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Die Urologie
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Publiziert am: 04.12.2021

Erektile Dysfunktion

Verfasst von: Christian Leiber
Erektionsstörungen sind eine medizinische Erkrankung mit weitreichender Bedeutung für die betroffenen Männer und ihre Partnerinnen/Partner. Das immer bessere Verständnis der zugrunde liegenden pathophysiologischen Veränderungen ermöglicht heute eine differenzierte, individuelle und in den meisten Fällen erfolgreiche Therapie. Jede/r Urologin/e und speziell jede/r Andrologin/e bzw. Sexualmediziner/in sollte detaillierte Kenntnisse in diesem Gebiet besitzen.

Definition, Pathophysiologie und Risikofaktoren, Epidemiologie

Definition

Von erektiler Dysfunktion spricht man, wenn für einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten die dauerhafte Unfähigkeit besteht eine ausreichende Erektion aufzubauen oder zu erhalten, um einen befriedigenden Geschlechtsverkehr durchzuführen.
Die erektile Dysfunktion ist eine Erkrankung mit Auswirkungen auf die physische und psychosoziale Gesundheit des Mannes und führt damit zu einer negativen Beeinflussung der Lebensqualität. Die jeweilige Partnerin/der jeweilige Partner und das weitere familiäre Umfeld sind hiervon in der Regel auch betroffen (Porst et al. 2012).

Pathophysiologie und Risikofaktoren

Das exakte Verständnis der komplexen Pathophysiologie von Erektionsstörungen hat dazu geführt, dass heute bei den meisten Fällen der erektilen Dysfunktion eine organische Ursache angenommen wird. Trotzdem gibt es keinen Zweifel, dass psychologische und interpersonelle Faktoren ebenfalls eine zentrale Rolle in der Ätiologie und Aufrechterhaltung von sexuellen Störungen bei Männern spielen. Da für eine vollständige Erektion neurogene, myogene, arterielle, venöse und hormonelle Funktionen eine Rolle spielen, können Risikofaktoren auf allen diesen Gebieten vorliegen (Gratzke et al. 2010). Die häufigsten Risikofaktoren im Zusammenhang mit organischen Erektionsstörungen zeigt Tab. 1.
Tab. 1
Risikofaktoren der organischen erektilen Dysfunktion
Neurogene Faktoren
 
 
Querschnittverletzung, Verletzung der neuronalen Strukturen im kleinen Becken durch Trauma oder iatrogen (z. B. radikale chirurgische Beckeneingriffe an Prostata oder Sigma)
 
Polyneuropathie (z. B. bei Diabetes mellitus)
Myogene Faktoren
Atrophie der Schwellkörpermuskulatur
Arterielle Faktoren
 
 
Mikroangiopathie (z. B. bei Diabetes mellitus)
 
Dyslipoproteinämie
 
 
Chronischer Nikotinabusus
 
Vaskuläre Verletzungen (nach Trauma oder iatrogen im Rahmen von Operationen im kleinen Becken)
Venöse Faktoren (häufig mit gleichzeitiger Störung des arteriellen Systems)
Venöse Insuffizienz aufgrund von morphologischen Veränderungen der glatten Schwellkörpermuskulatur oder durch funktionelle Störungen im Bereich der Transmitter und Rezeptoren
 
Venöse Insuffizienz bei Induratio penis plastica (IPP ) oder nach Priapismus bzw. Trauma
 
Selten angeborenes venöse Leck durch ektope Venen
Hormonelle Faktoren
Hypogonadismus (Testosteronmangelsyndrom) führt bei längerem Bestehen zur Apoptose der Corpus-cavernosum-Zellen
Wichtig
Die erektile Dysfunktion und kardiovaskuläre Erkrankungen haben die gleichen Risikofaktoren. Erektionsstörungen können daher als Warnsignal für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko bei Männern angesehen werden. Eine entsprechend gründliche Abklärung ist aus diesem Grund essenziell.

Epidemiologie

Epidemiologische Studien beschreiben eine Häufigkeit für die mittelgradige bis schwere erektile Dysfunktion von 5–20 %. Die deutlichen Unterschiede sind auf methodische Ursachen und zum Teil sehr unterschiedliche Patientenkollektive zurückzuführen. Den eindeutigen Zusammenhang zwischen vermehrten Erektionsstörungen und dem Alter zeigen sowohl die Massachusetts Male Aging Studie (MMAS, Feldman et al. 1994) als auch die für Deutschland repräsentative Untersuchung von Braun und Kollegen (Braun et al. 2000). Hier hatten von 4900 Männern zwischen 30 und 80 Jahren (angeschrieben wurden insgesamt 8000 Männer) 19 % eine Erektionsstörung angegeben. In vielen Fällen ist die sexuelle Aktivität bei Männern auch noch im Alter zwischen 70 und 80 Jahren hoch. Nach einer großen multinationalen Studie liegt die Häufigkeit der sexuellen Aktivität pro Monat bei Männern zwischen 50 und 80 Jahren für Europa bei 6-mal. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass neben dem Alter vor allem der Lebensstil einen entscheidenden Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit hat eine erektile Dysfunktion zu entwickeln. Adipositas, oft im Zusammenhang mit einer bewegungsarmen Lebensführung, übermäßiger Stress, Schlafstörungen und äußere Noxen wie Rauchen, Alkohol- oder Drogenmissbrauch stellen Faktoren mit einem negativen Einfluss auf die Erektionsfähigkeit dar. Zwischen Symptomen des unteren Harntrakts (LUTS, lower urinary tract symptoms) und Erektionsstörungen wird aufgrund von zahlreichen epidemiologischen Studien ein kausaler Zusammenhang und nicht nur eine zufällige Koinzidenz gesehen. Neue wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass auch bei Männern bis 45 Jahren schon einer von vier (also 25 %) unter einer erektilen Dysfunktion leiden (Hallanzy et al. 2019).
Wichtig
Nicht alle Männer mit erektiler Dysfunktion haben auch einen Therapiewunsch. Patienten sind allerdings meist sehr dankbar und erwarten von ihren behandelnden Ärzten, dass sie konkret auf sexuelle Funktionsstörungen angesprochen werden.

Diagnostik

Praxistipp
Die empfohlene Standarddiagnostik bei Männern mit erektiler Dysfunktion umfasst die ausführliche medizinische und sexualmedizinische Anamnese, die körperliche Untersuchung und Laborbestimmungen. Alle weiteren speziellen Untersuchungen sind nur besonderen Fragestellungen vorbehalten.

Anamnese

Die Basis der Diagnostik von Erektionsstörungen ist die detaillierte Anamnese. Diese sollte alle medizinischen und psychosexuellen Aspekte und die Frage nach vorhandenen Risikofaktoren und somatischen Erkrankungen, der Einnahme von Medikamenten und möglichen Operationen oder Bestrahlungen im Unterbauch bzw. Genitalbereich beinhalten. Bezüglich ihres kardialen Status werden gemäß den Empfehlungen der 2. und 3. Princeton Konsensus Konferenz alle Patienten in drei Kategorien eingeteilt, Tab. 2 (Nehra et al. 2012).
Tab. 2
Kardiale Risikoklassifikation nach 2. und 3. Princeton-Konsensus-Konferenz
Niedriges Risiko
Mittel-hohes Risiko
Hohes Risiko
Asymptomatisch, < 3 Risikofaktoren für KHK (außer sexuelle Aktivität)
≥ 3 Risikofaktoren für KHK (außer sexuelle Aktivität)
Herzrhythmusstörungen mit hohem Risiko
Milde, stabile Angina pectoris (abgeklärt und/oder behandelt)
Moderate, stabile Angina pectoris
Instabile oder refraktäre Angina pectoris
Unkomplizierter vorausgegangener Herzinfarkt
Herzinfarkt vor mehr als 2 und weniger als 6 Wochen
Weniger als 2 Wochen zurückliegender Herzinfarkt
Kongestive Herzinsuffizienz/Linksherz-versagen
(NYHA I oder II)
Kongestive Herzinsuffizienz/Linksherz-versagen
(NYHA III)
Kongestive Herzinsuffizienz/Linksherz-versagen
(NYHA IV)
Nach erfolgreicher koronarer Revaskularisation
Nicht-kardiale Folgeerkrankungen (wie z. B. Schlaganfall, pAVK)
Hypertroph-obstruktive oder andere Kardiomyopathien
Kontrollierte arterielle Hypertonie
 
Unkontrollierte arterielle Hypertonie
Geringe Herzklappen-Erkrankung
 
Mittelgradige bis schwere Herzklappen-Erkrankung
Je nach Kategorie sind die entsprechenden Maßnahmen (siehe Behandlungsalgorithmus) (Abb. 1) zu veranlassen. Neben der medizinischen Anamnese kommt der speziellen sexual-medizinischen Anamnese eine entscheidende Bedeutung zu. Wenn immer möglich sollte hier auch die Partnerin/der Partner mit einbezogen werden, da Erektionsstörungen grundsätzlich auch im partnerschaftlichen Kontext gesehen werden müssen. Wie bei anderen Erkrankungen auch sollte zwischen lebenslangen, erworbenen Störungen und situativen (nur unter besonderen Umständen oder mit einem speziellen Partner) oder grundsätzlichen Störungen unterschieden werden. Bei Hinweisen auf eine zugrunde liegende psychiatrische Erkrankung sollte, wenn immer möglich, eine spezifische psychiatrische Diagnostik veranlasst werden (Fruhauf et al. 2013). Zur besseren Evaluation der Erektilen Dysfunktion kann der Einsatz von validierten Standardfragebögen eine Hilfe sein. Der bekannteste Fragenbogen in diesem Zusammenhang ist der Internationale Index der Erektilen Funktion (IIEF, Rosen et al. 1997).

Klinische Untersuchung

Die gründliche klinisch-urologische Untersuchung ist eine obligate Maßnahme bei allen männlichen Patienten mit Erektionsstörungen. Die Untersuchung des äußeren Genitale (Penisgröße, sichtbare oder tastbare pathologische Veränderungen des Penis, Hinweise für Sensibilitätsstörungen, Durchblutungsverhältnisse im Ruhezustand, Penisdeformität, Hodengröße und Konsistenz, Zeichen für eine Prostatitis, Vorhautverengung, Zeichen für entzündliche Veränderung, wie z. B. Balanitis oder Geschlechtskrankheiten) steht dabei naturgemäß im Vordergrund. Auf mögliche Zeichen eines zusätzlich vorhandenen Testosteronmangelsyndroms, d. h. Gynäkomastie, fehlende Behaarung, Habitus, viszerale Adipositas und suprapubische Fettschürze sollte auch geachtet werden. Neben der Erfassung von Größe, Gewicht, Body-Mass-Index (BMI) und Bauchumfang erscheint im Rahmen einer orientierenden kardiovaskulären Untersuchung auch eine Palpation der Femoralpulse, eine Auskultation des Herzens und eine Puls- und Blutdruckmessung sinnvoll, besonders wenn entsprechende Untersuchungen länger als 6 Monate zurück liegen.

Laboruntersuchungen

Gemäß den aktuellen Leitlinien der Europäischen Urologenvereinigung (EAU, Salonia et al. 2021) werden bei Männern mit erektiler Dysfunktion folgende Laboruntersuchungen empfohlen:
  • Bestimmung des Nüchtern-Blutzuckerwertes (ggf. auch HbA1c als Langzeitblutzuckerwert), falls dies nicht innerhalb der letzten 12 Monate erfolgt ist,
  • Bestimmung der Nüchtern-Blutfette (ggf. mit Lipid-Profil), falls dies nicht innerhalb der letzten 12 Monate erfolgt ist,
  • Messung des Gesamt-Testosteronspiegels (möglichst am Vormittag zwischen 7.00 Uhr und 11.00 Uhr) zum Ausschluss eines Hypogonadismus bei entsprechendem klinischen Verdacht.

Spezielle diagnostische Maßnahmen bei Männern mit erektiler Dysfunktion und wahrscheinlicher vaskulärer Genese (z. B. Diabetes mellitus, Status nach Nieren-Transplantation, pAVK, multiplen Risikofaktoren und Patienten ohne Ansprechen auf eine orale medikamentöse Therapie)

Bildgebung mit Sonografie und Duplexsonografie

Die Sonografie des Penis im Ruhezustand liefert bei Patienten mit erektiler Dysfunktion nur wenige relevante Informationen. Meist wird die Ultraschalluntersuchung des Penis daher mit einer intrakavernösen Pharmakotestung (Pharmako-Duplexsonographie) kombiniert. Die Doppler- oder Farb-Duplexsonographie sollte erfolgen, sobald durch die SKIT (Schwellkörper-Injektions-Testung) eine Tumeszenz des Penis ausgelöst wird. Für die tiefen Penisarterien (Aa. penis profundae) gilt ein systolischer Peak-Flow von >30 cm/s und ein Widerstands-Index von >0,8 als normal.

Schwellkörper-Injektions-Testung (SKIT)

Da die Schwellkörper-Injektions-Testung (SKIT) alleine nur limitierte Aussagen zur Erektionsfunktion zulässt, sollte sie in der Regel mit einer Pharmako-Duplexsonographie kombiniert werden. Hier wird nach entsprechender ausführlicher Aufklärung üblicherweise das Prostglandin E1 Alprostadil in einer Dosis von 5–20 μg mit einer 30 G-Nadel nach vorheriger Desinfektion an der lateralen Penisbasis als Bolus injiziert. Vorteil gegenüber anderen Substanzen ist die geringe Priapismus-Rate von 0,5–1 % aller Fälle. Die gewählte Dosis für die Testung sollte sich an der Anamnese des Patienten und den bis dahin bekannten Risikofaktoren orientieren.

Cavernosometrie und Cavernosographie, Penisangiografie und nächtliche Erektionsmessung

Diese Verfahren werden heute nur noch in seltenen Ausnahmefällen und bei gutachterlichen bzw. wissenschaftlichen Fragestellungen eingesetzt.

Therapie

Für die Behandlung der erektilen Dysfunktion ist nach den aktuellen Leitlinien der Europäischen Urologenvereinigung (EAU, Salonia et al. 2021) ein Algorithmus vorgesehen. Dieser legt im Gegensatz zu dem früheren drei-stufigen Konzept mehr Wert auf eine personalisierte Therapie in Bezug auf den individuellen Patienten unter Berücksichtigung der Invasivität, der Verträglichkeit, der Effektivität der verschiedenen Optionen und der Erwartungen des Patienten. In diesem Zusammenhang ist eine umfassende Aufklärung des Patienten über alle verfügbaren Therapiemöglichkeiten essenziell (Abb. 2).
Ziel der Behandlung von Erektionsstörungen ist die möglichst vollständige Besserung. Eine Heilung (restitutio ad integrum) wird nur in den seltensten Fällen möglich sein.

Nichtmedikamentöse Therapie

Bei überwiegend psychogener erektiler Dysfunktion kann eine alleinige psychosexuelle Behandlung, die aber in vielen Fällen zum schnelleren Erreichen des Ziels mit einer gleichzeitigen medikamentösen Behandlung kombiniert wird, erfolgreich sein. Lebensstiländerungen und die Beeinflussung von Risikofaktoren sollten der Behandlung von Erektionsstörungen vorausgehen oder zumindest begleitend erfolgen. Veränderungen der Lebensweise haben in jedem Fall einen positiven Einfluss auf die Erektionsfähigkeit und sind daher von zentraler Bedeutung. Dies gilt insbesondere für die Prävention. So kann z. B. bei Diabetikern durch eine optimale Blutzuckereinstellung das Auftreten von Erektionsstörungen deutlich verzögert werden. Eine gute Blutdruckeinstellung kann Schäden am Endothel der Gefäße verhindern oder verzögern. Körperliches Training und eine Gewichtsreduktion spielen hier ebenso eine Rolle, wie der Verzicht auf exogene schädigende Faktoren, wie z. B. Nikotinkonsum.

Medikamentöse Therapie

Praxistipp
Bei fehlenden Kontraindikationen ist die Therapie mit PDE-5-Inhibitoren die Erstlinienbehandlung für Patienten mit erektiler Dysfunktion.
Aktuell sind durch die europäische Zulassungsbehörde (EMA) die vier selektiven PDE-5-Inhibitoren (Sildenafil, Tadalafil, Vardenafil und Avanafil) zur Therapie der erektilen Dysfunktion zugelassen. Durch Hemmung des physiologischerweise erektionsmindernden Enzyms Phosphodiesterase-5 kommt es zu einer verbesserten Erektion.
Wichtig
Eine ausreichende Appetenz und sexuelle Stimulation des Patienten ist zwingende Voraussetzung für die Wirksamkeit der PDE-5-Inhibitoren.
Mit Sildenafil (z. B. Viagra) wurde 1998 der erste PDE-5-Inhibitor auf dem Markt eingeführt und steht seit 2013 auch als Generikum von verschiedenen Anbietern zu Verfügung. Sildenafil gibt es in den Dosierungen 25 mg, 50 mg und 100 mg. Die empfohlene Dosis bei der ersten Anwendung liegt bei 50 mg. Der Wirkungseintritt findet 30–60 min nach Einnahme statt, die Wirkungsdauer kann bis zu 12 Stunden betragen. Eine fettreiche Mahlzeit und die gleichzeitige Einnahme von Alkohol können die Wirkung beeinträchtigen.
Tadalafil (z. B. Cialis) erhielt 2003 seine Marktzulassung. Es ist in den Dosierungen von 5 mg, 10 mg und 20 mg erhältlich, wobei für die 5 mg-Dosierung 2008 eine Nachzulassung für die tägliche Einnahme erfolgte. Bei der primären Anwendung soll die Tadalafil-Dosis 10 mg betragen. Ein Wirkungseintritt nach 30 min ist möglich, aber der volle Plasmaspiegel wird erst nach 2 Stunden erreicht. Aufgrund der anderen Molekülstruktur kann die Wirkungsdauer mehr als 36 Stunden betragen. Die Resorption wird durch Nahrungs- oder Alkoholaufnahme nicht beeinträchtigt.
2003 wurde auch Vardenafil (z. B. Levitra) zugelassen. Die handelsüblichen Dosierungen betragen 5 mg, 10 mg und 20 mg. Die empfohlene Erstdosierung ist 10 mg. Klinisch zeigen sich keine relevanten Unterschiede in der Pharmakokinetik und Wirksamkeit zu Sildenafil.
Avanafil (z. B. Spedra) wurde 2013 in der EU zugelassen. Die Dosierungen liegen zwischen 50 mg und 200 mg. Avanafil ist so wie Sildenafil und Vardenafil ein PDE-5-Hemmer mit schnellem Wirkungseintritt und kurzer Wirkungsdauer.
Typische Nebenwirkungen aller vier PDE-5-Inhibitoren sind Kopfschmerzen (10–16 %), eine Flush-Symptomatik (5–12 %), Sodbrennen (4–12 %), verstopfte Nase (1–10 %) und Schwindel (2–3 %). Farbsehstörungen wurden bisher nur bei Sildenafil und Vardenafil berichtet (< 2 %). Bei Tadalafil kann es durch eine Kreuzreaktion mit der Phosphodiesterase-11 zu Rückenschmerzen bzw. einer Myalgie (ca. 6 %) kommen. Die beschriebenen Nebenwirkungen sind grundsätzlich eher moderat und bilden sich immer zurück.
Cave
Die gleichzeitige Gabe von nitrathaltigen Medikamenten, z. B. Isosorbitdinitrat (ISDN) oder Nitro-Spray sowie von NO-Donatoren, z. B. Molsidomin oder „Poppers“ (Amylnitrit) ist für alle PDE-5-Inhibitoren kontraindiziert. Die seltenen Augenerkrankungen Retinitis pigmentosa und Non-arteric anterior ischemic optic neuropathy (NAION) stellen ebenfalls eine Kontraindikation für die Einnahme von PDE-5-Hemmern dar.
Eine inadäquate Verordnung und unzureichende Patienteninstruktion können wesentliche Gründe für ein schlechtes Ansprechen auf eine PDE-5-Hemmer-Therapie sein. Ein anderer möglicher Grund für ein unzureichendes Ansprechen einer PDE-5-Inhibitor-Behandlung kann ein bis dahin nicht erkannter Hypogonadismus sein. Deshalb gilt: Eine Testosteron-Substitutionsbehandlung verbessert die Ansprechrate von hypogonadalen Patienten unter einer PDE-5-Hemmer Therapie.
Cave
PDE-5-Inhibitoren gehören zu den weltweit am häufigsten gefälschten und über das Internet vertriebenen Medikamenten. Patienten sollten auf die hiermit verbundenen Risiken explizit hingewiesen werden.

Vakuumpumpen-Systeme

Ein Plexiglaszylinder wird über den Penis gestülpt und dann mittels Hand- oder Elektropumpe ein Vakuum erzeugt. Durch Abstreifen eines Gummirings vom Zylinder auf die Penisbasis bei maximaler Rigidität wird der Blutabstrom verhindert. Das Vakuum kann jetzt abgelassen und der Plexiglaszylinder entfernt werden. Mögliche Nebenwirkungen in Form von penilen Schmerzen, Gefühlsstörungen, petechialen Blutungen und verzögerter oder unmöglicher Ejakulation werden von ca. 5–40 % aller Patienten angegeben.

Schwellkörper-Autoinjektions-Therapie (SKAT)

Die Schwellkörper-Autoinjektions-Therapie (SKAT-Therapie) stellt eine Behandlungsoption für Männer mit mittelschwerer und schwerer erektiler Dysfunktion dar. Sie sollte Patienten, die nicht auf eine orale Pharmakotherapie ansprechen oder bei denen relevante Kontraindikationen bestehen, angeboten werden. Das Prostaglandin E1 Alprostadil (z. B. Viridal, Caverject) ist das in Deutschland zugelassene Medikament für diese Anwendung. Die empfohlene Dosierung liegt zwischen 5 und 40 μg Alprostadil. In der Regel tritt die Erektion bereits 5–15 min nach der Injektion auf. Die Dauer der Erektion hängt von der applizierten Dosis ab. Alternativ kann eine Mischung aus Phentolamin und Papaverin als Rezeptur verordnet werden oder über eine internationale Apotheke (z. B. Andro-SKAT) gekauft werden.
Die Erfolgsrate der SKAT-Therapie liegt bei ca. 70 %. Die Abbruchsrate ist allerdings mit 41–68 % auch relativ hoch. Die meisten Patienten brechen die Therapie bereits innerhalb der ersten 3 Monate ab.
Komplikationen der intrakavernösen Pharmakotherapie können lokale Schmerzen, eine verlängerte Erektion bis zum Priapismus (ca. 1 %) und bei langfristiger Anwendung die Bildung von fibrotischen Veränderungen an der Injektionsstelle mit der Ausbildung einer Peniskurvatur sein.
Cave
Bei mehr als 4 Stunden anhaltenden Erektionen müssen sich Patienten unbedingt in sofortige ärztliche Behandlung begeben, um dann eintretende Dauerschäden am kavernösen Gewebe zu vermeiden.

Intraurethrale Applikation von Prostaglandin E1

Die Applikation von Prostaglandin E1 (z. B. MUSE) in die Harnröhre kann über anatomische Querverbindungen des Corpus spongiosum zu den Corpora cavernosa zur Verbesserung der Erektionsfähigkeit führen. Es wird hierbei ein Pellet mit 125–1000 μg Alprostadil in die Harnröhre eingeführt, wo es sich auflöst. Durch mechanische Kompression des Penis soll eine bessere Verteilung erreicht werden. Die häufigsten Nebenwirkungen sind lokale Schmerzen (29–41 %), Schwindel (1,9–14 %) und leichte Blutungen aus der Urethra (5 %).

Niedrig energetische extrakorporale Stoßwellentherapie (LESWT)

Seit ungefähr 10 Jahren stellt die niedrig-energetische extrakorporale Stoßwellentherapie (LESWT) eine Therapie-Option für Männer mit einer rein vaskulär bedingten erektilen Dysfunktion dar. Die wissenschaftlichen Daten der bisherigen prospektiven randomisierten Studien sind aber uneinheitlich (Young Academic Urologists Men’s Health Group et al. 2017). Dies hängt mit den verschiedenen Stoßwellen Generatoren, der unterschiedlichen Energie-Dichte, der Art der benutzten Stoßwellen (fokussiert, linear, halb-fokussiert oder un-fokussiert) und den unterschiedlichen Behandlungs-Protokollen (Dauer der Therapie, Anzahl der Sitzungen pro Woche, Gesamtanzahl der applizierten Stoßwellen und dem Ort, an dem die Stoßwellen am Penis abgegeben werden) zusammen. Zusammenfassend können Patienten mit einer rein vaskulären erektilen Dysfunktion mit einer LESWT behandelt werden. Sie müssen aber vorher umfassend über die Vor- und Nachteile, die Tatsache, dass diese Behandlung bisher von den Krankenkassen nicht erstattet wird, und die bisher vergleichsweise geringe wissenschaftliche Evidenz der Methode aufgeklärt werden (Sokolakis und Hatzichristodoulou 2019).

Penisimplantate

Die operative Behandlung mit Penisimplantaten ist schließlich eine Therapie, die für Patienten vorgesehen ist, bei denen keine medikamentöse Therapie wirkt, oder die eine permanente Lösung bevorzugen. Es gibt halbsteife (semirigide) und auffüllbare (hydraulische) Penisimplantate. Durch fortwährende technische Verbesserung in den letzten 45 Jahren sind die modernen Penisimplantate bezüglich ihrer Funktion und Haltbarkeit als sehr gut zu bezeichnen. Dank der inzwischen verfügbaren Beschichtung der Implantate mit einem Antibiotikum bzw. einer hydrophilen Oberfläche, die die Adhärenz eines flüssigen Antibiotikums ermöglicht, konnte die Infektionsrate in großen Zentren auf <1 % gesenkt werden. Die Zufriedenheitsrate für diese Behandlungsform liegt bei den Patienten und Partnerinnen über 90 %.

Zusammenfassung

  • Erektionsstörungen meist organisch, mit dem Alter zunehmend.
  • Diagnostik umfasst ausführliche allgemeine und sexualmedizinische Anamnese, klinische Untersuchung und Labor.
  • Standardtherapie: PDE-5-Hemmer. Alternative: Vakuumpumpe, SKAT oder intraurethrale Applikation von Prostaglandin E1.
  • Bei Versagen der Standardtherapie Penisimplantat.
Literatur
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