden verwendet werden, um Prognose und Therapie zu beurteilen (Schwacher Empfehlungsgrad)
  • Monitoring des zerebralen Metabolismus sollte als Maßnahme verwendet werden, um die Therapiemaßnahmen wie Transfusionen, Hypothermie und Beatmungsparameter adäquat zu titrieren (Schwacher Empfehlungsgrad)
Literatur
Berger C, Sakowitz OW, Kiening KL, Schwab S (2005) Neurochemical monitoring of glycerol therapy in patients with ischemic brain edema. Stroke 36:e4–e6PubMedCrossRef
Chen JW, Gombart ZJ, Rogers S, Gardiner SK, Cecil S, Bullock RM (2011) Pupillary reactivity as an early indicator of increased intracranial pressure: the introduction of the Neurological Pupil index. Surg Neurol Int 2011:82CrossRef
Chesnut R, Aguilera S, Buki A, Bulger E, Citerio G, Cooper DJ et al (2020) Management algorithm for adult patients with both brain oxygen and intracranial pressure monitoring: the Seattle International Severe Traumatic Brain Injury Consensus Conference (SIBICC). Intensive Care Med 46(5):919–929PubMedPubMedCentralCrossRef
Couret D, Boumaza D, Grisotto C, Triglia T, Pellegrini L, Ocquidant P et al (2016) Reliability of standard pupillometry practices in neurocritical care: an observational, double blinded study. Crit Care 20:99PubMedPubMedCentralCrossRef
Cruz J, Miner ME, Allen SJ, Alves WM, Gennarelli TA (1990) Continuous monitoring of cerebral oxygenation in acute brain injury: injection of mannitol during hyperventilation. J Neurosurg 73:725–730PubMedCrossRef
Dengler J, Frenzel C, Vajkoczy P, Wolf S, Horn P (2011) Cerebral tissue oxygenation measured by two different probes: challenges and interpretation. Intensive Care Med 37(11):1809–1815PubMedCrossRef
Giede-Jeppe A, Sprügel MI, Huttner HB, Borutta M, Kuramatsu et al (2021) Automated Pupillometry identifies absence of intracranial pressure elevation in intracerebral hemorrhage patients. Neurocrit Care 35(1):210–220PubMedCrossRef
Godau J, Bierwirth C, Rösche J, Bösel J (2021) Quantitative Infrared Pupillometry in nonconvulsive status epilepticus. Neurocrit Care 35(1):113–120PubMedCrossRef
Goetting MG, Preston G (1990) Jugular bulb catheterization: experience with 123 patients. Crit Care Med 18:1220–1223PubMedCrossRef
Gopinath SP, Robertson CS, Grossman RG, Chance B (1993) Near-infrared spectroscopic localization of intracranial hematomas. J Neurosurg 79:43–47PubMedCrossRef
Hillered L, Vespa PM, Hovda DA (2005) Translational neurochemical research in acute human brain injury: the status and potential future for cerebral microdialysis. J Neurotrauma 22:3–41PubMedCrossRef
Jaeger M, Soehle M, Meixensberger J (2005a) Improvement of brain tissue oxygenation and intracranial pressure during and after surgical decompression for diffuse brain oedema and space occupying infarction. Acta Neurochir Suppl 95:117–118PubMedCrossRef
Jaeger M, Soehle M, Schuhmann MU, Winkler D, Meixensberger J (2005b) Correlation of continuously monitored regional cerebral blood flow and brain tissue oxygen. Acta Neurochir 147:51–56PubMedCrossRef
Kääriäinen M, Halme E, Lranne J (2018) Modern postoperative monitoring of free flaps. Curr Opin Otolaryngol Head Neck Surg 26(4):248–253PubMedCrossRef
Keller E, Steiner T, Fandino J, Schwab S, Hacke W (2002) Jugular venous oxygen saturation thresholds in trauma patients may not extrapolate to Ischemic stroke. J Neurosurg Anaesthesiol 14(2):130–136CrossRef
Kiening KL, Hartl R, Unterberg AW, Schneider GH, Bardt T, Lanksch WR (1997) Brain tissue pO2-monitoring in comatose patients: implications for therapy. Neurol Res 19:233–240PubMedCrossRef
Kiening KL, Schneider GH, Bardt TF, Unterberg AW, Lanksch WR (1998) Bifrontal measurements of brain tissue-pO2 in comatose patients. Acta Neurochir Suppl 71:172–173PubMed
Kim MN, Durduran T, Frangos S, Edlow BL, Buckley EM, Moss HE et al (2010) Noninvasive measurement of cerebral blood oxygenation using near infrared and diffuse correlation spectroscopies in critically Brain-injured adults. Neurocrit Care 12(2):173–180PubMedPubMedCentralCrossRef
Le Roux P, Menon DK, Citerio G, Vespa P, Bader MK, Brophy GM et al (2014) Consensus summary statement of the international multidisciplinary consensus conference on multimodality monitoring. Neurocrit Care 21:S1–S26PubMedCrossRef
Lundberg N, Troupp H, Lorin H (1965) Continuous recording of the ventricular-fluid pressure in patients with severe acute traumatic brain injury. A preliminary report. J Neurosurg 22:581–590PubMedCrossRef
Meixensberger J, Baunach S, Amschler J, Dings J, Roosen K (1997) Influence of body position on tissue- pO2, cerebral perfusion pressure and intracranial pressure in patients with acute brain injury. Neurol Res 19:249–253PubMedCrossRef
Meixensberger J, Vath A, Jaeger M, Kunze E, Dings J, Roosen K et al (2003) Monitoring of brain tissue oxygenation following severe subarachnoid hemorrhage. Neurol Res 25(5):445–450PubMedCrossRef
Morton R, Lucas TH, Ko A, Browd SR, Ellenbogen RG, Chesnut RM (2012) Intracranial abscess associated with the Camino intracranial pressure monitor: case report and review of the literature. Neurosurgery 71(1):E193–E198PubMedCrossRef
Opic P, Rüegg S, Marsch S, Gut SS, Sutter R (2021) Automated quantitative pupillometry in the critically Ill – a systematic review of the literature. Neurology 97(6):e629–e642PubMedCrossRef
Peerdeman SM, van Tulder MW, Vandertop W (2003) Cerebral microdialysis as a monitoring method in subarachnoid hemorrhage patients, and correlation with clinical events – a systematic review. J Neurol 250(7):797–805PubMedCrossRef
Rosner MJ, Daughton S (1990) Cerebral perfusion pressure management in head injury. J Trauma 30:933–940PubMedCrossRef
Sarrafzadeh A, Haux D, Kuchler I, Lanksch WR, Unterberg AW (2004a) Poor-grade aneurysmal subarachnoid hemorrhage: relationship of cerebral metabolism to outcome. J Neurosurg 100:400–406PubMedCrossRef
Sarrafzadeh AS, Sakowitz OW, Kiening KL, Benndorf G, Lanksch WR, Unterberg AW (2002) Bedside microdialysis: a tool to monitor cerebral metabolism in subarachnoid hemorrhage patients? Crit Care Med 30:1062–1070PubMedCrossRef
Sarrafzadeh AS, Haux D, Ludemann L, Amthauer H, Plotkin M, Kuchler I, Unterberg AW (2004b) Cerebral ischemia in aneurysmal subarachnoid hemorrhage: a correlative microdialysis-PET study. Stroke 35:638–643PubMedCrossRef
Schmutzhard E, Rabinstein AA (2011) Participants in the international multi-disciplinary consensus conference on the critical care management of subarachnoid hemorrhage. Spontaneous subarachnoid hemorrhage and glucose management. Neurocrit Care 15(2):281–286PubMedCrossRef
Schneider GH, Sarrafzadeh AS, Kiening KL, Bardt TF, Unterberg AW, Lanksch WR (1998) Influence of hyperventilation on brain tissue-pO2, pCO2, and pH in patients with intracranial hypertension. Acta Neurochir Suppl 71:62–65PubMed
Seule M, Sikorski C, Sakowitz O, von Campe G, Santos E, Orakcioglu B et al (2016) Evaluation of a new brain tissue probe for intracranial pressure, temperature, and cerebral blood flow monitoring in patients with aneurysmal subarachnoid hemorrhage. Neurocrit Care 25(2):193–200PubMedCrossRef
Sinha S, Hudgins E, Schuster J, Balu R (2017) Unraveling the complexities of invasive multimodality neuromonitoring. Neurosurg Focus 43(5):E4PubMedCrossRef
Taillefer MC, Denault AY (2005) Cerebral near-infrared spectroscopy in adult heart surgery: systematic review of its clinical efficacy. J Can Anaesth 52(1):79–87CrossRef
Unterberg AW, Kiening KL, Hartl R, Bardt T, Sarrafzadeh AS, Lanksch WR (1997) Multimodal monitoring in patients with head injury: evaluation of the effects of treatment on cerebral oxygenation. J Trauma 42:S32–S37PubMedCrossRef
Vajkoczy P, Roth H, Horn P, Lucke T, Thome C, Hubner U, Martin GT, Zappletal C, Klar E, Schilling L, Schmiedek P (2000) Continuous monitoring of regional cerebral blood flow: experimental and clinical validation of a novel thermal diffusion microprobe. J Neurosurg 93:265–274PubMedCrossRef
Vajkoczy P, Horn P, Thome C, Munch E, Schmiedek P (2003) Regional cerebral blood flow monitoring in the diagnosis of delayed ischemia following aneurysmal subarachnoid hemorrhage. J Neurosurg 98:1227–1234PubMedCrossRef
Veldeman M, Albanna W, Weiss M, Park S, Hoellig A, Clusmann H et al (2021) Invasive multimodal neuromonitoring in aneurysmal subarachnoid hemorrhage: a systematic review. Stroke. StrokeAHA.121.034633 52(11):3624–3632
Viderman D, Abdildin YG (2021) Near-infrared spectroscopy in neurocritical care: a review of recent updates. World Neurosurg 151:23–28PubMedCrossRef
Wijayatilake DS, Talati C, Panchatsharam S (2015) The Monitoring and management of severe traumatic brain injury in the United Kingdom: is there a consensus? A National Survey. J Neurosurg Anaesthesiol 27(3):241–245CrossRef
Woodman T, Roberstoan CS (1996) Jugular venous oxygen saturation monitoring. In: Narayan RK, Wilberger JE, Povlishock JT (Hrsg) Neurotrauma. McGraw-Hill, New York, S 527–529
Zeiler FA, Thelin EP, Helmy A, Czosnyka M, Hutchinson PJA, Menon DK (2017) A systematic review of cerebral microdialysis and outcomes in TBI: relationships to patient functional outcome, neurophysiologic measures, and tissue outcome. Acta Neurochir 159(12):2245–2273PubMedCrossRef