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Die Urologie
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Publiziert am: 03.09.2022

Harnröhrenstrikturen

Verfasst von: C. Philip Reiß und Roland Dahlem
Urethrale Strikturen stellen ein häufiges anspruchsvolles Krankheitsbild im urologischen Alltag dar. In Abhängigkeit von Ausmaß und Ätiologie der Striktur sind eine Vielzahl heterogener Therapieverfahren etabliert. Neben minimalinvasiven Therapieverfahren existieren offene operative Verfahren in ein- und zweizeitiger Technik, die eine differenzierte therapeutische Strategie ermöglichen. Aktuelle Fortschritte auf dem Gebiet des Tissue-Engineerings könnten eine wegweisende Erweiterung des therapeutischen Spektrums ermöglichen.

Einleitung

Der Begriff der Harnröhrenstriktur bezieht sich im Allgemeinen auf die Erkrankung der anterioren Urethra oder eine Vernarbung des Corpus spongiosum im Sinne einer Spongiofibrose, welche zu einer Einengung des urethralen Lumens führen kann. Obgleich die Entstehung einer Harnröhrenstriktur initial asymptomatisch sein kann, geht der Prozess typischerweise mit Symptomen des unteren Harntraktes, wie einer Abschwächung des Harnstrahls, Restharngefühl und Drangsymptomatik, einher.
Zu unterscheiden ist hiervon die Entstehung einer posterioren Harnröhrenstriktur, exakter als Harnröhrenstenose bezeichnet, die pathophysiologisch einen obliterativen Vorgang durch Fibrosierung der posterioren Urethra darstellt. Grund ist hier typischerweise eine traumatische Genese oder eine iatrogene Ursache durch Operationen der Prostata.
Wichtig
Harnröhrenstriktur beschreibt die abnormale Einengung des Segments der Urethra, das von Corpus spongiosum umgeben ist.
Spongiofibrose ist als Vernarbung des Corpus spongiosum in unterschiedlicher Ausprägung definiert.
Der Begriff Harnröhrenstenose sollte für die Verengung der membranösen, der prostatischen Urethra, sowie des Blasenhalses, also für nicht von Corpus spongiosum umgebene Abschnitte, verwendet werden.

Geschichte der Harnröhrenstriktur

Erste Berichte über Bougierungen von Harnröhrenstrikturen lieferte bereits die Hindu-Medizin des 6. Jahrhunderts v. Chr. Im ersten Jahrhundert n. Chr. finden sich bei Aretaios Hinweise auf durchgeführte externe Urethrotomie. In der „Opera chirurgica“ um 90 n. Chr. wurden Durchtrennung der Striktur von innen beschrieben.
Durch die Zunahme venerischen Erkrankungen, insbesondere der Gonorrhö, gewann die Harnröhrenstriktur in Europa immer mehr Bedeutung. Technische Verbesserungen führten im 16. Jahrhundert n. Chr. zur ersten internen Urethrotomie.
Im 18. Jahrhundert beschrieb Desault eine forcierte Katheterisierung mit anschließender Dauerbougierung mittels elastischer Gummikatheter. Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelte Charles Bell einen Vorläufer der heute genutzten Urethrotome. Technische Fortschritte der internen Urethrotomie gingen von Civiale (1817, Abb. 1) und Maisonneuve (1855, Abb. 2) aus, bis Otis (Abb. 3) nach Etablierung der Chloroformnarkose 1872 ein Urethrotom zur Messung des Harnröhrenkalibers vorstellte. Die sich verbessernden Verfahren der optischen Darstellung ermöglichten im 20. Jahrhundert eine Weiterentwicklung unter direkter Sicht. Um Nekrosen und Narbenbildung nach Elektrokoagulation zu vermeiden, wurden Urethrotome von Sachse durch kalte Klingen modifiziert und sind so noch heute gebräuchlich.
Die offene schnittoperative Therapie von Harnröhrenstrikturen erfuhr durch Bengt Johanson und Denis Browne Anfang der 50er-Jahre neue Impulse durch zweizeitige Rekonstruktionstechniken. Das 1984 durch Schreiter publizierte Verfahren der Meshgraft-Urethroplastik konnte erstmals die Nachteile der unelastischen perinealen Haut und der behaarten Skrotalhaut vermeiden. Fortschritte bei Nahtmaterial und Antibiotika, sowie den Kenntnissen über Pathophysiologie und Wundheilung, ermöglichten eine Optimierung der zunehmend einzeitig durchgeführten Urethroplastik.
Seit den 90er-Jahren erhielt die Verwendung von Mundschleimhaut in Onlay – oder Inlay-Technik Einzug in die operative Therapie von mittel- und langstreckigen Strikturen. Die Technik wurde bereits 1941 beschrieben, 1992 gelang eine erste erfolgreiche Umsetzung, bis heute wurden Modifikationen in vielfacher Hinsicht publiziert.
Vor allem die ständige Weiterentwicklung der Technik des Tissue-Engineerings verspricht zukünftig neue Möglichkeiten in Hinblick auf die natürlichen Limitationen der zur Verfügung stehenden autologen Materialien und zum anderen auf eine geringere Morbidität bei der Gewinnung der Transplantate.

Ätiologie

Im Laufe der Zeit änderte sich die Bedeutung der unterschiedlichen Striktur-Ätiologie, insbesondere in entwickelten Ländern. Nach Beginn des Einsatzes von Antibiotika seit den 40er-Jahren stand erstmals eine wirksame Therapie von Urethritiden zur Verfügung und posttraumatische und iatrogene Strikturen gewannen gegenüber postentzündlichen Strikturen zunehmend an Bedeutung (Abb. 4).

Postentzündliche Strikturen

Ursachen entzündlich verursachter Strikturen der Harnröhre sind unspezifische Urethritiden durch Bakterien, Mykoplasmen, Chlamydien, gonorrhoische Urethritiden und sehr selten tuberkulöse Urethritiden.
Wurde zwischen 1961 und 1981 noch in 40 % der Fälle eine Urethritis als ursächlich für die Entstehung einer Harnröhrenstriktur gesehen, ist dies in zeitgenössischen Kollektiven bei nur noch unter 5 % der Patienten in Industrienationen so. Im Gegensatz hierzu wird dieser Anteil in Entwicklungsländern nach wie vor mit 54–66,5 % angegeben.
Die Pathogenese der postentzündlichen Strikturen wurde von Singh und Blandy (1976) mit zwei zu unterscheidenden Mechanismen beschrieben: zum einen die narbige Brückenbildung benachbarter Schleimhautareale und zum anderen die narbige Kontraktur des Corpus spongiosum.
Die Lokalisation von postentzündlichen Strikturen findet sich aufgrund der dort vermehrt lokalisierten und im Rahmen von Urethritiden mitbeteiligten Cowper-Drüsen, gehäuft im Bereich der bulbären Urethra (Abb. 5). Chronische Entzündungen der Cowper-Drüsen können auf die Schleimhaut übergreifen und so zu einer fibrotischen Veränderung führen. Im Bereich der penilen Urethra sind postentzündliche Strikturen selten zu finden.
Eine zunehmende Inzidenz von inflammatorischen Strikturen kann im Rahmen eines Lichen sclerosus, einer chronisch-entzündlichen Hauterkrankung, gesehen werden. Dieses Phänomen ist möglicherweise dem Umstand geschuldet, dass die Bedeutung dieser Erkrankung als Auslöser urethraler Strikturen lange Zeit nicht in vollem Ausmaß erkannt wurde. In der Literatur wird die Rate peniler Strikturen mit Lichen sclerosus als auslösendem Faktor mit bis zu 16 % angegeben. Die genaue Ätiologie des Lichen sclerosus ist bisher nicht geklärt. Es wird eine multifaktorielle, z. T. autoimmun-induzierte Genese vermutet. Typischerweise geht ein Lichen-sclerosus-Befall von Präputium und Glans aus und kann zu einer Meatusstenose führen. Ausgehend von hier sind Strikturen der gesamten penilen Harnröhre beschrieben. Ein vermuteter Mechanismus ist eine Urinintravasation durch Druckerhöhung bei der Miktion in die Littre’schen Drüsen mit hierdurch konsekutiven Entzündungen und Spongiofibrose (Abb. 6).
Wichtig
Der Begriff Balanitis xerotica obliterans (BXO) wird synonym und gehäuft im englischsprachigen Raum für die Erkrankung des Lichen sclerosus (veraltet: Lichen sclerosus et atrophicans) verwendet. Jedoch stellt dieser Terminus eine antiquierte Beschreibung dar und sollte nicht mehr verwendet werden.

Posttraumatische Strikturen

Posttraumatische Strikturen der bulbären Urethra sind überwiegend auf direkte Gewalteinwirkung im Rahmen eines, häufig vom Patienten nicht erinnerlichen, Straddle-Traumas oder einer Pfählungsverletzung zurückzuführen. Im penilen Anteil der Urethra sind traumatisch verursachte Strikturen meist als Folge einer offenen Verletzung zu finden. Bei jungen Patienten stellt die traumatische Genese einen bedeutsamen Faktor dar. Insgesamt findet sich nach Beckenringfrakturen in bis zu 12 % der Fälle eine Verletzung der Urethra: Die Prädilektionslokalisation liegt hier in der membranösen Urethra.
Die zunehmende Verkehrssicherheit konnte zu einer Verringerung der Inzidenz dieser traumatischen Harnröhrenverletzungen führen. Möglicherweise liegt hierin die Ursache für die deutlich höhere Inzidenz traumatischer Harnröhrenverletzungen, mit bis zu 31 %, in Ländern mit schlechter Verkehrssicherheit und -regularien.
Die gebräuchlichste Einteilung der traumatischen Urethraverletzungen ist die von Colapinto und McCallum.
Klassifikation der traumatischen Urethraverletzung nach Colapinto und McCallum, mod. nach Goldmann
  • Typ 1: Ruptur der puboprostatischen Ligamente und Dehnung der membranösen Urethra ohne Ruptur durch umgebendes periprostatisches Hämatom
  • Typ 2: partielle oder vollständige Ruptur der membranösen Urethra oberhalb der urogenitalen Membran
  • Typ 3: partielle oder vollständige Ruptur der membranösen Urethra mit Zerreißen der urogenitalen Membran
  • Typ 4: Blasenhalsverletzung mit Einbeziehung der Urethra oder extraperitoneale Blasenruptur im Bereich des Blasenbodens und periurethrale Extravasation
  • Typ 5: partielle oder komplette Verletzung der anterioren Urethra

Iatrogene Strikturen

Ursachen einer iatrogen verursachten Strikturierung der Urethra liegen vor allem in endourethraler Instrumentarisierung, Katheterismus und Dauerkatheterversorgung. Risikofaktoren bilden dicklumige Katheter, Latexkatheter, die Katheter-Liegedauer, intensivpflichtige Patienten, Schock und Infekte. Die Prädilektionsstelle liegt im Bereich der bulbären Harnröhre, da sich dort die Ausführungsgänge der Cowper-Drüsen befinden und so bakterielle Infektionen mit nachfolgender Vernarbung und Spongiofibrose entstehen können. Außerdem liegt dort der Ort des ersten Widerstandes bei der transurethralen Katheterisierung.
Etwa 10 % der hospitalisierten und im intensivmedizinischen Bereich bis zu 90 % der Patienten sind katheterisiert. Eine US-amerikanische Erhebung aus dem Jahre 2008 konnte eine katheterisierungsbedingte urethrale Verletzung in 3,2/1000 männlichen hospitalisierten Patienten zeigen. Das genaue Ausmaß urethraler Strikturen durch die Effekte einer transurethralen Katheterisierung ist nicht bekannt: Die Angaben in der Literatur erreichen bis zu 16,3 %.
Wichtig
Ein adäquater und nur unter strikter Indikationsstellung durchgeführter transurethraler Katheterismus und die Durchführung einer suprapubischen Katheterisierung bei absehbarer längerfristiger Katheterversorgung kann das Ausmaß iatrogener Strikturen vermindern.
Die Gesamtrate iatrogener Strikturen in entwickelten Ländern wird in der Literatur mit 32–79 % angegeben.
Bei älteren Patienten sind die Hauptauslöser einer iatrogenen Striktur transurethrale Resektionen und Prostatektomien. Die Inzidenz urethraler Strikturen als Spätkomplikation einer TUR-P (transurethrale Resektion der Prostata) wird in der Literatur mit 2,2–9,8 %, nach radikaler Prostatektomie mit 8,4 % und nach einfacher Prostatektomie mit 1,9 % angegeben.
Ursachen einer bulbären Strikturbildung nach transurethraler Resektion wird in traumatischer Insertion des Resektoskops, Reibungskräften, insbesondere im Bereich des penoskrotalen Winkels (die Anzahl der Auf-und Abbewegungen des Resektoskops während einer TUR-P wird auf bis zu 800 geschätzt) und monopolarer Leckage durch insuffiziente Isolation des Resektoskops gesehen.
Bei jüngeren Patienten stellen Hypospadiekorrekturen einen bedeutenden Faktor für die Ausbildung von iatrogenen Harnröhrenstrikturen dar. Harnröhrenstrikturen nach Hypospadiekorrektur werden in bis zu 11 % der Patienten beschrieben. Hauptlokalisation ist in diesem Fall die penile Urethra und der Meatus.

Idiopathische Strikturen

In der Literatur findet sich ein erstaunlich hoher Anteil von Strikturen ohne eindeutige Ursache. Die höchste Prävalenz idiopathischer Strikturen findet sich in der bulbären Harnröhre, und stellt dort den größten Gesamtanteil dar (Abb. 7 und 8).
Des Weiteren ist die Inzidenz bulbärer Strikturen bei jungen Patienten signifikant höher. In der Literatur finden sich zahlreiche ätiopathologische Erklärungsversuche für unter der Klassifikation „idiopathisch“ subsummierter Strikturen. Bei einem Teil der Strikturen wird ein kindliches Trauma als ursächlich gesehen. Eine weitere Ursache wird als kongenital beschrieben: Durch eine unzureichende Kanalisierung in der Lokalisation, wo sich die von dem urogenitalen Sinus hervorgehende Harnröhre mit dem Anteil der aus der Urogenitalfalte entstehenden Harnröhre verbindet, kann es zu einer Einengung der Urethra kommen, die mit späterem Wachstum symptomatisch werden kann. Es wird hier eine kausale Verbindung mit der Entstehung des sog. Moormann-Ringes (kongenitale Verengung der bulbären Urethra variabler Ausprägung) gesehen. Ein weiterer Erklärungsansatz, speziell in höherem Alter, ist eine ischämische Genese im Bereich der bulbären Harnröhre.
Klassifikation der Harnröhrenstrikturen
Neben der anatomischen Lokalisation, dem Ausmaß der Striktur und der Spongiofibrose, können Harnröhrenstrikturen nach der Ätiologie eingeteilt werden:
  • Iatrogen
  • Traumatisch
  • Inflammatorisch
  • Postinfektiös
  • Kongenital
  • Idiopathisch

Pathogenese

Die Pathogenese der Harnröhrenstriktur wurde bisher nicht umfangreich erforscht (Abb. 9). Arbeiten, die sich mit diesem Thema beschäftigen, beschreiben zum großen Teil den Bezug zu einer infektiösen Genese. Jedoch scheint die Bedeutung einer Urinextravasation für die Ausprägung einer Fibrosierung deutlich zu sein.
Im Falle von infektiös bedingten Strikturbildungen korrespondiert die Lokalisation mit der der urethralen Drüsen. Möglicherweise induzieren bakterielle Infektionen die Ausbildung einer plattenepithelialen Metaplasie.
Histopathologisch zeigt sich in der Strikturgenese eine Metaplasie des normalen Urothels zu Plattenepithel. Aufgrund der geringeren Elastizität dieses metaplastischen Epithels kann es durch eine Druckerhöhung während der Miktion zu einer Gewebsdehnung kommen, die zu einem Einreißen mit konsekutiver, fokaler Urinextravasation führt und in der weiteren Folge eine subepitheliale Fibrosierung des Gewebes verursachen kann. Diese fokalen, initial nur mikroskopischen Veränderungen können im Laufe der Zeit zu einer Bildung makroskopischer Plaques und schließlich zur Strikturformation führen.
Proximal einer manifesten Striktur kommt es durch eine intraurethrale Druckerhöhung zu einer chronischen Distension. Hierdurch kann es wiederum ebenfalls zu einer Metaplasie des Urothels kommen, die jedoch möglicherweise reversibel ist, wenn es nach operativer Therapie der Striktur wieder zu normalen Druckverhältnissen kommt.
Vergleicht man die molekular-histologischen Charakteristika der Fibrose im Rahmen einer Harnröhrenstriktur mit der einer normalen Wundheilung und Narbenbildung, zeigt sich insbesondere im Bereich des subepithelialen Strikturareals ein deutlich höherer Gehalt an Kollagen Typ 1. Die genaue Bedeutung dieses Befundes ist unklar.
Wenngleich auch die genauen Ursachen und Mechanismen des Lichen sclerosus weiterhin unklar sind, scheint hier ein grundlegend anderer Pathomechanismus zugrunde zu liegen. Die Art der Fibrosierung ist beim Lichen sclerosus als atrophisch und nichtproliferativ beschrieben. Der klassische histopathologische Befund zeigt eine Hyperkeratose, epidermale Atrophie mit einem Verlust elastischer Fasern und einer Hyalinisierung der Lamina propria mit Lymphozyteninfiltraten. Sowohl autoimmunologische als auch bakterielle Auslöser werden und wurden diskutiert, konnten jedoch bisher nicht belegt werden. Auch ein kausaler Zusammenhang mit einer Infektion durch Borellia burgdorferi konnte nicht eindeutig nachgewiesen werden. Ein genetischer Zusammenhang wird diskutiert. Der typische klinische Verlauf des Lichen sclerosus beginnt z. T. mit einer juckenden weißlichen Verfärbung im Bereich der Glans oder des inneren Vorhautblattes und entwickelt sich dann bei zirkumferentem Befall zu einer progressiven fibrösen Phimose. Die Glans und das innere Präputialblatt können ulzerös verändert sein. Ein Fortschreiten der Fibrose kann zu einer derben Verschmelzung der Präputialblätter führen. Ein Harnröhrenbefall nimmt seinen Ausgang vom Meatus und kann die gesamte Urethra befallen. Eine maligne Transformation (vor allem zum Plattenepithelkarzinom) ist in 9,3 % der Fälle beschrieben. Ob eine medikamentöse Therapie diesen Verlauf aufhalten kann bleibt unklar.

Symptomatik

Von Patienten mit einer traumatischen Genese einer Harnröhrenstriktur abgesehen, findet sich bei den meisten Patienten eine langsam zunehmende obstruktive Symptomatik, die z. T. einen bereits langjährigen Verlauf zeigt. Typischerweise zeigt sich ein abgeschwächter Harnstrahl und im Verlauf das zunehmende Gefühl einer unvollständigen Blasenentleerung. Dies kann mit Hämaturie, rezidivierenden Harnwegsinfekten und folgenden Prostatitiden und Epididymitiden einhergehen. Weitere Symptome können eine sexuelle Dysfunktion, ein Spraying und eine Dysurie sein.
Zur Erhebung der Symptome sollte ein standardisierter Fragebogen genutzt werden. Hierzu bietet sich z. B. die Verwendung des IPSS-Fragebogens (International Prostate Symptom Score) an. Zwar ist der IPSS-Fragebogen nicht für die Evaluation von Harnröhrenstrikturen validiert, jedoch konnte in mehreren Studien belegt werden, dass sich auch hier eine gute Korrelation von angegebenen Beschwerden und Status der Blasenentleerung zeigt. Nichtsdestotrotz werden mit Hilfe des Fragebogens nicht sämtliche Symptome bei Männern mit einer Striktur der Urethra abgefragt. Für diesen Zweck gibt es zum heutigen Zeitpunkt zwar schon einige, teils auch validierte Fragebögen, jedoch konnte sich noch keiner dieser Fragebögen für die standardisierte Evaluation strikturassoziierter Symptome durchsetzen.
Für die weitere Diagnostik und zur Erstellung eines suffizienten Therapieplans ist es notwendig, die Lokalisation und Länge der Striktur, sowie gegebenenfalls das Ausmaß der Spongiofibrose zu evaluieren.
Die körperliche Untersuchung ist meist nur in Fällen einer Meatusstenose oder bei stattgehabten Voroperationen weiterführend. Trotzdem sollte das äußere Genitale im Rahmen der Evaluation selbstverständlich untersucht werden und hierbei insbesondere auf Zeichen eines Lichen sclerosus geachtet werden.

Diagnostik und Evaluation

Uroflowmetrie

Als erster diagnostischer Schritt in der Evaluation eines klinischen Verdachts einer Harnröhrenstriktur sollte eine Uroflowmetrie durchgeführt werden (Abb. 10). Dieses Verfahren zeichnet sich durch seine Nichtinvasivität, einen geringen Aufwand und niedrige Kosten aus.
Grundsätzlich ist für eine suffiziente Beurteilbarkeit ein Miktionsvolumen von mindesten 150 ml zu fordern. Neben maximalen und durchschnittlichen Flow-Raten deutet eine nahezu pathognomonische Kurvenform mit einem typischen schnellen Anstieg und verlängerter flachen Miktionskurve auf eine Striktur der Urethra hin. Demgegenüber zeigt eine Obstruktion bei Prostatahyperplasie typischerweise ein eher glockenförmiges Aussehen.
Als klassische Untergrenze für eine weiterführende Diagnostik wird meist eine maximale Flow-Rate von 15 ml/s angeführt. Allerdings kann bei einigen Patienten auch bei höhergradiger Striktur aufgrund hoher Blasendrücke (high pressure flow) eine noch ausreichende Harnstrahlstärke gesehen werden.
Merke
Insbesondere im Rahmen von Nachuntersuchungen nach Therapie einer Striktur zeigen sich z. T. durch eine länger vorbestehende urethrale Obstruktion und folgender relativer Dekompensation der Harnblase persistierend geringe Uroflowmetrieraten, obgleich keine Striktur vorliegt.

Sonografie

Als integraler Bestandteil jeder Evaluation eines Patienten mit dem Verdacht einer Harnröhrenstriktur gehört die Restharnsonografie. Wenngleich es keinen existierenden klaren Cut-Off-Wert gibt, stellt das postmiktionelle Volumen ein gutes Maß für die Abschätzung der Effizienz der Blasenentleerung dar. Zwar zeigt die transabdominelle sonografische Restharnmessung technisch bedingt eine deutliche Schwankungsbreite, jedoch ist diese geringer als die biologische Schwankungsvarianz, und somit suffizient für die Beurteilung. In Fällen eines sonografisch bestimmten Restharnvolumens in der Kontrolle von mehr als 100 ml bei dem Vorliegen einer Harnröhrenstriktur, sollte die Einlage eines suprapubischen Fistelkatheters erwogen werden, um eine weitere Gefährdung des Harntraktes vor einer Therapie zu vermeiden.
Assoziiert mit einem erhöhten Restharnvolumen ist eine zunehmende Hypertrophie der Blasenmuskulatur. Im fortgeschrittenen Stadium zeigt sich schließlich eine Trabekulierung der Harnblase. Eine Detrusordickenmessung kann ergänzend durchgeführt werden. Hierzu ist ein definiertes Füllungsvolumen (z. B. 250 ml) notwendig. Da keine direkten therapeutischen Konsequenzen aus der Messung herrühren, kann eine solche Messung – obgleich eine statistisch signifikante Korrelation zwischen Detrusorhypertrophie und Ausprägung der Obstruktion nachgewiesen werden konnte – als fakultativ angesehen werden.
Um weitere mit einer urethralen Obstruktion einhergehende Pathologien zu erfassen, empfiehlt es sich eine prä- und postmiktionelle Sonografie durchzuführen. Nur so können eine Trabekulierung der Harnblase, Blasendivertikel und -steine, aber z. T. auch eine Ektasie der Nieren sonografisch erfasst werden.
Eine direkte Darstellung einer urethralen Striktur (Abb. 11) kann als Veränderung der sonografischen Gewebskompressibilität des Corpus spongiosum, einer veränderten Echogenität und in Veränderungen des periurethralen Gewebes gesehen werden. Eine Spongiofibrose erscheint hierbei echoreicher mit z. T. kalzifizierten Arealen. Eine direkte Messung des urethralen Kalibers kann mittels retrograder Injektion von Kochsalzlösung oder eines Lubrikants erfolgen. Genutzt werden sollte bei diesem Verfahren ein 7,5–10 MHz-Schallkopf.
Als Ersatz einer radiologischen Darstellung konnte sich dieses Verfahren auch aufgrund seines Aufwandes nie durchsetzen. Wenngleich die Harnröhrensonografie die radiologische Diagnostik ergänzen kann und gezeigt werden konnte, dass die sonografische Untersuchung eine akkurate Bestimmung der Länge und des Ausmaßes der Striktur ermöglicht, wird sie von vielen Operateuren als erlässlich erachtet, da bei gleichzeitiger Durchführung einer radiologischen Diagnostik keine für die Therapieplanung entscheidende weitere Information gewonnen wird. Im Falle von proximal bulbären Strikturen ist die Beurteilbarkeit von Strikturen mit Hilfe sonografischer Verfahren deutlich eingeschränkt.

Radiologische Diagnostik

Als obligate Diagnostik vor einer operativen Therapie einer Harnröhrenstriktur sollte eine radiologische Darstellung der Harnröhre mit Kontrastmittel durchgeführt werden (Abb. 12). Um eine optimale Darstellung zur erlangen, ist es zu empfehlen stets eine kombinierte retrograde Urethrografie und Miktionsurethrografie (Abb. 131415 und 16) durchzuführen. Ein standardisierter Ablauf in standardisierter Lagerung mit abduziertem linkem Oberschenkel und angewinkeltem Becken (etwa 40°) ist hierbei unerlässlich, um die gesamte Urethra abzubilden. Hilfreich kann ein entsprechendes Besteck mit Haltevorrichtung zur Erfassung der Glans penis sein, um eine optimale Streckung des Penis und damit der Urethra zu ermöglichen. Die Infusion des Kontrastmittels sollte hierbei langsam und mit möglichst geringem Druck erfolgen. Aus diesem Grund ist die Verwendung eines höhenadaptierbaren Infusionsbestecks optimal. Die Verwendung einer Injektionsspritze sollte vermieden werden. Um eine Passage des Sphinkters zu ermöglichen, ist aktive Mitarbeit (Entspannung, Inspiration, hilfreich kann z. T. auch der sog. Jendrassik-Handgriff sein) des Patienten bei der Untersuchung oftmals unabdingbar.

Zystoskopie

Nach Durchführung der radiologischen Diagnostik kann es in ausgewählten Fällen sinnvoll sein eine weitere Evaluation mittels Endoskopie zur ergänzen (Abb. 17 und 18). Hierbei ist es von äußerster Wichtigkeit Strikturen nicht zu dilatieren, um einen möglichen späteren rekonstruktiven Eingriff nicht zu beeinflussen.

Follow-up

Postoperativ sollte der Patient einer engmaschigen klinischen Kontrolle unterzogen werden, um ein mögliches Strikturrezidiv zeitgerecht zu erkennen. Grundsätzlich sollten hier Sensitivität und Invasivität, sowie Kosten im Einklang stehen. So ist als Screening eine Evaluation mittels IPSS-Fragebogen (International Prostate Symptom Score) in Kombination mit Uroflowmetrie und Restharnsonografie als Routineuntersuchung ausreichend, im Falle von Auffälligkeiten sollte eine weiterführende Diagnostik im Sinne einer radiologischen Untersuchung erfolgen. Bei der Betrachtung postoperativer uroflowmetrischer Messungen kommt dem Vergleich mit Vorbefunden, insbesondere des postoperativen Baseline-Flows (erste postoperativ erhobene Messung) eine gewichtige Bedeutung zu, denn nur so lassen sich erhobene Werte suffizient beurteilen.

Klassifikation

Neben der Striktur-Klassifikation nach der Ätiologie kommt der Klassifikation nach der Lokalisierung eine deutlich größere Bedeutung zu, da hierdurch direkte Konsequenzen auf die Therapieplanung folgen.
Grundsätzlich sollte primär zwischen anterioren Strikturen und posterioren Stenosen unterschieden werden. Klassischerweise bezieht sich der Begriff Harnröhrenstriktur auf anteriore Strikturen. Posteriore Verengungen (Stenosen) unterscheiden sich hiervon grundlegend in der Genese und dadurch auch in der Therapie.
Im Falle der anterioren Harnröhrenstriktur müssen penile und bulbäre Strikturen unterschieden werden. Als Sonderformen können hier nochmals intrasphinktäre Strikturen und Meatusstenosen abgegrenzt werden.

Harnröhrenstriktur der Frau

Die Harnröhrenstriktur stellt bei Frauen eine seltene Entität dar. Die Pathogenese der weiblichen Harnröhrenstriktur ist nicht abschließend geklärt. Ätiologisch steht meist eine traumatische (z. B. Geburtstrauma, Beckentrauma) oder iatrogene Genese (z. B. prolongierter Katheterismus, Radiatio, Inkontinenzoperationen) im Vordergrund.
Die inzwischen als obsolet geltende, jedoch lange Zeit durchgeführte Dilatationsbehandlung bei rezidivierenden Harnwegsinfekten kann zu einer Fibrosierung durch Blutung und Urinextravasation führen und spielt ätiologisch keine unerhebliche Rolle. Symptomatologisch kann sich eine Vielzahl unterschiedlicher Beschwerden wie LUTS (lower urinary tract symptoms), Harnverhalte oder rezidivierende Harnwegsinfekte zeigen.
Eine anerkannte Definition diagnostischer Kriterien existiert diesbezüglich nicht. Häufig wird die urethrale Kalibration (<14 Ch) als Maßstab genommen. Die in der Literatur am häufigsten zu findende Definition ist die radiologische Darstellung einer distalen urethralen Stenose mit proximaler urethraler Ballonierung.
Letztlich sollte sich hier nicht auf eine Diagnostik beschränkt werden, sondern wie bei der Diagnostik der männlichen Harnröhrenstriktur nach einer in der Invasivität aufsteigenden Evaluation vorgegangen werden.

Therapie

Basierend auf der Symptomatik des Patienten und der diagnostischen Evaluierung sollte die Therapieplanung gemeinsam mit dem Patienten erfolgen.
Aufgrund der divergenten Invasivität und Langzeiterfolgsraten der verschiedenen Therapieformen kommt die Aufklärung des Patienten über Aufwand, Chancen und Risiken der verschiedenen Verfahren eine besondere Bedeutung zu. Grundsätzlich sollte dem behandelnden Urologen für eine suffiziente Therapieplanung das gesamte Armamentarium der Strikturbehandlung zur Verfügung stehen, um dem Patienten eine optimale Versorgung zu gewährleisten. Je komplexer sich die Striktur in der Evaluation zeigt, desto zwingender ist die Behandlung im Rahmen von rekonstruktiven Zentren mit einem entsprechenden Portfolio operativer Techniken in ausreichendem Volumen.
Zu unterscheiden ist bei der Behandlung der Harnröhrenstriktur der Standpunkt des Strikturmanagements, d. h. eine kurz- bis mittelfristige Symptomlinderung ohne Anspruch auf langfristige Rezidivfreiheit und die auf effektive Langzeiterfolg ausgerichtete Therapie, die als Ziel die definitive Heilung der Striktur hat.
Des Weiteren lassen sich die verschiedenen Behandlungsmethoden in ökonomischem Hinblick auf Basis statistischer Kosten-Nutzen-Rechnung betrachten.
Das Konzept der „rekonstruktiven Leiter“, bei der die einfachste Therapiemöglichkeit zuerst durchgeführt und gegebenenfalls auch mehrfach wiederholt wurde, bevor komplexere Prozeduren erwogen wurden, kann als veraltet und für die Behandlung der Harnröhrenstriktur als nicht (mehr) gültig angesehen werden.

Endourethrale Therapie

Die Bougierung (franz. bougie = Kerze) oder Dilatation stellt die wohl älteste und einfachste Methode der Behandlung einer Harnröhrenstriktur dar. Ziel ist es durch Dehnung des narbigen Areals der Harnröhre eine Weitung vorzunehmen. Je traumatischer die Weitung hierbei vorgenommen wird, desto größer ist die Gefahr, dass es vielmehr zu einem Zerreißen der Narbe, denn einer Dehnung mit daraus resultierender Zunahme des Narbengewebes und konsekutivem Rezidiv kommt. Zur Minimierung einer übermäßigen urethralen Traumatisierung wird eine in mehreren Sitzungen durchgeführte Dilatation der Urethra empfohlen.
Eine weitere angewandte Methode ist die Ballondilatation. Die in der Literatur beschriebenen Erfolgsraten liegen kurz- und mittelfristig im Bereich der Erfolgsraten für die Urethrotomie. Häufig wird eine Selbstdilatation als „Prävention“ eines Strikturrezidivs nach Bougierung oder Urethrotomie angeführt. Suffiziente Daten liegen hierzu jedoch nicht vor und es ist eher davon auszugehen, dass der Effekt in der fortgeführten Dilatation beginnender Rezidivstrikturen besteht. Wenngleich es keine suffiziente Studie gibt, die einen statistisch-signifikanten Unterschied der Erfolgsrate der Dilatation zur Urethrotomie belegt, besteht die Indikationsstellung hier intuitiv eher bei Meatusstenosen und bei Strikturen, die den Sphinkter externus einbeziehen. Zum einen aufgrund der einfachen Handhabung und zum anderen um das Risiko einer resultierenden Inkontinenz zu minimieren.
Längerstreckige Engen der Harnröhre sollten keiner Dilatation zugeführt werden, da hier kein langfristiger Erfolg zu erwarten ist. Als Palliation kann eine wiederholte Bougierung in ausgewähltem Fällen durchgeführt werden, falls eine Minimierung des perioperativen Risikos notwendig ist, der Patient keine Heilung wünscht und darüber aufgeklärt ist.

Urethrotomia interna

Neben der Dilatation stellt die Urethrotomia interna eine weitere minimalinvasive Option der Harnröhrenstrikturtherapie dar (Tab. 1; Abb. 19 und 20). Hierbei erfolgt eine transurethrale Inzision des narbigen Anteils bis hinein in gesundes Gewebe, um eine Expansion des narbigen Gewebes zu ermöglichen, damit das daraus resultierende vergrößerte Lumen heilen kann. Klassischerweise erfolgt die Inzision hierbei auf 12 Uhr SSL (Steinschnittlage), jedoch wird z. T. auch eine Inzision an anderer Position (bei 10 und 2 Uhr oder bei 6 Uhr SSL) durchgeführt.
Tab. 1
Publizierte Erfolgsraten zur Urethrotomia interna
Autor
Jahr
Erfolgsrate (%)
Minimales Follow-up (Monate)
Patientenzahl
Berikov et al.
1982
85 (*93)
6
128
Guo et al.
2010
82
6
238
Jablonowski et al.
2010
70
12
30
Albers et al.
1996
62
47
937
Pansadoro et al.
1996
32
60
224
de Jong et al.
1990
*26
60
23
Santucci et al.
2010
8
60
76
Kluth et al.
2017
51,6
3
128
*Resultate nach mehrfacher Urethrotomie
Cave
Eine Urethrotomia interna sollte grundsätzlich nur unter Sicht, also in der Technik nach Sachse durchgeführt werden.
Die blinde Durchführung mittels Otis-Urethrotom stellt ein historisches Verfahren dar und ist als obsolet anzusehen.
Neben dem Hauptrisiko eines, gegenüber offenen Verfahren der Harnröhrenrekonstruktion, deutlich erhöhten Strikturrezidivrisikos, besteht bei diesem Verfahren die Gefahr der Entstehung einer Via falsa, Blutungen, Infektionen und einer erektilen Dysfunktion, die mit 1,5–10,6 % in der Literatur angegeben wird, wobei dieses mit langen oder multiplen Strikturen zunimmt. Zur Reduktion einer Infektion sollte zumindest intraoperativ eine Single-shot-Antibiose verabreicht werden. Die Verwendung eines Führungsdrahtes kann die Gefahr der Entstehung einer Via falsa effektiv vermindern und ist deshalb unbedingt zu empfehlen. Strikturen im Bereich des Sphinkter externus sollten aufgrund der daraus resultierenden Inkontinenz nicht mittels Schlitzung behandelt werden.
Die postoperative Liegedauer eines transurethralen Katheters nach Urethrotomia interna wird unterschiedlich gehandhabt. Überwiegend wird in der Literatur eine Dauer von 1–5 Tagen angegeben. Bei einer Liegedauer von maximal 3 Tagen wird z. T. eine geringere Rezidivrate als bei einer längerdauernden Katheterversorgung beschrieben.
Die Erfolgsrate beeinflussende Faktoren stellen Strikturlokalisation, Ausmaß einer begleitenden Spongiofibrose, Strikturlänge, sowie Anzahl der Vorbehandlungen dar.
Von besonderer Bedeutung für die Rezidivrate scheint bei dieser Technik die Länge des Nachbeobachtungszeitraumes zu sein. So liegen die veröffentlichten Erfolgsraten bei einem Follow-up von mehr als 60 Monaten lediglich bei 8–32 %. In Fällen von kurzstreckigen bulbären Strikturen wird in bis zu 77 % der Fälle von einer langfristigen Rezidivfreiheit nach erfolgter Urethrotomie berichtet. Im Falle von Strikturen im bulbären Anteil der Harnröhre publizierten Pansadoro et al. für Strikturen <1 cm eine Erfolgsrate von 71 %, während diese bei Strikturen mit einer Länge von >1 cm bei nur 18 % lag. Für Strikturen der penilen Harnröhre wurde in dieser Studie eine Rezidivfreiheitsrate von 16 % bei einem mittleren Follow-up von 98 Monaten angegeben. Mit zunehmender Anzahl wiederholter Schlitzungen sinkt die Rate erfolgreicher Interventionen. Pansadoro et al. beschreiben in diesem Zusammenhang eine Rezidivrate von 47 % bei Erstbefunden, während für Rezidivstrikturen nach 48 Monaten in keinem Fall ein Erfolg zu beobachten war. In einer retrospektiven Analyse von 924 Patienten konnten Imkamp et al. eine Rezidivrate von 38 % nach 1., 35 % nach 2., 59 % nach 3., 68 % nach 4. und 85 % nach 5. Urethrotomia interna zeigen.
Des Weiteren scheint eine vorherige Urethrotomie einen negativen Einfluss auf die Erfolgsrate einer offenen Harnröhrenrekonstruktion zu haben: In einer vergleichenden Studie von 50 Patienten mit ≤1 und 51 Patienten mit ≥2 vorherigen Schlitzungen zeigte sich eine 8-fach längere Dauer zwischen Diagnosestellung und definitiver Behandlung sowie eine größere Komplexizität der Strikturen in der Gruppe mit ≥2 vorherigen Schlitzungen. Breyer et. al konnte in einer Untersuchung von 443 Patienten zeigen, dass bei erfolgter vorheriger endoskopischer Strikturbehandlung ein erhöhtes Risiko für ein Strikturrezidiv nach offener Urethroplastik besteht.
Trotz der verhältnismäßig schlechten Erfolgsrate findet diese Behandlungsform eine breite Verwendung. In einer Befragung niederländischer Urologen, gaben 97 % der Befragten an, Schlitzungen der Urethra durchzuführen. 20 % gaben an, auch in Fällen von 2 erfolgten frustranen Behandlungen eine weitere endoskopische Behandlung durchzuführen. Eine Befragung unter U.S.-amerikanischen Urologen ergab, dass 85,6 % der Befragten eine Urethrotomia durchführen. Davon gaben 55,9 % an, diese Verfahren auch bei Strikturen >1,5 cm anzuwenden; 48,3 % auch in Fällen von Rezidivstrikturen.
Zur Verminderung der Rate an Rezidivstrikturen wurden Versuche medikamentöser Injektionen (Kortison, Mitomycin) beschrieben. Publizierte Studien einer simultanen antiproliferativen Therapieinjektion zeigten initial zwar z. T. erfolgversprechende Daten, die sich jedoch im Langzeitverlauf nicht bestätigen ließen. So sollte die simultane Urethrotomie mit Injektion antiproliferativer Medikamente keine routinemäßige Verwendung finden.
In Fällen eines Strikturrezidivs nach offener Harnröhrenrekonstruktion mit Mundschleimhaut zeigte eine Urethrotomia interna nach Sachse eine Erfolgsrate von 43 % in einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 3,1 Monaten. So ist auch in diesen Fällen eine offene Rekonstruktion anzustreben und eine Urethrotomie nur eine Therapieoption für Patienten, die sich keiner erneuten offenen Rekonstruktion unterziehen möchten oder ein erhöhtes perioperatives Risikoprofil bieten.

Laser-Urethrotomie

Neben der klassischen Urethrotomie mit dem kalten Messer wurden seit breiterer Verwendung von Lasern in der Endourologie zahlreiche Modifikationen mit verschiedenen Lasertypen (Ho:YAG, Argon, Diode, KTP) und Einstellungen beschrieben. Der aufgrund seiner geringen Eindringtiefe (<0,5 mm) am häufigsten verwendete Laser zur Urethrotomie ist der Holmium-Laser, da dadurch ein geringerer Effekt auf das Umgebungsgewebe bewirkt wird und so eine verminderte Narbenbildung erwartet wird. Vergleichende Studien von Laser- vs. klassischer Sachse-Urethrotomie zeigen eine vergleichbare Effektivität und Komplikationsrate für beide Verfahren.
Praxistipp
Urethrotomia nach Sachse:
  • Nur kurzstreckige Strikturen (<1 cm)
  • Keine Verwendung bei Rezidivstrikturen nach vorheriger Urethrotomie
  • Aufklärung des Patienten über erhöhtes Rezidivrisiko
  • Verwendung eines Führungsdrahts obligat
  • Verwendung einer perioperativen antibiotischen Prophylaxe
  • Katheterliegedauer 2–3 Tage

Harnröhrenstent

Zahlreiche Versuche einer Therapie von Harnröhrenstrikturen durch sowohl temporäre als auch permanente Urethrastents wurden im Laufe der Zeit unternommen. Kurzfristige initiale Erfolge zeigten sich jedoch in der Mittel- und Langzeitbeobachtung als nicht beständig. Die Rate an Komplikationen wie Inkrustration und Infektion ist hoch. Auch die Verwendung neuer Materialien und temporärer Stents lassen nicht erwarten, dass mit Hilfe endoluminaler Harnröhrenstents eine adäquate Langzeit-Erfolgsrate zu erlangen ist. Möglicherweise besteht hier eine Indikation im Rahmen palliativer Therapiekonzepte. Jedoch sollte stets bedacht werden, dass die Entfernung eines implantierten Stents und die nachfolgende Rekonstruktion der Urethra mit einer hohen Komplikationsrate und einer deutlich verminderten Erfolgsrate verbunden ist (Abb. 21 und 22).

Offene Harnröhrenchirurgie

Die Harnröhrenplastik stellt mit Abstand die effektivste Therapieform für den Großteil anteriorer Harnröhrenstrikturen dar. Zahlreiche Techniken mit nahezu unzähligen Modifikationen wurden beschrieben. Der plastisch-rekonstruktiv tätige Urologe sollte mit den verschiedenen Techniken vertraut sein, um diese je nach Bedarf anwenden zu können und ein optimales Ergebnis zu ermöglichen.

Einzeitige Urethroplastik

End-zu-End-Anastomose
Für die Behandlung von kurzstreckigen bulbären und membranösen Harnröhrenstrikturen stellt die End-zu-End-Anastomose eine hervorragende Technik dar (Abb. 23). Im Gegensatz zu Substitutionstechniken – der Verwendung von Transplantaten – kann hier nach erfolgter Exzision des narbigen Harnröhrenareals eine direkte Anastomosierung der gesunden Harnröhrenmukosa erfolgen. Für die Substitutionsurethroplastik spezifische Risiken wie Transplantatverlust, -schrumpfung, Divertikelbildung und eine mögliche Donorsite-Morbidität entfallen hierbei. Technisch stellt sich dieses Verfahren als vielfach einfacher dar.
Jedoch ist nur im Falle einer vollständig spannungsfreien Reanastomosierung gesunder Schleimhaut mit einem optimalen Ergebnis dieses Eingriffs zu rechnen. Als wesentlicher Faktor für die erfolgreiche Durchführung dieser Operationsmethode ist die ausreichende Mobilisierung der Harnröhre anzuführen. Des Weiteren ist eine ausreichende Länge und Elastizität der proximalen und distalen urethralen Enden, sowie deren Durchblutung von entscheidender Bedeutung.
Das Strikturausmaß, das mit Hilfe dieser Technik behandelt werden sollte, wird kontrovers diskutiert. Traditionell wird eine Strikturlänge von 3 cm angegeben. Diesbezüglich ist jedoch anzumerken, dass häufig eine Exzision über das in der präoperativ durchgeführten bildgebenden Diagnostik dargestellte Strikturausmaß notwendig ist, da sich die eigentliche Narbe im Bereich der Harnröhre, insbesondere nach endoskopischer Vortherapie oder inflammatorischer Genese deutlich weiter ausdehnt. Anhand theoretischer Überlegungen konnte Webster zeigen, dass schon aus der Exzision einer nur 1 cm messenden Striktur und entsprechender Spatulierung, eine 2 cm messende Verkürzung der Urethra resultiert.
Die publizierten Erfolgsraten der End-zu-End-Anastomose liegen im Langzeitverlauf mit bis zu 6 Jahren bei zum großen Teil >90 % (Tab. 2). Ein signifikant schlechteres Outcome konnte in Fällen nach multiplen Voroperationen gezeigt werden.
Tab. 2
Publizierte Erfolgsraten zur End-zu-End-Anastomose
Autor
Jahr
Erfolgsrate (%)
Follow-up (Monate)
Patientenzahl
Ennemoser et al.
1992
94,8
47,0
20
Michell et al.
2002
93,0
60,0
74
Barbagli et al.
2007
90,8
68,0
153
Siegel et al.
19
95
30,1
19
Praxistipp
End-zu-End-Anastomose:
  • Nur kurzstreckige Strikturen (<1,5 cm)
  • In Fällen einer intraoperativ ausgeprägteren Narbe: augmentierte Reanastomose
  • Aufklärung des Patienten über möglicherweise erhöhtes Risiko für erektile Dysfunktion gegenüber einer Substitutionsurethroplastik
  • Suprapubische Ableitung für 14 Tage
  • Miktionszysturethrogramm vor Miktionsfreigabe
Zwar werden in der Literatur gute Therapieerfolge der End-zu-End-Anastomose auch für Strikturen bis zu einer Länge von 5 cm beschrieben, jedoch muss darauf hingewiesen werden, dass in diesen Fällen ein erhöhtes Risiko nicht nur für penile Verkürzung und Verkrümmung besteht, sondern die Rate an erektiler Dysfunktion deutlich erhöht ist. So berichteten Al Qudah und Santucci über eine erektile Dysfunktion bei 18 % der Patienten, bei denen im Rahmen einer End-zu-End-Anastomose die Narbe komplett reseziert wurde. Eine ausgedehnte urethrale Präparation im Rahmen der Behandlung langstreckiger und membranöser Strikturen mittels dieses Verfahrens, insbesondere nach proximal, erhöht dabei die Gefahr einer Läsion der Nervi erigentes und somit das Risiko der Entstehung einer postoperativen erektilen Dysfunktion. So sollten Strikturen, deren Ausmaß 1,5 cm übersteigt aufgrund der beschriebenen Risiken, einer Substitutionsurethroplastik unterzogen werden. In Fällen in denen initial eine End-zu-End-Anastomose möglich scheint, sich dieses intraoperativ jedoch als eine nicht suffizient durchführbare Möglichkeit zeigt, sollte eine augmentierte Reanastomose durchgeführt werden. Bei diesem Verfahren wird dorsal eine End-zu-End-Anastomose durchgeführt und ventral ein Mundschleimhauttransplantat in Onlay-Technik eingebracht.

Substitutionsurethroplastik

Unter dem Begriff Substitutionsurethroplastik sind alle Techniken der Harnröhrenkonstruktion zu subsummieren, bei denen ein Gewebetransfer oder ein Einbringen von Fremdmaterial durchgeführt wird, um eine Erweiterung des Lumens zu erreichen. Optimalerweise sollte das hierzu verwendete Graft leicht und in ausreichendem Maße verfügbar sein, eine geringe Morbidität im Bereich der Entnahmestelle zeigen und eine gute Biokompatibilität aufweisen. Hierzu wurde die Verwendung verschiedenster Gewebe beschrieben, u. a. gestielte Hautlappen, Voll-und Spalthauttransplantate unterschiedlicher Herkunft, von Blasen- und Kolonschleimhaut sowie orale Schleimhaut von Zunge, Wange und Lippe. Des Weiteren ist die Verwendung von Matrices, wie z. B. SIS (small intestinal submucosa, eine azelluläre aus Schweinedünndarm hergestellte Matrix) und mittels Verfahren des Tissue-Engineering hergestellten Transplantaten beschrieben.
Der überwiegende Anteil der Subtitutionsurethroplastiken wird unter Nutzung von Mundschleimhaut als Augmentation durchgeführt, die native Harnröhre also nicht vollständig ersetzt, sondern durch das eingebrachte Transplantat erweitert. Prinzipiell ist hierbei zunächst zwischen einzeitigen und zweizeitigen Techniken zu unterscheiden. Maßgeblich für die Entscheidung zu einer der genannten Verfahren ist hierbei das Ausmaß der Striktur und der umgebenden Spongiofibrose.
Zur weiteren Strukturierung verschiedener Techniken wird zwischen der Verwendung des Substituts als Inlay oder Onlay und der Lokalisation ventral und dorsal differenziert (Abb. 24252627282930 und 31).
Verwendung gestielter Lappen
Bei längerstreckigen penilen und bulbären Strikturen der Harnröhre besteht die Möglichkeit, diese mit Hilfe von gestielten Penishaut- oder Präputiallappen zu rekonstruieren. Entscheidend für den Operationserfolg und zugleich limitierend für die Anwend- und Verfügbarkeit ist die Erhaltung einer suffizienten Durchblutung bei möglichst freier Beweglichkeit des Hautlappens.
In der Harnröhrenrekonstruktion fand die Verwendung vaskularisierter Genitalhautlappen (sog. Flap) ab den 1960er-Jahren zunehmend Verbreitung. Die Verwendung von Skrotalhaut muss aufgrund der Behaarung und der Thermolabilität mit konsekutiver Divertikelbildung als obsolet angesehen werden, sodass heute nur noch Präputial- und Penisschafthautflaps Verwendung finden sollten. Die versorgenden Gefäße verlaufen im subkutanen Gewebe (Tunica dartos): Es handelt sich in der plastisch-chirurgischen Terminologie also um gestielte fasziokutane Lappen. Aufgrund der deutlich erhöhten Komplikationsrate sollten keine Techniken von tubularisierten Flaps verwandt werden. Typischerweise werden Genitalhautflaps in Onlay-Technik verwandt. Unter Umständen kann auch eine zweizeitige Rekonstruktion mittels Inlay-Flap erfolgen. Eine unzureichende Blutversorgung gestielter Lappen kann – selbst bei nur geringer Einschränkung der Perfusion – zu Wundheilungsstörungen mit konsekutiven Hautnekrosen und Fistelbildungen führen.
Insgesamt haben gestielte Lappen deutlich an Bedeutung für die kontemporären Techniken der Harnröhrenrekonstruktion verloren, werden jedoch nach wie vor bei Kombinationseingriffen komplexer Strikturen verwandt.
In der Rekonstruktion der Fossa navicularis finden Flaps ebenfalls Verwendung: Bekannteste Verfahren sind der Marberger-Flap sowie der Jordan-Flap.
Harnröhrenrekonstruktion unter Verwendung von Mundschleimhaut
Zum heutigen Zeitpunkt kann die Verwendung von Mundschleimhaut als das Goldstandard-Verfahren in der Substitutionsrekonstruktion der Harnröhre angesehen werden. Ein entscheidender Vorteil bei der Nutzung freier Mundschleimhauttransplantate stellt die relativ geringe Morbidität im Bereich der Entnahmestelle gegenüber anderer Transplantate bei guter Verfügbarkeit dar.
Des Weiteren zeigt sich die Mundschleimhautentnahme als eine operativ relativ einfache Prozedur. Die Mundschleimhaut selbst zeigt aufgrund ihrer Robustheit und guter immunologischer Eigenschaften mit hervorragendem Heilungsverhalten, wie es auch bei Verletzungen im Mundraum beobachtet werden kann, gute Voraussetzungen zum Gewebetransfer. Mundschleimhaut zeigt aufgrund eines hohen Elastingehalts mit daraus resultierender Dehnbarkeit, Reißfestigkeit und geringer Schrumpfungstendenz sowie der Haarlosigkeit gute Eigenschaften für die weitere Verwendung.
Entnahme von Mundschleimhaut
Nach vorheriger Desinfektion des Mundraums wird die Entnahmeregion intraoperativ angezeichnet. Einige Zentren entnehmen standardmäßig 4–5 cm Mundschleimhaut, solange sicher ist, dass der zu überbrückende Urethradefekt diese Länge nicht überschreitet. Vorzugsweise sollte nach vorheriger Freilegung und Eröffnung der Harnröhrenstriktur die Länge des zu rekonstruierenden Bereichs gemessen werden und anschließend ein entsprechend langes Transplantat in der Innenseite der Wange angezeichnet werden (Abb. 32). Hierbei ist auf die Schonung des Ausführungsgangs der Parotis oberhalb des 2. Molaren zu achten. Vom Zahnfleisch sollte ca. 1 cm Abstand gehalten werden und die Transplantatbreite etwa 1,5 cm betragen.
Bei Transplantaten >4 cm muss darauf geachtet werden, vom Lippenrot fern zu bleiben, da Sensibilitätsstörungen und narbige Einziehungen der Lippen aus kosmetischen und funktionellen Gründen vermieden werden müssen. Beim Anzeichnen längerer Transplantate wird dann eine Kurve Richtung Innenseite der Unterlippenregion verfolgt. So können in Abhängigkeit der Größe des Mundraums Mundschleimhauttransplantatlängen von bis zu 8 cm erreicht werden. Bei noch längeren Strikturen würde die Möglichkeit einer zusätzlichen Entnahme von Schleimhaut auf der Unterseite der Zunge bestehen. Darauf sollte nur im Ausnahmefall zurückgegriffen werden, da sonst die Möglichkeit einer späteren Mundschleimhautentnahme entfällt. Eine vorherige Unterspritzung des zu entnehmenden Bereichs mit einer Kombination aus Lokalanästhetikum und Adrenalin erleichtert die feine Präparation der Schleimhaut unter Schonung des darunter liegenden Fettgewebes und vermindert die Blutungsneigung (Abb. 3334 und 35).
Ob die orale Wunde mittels Naht verschlossen werden sollte, wird kontrovers diskutiert. Das Nahtmaterial in der Wange wird postoperativ von Patienten häufig als störend empfunden. Eine Naht führt jedoch zu einer schnellen primären Wundheilung, ohne das Risiko einer Superinfektion im granulierenden Bereich. Es gibt Hinweise auf einen möglichen Vorteil in Bezug auf die postoperativen Schmerzen im Entnahmegebiet, wenn die Entnahmestelle nicht mittels Naht verschlossen wird. Auch wurden Vorteile bezüglich Mundöffnung, perioraler und oraler Taubheit bei Patienten, deren Wange nicht verschlossen wurde, beschrieben. Auf eine Naht im Bereich der Unterlippe sollte deshalb in jedem Fall verzichtet werden.
In einer randomisierten kontrollierten Studie von Soave et al. mit 135 Patienten konnte eine Nicht-Unterlegenheit für die nicht verschlossene Entnahmestelle im Bereich der Wange gegenüber einem Verschluss in Bezug auf Intensität und Qualität von Schmerzen gezeigt werden.
Bei der Entnahme von Schleimhaut an der Unterseite der Zunge besteht die Gefahr einer Verletzung des Ausführungsganges der Glandula sublingualis und des Ductus submandibularis sowie der sublingualen Nerven. Potenziell besteht zudem ein höheres Blutungsrisiko im Zungenbereich. Die bedeutsamsten Langzeitkomplikationen (>6 Monate) nach Entnahme von Mundschleimhaut sind Taubheitsgefühl in bis zu 26 % der Fälle, Schwierigkeiten einer vollständigen Mundöffnung in bis zu 32 % und Veränderung der Speichelproduktion in bis zu 11 % der Fälle. Die Komplikationsrate scheint jedoch deutlich zwischen verschiedenen Zentren zu schwanken.
Nach Gewinnung des Mundschleimhauttransplantats wird dieses ausgedünnt, indem das überschüssige Fettgewebe von der Unterseite entfernt wird.
Operative Techniken derUrethroplastik mit Mundschleimhauttransplantat
Mundschleimhaut kann sowohl als Onlay oder Inlay, dorsal oder ventral als auch in einzeitigen und zweizeitigen Verfahren der Harnröhrenrekonstruktion angewendet werden. Welche Technik zur Rekonstruktion Verwendung finden sollte ist abhängig von Strikturlokalisation und -länge sowie vom Zustand der Harnröhre und des Corpus spongiosum im strikturierten Bereich. Die Umgebung der Urethra ist in den einzelnen Teilbereichen unterschiedlich gut durchblutet. Im bulbären und penobulbären Bereich ist ventral genügend kräftig ausgebildetes Corpus spongiosum vorhanden, sodass ein ventrales Mundschleimhauttransplantat ausreichend versorgt wird und einheilen kann.
Mundschleimhaut in der bulbären Harnröhre
Bei der klassischen Onlay-Technik im bulbären und penobulbären Bereich wird das Transplantat ventral auf die eröffnete Harnröhre genäht (Augmentation, Abb. 36). Zuvor wird die Striktur ventral gespalten und die Harnröhre bis in den gesunden Bereich hinein inzidiert. Solange keine fortgeschrittene Spongiofibrose der Harnröhrenwand vorliegt, bleibt diese intakt und wird nicht reseziert. Das Corpus spongiosum wird wieder über der Harnröhre mit dem eingenähten Transplantat verschlossen. Es bietet neben der Blutversorgung auch eine optimale Gewebedeckung des Transplantats und verhindert die Divertikelbildung (Abb. 37).
In der Literatur wurde eingehend untersucht, inwieweit im bulbären Bereich ein dorsales Onlay oder Inlay möglich ist. Durch Verwendung eines dorsalen Inlays konnte insbesondere das Risiko der Divertikelbildung minimiert werden und es konnten gute postoperative Erfolgsraten gezeigt werden. Auch Andrich et al. bestätigten diese Ergebnisse und zeigten eine Komplikationsrate von 5 % in der Barbagli-Technik (Abb. 38) gegenüber einer Komplikationsrate von 14 % beim ventralen Onlay. Das bulbäre, ventrale Onlay-Transplantat ist nach Wessells und Armenakas jedoch einfacher und mit weniger Schädigung der Umgebung verbunden. Sie empfehlen ein Inlay oder dorsales Onlay in dieser Region aufgrund der möglichen Schädigung benachbarter Strukturen zu vermeiden.
Die Frage inwieweit eine Re-Strikturbildung (Tab. 34 und 5) von der verbliebenen Narbe der Urethralplatte abhängt, wirft die Diskussion auf, ob die Narbe grundsätzlich komplett reseziert werden sollte. Solange noch ein Lumen der Harnröhre vorhanden ist und keine zu weit fortgeschrittene Spongiofibrose vorliegt, ist eine Augmentation ausreichend. Die Resektion der kompletten Narbe, wie sie auch bei der End-zu-End-Anastomose bei kürzeren Strikturen durchgeführt wird, bringt die Gefahr der möglichen Schädigung der Gefäß- und Nervenversorgung der Harnröhre und einer Deviation des Penis mit sich.
Tab. 3
Erfolgsraten für bulbäre Urethroplastiken mittels ventralem Onlay mit Mundschleimhaut
Autor
Jahr
Patientenzahl
Follow-up (Monate)
Erfolgsrate (%)
Kane et al.
2002
53
25
94
Heinke et al.
2003
38 (30 bulbär)
22,8
81,6
Elliott et al.
2003
60
47
90
Fichtner et al.
2004
32 (15 bulbär)
82,8
87
McLaughlin et al.
2006
58
29,6
94
Levine et al.
2007
12
58,1
83
Barbagli et al.
2008
93
36
91,4
Dalela et al.
2010
13
16,4
84,6
Barbagli et al.
2013
214
54
85,5
Figler et al.
2013
62
36
81
Tab. 4
Erfolgsraten für bulbäre Urethroplastiken mittels dorsalem Onlay mit Mundschleimhaut
Autor
Jahr
Patientenzahl
Follow-up (Monate)
Erfolgsrate (%)
Andrich und Mundy
2001
42
48–60
95
Pansadoro et al.
2003
56
41
98
Dubey et al.
2003
16
22
87
Berger et al.
2005
40
70,7
95
Dubey et al.
2005
41
36,2
90
Barbagli et al.
2005
27
42
85
Levine et al.
2007
21
53
86
O’Riordan et al.
2008
52
34
86
Kulkarni et al.
2009
88
56
91
Fransis et al.
2010
30
23
94
Figler et al.
2013
41
36
83
Spilotros et al.
2017
64
45
87,9
Tab. 5
Erfolgsraten für einzeitige penile Urethroplastik unter Verwendung mit Mundschleimhaut
Autor
Jahr
Patientenzahl
Follow-up (Monate)
Erfolgsrate (%)
Andrich und Mundy
2001
41
24–60
100
Metro et al.
2001
14
63,6
57,1
Fichtner et al.
2004
17
82,8
88,2
Dubey et al.
2005
25
32,5
88
Kulkarni et al.
2009
8
56
100
Xu et al.
2010
56
17,2
87
Hoy et al.
2019
48
32
83,3
Mundschleimhaut in der penilen Harnröhre (einzeitige Technik)
Bei weiter distal gelegenen, penilen Strikturen sollte auf Inlay-Techniken zurückgegriffen werden. Der Grund ist ein zu dünnes Corpus spongiosum, sowie zu wenig Gewebe zwischen Corpus spongiosum und Penisschafthaut. Daraus resultiert eine schlechte Blutversorgung des Transplantats auf der Ventralseite. Bei der Asopa-Technik wird die zunächst ventral über der Striktur eröffnete Harnröhre dorsal inzidiert, das Mundschleimhauttransplantat als dorsales Inlay eingenäht und die Harnröhre ventral wieder verschlossen. Diese Technik sollte jedoch nicht bei hochgradig narbiger und fibröser Urethra durchgeführt werden.
Barbagli et al. zeigten in mehreren Studien, dass die Asopa-Technik mit Mundschleimhaut geeigneter ist, als die Verwendung von Hautlappen. Die postoperative Erfolgsrate lag bei 82,8 % für die Mundschleimhaut und bei 59,6 % für die Penishautlappenplastiken. Bei der Barbagli-Technik wird zunächst die komplette Harnröhre vor Eröffnung präpariert und nach Anbringen von Haltenähten um 180° rotiert. Dorsal wird die Harnröhre dann über der Striktur eröffnet, das Mundschleimhauttransplantat auf gleicher Höhe wieder als Inlay auf der Vorderfläche der Corpora cavernosa fixiert und die Harnröhre mittels fortlaufender Nähte am Transplantat fixiert. Alternativ kann die Mundschleimhaut dorsalseitig als Patch auf die dorsal eröffnete Harnröhre genäht und anschließend in ihre ursprüngliche Lage rückrotiert werden.
Mundschleimhaut in der penilen Harnröhre (zweizeitige Technik)
Sollte die Harnröhre eine ausgeprägte Vernarbung mit kompletter Obliteration aufweisen und eine Abpräparation der Harnröhre nicht möglich sein, kann ein Ersatz der Urethralplatte mit Mundschleimhaut erfolgen. In diesen Fällen sind zweizeitige Verfahren zur Rekonstruktion erforderlich. Hierunter fallen ausgeprägte Spongiofibrose, Fisteln sowie Patienten mit Lichen sclerosus. Nach kompletter Entfernung der vernarbten Harnröhre wird ein „Gewebebett“ rekonstruiert und die Mundschleimhaut darauf fixiert. Durch mehrere Fixationsnähte und einen anschließenden Kompressionsverband wird ein guter Kontakt zur Neourethralplatte und damit eine gute Blutversorgung gewährleistet. In der 2. Sitzung, welche nach einem Zeitintervall von 3 Monaten erfolgt, wird die Harnröhre über einem Katheter verschlossen (Tab. 6).
Tab. 6
Erfolgsrate von penilen Urethroplastiken mittels Mundschleimhaut in zweizeitiger Technik
Autor
Jahr
Patientenzahl
Follow-up (Monate)
Erfolgsrate (%)
Dubey et al.
2005
15
24,2
86,7
Dubey et al.
2005
14
32,5
78,6
Kulkarni et al.
2009
15
56
73
Spilotros et al.
2007
61
45
75,2
Selim et al.
2019
105
34,7
79,1
Verwendung von Mundschleimhaut am Meatus
In Meatusnähe sind Mundschleimhautinlays ebenfalls praktikabel. Bei einer Meatusplastik muss neben einem guten funktionellen Ergebnis das kosmetische Ergebnis im Vordergrund stehen.
Verwendung vonSpalthaut
Wenngleich die Verwendung von oraler Mukosa als Goldstandard bei der Substitutionsurethroplastik angesehen werden kann, ist die Morbidität durch die Entnahme von langen Mundschleimhauttransplantaten nicht zu vernachlässigen. In Fällen nach zahlreichen penilen Voroperationen steht oftmals keine ausreichende penile Haut für mögliche Flaps oder Grafts zur Verfügung. Die Verwendung anderer haartragender Haut wie z. B. Skrotalhaut wurde aufgrund hoher Komplikationsraten verlassen. So kommt in Fällen von langstreckigen Strikturen nach multiplen Voroperationen die Verwendung von freiem Transplantat von Spalthaut in Frage. Diese Technik bietet den Vorteil einer nahezu unbegrenzten Transplantatverfügbarkeit bei relativ einfacher Entnahme und eine sehr geringe Morbidität an der Entnahmestelle selbst bei großer Transplantatfläche. Durch die Verwendung von Spalthaut mit nur 0,3 mm Dicke liegt ein Transplantat ohne Haarfollikel vor und es kann somit sichergestellt werden, dass es nicht zu einem Haarwachstum im Bereich des Transplantats kommt. Um einen Sekretverhalt unterhalb des eingenähten Transplantats (Abb. 39a) zu vermeiden und um eine Oberflächenvergrößerung des Transplantats zu erlangen, erfolgt zuvor eine maschinelle Bearbeitung mit Einschnitten zu einer Netzstruktur (engl. mesh).
Die Technik der Meshgraft-Urethroplastik ist stets ein zweizeitiges Verfahren. Nach vollständiger Einheilung des Transplantats (Abb. 39b) kann nach 3 Monaten eine Tubularisierung und Rekonstruktion der Harnröhre erfolgen (Abb. 39c und d).
Die Langzeit-Erfolgsrate dieser Technik zeigt – in Anbetracht des komplexen Patientenkollektivs, das für diese Art der Rekonstruktion in Frage kommt – mit über 80 % gute Ergebnisse.

Boutonnière

In Fällen ausgeprägter Harnröhrenstrikturen kann unter Umständen die Anlage einer perinealen Urethrostomie (syn. Boutonniére, franz. Knopfloch, Abb. 40) eine sinnvolle Alternative zur Rekonstruktion der Harnröhre darstellen. Insbesondere bei multimorbiden Patienten, die keinen Wert auf eine Miktion im Stehen legen, sollte dieses Verfahren in Betracht gezogen werden. Die Anlage direkt distal des Sphinkter externus erlaubt hierbei die Umgehung des Großteils anteriorer Strikturen.

Therapie der posterioren Harnröhrenstriktur

Posteriore Strikturen der membranösen Urethra bzw. des bulbomembranösen Übergangs sind zu einem erheblichen Teil durch Harnröhrenverletzungen bei Beckenfrakturen bedingt. In der Regel finden hier transperineale bulbomembranöse End-zu-End-Ananstomosen Anwendung. Die operative Rekonstruktion kann dabei ausgesprochen anspruchsvoll sein.
Membranöse Harnröhrenstrikturen entstehen z. T. iatrogen im Rahmen transurethraler Resektionen und imponieren als Sphinkterstrikturen. Um die Kontinenzfunktion zu erhalten, sollte in solchen Fällen gegebenenfalls lediglich eine Dilatation durchgeführt werden. Im Falle von Strikturen, deren Rekonstruktion mit einem sehr hohen Risiko für eine postoperative Belastungsinkontinenz verbunden ist, muss der Patient präoperativ über die Möglichkeit der Implantation eines artifiziellen Sphinkters in 2. Sitzung aufgeklärt werden.

Therapie der weiblichen Harnröhrenstriktur

Die Harnröhrenstriktur der Frau stellt eine seltene Entität dar. Neben der häufig praktizierten Dilatationsbehandlung in Fällen rezidivierender Harnwegsinfekte und bei Frauen mit LUTS-Beschwerden scheint die Inzidenz der echten weiblichen Harnröhrenstriktur mit 4–13 % der Frauen mit Blasenauslassobstruktion gering. Symptome zeigen sich oft unspezifisch im Sinne einer überaktiven Blase, eines abgeschwächten Harnstrahls, Harntröpfeln, Restharngefühl und rezidivierender Harnwegsinfekte.
Über die Ätiologie der weiblichen Harnröhrenstriktur ist relativ wenig bekannt. Ätiopathologisch beschriebene Faktoren sind Infektionen, Trauma, Instrumentation sowie vorherige urethrale Operationen.
Für die Diagnosestellung existiert aktuell keine allgemein anerkannte Definition diagnostischer Kriterien.
Die Diagnostik umfasst die Kalibrierung, wobei in den meisten Studien ein Diameter von 14 Ch als Cut-Off-Wert genutzt wurde, Uroflowmetrie, Restharnmessungen, urodynamische Messungen, Urethrozystoskopie und die radiologische Diagnostik mittels Miktionszysturethrografie.
Aufgrund der geringen Inzidenz kann sich die Therapie sehr anspruchsvoll darstellen. Die Erfolgsrate urethraler Dilatationsbehandlungen wird in der Literatur mit 47 % bei einem Follow-up-Zeitraum von 43 Monaten angegeben (Tab. 7). Die beschriebenen Techniken der Urethroplastik umfassen vaginale oder labiale Flaps oder Grafts sowie Mundschleimhauttransplantate (Abb. 41). Die Erfolgsrate wird für vaginale und labiale Grafts mit 91 %, für Flaps mit 80 % bei einem Follow-up-Zeitraum von im Mittel 32 bzw. 22 Monaten und für Mundschleimhauttransplantate mit 94 % bei einem Follow-up-Zeitraum von 15 Monaten angegeben.
Tab. 7
Vergleich des Outcomes verschiedener in der Literatur beschriebener Techniken der Behandlung der weiblichen Harnröhrenstriktur
Technik
Anzahl der Studien
Anzahl der Interventionen
Erfolgsrate (%)
Follow-up (Monate)
Dilatation
3
107
47
43
Vaginale oder labiale Flaps
6
57
91
32
Vaginale oder labiale Grafts
4
25
80
22
Mundschleimhaut-Urethroplastik
7
32
94
15
Aufgrund der verhältnismäßig geringen Fallzahlen kann keine eindeutige Empfehlung einer Technik erfolgen. Die Behandlung nach erfolgloser Dilatation als Firstline-Therapie sollte aus diesem Grunde in Zentren mit entsprechender rekonstruktiver Erfahrung erfolgen.

Therapie des Lichen sclerosus

Konservative Therapie

Unter der topischen Behandlung mit Kortikosteroiden gemäß der europäischen S3-Leitlinien (z. B. Clobetasolproperionat 0,05 % 1–2x tgl. für 1–3 Monate) findet sich bei den meisten Patienten eine deutliche Symptomlinderung sowie Besserung des klinischen und auch histologischen Befundes (Abb. 42). Falls sich unter der Therapie mit topischen Kortikosteroiden keine Besserung zeigt, sollte die Diagnose reevaluiert werden: Ein malignes Geschehen muss ausgeschlossen werden. Langzeituntersuchungen zu der Verwendung von topischen Kortikoiden für die Therapie des Lichen sclerosus fehlen. Bedenken gegen diese Therapieform bestehen in Bezug auf hierdurch hervorgerufene atrophische Veränderungen, Infektionen und systemische Absorption.
Zahlreiche Studien empfehlen die Verwendung von topischen Calcineurin-Inhibitoren (Pimecrolimus, Tacrolimus) zur Behandlung des Lichen sclerosus. Diese zeigen eine signifikante antiinflammatorische Aktivität bei geringem systemischen immunsupressiven Potenzial. Als Vorteil gegenüber der Verwendung von Kortikoiden wird hier das fehlende Hervorrufen atrophischer Veränderungen gesehen. Dieses wird bei Kortikosteroiden jedoch auch kontrovers diskutiert.
Einige Publikationen bringen die Verwendung von topischen Calcineurin-Inhibitoren mit einer Karzinomentstehung in Verbindung und lehnen die Verwendung ab, da das Risiko für eine maligne Progression erhöht sein könnte. Eindeutige Daten liegen diesbezüglich jedoch noch nicht vor.
Schließlich sollte auch berücksichtigt werden, dass die Therapie mit Calcineurin-Inhibitoren signifikant teurer ist als die Verwendung von Kortikosteroiden, insbesondere aufgrund der häufig chronischen Behandlungsnotwendigkeit.
Die Therapie mit topischem Testosteron gilt aufgrund eines unzureichenden Behandlungseffekt als obsolet.
Eine randomisierte, placebokontrollierte Studie an 52 Männern mit Lichen sclerosus zeigte einen guten Therapieeffekt bei Gabe von systemischen Retinoiden (Acitretin 35 mg/d). Es muss darauf hingewiesen werden, dass es bei einem hohen Anteil der Patienten zu z. T. gravierenden Nebenwirkungen durch die Einnahme der Retinoide kam.

Chirurgische Therapie

Die chirurgische Therapie hat einen wichtigen Stellenwert in der Behandlung des Lichen sclerosus des Mannes, insbesondere im Falle eines unzureichenden Therapieerfolges einer konservativen Behandlung und im Falle von fortgeschrittenen Erkrankungen mit morphologischen Veränderungen. Die Erfolgsrate einer Zirkumzision bei Vorliegen eines Lichen sclerosus wird mit 76–100 % in der Literatur angegeben. Meatusstenosen müssen einer Meatusplastik zugeführt werden. Die publizierten Erfolgsraten liegen hier bei >80 % nach Durchführung einer alleinigen Meatotomie. Bei der Durchführung einer Graft-Urethroplastik bei Vorliegen eines Lichen sclerosus muss zwingend extragenitale Haut verwendet werden, wenngleich auch ein Befall oraler Mukosa durch Lichen sclerosus beschrieben wurde. So kommen hier überwiegend einzeitige, aber auch zweizeitige Operationen, unter Verwendung eines freien Mundschleimhauttransplantates zur Anwendung. Bei panurethralen Strikturen kann eine Meshgraft-Urethroplastik erwogen werden. In Fällen eines ausgeprägten Befundes der Glans kann ein „resurfacing“ mit Spalthaut erwogen werden.
Therapie des Lichen sclerosus
  • Minimierung von lokalen Hautirritationen, hautschonende Waschemulsionen, Vermeidung von Kontakt mit Urin
  • Feuchtigkeitsspendende Hautpflegemittel
  • Behandlung von lokalen Infektionen
  • In kortikosteroid-resistenten Fällen:
  • Zirkumzision
  • Topische Therapie mit Calcineurin-Inhibitoren
  • Topische oder systemische Retinoide
  • Chirurgische Therapie intraepithelialer Neoplasien oder Karzinome
  • Lebenslange Kontrolle

Tissue-Engineering

Neben den etablierten Techniken der Harnröhrenrekonstruktion gibt es vielversprechende Ansätze des Tissue-Engineerings, die vor allem auf eine Rekonstruktion der Harnröhre, insbesondere im Fall von langstreckigen Strikturen, ohne Morbidität durch Gewebsentnahme versprechen.
Prinzipiell müssen 2 unterschiedliche Ansätze des Tissue-Engineerings unterschieden werden: Zum einen die Verwendung von azellulären Matrix-Graft s, die eine korrekte Positionierung und Orientierung für neues Gewebswachstum bieten und eine Gewebsregeneration fördern soll, und zum anderen die Verwendung von mit Zellen besiedelten Matrices zur Rekonstruktion von neuem Gewebe und Organen.
Der initiale Optimismus bei der Verwendung von azellulären Grafts, wie dem SIS (small intestine submucosa) zur Rekonstruktion der Harnröhre, konnte im längeren Follow-up nicht bestätigt werden. In Tierversuchen konnte gezeigt werden, dass azelluläre Matrix-Grafts von >0,5 cm keinen ausreichenden Epithelbewuchs zeigten, sodass davon auszugehen ist, dass die Verwendung azellulärer Matrices nicht für die Rekonstruktion längerstreckiger Strikturen geeignet sind.
Diese Hindernisse scheinen bei der Verwendung zellbesiedelter Matrices nicht zu bestehen. Jedoch erfordern diese eine aufwändige kostenintensive Züchtung. Zwischen Biopsie zur Zellgewinnung und Verfügbarkeit des transplantierbaren Grafts liegt ein Zeitraum von 2–4 Wochen mit einer anschließend nur kurzen verfügbaren Zeitspanne bis zur Transplantation, die eine aufwendige Logistik erfordert. Erste Studien kleinerer Patientenzahlen mit tissue-engineerter oraler Mukosa (Abb. 43) konnten gute Erfolgsraten zeigen. Weitere Ansätze sind die Verwendung urothelialer Zellen aus Blasenspülproben und die Kultivierung von epidermaler Präputialhautzellen.
Trotz vielversprechender Fortschritte auf dem Gebiet des Tissue-Engineerings lässt sich jedoch zum aktuellen Zeitpunkt nicht absehen, ob in naher Zukunft kosteneffektive Alternativen zur Rekonstruktion langstreckiger Strikturen zur Verfügung stehen werden.
Die Bemühungen eines Tissue-Engineerings auf Ebene von Stammzellen zeigen ebenfalls spannende Erfolge, eine klinische Anwendung scheint hier jedoch aktuell noch in relativ weiter Ferne.

Zusammenfassung

Harnröhrenstriktur: abnormale Einengung jedes Segments der Urethra, das von Corpus spongiosum umgeben ist.
Spongiofibrose: Vernarbung des Corpus spongiosum in unterschiedlicher Ausprägung.
Stenose: Verengung der membranösen Urethra, der prostatischen Urethra sowie des Blasenhalses, also nicht vom Corpus spongiosum umgebener Abschnitte.
Einteilung nach anatomischer Lokalisation, Ausmaß der Striktur und Spongiofibrose sowie nach Ätiologie:
  • Iatrogen: endourethrale Manipulation, Katheterisierung
  • Posttraumatisch: Beckenringfrakturen, Pfählungsverletzungen, Straddle-Verletzungen
  • Inflammatorisch: Lichen sclerosus
  • Postinfektiös: unspezifische Urethritiden durch Bakterien, Mykoplasmen, Chlamydien, gonorrhoische Urethritiden und sehr selten tuberkulöse Urethritiden
  • Kongenital
  • Idiopathisch
Symptomatik typischerweise:
  • Langsam zunehmend
  • Obstruktive Symptomatik mit abgeschwächtem Harnstrahl und Restharngefühl
  • Zum Teil Hämaturie, rezidivierende Harnwegsinfekte, folgende Prostatitiden und Epididymitiden
Diagnostik der Harnröhrenstriktur:
  • Uroflowmetrie (obligat)
  • Restharnsonografie(obligat)
  • kombinierte retrograde und Miktionszysturethrografie (obligat)
  • Harnröhrensonograpie (fakultativ)
  • Urethroskopie (fakultativ)
Therapie:
  • Endourethrale Therapie
    • Bougierung:
      • Weitung des narbigen Areals der Harnröhre durch blinde Dehnung
      • Indikationsstellung bei Meatusstenosen und bei Strikturen, die den Sphinkter externus einbeziehen
      • Längerstreckige Engen der Harnröhre nicht einer Dilatation zuführen, da hier kein langfristiger Erfolg zu erwarten ist
    • Urethrotomia interna
      • Nach Otis (obsolet)
      • Nach Sachse: selektives Einschneiden der Striktur unter Sicht mittels kaltem Messer
      • Laserurethrotomie
      • Anwendung nur bei kurzstreckigen Engen <1 cm
      • Durchführung wiederholter Schlitzungen mit unzureichender Erfolgschance
    • Harnröhrenstent:
      • Keine adäquate Langzeiterfolgsrate
      • Signifikante Komplikationsrate
      • Indikation allenfalls im Rahmen palliativer Therapiekonzepte
  • Einzeitige Urethroplastik:
    • End-zu-End-Anastomose
      • Kurzstreckige (<1,5 cm) bulbäre und membranöse Harnröhrenstrikturen
      • Erfolgsrate etwa 90 %
    • Gestielte Lappenplastik
      • Präputial- und Penisschafthautflaps
      • Hauptkomplikation: Wundheilungsstörungen mit konsekutiven Hautnekrosen und Fistelbildungen
    • Freie Transplantate:
      • Mundschleimhaut-Urethroplastik als Verfahren der Wahl
      • Onlay- und Inlay-Technik
      • Erfolgsrate etwa 80–90 %
  • Zweizeitige Urethroplastik:
    • in Fällen ausgeprägter Spongiofibrose, Fisteln sowie bei Patienten mit Lichen sclerosus
    • Verwendung von Mundschleimhaut oder Spalthaut (Meshgraft-Urethroplastik)
    • Zweite Sitzung frühestens nach 3 Monaten
    • Erfolgsrate etwa 80–85 %
  • Tissue-Engineering:
    • Unterscheidung zwischen azellulären Matrix-Grafts und mit Zellen besiedelten Matrices
    • Vielversprechend insbesondere im Fall von langstreckigen Strikturen, ohne Morbidität durch Gewebsentnahme
    • Aktuelle Daten noch nicht suffizient
Literatur
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