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Die Urologie
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Publiziert am: 13.02.2022

Allgemeine Diagnostik bei neurogener Dysfunktion des unteren Harntrakts (neurogenic lower urinary tract dysfunction – NLUTD)

Verfasst von: Ruth Kirschner-Hermanns und Jens Wöllner
Bei Verdacht auf eine neurologische Erkrankung sollte auch die mögliche neurogene Blasenfunktionsstörung in Betracht gezogen werden. In Abhängigkeit der Grunderkrankung sollte die Diagnostik frühzeitig durchgeführt werden, um potenzielle Schäden des unteren und oberen Harntraktes zu erkennen und durch eine adäquate Therapie zu vermeiden. Da nicht alle Patienten mit einer neurogenen Erkrankung, eine neurogen bedingte Dysfunktion des unteren Harntrakts („neurogenic lower urinary tract dysfunction“ – NLUTD) entwickeln, ist ein genaues Verständnis der individuellen Blasenfunktion für die Wahl der richtigen Therapie unerlässlich. Dabei ist neben der Anamnese, der körperlichen Untersuchung, der Urinanalyse und der elektrophysiologischen Untersuchung sakraler Reflexe, die video-urodynamische Untersuchung der Goldstandard der Diagnostik. Weiterhin ist eine regelmässige Betreuung und Kontrolle der neurogenen Blasenfunktionsstörung zu gewährleisten, da sich in Abhängigkeit von der Grunderkrankung auch die Funktionsstörung dynamisch entwickeln kann. Zudem dient die video-urodynamische Diagnostik auch der Therapiekontrolle.

Anamnese und körperliche Untersuchung

Grundsätzlich sollten vor einer invasiven Diagnostik eine sorgfältige Anamnese und körperliche Untersuchung erfolgen. Dabei sollte unbedingt auf die neurologische Vorgeschichte und auf die zeitliche Entwicklung der Symptome eingegangen werden. Eine Anamnese umfasst neben einer allgemeinen Anamnese, eine gynäkologisch/urologische, eine Medikamentenanamnese und eine spezielle Anamnese einschließlich der Miktions-, Stuhl- und Sexualanamnese. Die Miktions – und Stuhlanamnese kann mit Hilfe eine Miktions-Stuhl Tagebuch über 3 Tage erfasst werden. Dieses Instrument kann auch später zur Therapiekontrolle und Objektivierung der Beschwerden eingesetzt werden. Weiterhin können standardisierte Fragebögen (QoL, IPSS, Qualiveen®) verwendet werden. Bereits bestehende, präexistente Miktionsstörungen oder urologische Voroperationen komplettieren die Anamnese. Die körperliche Untersuchung sollte eine vagino/rektale Untersuchung bei Frauen und eine rektale Untersuchung bei Männern einschließen. Bei der neurologischen Untersuchung wird die Sensibilität (Dermatome S2–S5) hinsichtlich Berührungs- und Schmerzempfindung, der Bulbokavernosusreflex, der anokutane Reflex und die Fähigkeit, willkürlich den Beckenboden und den Sphincter ani zusammenzukneifen, erfasst (Abb. 1, Tab. 1 und 2).
Tab. 1
Erhebung des sakralen Reflexstatus
 
Sakralsegmente
Achillessehnenreflex
S1
S2
Analreflex
S4
S5
Hustenreflex
S2
S4
Bulbokavernosusreflex
S2
S4
Tab. 2
Vorhandene (+) und fehlende () Reflexaktivität der Sakralsegmente als Hinweis auf den Schädigungsort im Bereich des Rückenmarks
Willkürliche Analsphinkterkontraktion
Bulbokavernosusreflex
Hustenreflex
Status Rückenmark
+
+
+
Normal
+
+
+
Inkomplette Läsion oberen motorischen Neuron
+
+
Oberes motorisches Neuron unterhalb TH12
+
Oberes motorisches Neuron oberhalb TH6
Unteres motorisches Neuron unterhalb TH12

Elektrophysiologische Untersuchungen

In der klinischen Routine bieten elektrophysiologische Untersuchungen der sakralen Reflexe eine grobe Orientierung bezüglich der afferenten und efferenten Bahnen des N. pudendus auf sakraler Ebene. Der Bulbokavernosusreflex (BCR) und der Analreflex (AR), sind teils oligo-, teils polysynaptische Reflexe und laufen über Bahnen der Segmente S2–S4. Eine fehlende oder abgeschwächte Antwort weist auf eine Läsion des Plexus sacralis, der kaudalen Fasern oder des Sakralmarks hin. Eine nähere Lokalisation der Läsionsstelle kann allein mit dieser Untersuchung nicht bestimmt werden.
Weitergehende neurophysiologische Untersuchungen wie etwa Nadel-Elektromyogramm (EMG) von analem und urethralem Sphinkter, kortikale Messung von somatosensorisch evozierten Potenzialen des N. pudendus (P-SEP ) oder viszerosensorisch evozierten Potenzialen der Blasenschleimhaut (VUJ-EP), die Erfassung von motorisch evozierten Potenzialen des N. pudendus (PMEP ), der Bestimmung der Pudenduslatenzzeit (Pudendus-Neurographie ) sowie der Latenzzeit von sakralen Reflexen sollten nur bei entsprechender Fragestellung in speziellen neurourologischen Zentren durchgeführt werden.

Miktionstagebuch/Kathetertagebuch

Zur semiquantitativen Analyse der neurogenen Dysfunktion des unteren Harntraktes sollte, ggf. mit Assistenz ein Blasentagebuch bzw. ein Kathetertagebuch über 2–3 Tage geführt werden. Zu dokumentieren ist, wenn möglich, auch die Intensität des Harndrangs, die Zahl und Ausmass der Inkontinenzepisoden, die verwandten Hilfsmittel, Anzahl und Qualität der Vorlagen und, falls möglich, der Leidensdruck. Patienten mit Symptomen einer Detrusorüberaktivität überschätzen häufig die Miktionsfrequenz am Tag. Durch Protokollierung der Miktionszeiten und Volumina, sowie der Trinkmenge und Uhrzeit, lässt sich ein guter Überblick über die Problematik im Alltag gewinnen. Auch kann das Miktionstagebuch therapeutisch in der Urotherapie eingesetzt werden, weiterhin dient es auch als Kontrollinstrument nach eingeleiteter Therapie.
Beim Kathetertagebuch sollte dokumentiert werden, ob es sich um einen aseptischen intermittierenden Selbst- (ISK) oder Fremd- (IFK) Katheterismus handelt. Davon zu unterscheiden ist eine Dauerableitung durch einen transurethralen oder suprapubischen Katheter. Natürlich sollte auch beim Kathetertagebuch die Trinkmenge erfasst werden. Weiterhin sollte dokumentiert werden, ob der Katheterismus nach Symptomen, im festen Zeitintervall oder nach Miktion (mit Erfassung des Miktionsvolumens) erfolgt. Das Kathetervolumen bzw. das Restharnvolumen sollte für jeden Katheterismus erfasst werden

Urinanalyse

Die Urindiagnostik spielt gerade bei einer neurogenen Dysfunktion des unteren Harntraktes eine wichtige Rolle. Dabei ist eine aussagefähige Beurteilung des Urins nur aus frischem, sauberem Mittelstrahlurin und bei diagnostischen Zweifeln nur mittels Einmal-Katheterurin möglich. Dabei kommen handelsübliche Urinteststreifen (z. B. Urinstix®) mit einer Sensitivität von 93 % und einer Spezifität von 17 % zum Einsatz. In jedem Fall sollte bei positivem Teststreifen der Urin unter dem Mikroskop untersucht und die Anzahl der Leukozyten bestimmt werden. Allein die Kombination von >100 Leukozyten/mm3 und >105 koloniebildende Einheiten (KBE) in der Urinkultur indiziert eine antibiotische und, wenn möglich, antibiogrammgerechte Therapie. Bei Patienten mit Querschnittslähmung empfiehlt der Arbeitskreis Neuro-Urologie der deutschsprachigen Gesellschaft für Paraplegie (DMGP) in dem 2014 publizierten Manual zur Bestimmung der Leukozyten eine Untersuchung im Nativurin. Im Urinsediment wird die Leukozytenzahl häufig unterschätzt (Domurath et al. 2014 (1)).
Wichtig
Eine alleinige Leukozyturie und/oder alleinige asymptomatische Bakteriurie bedarf lediglich der Kontrolle. Aufgrund der zunehmende Resistenzentwicklung sollte, wenn immer möglich eine testgerechte antibiotische Therapie durchgeführt werden.

Harnstrahlmessung/Uroflowmetrie

Die freie Uroflowmetrie erfolgt als Screening und Basisuntersuchung zum Erkennen eines pathologischen Urinflussmuster. Sie ist nur sinnvoll, wenn der Patient in der Lage ist, willentlich eine Miktion einzuleiten. Eine ausreichend große Miktionsmenge (> 150 ml) ist Voraussetzung für eine qualitativ gute Beurteilung der Messung. In Kombination mit Oberflächenelektroden kann auch die Aktivität/Relaxierung des Beckenbodens beurteilt werden. Eine Uroflowmetrie wird in der Regel mit einer sonografischen Restharnkontrolle kombiniert. Eine Uroflowmetrie sollte 2- bis 3-mal durchgeführt und mit den klinischen Daten korreliert werden. Bei einer pathologischen Uroflowmetrie ist in der Regel eine video-urodynamische Untersuchung, zur genaueren Klassifikation der Funktionsstörung, zu empfehlen. Die Uroflowmetrie zeigt nur eine Pathologie an, kann ab nicht zwischen hypokontraktilem Detrusor oder Obstruktion unterscheiden.

(Video-)Urodynamik

Ziel der Diagnostik bei neurogenen Dysfunktion des unteren Harntrakts ist eine exakte Beschreibung der Speicher und – Entleerungsstörung der Blase. Die (Video)-urodynamische Untersuchung evaluiert durch kontinuierliche Druckaufzeichnung der Blase und des Enddarms die vesikalen und abdominellen Druckverhältnisse. Durch Kombination mit einem, über Oberflächen-Elektrode abgeleiteten EMG kann zusätzlich die Beckenbodenaktivität während Speicher – und Entleerungsphase dokumentiert werden. Durch Verwendung einer Kontrastmittel-/NaCl Lösung als Füllmedium und simultaner radiologischer Untersuchung während der Videourodynamik, können auch strukturelle Veränderung der Blase detektiert werden. Mögliche Pathologien wie ein vesiko-renaler Reflux, sowie die Funktion des Blasenhalses und des Sphinktersystems können während der Entleerung beurteilt werden. Bei Patienten mit einem Lähmungsniveau oberhalb von Th 6, sollte durch regelmässiges Blutdruckmonitoring während der Urodynamik die autonome Dysregulation früh erkannt und die Messung umgehend beendet werden.
Bei allen Patienten mit Verdacht, oder bekannter neurogener Dysfunktion des unteren Harntraktes ist eine video-urodynamische Untersuchung indiziert – Ausnahme: Palliativsituation ohne therapeutische Konsequenz. Die urodynamische Untersuchung ist die einzige Methode, mit der eine Funktionsstörung des unteren Harntraktes objektiv evaluiert werden kann.
Eine gute Vorbereitung ist notwendig, um eine technisch einwandfreie Messung zu erhalten. Die Messergebnisse dienen der Diagnosestellung und sind auch im Verlauf für die Therapiekontrolle wichtig; reliable Messungen sind daher unverzichtbar. Wichtig ist die Erfassung des abdominalen und des vesikalen Drucks in der Speicherphase, und bei erhaltener Miktion eine zusätzliche Aufzeichnung des Harnstrahls in der Entleerungsphase. Die urodynamische Untersuchung sollte nach den Standards der International Continence Society (ICS) durchgeführt und dokumentiert werden (Schaefer et al. 2002) (Tab. 3). Die Rolle einer Urethradruckprofiluntersuchung ist bei neurogenen Blasenfunktionsstörung umstritten.
Tab. 3
Funktionell orientiertes ICS-Klassifikationssystem der Blasen- und Sphinkterfunktionsstörungen. (aus Schultz-Lampel et al. 2012)
 
Speicherphase
Miktionsphase
Detrusoraktivität
Normal/stabil
Überaktiv
Normal
Unteraktiv
Akontraktil
Blasensensitivität
Normal
Erhöht/hypersensitiv
Reduziert/hyposensitiv
Fehlend
 
Blasenkapazität
Normal
Hoch
Niedrig
 
Normal
Hoch
Niedrig
 
Urethrale Funktion
Normal
Inkompetent
Normal
Obstruktiv
Überaktiv
In Abhängigkeit von der Fragestellung kommen zusätzliche Tests wie eine Verschlusszystometrie oder spezielle Provokationstests zur Anwendung. Beim sog. Eiswassertest werden reflexartig autonome Detrusorkontraktionen als Folge rascher intravesikaler Instillation von 4 °C kalter physiologischer Kochsalzlösung ausgelöst. Dieser Reflex beweist im positiven Fall den Verlust der zentralen, inhibitorischen Kontrolle, lässt aber im negativen Fall keine Rückschlüsse auf fehlende neurogene Blasenfunktionsstörungen zu (Kaufmann und Kunze 2012). Die Evaluation des „detrusor leak point pressure “ kann als Screening-Methode für eine mögliche Gefährdung des oberen Harntrakts dienen.
Der „Abdomina (Valsalva) leak point pressure“ ist definiert als der niedrigste Detrusordruck, aus dem in Abwesenheit von Detrusorkontraktionen oder erhöhtem intraabdominalen Druck Harnverlust resultiert.
Der „Detrusor leak point pressure“ ist definiert als Detrusordruck, der den Widerstand des Sphinkters übersteigt und eine Inkontinenz generiert.
Wichtig
Bei Patienten mit einem Risiko zur autonomen Dysregulation sollte regelmäßig, kontinuierlich, der Blutdruck gemessen werden und auf vegetative Zeichen wie starke Kopfschmerzen, Piloerektion Blässe, Übelkeit und Schwitzen geachtet werden.
Urodynamische Messergebnisse – Definitionen (aus Schultz-Lampel et al. 2012)
  • Zystometrische Blasenkapazität: Füllungsvolumen während der (video-) urodynamischen
    Untersuchung, bei der Patient/- in ein nicht unterdrückbares Harndranggefühl wahrnimmt
  • Maximale zystometrische Blasenkapazität: Blasenvolumen, bei der die Miktion nicht länger herausgezögert werden kann.
  • Reflexievolumen: Blasenfüllmenge bis zum Auftreten der ersten unwillkürlichen Detrusorkontraktion
  • Breakvolumen: Volumen in der Speicherphase bis zu dem Punkt, an dem sich die Compliance entscheidend verändert
  • Low-Compliance-Blase: pathologischer intravesikaler Druckanstieg (Detrusor-Compliance< 20 ml/cm H2O) ohne Detrusorkontraktion.
Pathologische Detrusorkontraktilität
kann unterteilt werden in:
  • Detrusorüberaktivität: entspricht einer Hochdrucksituation in der Blase, die während der Speicherphase durch ungehemmte Detrusorkontraktionen auftritt, oder während der Miktion. mit einer deutlich erhöhten und prolongierten Kontraktion einhergeht. Diese kann auch sekundär auf Basis einer infravesikalen Obstruktion entstehen.
  • Detrusorunteraktivität: Detrusorkontraktion mit reduzierter Druckamplitude bzw. Dauer; dies führt zu einer prolongierten und ggf. inkompletten Blasenentleerung mit oder ohne Restharn.
  • Detrusorakontraktilität: Fehlende Kontraktion des Detrusors mit konsekutivem Verlust der Blasenentleerung. Diese kann myogen (Detrusorschaden z. b. bei chronischer Harnretention) oder neurogen (zentrale und periphere Neuropathien) bedingt sein. Kann unter Untersuchungsbedingungen während einer Zystometrie keine Spontanmiktion ausgelöst werden, kann eine Detursoraktivität nicht beurteilt werden.

Bildgebende Diagnostik

Sonografie
Die Sonografie dient als Screeninguntersuchung für den oberen und unteren Harntrakt. Die nicht-invasive, schmerzlose und strahlungsfreie Untersuchung dient der Untersuchung der Nieren: Lage, Grösse, Form und mögliche Pathologien wie Harntransportstörungen, Steine oder Raumforderungen können identifiziert werden. Parenchymdicke und mögliche Alterationen können Hinweis auf eine Schädigung des oberen Harntraktes sein. Die Untersuchung der Blase erlaubt Aussagen zu Konfiguration der Blase, Steine, Tumore und Restharn. Bei speziellen Fragestellungen (Epididymitis, Prostatitis) kann auch die Sonografie des äusseren Genitale sowie die transrektale Sonografie hilfreich sein. Ergänzend kann die Perinealsonographie bei weiblichen Patienten bei Belastungsinkontinenz durchgeführt werden.
Radiologische Untersuchungen
Durch Füllung der Blase mit kontrastmittelhaltigem Füllmedium während der Füllphase kann die Konfiguration der Blase (Divertikel) sowie ein potenzieller vesiko-uretero-renaler Reflux (VUR) detektiert werden. Bei möglicher Miktion unter Untersuchungsbedingungen kann auch der Blasenhals und die Harnröhre mittels Miktionszystourethrogramm (MCU) dargestellt werden. Diese Untersuchung erlaubt Rückschlüsse über die Kompetenz des Blasenhalses, einer Detrusor-Sphinkter Dyssynergie und mögliche pathologische Veränderungen der Harnröhre (Strikturen, Divertikel). Bei fehlender Kontrastierung der Harnröhre kann auch ein retrogrades Urethrogramm durchgeführt werden.
Computertomografie (CT), Magnetresonanztomografie (MRT)
Bei unklaren sonografischen Befunden kann auch eine Computertomografie mit Kontrastmittelgabe die Diagnostik ergänzen. Insbesondere bei sonografisch suspekten Befunden an den Nieren, oder bei Dilatation des oberen Harntraktes zur Abklärung inklusive Ausscheidungsphase. Das MRT hat mittlerweile auch in der Prostatakarzinomdiagnostik einen Stellenwert, welches auch bei neurologischen Patienten mit zunehmendem Alter eine Rolle spielt. Auch die Untersuchung des Rückenmarks im MRT kann bei unklarer NULTD eine mögliche neurogene Genese identifizieren.

Urethrozystoskopie

Die Urethrozystoskopie ist keine zwingend notwendige Untersuchung in der Diagnostik einer neurogenen Harnblasenfunktionsdiagnostik, sie kann aber bei bestimmten Verdachtsmomenten ähnlich nicht neurologisch erkrankter Menschen sinnvoll sein. Bei Abklärung einer Änderung der Blasenfunktion, rezidivierender Harnwegsinfekte oder persistierender Hämaturie ist die Urethrozystoskopie zu empfehlen. Auch bei Patienten mit langjähriger Ableitung mit einem Dauerkatheter und neurogener Blasenfunktionsstörung sollte zum Ausschluss eines Malignoms der Blase regelmässig (alle 1–2 Jahre) eine Zystoskopie erfolgen (2–4). Je nach neurologischer Grunderkrankung, insbesondere bei Patienten mit hoher Querschnittlähmung oberhalb TH6 sollte diese Untersuchung aufgrund der möglichen autonomen Dysregulation in Spinalanästhesie oder Intubationsnarkose durchgeführt werden.

Kontrolle des oberen Harntraktes

  • Insbesondere bei Patienten mit Querschnitt und spinaler MS ist eine regelmäßige Kontrolle der Nierenfunktion wichtig. Die Bestimmung von Serum-Kreatinin (und Cystatin C) überschätzen die tatsächliche Nierenfunktion. Empfohlene Methoden zur Bestimmung der Nierenfunktion sind die endogene Kreatinin-Clearance (Voraussetzung: exakte Sammelzeit und Bestimmung des Urinvolumens) oder die Nierenfunktions-Szintigrafie (MAG 3 Clearance, DMSA).

Zusammenfassung

  • Anamnese (neurologische Vorerkrankungen) und Miktions/Kathetertagebuch
  • Urinkontrolle
  • Körperliche Untersuchung mit neurologischem Reflexstatus und Motorik Sensibilität in den sakralen Dermatomen
  • Sonografie, Uroflowmetrie, Restharnsonographie
  • Goldstandard der neuro-urologischen Diagnostik: Videourodynamik
  • Optional: ergänzenden neurophysiologischen Untersuchungen, Zystoskopie, CT, MRT
  • Kontrolle der Nierenfunktion
Literatur
Domurath B, Böthig R, Bremer J, Kaufmann A, Pannek J (2014) Manual zur neuro-urologischen Diagnostik und Therapie Querschnittsgelähmter, Arbeitskreis Neuro-Urologie (Hsrg) Deutschsprachige medizinische Gesellschaft für Paraplegie (DMGP). Köln
Gerheuser F, Craß D (2005) Spinalanästhesie. Anaesthesist 54(12). https://​doi.​org/​10.​1007/​s00101-005-0947-6
International Continence Society ICS (2006) Standardisierungsberichte der International Continence society ICS. http://​www.​ics.​org
Kaufmann A, Kunze I (2012) Diagnostik der neurogenen Blasenfunktionsstörung. Urologe 51:168–176CrossRef
Schaefer W, Abrams P, Liao L et al (2002) Good urodynamic practices: uroflowmetry, filling cystometry, and pressure-flow studies. Neurourol Urodyn 21:261–274CrossRef
Schultz-Lampel D, Goepel M, Haferkamp A (2012) Urodynamik, 3. Aufl. Springer, BerlinCrossRef