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Die Urologie
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Publiziert am: 13.12.2022

Blasendivertikel und Urachusanomalie

Verfasst von: Hubertus Riedmiller und Arkadius Kocot
Echte Blasendivertikel sind hernienartige Ausstülpungen der Detrusormuskulatur. Die Wandstruktur entspricht weitgehend dem Detrusoraufbau. Histologisch ist die Detrusorschicht jedoch hochgradig reduziert (fibromuskuläre Schicht bei Fehlen glatter Muskelzellbündel). Im Gegensatz hierzu sind Pseudodivertikel Herniationen lediglich der Mukosa zwischen meist hypertrophierten Fasern des Musculus detrusor. Hierbei besteht die Divertikelwand ausschließlich aus Mukosa. Bei fehlender infravesikaler Obstruktion sind Blasendivertikel in der Regel symptomlos. Bei symptomatischen Divertikeln stellt die rezidivierende Harnwegsinfektion die häufigste klinische Manifestation dar. Der zum Ligamentum umbilicale medianum obliterierte Urachus ist ein bindegewebiger Strang, dessen embryologische Herkunft kontrovers diskutiert wird. Entwicklungsgeschichtlich werden als Ursprungsstrukturen sowohl die Allantois als auch die Kloake diskutiert. Unter Urachusanomalien werden Störungen der Urachusobliteration bezeichnet. Je nach Ausprägung der Obliterationsstörung werden 4 verschiedene Formen unterschieden: persistierender Urachus, Urachuszyste, Urachussinus und vesikourachales Divertikel. Während das vesikourachale Divertikel in der Regel symptomlos ist, fällt ein persistierender Urachus über eine Urinsekretion aus dem Nabel auf. Urachusanomalien im Erwachsenenalter mit Symptomatik weisen häufig maligne, schlecht differenzierte Tumoren auf (Adenokarzinome).

Blasendivertikel

Echte Blasendivertikel sind hernienartige Ausstülpungen der Detrusormuskulatur. Die Wandstruktur entspricht weitgehend dem Detrusoraufbau. Histologisch ist die Detrusorschicht jedoch hochgradig reduziert (fibromuskuläre Schicht bei Fehlen glatter Muskelzellbündel). Im Gegensatz hierzu sind Pseudodivertikel Herniationen lediglich der Mukosa zwischen meist hypertrophierten Fasern des Musculus detrusor. Hierbei besteht die Divertikelwand ausschließlich aus Mukosa. Bei fehlender infravesikaler Obstruktion sind Blasendivertikel in der Regel symptomlos. Bei symptomatischen Divertikeln stellt die rezidivierende Harnwegsinfektion die häufigste klinische Manifestation dar (Garat et al. 2007).

Epidemiologie

Kongenitale Harnblasendivertikel kommen in 1,7 % der Fälle vor (Gearhart 2002). Die Häufigkeit echter Blasendivertikel in großen Serien wird mit ca. 0,7 % angegeben (Blane et al. 1994). Knaben sind deutlich häufiger betroffen (Garat et al. 2007).

Ätiologie

Als Folge subvesikaler Obstruktion können intravesikale Druckerhöhungen über eine Hypertrophie der Blasenmuskulatur und ein konsekutives Auseinanderweichen der Muskelfasern zur Divertikelentstehung führen.
Ursächlich für die Entstehung solitärer Divertikel, die ohne Zeichen einer infravesikalen Obstruktion und Detrusorhypertrophie auftreten, wird eine lokale kongenitale Blasenwandschwäche postuliert (Schiff und Lytton 1970).
Ein gehäuftes Auftreten von Blasendivertikeln wird bei Syndromen beobachtet, die mit einer Fehlentwicklung der Muskulatur und/oder des umgebenden Bindegewebes vergesellschaftet sind, wie beispielsweise beim Ehlers-Danlos- oder dem Menkes-Syndrom (Kinking-Hair-Syndrom) (Bade et al. 1994; Stage und Tank 1992).

Divertikelformen

Die Unterteilung von Blasendivertikeln erfolgt entsprechend ihrer Ätiologie in idiopathische/kongenitale Divertikel ohne Zeichen einer infravesikalen Obstruktion und erworbene Divertikel als Folge einer Grunderkrankung neurogener oder obstruktiver Art. Nach Operationen an der Blase kann ein unzureichender Detrusorverschluss zu einem Schleimhautprolaps mit konsekutiver Ausbildung eines iatrogenen Divertikels führen.
Kongenitale Divertikel sind häufig im Bereich der ureterovesikalen Verbindungsstelle lokalisiert, wobei der Hals des Divertikels dorsolateral des Ureterostiums (Hutch-Divertikel) lokalisiert ist (Hutch et al. 1961). Ursache ist ein Defekt der Waldeyer-Scheide, der zu einer Divertikelausdehnung entlang des intramuralen Harnleiters führt (Stephens 1963). Eine Größenzunahme führt zur Entwicklung eines Uretermündungsdivertikels mit refluxivem Ureter. Seltener werden Divertikel im Bereich der Blasenhinterwand und des Blasendachs vorgefunden. Am Blasendom lokalisierte Divertikel sind in der Regel persistierende Residuen des Urachus. In diesem Fall besteht häufig eine Assoziation mit einem Prune-Belly-Syndrom.
Als „Wide-mouthed-Divertikel “ werden Blasenwandausstülpungen dorsolateral der Uretermündungsstelle bezeichnet (meist bei Mädchen mit großer und atoner Blase). Bei verminderter Detrusorschicht wird dieses Blasenareal zwar nach außen vorgewölbt, jedoch besteht nach Miktion keine Restharnbildung im Divertikel (Stephens 1963).

Klinik

Harnblasendivertikel ohne begleitende infravesikale Obstruktion weisen in der Regel keine Symptome auf. Im Rahmen der Abklärung rezidivierender Harnwegsinfekte erfolgt die Diagnosestellung im Rahmen eines Miktionszystourethrogramms. Die häufigste klinische Manifestation bei symptomatischen Divertikeln ist der rezidivierende Harnwegsinfekt. Hierbei ist die klinische Manifestation eines kindlichen Blasendivertikels deutlich später (Altersgipfel 3–10 Jahre) im Vergleich zu Kindern mit Divertikeln und gleichzeitiger infravesikaler Obstruktion. Das Auftreten einer Symptomatik ist abhängig von der Entleerung des Divertikels. Beim Auftreten von Restharn ist bei entzündlichen Reaktionen des Divertikelhalses bei „Small-mouthed-Divertikeln“ eine Chronifizierung des Harnwegsinfekts möglich. Steinbildung und metaplastische Schleimhautveränderung innerhalb des Divertikels kommen als Langzeitveränderungen vor. Bei Persistenz derartiger Divertikel bis ins Erwachsenenalter besteht ein 2- bis 10 %iges Risiko der Entstehung eines Divertikelkarzinoms (Chiang et al. 1991; Fang et al. 2019). Mehr als 1 % aller Harnblasenmaligmone sind Divertikelkarzinome (Poletajew et al. 2020). Paraureterale Divertikel können mit einem Reflux vergesellschaftet sein, in seltenen Fällen kann hierbei auch eine Harntransportstörung bestehen. Eine spontane Divertikelperforation eines kongenitalen Divertikels ohne begleitende Syndrome, die mit einer Fehlentwicklung der Muskulatur (Ehlers-Danlos-Syndrom) einhergehen, wurden erstmals 2005 von Stein et al. berichtet. Zuvor wurden spontane Rupturen, jedoch nur bei vorbestehendem Ehlers-Danlos-Syndrom oder dem Menkes-Syndrom beobachtet (Jorian und Michel 1999; Oshio et al. 1997).

Diagnostik

Die wesentliche Untersuchung zur Diagnose eines Blasendivertikels stellt die Miktionszystourethrographie dar. Hierbei können unter Durchleuchtungskontrolle sowohl die Lokalisation und Entleerung als auch die urodynamischen Folgeerscheinungen evaluiert werden. Die Untersuchung muss während der Miktion erfolgen. Der Miktionzysturethrographie unterlegene und alternative Untersuchungsformen sind die Sonografie sowie nuklearmedizinische Untersuchungsmethoden (Weingardt et al. 1994; Sheih et al. 1995). Die isolierte Ausscheidungsurographie stellt bei häufig fehlender Darstellung der Divertikel keine Alternativdiagnostik dar (Hernanz-Schulman und Lebowitz 1985). Die weiterführende Diagnostik erfolgt durch Endoskopie, jedoch nur bei gleichzeitig bestehender therapeutischer Konsequenz.

Differenzialdiagnostik

Bladder-Ears

Hierbei handelt es sich um eine Sonderform der kongenitalen Divertikel, sog. Blasenohren. Am häufigsten sind Knaben bis zu einem Alter von 6 Monaten betroffen. Bei ca. 10 % der Ausscheidungsurogramme bei Kleinkindern werden die asymptomatischen „bladder ears“ diagnostiziert. Häufig verschwinden diese mit zunehmendem Längenwachstum des Kindes (Allen und Condon 1961). Die Differenzierung von echten Blasendivertikeln ist aufgrund ihrer Lokalisation und des Fehlens eines Divertikelhalses möglich. Als Komplikation können Bladder-Ears aufgrund der engen anatomisch-topografischen Lagebeziehung zum inneren Leistenring in den Leistenkanal prolabieren (Abb. 1).

Postoperative periureterale Divertikel

Hierbei handelt es sich um Pseudodivertikel mit Mukosaausstülpungen nach operativen Eingriffen im Bereich der ureterovesikalen Verbindung (Abb. 2). Ansonsten sind grundsätzlich iatrogen bedingte Divertikel nach entsprechenden Eingriffen am Detrusor in allen Lokalisationen der Blase möglich.

Therapie

Abhängig von der Klinik und Symptomatik wird die Indikation zur Therapie eines Blasendivertikels gestellt. Bei chronischen Infekten und gleichzeitig bestehendem vesikoureterorenalem Reflux oder einer Harntransportstörung des oberen Harntraktes ist eine operative Korrektur in der Regel erforderlich. Bladder-Ears sowie die kindlichen Wide-mouthed-Divertikel mit vollständiger Entleerung bedürfen keiner Therapie. Bei Blasendivertikeln aufgrund einer anatomischen intravesikalen Obstruktion ist die Beseitigung der Obstruktion der erste therapeutische Schritt.
Bei neurogener Blasenentleerungsstörung, bei der die Blase von Divertikeln übersät ist, besteht eine Kontraindikation zur Divertikulektomie. Die Indikation zur Exzision echter Blasendivertikel wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Neben der Empfehlung einer generellen Exzision echter Blasendivertikel wird von manchen Autoren ein Divertikeldurchmesser von 3 cm nach Blasenentleerung als Operationsindikation angesehen. Einer definitiven operativen Korrektur bedürfen alle Uretermündungsdivertikel mit konsekutiven Störungen des oberen Harntraktes sowie Divertikel mit relevantem Residualurin nach Miktion. Entscheidend ist bei der operativen Divertikelresektion der sorgfältige Verschluss der Detrusormuskulatur zur Vermeidung eines Rezidivs.
Bei extravesikaler operativer Versorgung des Blasendivertikels (Abb. 3) wird bei gefüllter Blase das Divertikel freipräpariert und von der Adventitia befreit. Nach Darstellung des Divertikelhalses wird das Divertikel abgetragen und die Blase zweischichtig im Bereich des Detrusordefekts verschlossen. Bei intravesikalem Zugangsweg wird das Divertikel nach Eröffnen der Blase von innen gefasst und in die Blase hineinluxiert. Nach Absetzen am Divertikelhals erfolgt hier ein zweischichtiger Verschluss der Blase. Bei kleineren paraureteralen Divertikeln und Uretermündungsdivertikeln mit begleitendem Reflux können diese im Rahmen refluxkorrigierender Operationen (Lich-Gregoir) mitversorgt werden. Uretermündungsdivertikel müssen immer operativ im Rahmen der Refluxkorrektur mitversorgt werden, bei paraureteralem Divertikel besteht im Rahmen des Längenwachstums die Chance auf ein spontanes Sistieren analog zum Reflux allein (Afshar et al. 2005). Bei großen paraureteralen Divertikeln mit Reflux sowie Divertikeln mit Obstruktion des oberen Harntraktes ist neben der Divertikelresektion eine Harnleiterneoimplantatation (z. B. Psoas-Hitch-Technik) erforderlich.
Die etablierten offen-operativen Techniken der Blasendivertikelchirurgie konnten in den letzten zwei Jahrzehnten erfolgreich auf laparoskopische Verfahren übertragen werden. Innerhalb der minimalinvasiven Methoden wurden zusätzliche Modifikationen zur Verbesserung der Kosmetik und Reduktion der Morbidität der Patienten durch Implementierung der Singleport- Laparoskopie, der 3D Laparoskopie sowie des DaVinci-Systems erfolgreich unternommen gehalten (Zanetti et al. 1995; Myer und Wagner 2007; Meeks et al. 2009; Thüroff et al. 2012; Eyraud et al. 2013) Langzeitergebnisse größerer Fallserien stehen jedoch weiterhin aus.
Eine weitere Therapieoption besteht in einer kompletten Fulguration der Divertikelmucosa mit mehrfacher Inzision des Divertikelhalses mit anschließender Fulguration der Inzisionsstellen. Eine signifikante Volumenabnahme bis hin zum kompletten Verschwinden des Divertikels beansprucht in der Regel mehrere Monate und hängt von der initialen Divertikelgröße ab. Die Fulguration findet insbesondere bei Patienten mit großen Divertikeln Anwendung, bei denen offene oder laparoskopische Techniken aufgrund eines hohen Comorbiditätsprofils nicht angewendet werden können (Pacella et al. 2019).

Nachsorge

Nach erfolgter Resektion von Blasendivertikeln erfolgt die Nachsorge in Abhängigkeit von der zugrunde liegenden Ursache oder begleitenden Anomalie des Harntraktes, welche im Rahmen der Divertikeltherapie beseitigt wurde (z. B. Urethralklappen, vesikoureteraler Reflux). Bei nicht therapierten, symptomlosen Divertikeln ohne zugrunde liegende oder begleitende Pathologie werden in der Literatur regelmäßige Kontrollen empfohlen, wobei weder zu zeitlichen Intervallen noch zur Art der Kontrolle (Endoskopie/Sonografie) Stellung bezogen wird. Konsens besteht jedoch dahingehend, dass das potenzielle Risiko einer Tumorentstehung bei ca. 2–10 % liegt und der Patient hierüber aufgeklärt werden sollte (Fang et al. 2019). Bei Auftreten einer Symptomatik, Veränderungen der Morphologie des Divertikels oder einer signifikanten Größenzunahme ist eine operative Intervention erforderlich.

Urachusanomalie

Der zum Ligamentum umbilicale medianum obliterierte Urachus ist ein bindegewebiger Strang, dessen embryologische Herkunft kontrovers diskutiert wird. Entwicklungsgeschichtlich werden als Ursprungsstrukturen sowohl die Allantois als auch die Kloake diskutiert (Begg 1927; Trimingham und McDonald 1945; Hammond et al. 1941). Unter Urachusanomalien werden Störungen der Urachusobliteration bezeichnet. Je nach Ausprägung der Obliterationsstörung werden 4 verschiedene Formen unterschieden: persistierender Urachus, Urachuszyste , Urachussinus und vesikourachales Divertikel . Während das vesikourachale Divertikel in der Regel symptomlos ist, fällt ein persistierender Urachus über eine Urinsekretion aus dem Nabel auf. Urachusanomalien im Erwachsenenalter mit Symptomatik weisen häufig maligne, schlecht differenzierte Tumoren auf (Adenokarzinome).

Epidemiologie

Genaue Zahlen über Prävalenz sind in der Literatur nur unzureichend berichtet. Im Gegensatz zur früheren Auffassung stellt die Urachusanomalie eine relativ häufige Erscheinung dar (Robert et al. 1996). Die Inzidenz bei Kindern wird mit 1,6 % und bei Erwachsenen mit 0,63 % angegeben (Siow et al. 2015)

Definition

Nach Blichert-Toft et al. 1973 werden 4 verschiedene Formen unterschieden (Abb. 4): persistierender Urachus, Urachuszyste, Urachussinus und vesikourachales Divertikel. Bedingt durch die variablen Wachstumsvorgänge beim Deszensus der Harnblase und der Ausbildung der vorderen Bauchwand lässt sich die Entstehung der unterschiedlichen Formen erklären.

Klinik

Während es bei einer echten Urachuspersistenz nach Abstoßung der Nabelschnur zu einer Urinextravasation über den Umbilikalbereich kommt, persistiert bei der reinen Urachuszyste ein Lumen im mittleren Anteil des Urachusverlaufs. Hierbei kann Schleimsekretion aus dem auskleidenden Übergangs- bzw. Zylinderepithel zur Ausbildung einer palpablen infraumbilikalen Raumforderung führen. Pathognomonisch für das Vorliegen einer entzündlich veränderten Urachuszyste ist neben lokaler Schwellung und Rötung ein Druckschmerz unterhalb des Nabels. In Einzelfällen wurde ein spontaner Durchbruch der infizierten Urachuszyste in den Nabel beschrieben (Yoshimura et al. 1994). Eine Beteiligung des unteren Harntraktes ist bei einer Spontanruptur in unteren Harntrakt/Blase ebenfalls möglich. In Einzelfällen wurde auch über eine Perforation in die freie Bauchhöhle berichtet (Horgan et al. 1994). Klinische Zeichen eines Urachussinus sind durch rezidivierende Infekte im Sinus hervorgerufene periumbilikale Rötungen und Schwellungen. Beim reinen vesikourachalen Divertikel sind Symptome selten und beschränkt auf Restharnbildung und in einer ganz geringen Zahl der Fälle auf rezidivierende Harnwegsinfekte oder gar Blasensteinbildung in Einzelfällen.

Diagnostik

Die Sonografie stellt die Untersuchungsmethode der Wahl bei der Diagnostik von Urachusanomalien dar (Ueno et al. 2003). Alternativ ist zusätzlich zur besseren Differenzierung der anatomischen Struktur eine Kernspintomografie möglich (Rafal und Markisz 1991).

Persistierender Urachus

Die Diagnosestellung eines persistierenden Urachus erfolgt in der Regel aufgrund der Symptomatik bereits im Säuglings- und Kleinkindalter. Der persistierende Urachus kann mit anderen Fehlbildungen wie dem Prune-Belly-Syndrom oder der Omphalozele vergesellschaftet sein. Dagegen ist der kausale Zusammenhang zwischen infravesikaler Obstruktion und damit verbundener intravesikaler Drucksteigerung und konsekutiv fehlender Obliteration des Urachus umstritten (Hinman 1961; Mesrobian et al. 1997; Cilento et al. 1998; Little et al. 2005). Ein seitliches Zystogramm zeigt den Urachus in siffonartiger Konfiguration, wobei die Blase eine ventrale Verkippung aufweist. Das anzuschließende Miktionszystourethrogramm kann ggf. eine infravesikale Obstruktion evaluieren. Eine sonografische Darstellung bei prallgefüllter Harnblase gelingt durch Nachweis eines flüssigkeitsgefüllten Verhalts bis in Nabelhöhe.

Urachuszyste

Untersuchungsmethode der Wahl in der Diagnostik der reinen Urachuszyste ist die Sonografie (Abb. 5), im Einzelfall ggf. eine Kernspintomografie. Bei der Entwicklung der Urachuszyste liegt eine Obliteration kaudal und kranial der Zyste im Urachusbereich vor.

Urachussinus

Ein Urachussinus kann Folge einer perforierten Urachuszyste zum Nabel hin, in seltenen Fällen auch durch eine enge Verbindung zur Blase drainiert sein. Die Diagnosestellung erfolgt sonografisch oder radiologisch durch direkte Kontrastmitteldarstellung über den Nabel, sofern die Urachuszyste in den Nabel hineindrainiert (Costakos et al. 1992; Mesrobian et al. 1997). Das laterale Zystogramm ist zur Diagnose einer Urachuszyste mit Perforation in die Blase und konsekutivem persistierendem Urachussinus die Methode der Wahl.

Vesikourachales Divertikel

Die typische Lokalisation für ein vesikourachales Divertikel ist am Blasendach. Ursache ist eine Persistenz des blasenwärts gelegenen Urachuslumens oder eine unbemerkt spontan in die Harnblase perforierte Urachuszyste. Die Diagnosestellung erfolgt durch ein laterales Zystogramm. Hierbei stellt sich das Divertikel am Blasendach dar und ermöglicht eine Abgrenzung von Blasendivertikeln anderer Genese.

Differenzialdiagnostik

Gegenüber dem persistierenden Urachus sind differenzialdiagnostisch beim Bild eines nässenden Nabels ein Nabelgranulum oder ein persistierender Ductus omphaloentericus zu erwägen. Gegenüber den Urachuszysten müssen differenzialdiagnostisch Nabelgranulome oder auch bei blander Urachuszyste Tuboovarialzysten, Bauchwandhernie oder echte Blasendivertikel abgegrenzt werden.

Therapie

Asymptomatische Urachuszysten im Kindesalter bedürfen keiner Therapie. Bei Säuglingen mit geringfügiger Symptomatik kann aufgrund der auch im Verlauf bis zum Ende des 1. Lebensmonats zu erwarteten Obliteration abgewartet werden (Ueno et al. 2003; Galati et al. 2008; Arora und Donohoe 2015). Aufgrund nicht unerheblicher operativer Komplikationen wird zunehmend ein konservatives Management auch für symptomatische Urachusanomalien bis zur Vollendung des ersten Lebensjahres gefordert, da die Ergebnisse im Vergleich zur Operation äquivalent erscheinen (Dethlefs et al. 2019). Lediglich bei wiederholten symptomatischen Episoden ist zur Vermeidung sekundärer Komplikationen eine frühzeitige und vollständige Urachusexzision unter Mitnahme einer Blasenmanschette die Therapie der Wahl (Abb. 6). Die Entfernung des Urachus wird heute zunehmend laparoskopisch durchgeführt (Turial et al. 2007; Sato et al. 2015; Aylward et al. 2020). Auch bei symptomatischen Urachuszysten sowie beim Urachussinus ist die vollständige Exzision erforderlich. Im Falle einer vorbestehenden Infektion besteht die Möglichkeit einer primären Punktion oder Inzision mit Drainageneinlage. Nach Abheilung erfolgt dann die definitive operative Versorgung. Aufgrund der fehlenden Symptomatik sind vesikourachale Divertikel nur selten therapiebedürftig. Bei Auftreten signifikanter Restharnmengen, rezidivierender Harnwegsinfekte oder nach Steinbildung besteht eine Indikation zur Resektion des Divertikels.
Entgegen der früheren Annahme, dass zufällig entdeckte asymptomatische Urachusanomalien im Jugend- und Erwachsenenalter aufgrund des Risikos einer potenziellen malignen Entartung grundsätzlich exzidiert werden müssen, zeigen neuere Untersuchungen einen zunehmenden Trend zur konservativen Behandlung im Sinne einer aktiven Überwachung mittels Sonografie nach Ausschluss eines Malignoms mittels Endoskopie incl. Biopsie der Blase und Computertomografie (Parada et al. 2016).
Grund hierfür sind neuere Datenerhebungen über das potenzielle Risiko einer malignen Entartung eines Urachusresiduums. Demnach müssten 5721 prophylaktische Resektionen asymptomatischer Urachusresiduen durchgeführt werden, um eine Erkrankung an einem Urachuskarzinom zu verhindern (Gleason et al. 2015).

Besondere Aspekte

Symptomatische Urachusanomalien im Erwachsenenalter sind in mehr als 50 % der Fälle mit der Ausbildung hochmaligner und schlecht differenzierter Tumoren (Adenokarzinom, Plattenepithelkarzinom) vergesellschaftet. Ein Fünftel der betroffenen Patienten ist zum Zeitpunkt der Diagnose bereits metastasiert. Prognostisch ist das Urachuskarzinom mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von max. 50 % sehr ungünstig (Ashley et al. 2006).

Zusammenfassung

  • Blasendivertikel: hernienartige Ausstülpungen der Blasenwand.
    • Kongenital/idiopathisch: Wandaufbau überwiegend analog zur Detrusoranatomie.
    • Erworben als Folge neurogen-obstruktiver Pathologie oder iatrogen (in der Regel Pseudodivertikel mit isolierter Mukosa als Wand).
  • Sonderformen: Bladder-Ears, Hutch-Divertikel, Wide-mouthed-Divertikel.
  • Inzidenz: 0,7–1,7 %, Jungen deutlich häufiger betroffen als Mädchen.
  • Klinische Manifestation: Rezidivierende Harnwegsinfekte am häufigsten.
  • Diagnostik: Miktionszysturethrographie, Endoskopie, Sonografie, ggf. Isotopenszintigrafie.
  • Therapie, offen-chirurgisch:
    • Divertikulektomie – extravesikal, intravesikal oder Kombination beider Verfahren – laparoskopisch, roboterassistiert.
    • Operative Versorgung kleiner paraurethraler Divertikel und Uretermündungsdivertikel bei begleitendem Reflux im Rahmen einer Refluxkorrektur nach Lich-Gregoir häufig möglich.
  • Therapie großer paraureteraler Divertikel:
    • Divertikelresektion mit Harnleiterneoimplantation (Psoas-Hitch/Boari-Hitch) bei Reflux oder Obstruktion.
    • Bei Vorliegen eines kleinen paraureteralen Divertikels auch endoskopische Refluxtherapie mit subureteraler Injektion möglich.
  • Urachusanomalie – Formen: Urachuszyste, persistierender Urachus, Urachussinus und vesikourachales Divertikel.
  • Ursache: Störung der Urachusobliteration.
  • Inzidenz: Genaue Angaben zur Prävalenz fehlen.
  • Symptomatik:
    • Bei Urachuspersistenz Urinsekretion über den Nabel, lokale Schwellung, Rötung.
    • Bei Infektion Druckschmerzhaftigkeit, Rötung und Schwellung unterhalb des Nabels
    • Vesikourachale Divertikel kaum symptomatisch.
  • Diagnostik: Sonografie, MRT, laterales Zystogramm, direkter Urachussinusnachweis über Kontrastmittelapplikation transumbilikal.
  • Therapie:
    • Keine Therapie bei Kindern mit asymptomatischen Urachuszysten.
    • Vollständige Exzision symptomatischer Urachuszysten sowie des Urachussinus.
    • Sehr seltener Therapiebedarf bei vesikourachalen Divertikeln.
    • Monitoring asymptomatischer Urachusresiduen im Erwachsenenkollektiv nach Tumorausschluss möglich
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