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Die Urologie
Info
Publiziert am: 12.10.2022

Infektionen der Nieren und Harnleiter, Uro-Tuberkulose

Verfasst von: Jennifer Kranz, Laila Schneidewind, Winfried Vahlensieck, Severin Lenk und Martin Ludwig
2–5 % aller Harnwegsinfektionen (HWI) betreffen den oberen Harntrakt. Frauen sind dabei häufiger betroffen als Männer. Bei schwerem Verlauf ist eine stationäre Behandlung indiziert, insbesondere auch, um eine Blutstrominfektion und/oder terminale Niereninsuffizienz zu vermeiden. Neben den typischen Symptomen einer unteren Harnwegsinfektion ist auf Fieber, Schüttelfrost, Flankenschmerzen und Zeichen einer gastrointestinalen Mitbeteiligung im Sinne von Übelkeit und Erbrechen zu achten. Gelegentlich kann die Symptomatik auch atypisch sein, insbesondere bei geriatrischen oder immunsupprimierten Patienten. Die körperliche Untersuchung umfasst neben den Nieren auch mögliche andere Entzündungsherde und Zeichen der Generalisierung. Neben den typischen Urinbefunden können bei Sonderformen weitere Bestandteile im Urin auftreten. Die Diagnose sollte immer durch eine Urinkultur gesichert werden. Laborchemisch ist auf Zeichen einer Systeminfektion, eines Nierenversagens oder einer Verbrauchskoagulopathie zu achten. Die Sonographie stellt das bildgebende Verfahren der Wahl dar. Bei unklarem Befund kann eine Computertomographie bzw. Magnetresonanztherapie sinnvoll sein. Differentialdiagnostisch sind zahlreiche renale, intraabdominale oder extrarenale retroperitoneale Erkrankungen zu bedenken. Neben einer antimikrobiellen Therapie kommen operative Verfahren bei begleitender Obstruktion oder entzündlichen Infektherden in Frage. Bei häufigen Rezidiven und nach schweren Verläufen ist ggf. eine stationäre Rehabilitation oder eine antibiotische Langzeitprophylaxe erforderlich.

Akute unkomplizierte Pyelonephritis

Definition und Klassifizierung

Um Infektionen mit einem gutartigen, selbst limitierenden Verlauf von solchen mit einer höheren Rezidiv- und Progressionswahrscheinlichkeit differenzieren zu können, werden Harnwegsinfektionen in unkomplizierte und komplizierte Verlaufsformen unterteilt (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-044l_S3_Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf). Die Europäische Sektion für Infektionen in der Urologie (ESIU) entwickelte im Jahr 2010 ein neuartiges Klassifikationssystem für Harnwegsinfektionen (Bjerklund Johansen et al. 2010; Johansen et al. 2011), welches neben der Lokalisation der Infektion eine Einstufung des Schweregrades beinhaltet und zudem Risikofaktoren (Wirt- und Pathogen-spezifische Risikofaktoren) kategorisiert (s. Abb. 1) (Grabe et al. 2015; Kranz et al. 2020). Dieses Klassifikationssystem ermöglicht erstmals eine detaillierte Stratifizierung von Harnwegsinfektionen und kann sowohl in der täglichen Praxis als auch in klinischen Studien eingesetzt werden.
Allgemein wird eine Harnwegsinfektion als unkompliziert eingestuft, wenn im Harntrakt keine relevanten funktionellen oder anatomischen Anomalien, keine relevanten Nierenfunktionsstörungen und keine relevanten Begleiterkrankungen/ Differenzialdiagnosen vorliegen, die eine Harnwegsinfektion bzw. gravierende Komplikationen begünstigen (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-044l_S3_Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf). Tab. 1 gibt einen Überblick zu den komplizierenden Faktoren von Harnwegsinfektionen.
Tab. 1
Hinweise auf komplizierende Faktoren von Harnwegsinfektionen (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-044l_S3_Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf)
Art des komplizierenden Faktors
Anatomische Veränderungen
Funktionelle Veränderungen,
Angeborene anatomische Veränderungen, z. B.:
 • Subpelvinstenose
 • obstruktiver, refluxiver Megaureter
 • Harnblasendivertikel
 • Harnröhrenklappen
 • Phimose
z. B.:
 • Harntransportstörungen
 • Entleerungsstörungen der Harnblase
 • Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie oder -Dyskoordination
Erworbene anatomische Veränderungen, z. B.:
 • Strikturen (Urethra, Ureter)
 • Harnblasentumore
 • Prostatavergrößerung
 • Schwangerschaft
 • Veränderungen infolge von Operationen oder Strahlentherapie
Angeborene oder erworbene Störungen der Immunität, z. B.:
 • HIV
 • Leberinsuffizienz
 • Diabetes mellitus
 • Immunsuppressive Therapie
Intra- oder postoperative Situationen mit anatomischen Veränderungen oder Einbringen von Fremdmaterialien:
 • Harnblasenkatheter
 • Ureterenkatheter (DJ-Schiene, Mono-J-Schiene)
 • Nephrostomie
Die Pyelonephritis ist eine interstitielle eitrige Entzündung der Niere. Auf eine Pyelonephritis - obere Harnwegsinfektion – deuten Fieber (>38 °C), Schüttelfrost, Flankenschmerzen, Übelkeit, Erbrechen mit oder ohne die typischen Symptome einer Zystitis (z. B. neu aufgetretene Schmerzen beim Wasserlassen (Algurie), imperativer Harndrang, Pollakisurie, Schmerzen oberhalb der Symphyse) hin. Sie kann definitionsgemäß sowohl den unkomplizierten als auch komplizierten Harnwegsinfektionen zugeordnet werden.
Patientengruppen mit unkomplizierten Harnwegsinfektionen sollten hinsichtlich Diagnostik, Therapie und Prävention unterschieden werden in (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-044l_S3_Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf):
  • nicht schwangere Frauen in der Prämenopause ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen (Standardgruppe)
  • Schwangere ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen
  • Frauen in der Postmenopause ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen
  • Jüngere Männer ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen
  • Patienten mit Diabetes mellitus und stabiler Stoffwechsellage ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen

Epidemiologie

Angaben zur Inzidenz und Prävalenz von Harnwegsinfektionen variieren erheblich in Abhängigkeit von Geschlecht, Alter und Komorbiditäten des Betroffenen sowie von der Lokalisation der Infektion. Größere epidemiologische Studien zur akuten unkomplizierten Pyelonephritis sind für Deutschland derzeit nicht verfügbar. Im Rahmen einer Routinedatenanalyse für Versicherte der Barmer GEK in Deutschland im Jahr 2012 betrug die Prävalenz der akuten Pyelonephritis (N10) 0,16 % (Dicheva 2015). In einer populationsbezogenen Studie zur akuten Pyelonephritis aus den Vereinigten Staaten von Amerika lag die Rate der ambulant bzw. stationär versorgten Pyelonephritis bei 12–13 bzw. 3–4 Fällen pro 10.000 weiblichen Einwohnern pro Jahr (Czaja et al. 2007). Männer sind mit 2–3 bzw. 1–2 Fällen pro 10.000 Einwohnern deutlich seltener von einer oberen Harnwegsinfektion betroffen (Czaja et al. 2007). Am höchsten war die Inzidenz einer akuten Pyelonephritis bei jungen Frauen, gefolgt von Säuglingen und älteren Menschen (Czaja et al. 2007).

Ätiologie und Pathogenese

Pyelonephritiden können sowohl durch Gram-negative als auch Gram-positive Bakterien sowie Pilze verursacht werden (Flores-Mireles et al. 2015). Zu den häufigsten Erregern unkomplizierter wie auch komplizierter Infektionen zählen uropathogene Escherichia coli (UPEC). Bei den Erregern unkomplizierter Harnwegsinfektionen folgen nach UPEC in der Prävalenz Klebsiella pneumoniae, Staphylococcus saprophyticus, Enterococcus faecalis, Streptokokken der Gruppe B (GBS), Proteus mirabilis, Pseudomonas aeruginosa, Staphylococcus aureus und Candida spp. (Kranz et al. 2020; Flores-Mireles et al. 2015).
Die überwiegende Mehrzahl der Infektionen erfolgt kanalikulär aszendierend von der Harnblase ausgehend gefolgt von hämatogen bedingter deszendierender Besiedlung. Eine Harnwegsinfektion entsteht typischerweise durch eine periurethrale Kontamination eines im Darm ansässigen Uropathogens. Durch die nachfolgende Kolonisation der Urethra, Migration zur Harnblase und Expression von Pili und Adhäsinen kommt es infolge von komplexen Wirt-Pathogen-Interaktionen entweder zu einer Elimination oder Kolonisation der Uropathogene. Durch Überwindung der Immunabwehr des Wirts und Vermehrung können die Uropathogene anschließend über die Ureteren zu den Nieren aufsteigen, sich wiederum über Adhäsine oder Pili anheften, um das Nierenepithel zu kolonisieren und dann gewebeschädigende Toxine zu produzieren. Uropathogene sind in der Lage die tubuläre Epithelbarriere zu überwinden, somit in den Blutstrom zu gelangen und eine Bakteriämie auszulösen (Flores-Mireles et al. 2015).
Die bisher am besten charakterisierten Fimbrienadhäsine uropathogener Escherichia coli sind Typ-1-, P- und S/F1C-Fimbrien. P-Fimbrien („pyelonephritis-associated fimbriae“) binden an die Globoserien von Glykosphingolipiden, welche in der Zellmembran vorrangig von Nierenzellen verankert sind (Dobrindt 2010).
Fistelbildungen zum Gastrointestinaltrakt oder eine direkte Durchwanderung einer Infektion aus der Umgebung als Ursache einer Pyelonephritis stellen Raritäten dar.

Klinik

Zusätzlich zu den typischen Symptomen einer unteren Harnwegsinfektion (Zystitis) (z. B. Schmerzen beim Wasserlassen (Algurie), imperativer Harndrang, Pollakisurie, Schmerzen oberhalb der Symphyse) weisen Flankenschmerzen, ein klopfschmerzhaftes Nierenlager und/oder Fieber (>38 °C) auf eine Pyelonephritis hin (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-044l_S3_Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf). Bei Verdacht auf eine Pyelonephritis ist insbesondere auch auf ein allgemeines Krankheitsgefühl und Kreislaufbeschwerden sowie einen Rückgang der Urinproduktion zu achten. Außerdem sollten gastrointestinale Begleitsymptome der Pyelonephritis wie abdominaler Schmerz, Übelkeit, Brechreiz und Durchfall erfasst werden (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-044l_S3_Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf; Vahlensieck 2014). Das alleinige Vorhandensein eines klopfschmerzhaften Nierenlagers bei Frauen mit typischen Beschwerden einer Harnwegsinfektion ist häufig nicht ausreichend und kann zu einer unnötigen antibiotischen Behandlung führen (McIsaac und Hunchak 2011).
Es ist essenziell, zwischen einer unkomplizierten und einer komplizierten, meist obstruktiven Pyelonephritis zu unterscheiden, da letztere mit einer Urosepsis einhergehen kann. Diese Differenzialdiagnose sollte durch ein geeignetes bildgebendes Verfahren ausgeschlossen oder erhärtet werden.
Cave:
Bei verwirrten, immunsupprimierten oder hyposensiblen Patienten (z. B. Diabetiker, Patienten mit Rückenmarkverletzungen) können charakteristische Symptome fehlen; eine akute komplizierte Pyelonephritis kann dann unbehandelt zu einer Urosepsis führen.

Diagnostik

Anamnese und körperliche Untersuchung
Bei der Diagnostik einer Pyelonephritis folgt die Anamnese den allgemeinen Grundsätzen. Bei Verdacht auf eine Pyelonephritis soll zusätzlich eine körperliche Untersuchung, Urinuntersuchung einschließlich Kultur und ggf. weitere Laboruntersuchung (z. B. Blutbild, CRP, Procalcitonin durchgeführt werden (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-044l_S3_Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf). Zum Ausschluss von komplizierenden Faktoren sind weitergehende Untersuchungen (z. B. Sonographie) notwendig (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-044l_S3_Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf).
Es gibt einige Besonderheiten, die beim Auftreten einer Pyelonephritis bei bestimmten Patientengruppen beachtet werden müssen (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-044l_S3_Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf):
➔ Schwangere Frauen:
Die Diagnostik der akuten unkomplizierten Pyelonephritis bei Schwangeren ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen erfolgt analog der bei nicht schwangeren Patientinnen. Allerdings soll bei Verdacht auf Pyelonephritis zusätzlich eine Ultraschalluntersuchung der Nieren und Harnwege erfolgen. Zudem soll nach der Antibiotikatherapie einer Pyelonephritis in der Schwangerschaft die Erregereradikation durch eine Urinkultur verifiziert werden.
➔ Jüngere Männer:
Die Diagnose einer unkomplizierten Harnwegsinfektion (Zystitis oder Pyelonephritis) beim Mann ist nur nach Ausschluss komplizierender Faktoren zulässig. Neben der Anamnese soll bei jüngeren Männern ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen eine körperliche inklusive einer digital rektalen Untersuchung durchgeführt werden.
Urinuntersuchung
Der Goldstandard in der Diagnostik einer Harnwegsinfektion ist bei entsprechender Anamnese und typischen Beschwerden die Urinuntersuchung einschließlich quantitativer Urinkultur und deren Beurteilung (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-044l_S3_Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf).
Das bislang übliche Kriterium zur mikrobiologischen Diagnose einer Harnwegsinfektion beinhaltet den Nachweis einer Erregerzahl von ≥105 KbE/ml von typischen Uropathogenen. Erregerzahlen von 103–104 KbE/ml können bei entsprechenden klinischen Symptomen und Verdacht auf Pyelonephritis bereits klinisch relevant sein, vorausgesetzt, es handelt sich um Reinkulturen (d. h. nur eine Art von Bakterien) typischer Uropathogene. Für Urinkulturen aus suprapubischen Harnblasenpunktaten gilt jede Erregerzahl mit Uropathogenen als klinisch signifikant. Deshalb sollten Urinkulturen aus suprapubischen Harnblasenpunktaten so angelegt werden, dass bereits Erregerzahlen von 102 KbE/ml sicher (mindestens 10 identische Kolonien) abgelesen werden können.
Bei Verdacht auf eine Pyelonephritis sollte immer eine Urinkultur angelegt werden. Urinkulturkontrollen sind bei fehlender Besserung nach 3 Tagen, bei unerwartet schwerem Verlauf und 5–9 Tage (frühestens 3 Tage) nach Behandlungsende bei Beschwerdepersistenz angezeigt (Vahlensieck 2014).
Die quantitative Urinkultur mit Erregeridentifikation und Empfindlichkeitsprüfung ist insbesondere bei komplizierten und rezidivierenden Harnwegsinfektionen eine unentbehrliche Voraussetzung für eine gezielte und letztlich erfolgreiche Therapie (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-044l_S3_Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf).
Laborchemische Analyse
Bei schweren Verlaufsformen der Pyelonephritis können Laborparameter (z. B. Blutbild, CRP, Procalcitonin) zur Überwachung des Krankheitsverlaufs einschließlich der Therapie eingesetzt werden.
Sinnvolle Laborparameter bei schwerer Verlaufsform einer Pyelonephritis:
Obgleich ca. 12 % der hospitalisierten Patienten mit unkomplizierter Pyelonephritis eine positive Blutkultur aufweisen (Finkelstein et al. 1998), ist eine Blutkultur nur notwendig, wenn die Infektion so schwer ist, dass eine Urosepsis droht. Andernfalls hat eine positive Blutkultur bei Patienten ohne Risikofaktoren (unkomplizierte Pyelonephritis) keine prognostische oder therapeutische Bedeutung.
Bildgebende Verfahren
Sonographie
Die sonomorphologischen Veränderungen im Rahmen einer akuten Pyelonephritis sind gering und meist nur im Seitenvergleich erkennbar, weswegen der klinischen und laborchemischen Untersuchung eine größere Rolle beigemessen wird.
Zur Abklärung komplizierender Faktoren gilt die Sonographie der Nieren und Harnwege jedoch als primäre bildgebende Diagnostik und ist unerlässlich (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-044l_S3_Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf). Eine Sonographie sollte bei Verdacht auf funktionelle (z. B. Restharn) oder anatomische Abnormitäten, einem Urin-pH über 7, Männern, (entgleistem) Diabetes, rezidivierenden Harnwegsinfektionen, antibiotischer Vorbehandlung, einliegendem Dauerkatheter, Zustand nach Verletzungen (z. B. Geburtsverletzungen) oder Urolithiasis als primäre bildgebende Diagnostik erfolgen. Bei prämenopausalen Frauen mit rezidivierenden Harnwegsinfektionen sind anatomische oder funktionelle Veränderungen des Harntraktes jedoch selten; sie manifestieren sich in der Regel bereits im Kindesalter (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-044l_S3_Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf). Deshalb sollten weiterführende bildgebende Untersuchungen mit entsprechender Fragestellung gezielt erfolgen, wenn sich aufgrund der sorgfältig durchgeführten Anamnese ein Verdacht auf komplizierende Faktoren ergibt.
Die Aussagekraft kann durch eine begleitende Dopplersonographie und/oder Ultraschallkontrastmittel optimiert werden (insbesondere zur Differenzierung zwischen fokaler Nephritis, Nierenabszess oder entzündlichem Pseudotumor).
Zu den typischen sonomorphologischen Kriterien einer Pyelonephritis zählen (Hofmann et al. 2012):
  • leicht verbreitertes, ödematöses, jedoch homogenes Nierenparenchym
  • aufgelockertes, hypoechogenes Nierenparenchym
  • hyperperfundiertes Nierenparenchym
Sonographie: Mögliche Befunde im Rahmen einer Pyelonephritis
  • Nierenvergrößerung (20 % bei Pyelonephritis und auch bei Sonderformen der Pyelonephritis)
  • Nierenparenchym und Nierenbecken echoärmer oder echofrei (Abszess)
  • Erhöhte Wandstärke des Nierenbeckens (bei akuter Pyelonephritis Cut-off-Wert: 2,0 mm)
  • Dilatation des Hohlraumsystems durch Endotoxine oder renale Obstruktionen
  • Deformiertes Nierenbeckenkelchsystem und nekrotische Papillen mit/ohne Verkalkungen
  • Aufhebung der Atemverschieblichkeit der Nieren (Abszesse, Verwachsungen)
  • Mit Lagewechsel veränderlicher Flüssigkeitsspiegel bei Abszessdebris und Flüssigkeit
  • Starke fokale Echos und Schallschatten bei Luft-/Gaseinschlüssen (Abszess, emphysematöse Pyelonephritis)
  • Keilförmige, echoarme, nicht scharf begrenzte Areale am kortikomedullären Übergang (fokale Nephritis)
  • Schrumpfnieren
  • Narben
  • Solide, echoreiche Strukturen ohne Schallschatten (Abszesse, xanthogranulomatöse Pyelonephritis, Pilzbälle)
  • Tumorverdacht (fälschlich bei xanthogranulomatöser Pyelonephritis oder Malakoplakie, vor allem bei segmentalem Befall)
Zudem eignet sich die Sonographie zur Verlaufskontrolle bei unklaren Befunden oder im Rahmen einer eingeleiteten Therapie (Hofmann et al. 2012) sowie zur Führungskontrolle bei Biopsien oder einer Abszessdrainage.
Uroflowmetrie
Eine Uroflowmetrie kann eine relevante Obstruktion als (Mit-)Ursache von insbesondere rezidivierenden Pyelonephritiden ausschließen oder nachweisen.
Konventionelle Röntgenuntersuchung
Die Bedeutung der Ausscheidungsurographie, Nierenleeraufnahme, retrograden Ureteropyelographie und Miktionsurethrozystographie zum Ausschluss relevanter Differenzialdiagnosen oder dem Nachweis von Infektionsursachen ist derzeit deutlich zurückgegangen (Vahlensieck 2014).
Computertomographie (CT) /Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT)
Bei unklarem Befund und/oder fehlendem Therapieerfolg zum Ausschluss einer (multi-)fokalen Nephritis („acute lobar nephronia“; unkompliziert: keilförmige homogene Kontrastmittelabschwächung, kompliziert: heterogene Kontrastmittelabschwächung), eines Abszesses (keine Kontrastmittelaufnahme) oder anderer lokal komplizierter Formen der renalen Infektion ist eine CT indiziert.
Die CT sollte immer als Mehrphasen-CT (native Spiral-CT zum Konkrementausschluss, Kontrastmittelserie zum Ausschluss von Abszess, Obstruktion oder fokaler Nephritis; ggf. Spätserie bei Verdacht auf ein Abflusshindernis) durchgeführt werden.
Die MRT ist bei der Beurteilung einer extrarenalen Ausbreitung von Entzündungen gegenüber der CT von Vorteil, bei anderen Fragestellungen bei fehlender Strahlenbelastung meist gleichwertig (Vahlensieck 2014).
Nierenszintigraphie
Zum Nachweis bzw. Ausschluss von Nierenparenchymdefekten bei akuter oder chronischer Pyelonephritis kann eine DMSA („dimercaptosuccinic acid“)-Nierenszintigraphie sinnvoll sein. Bei <10–15 % Partialfunktion und nicht konservativ beherrschbarer Klinik ist die betroffene Niere nicht mehr erhaltungswürdig. Die Beurteilung einer eventuellen Narbenbildung ist möglich ebenso die Differenzierung einer funktionellen oder organisch fixierten Obstruktion (Halbwertszeit der Aktivitätsabnahme nach Furosemid-Belastung (Vahlensieck 2014).
Entzündungsszintigraphie
Eine mit Indium-111-Oxin-markierten Leukozyten durchgeführte Entzündungsszintigraphie oder eine 18-Fluorodeoxyglucose-PET-CT kann bei unklarem bzw. negativem CT-/MRT-Befund und persistierendem Abszessverdacht sinnvoll sein (Vahlensieck 2014).

Differenzialdiagnosen

Bei nicht eindeutiger Klinik, untypischen Beschwerden oder nicht wegweisender Urinuntersuchung einschließlich negativer Urinkultur sollen frühzeitig andere Diagnosen in Erwägung gezogen werden. Differenzialdiagnostische Überlegungen sind vor allen bei häufigen Rezidiven oder einer Symptompersistenz trotz negativer Urinkultur oder kalkulierter antibiotischer Therapie anzustellen (Vahlensieck 2014). Folgende Differentialdiagnosen der Pyelonephritis kommen in Betracht:
Differenzialdiagnosen der Pyelonephritis
  • Renale Ursachen
  • Intraabdominale oder extrarenale retroperitoneale Erkrankungen

Therapie

Bei der antibiotischen Therapie der Pyelonephritis sollen die Aspekte des Antibiotic Stewardship (ABS) berücksichtigt werden. Hierunter versteht man den rationalen und verantwortungsvollen Einsatz von antimikrobiellen Substanzen: Dieser umfasst neben der Auswahl der geeigneten Substanz, deren Dosierung, Applikationsform sowie die Anpassung der Therapiedauer. Ziel ist es, den Patienten bestmöglich zu behandeln und die global zunehmende Entwicklung von Resistenzen zu minimieren (S3-Leitlinie Strategien zur Sicherung rationaler Antibiotika-Anwendung im Krankenhaus AWMF-Registernummer 092/001 2021).
Es besteht Übereinkunft, dass bei der akuten unkomplizierten Pyelonephritis in jedem Fall eine wirksame Antibiotikatherapie so früh wie möglich zum Einsatz kommen soll, da im Allgemeinen davon ausgegangen wird, dass mögliche, wenn auch nicht häufige Nierenschädigungen durch die Zeitdauer, die Schwere und die Häufigkeit solcher Infektionen begünstigt werden (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-044l_S3_Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf). Falls möglich sollte eine Antibiotikatherapie oral verabreicht werden. Dies ist nur dann nicht möglich, wenn z. B. bei einer akuten Pyelonephritis schwere Allgemeinsymptome, wie Übelkeit und Erbrechen vorliegen, die im Moment eine orale Therapie unmöglich machen bzw. keine orale Therapie zur Verfügung steht, die das zu erwartende Erregerspektrum ausreichend erfasst. In diesen Fällen soll aber nach anfänglicher parenteraler Therapie, wenn möglich auf eine orale Therapie umgesetzt werden, sobald dies der klinische Zustand ermöglicht, was in der Regel nach etwa drei Tagen der Fall ist, bzw. sobald das mikrobiologische Ergebnis der Urinkultur vorliegt und der Erreger auf ein geeignetes orales Antibiotikum empfindlich ist (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-044l_S3_Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf).
Wie in der deutschen (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-044l_S3_Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf) und europäischen (EAU guidelines on Urological Infections 2021) Leitlinie empfohlen, sollte auch der Schweregrad der Pyelonephritis für die Therapieauswahl berücksichtigt werden. Es sollte daher zwischen einer ambulanten Therapie bei milden bis mittel-schweren Formen der Pyelonephritis und einer stationären, intravenösen antimikrobiellen Therapie bei schwerer Pyelonephritis mit systemischen Begleiterscheinungen wie Übelkeit, Erbrechen und Kreislaufinstabilität unterschieden werden (s. Tab. 2, s. Abb. 2).
Tab. 2
Empfohlene empirische Antibiotikatherapie der unkomplizierten Pyelonephritis bei Frauen in der Prämenopause (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-044l_S3_Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf)
Substanz
Tagesdosierung
Dauer
(Tage)
Eradikationsrate bei sensiblen Erregern
Empfindlichkeit
Kollateralschäden
Sicherheit/geringe Nebenwirkungen (UAW)
Orale Therapie bei leichten bis moderaten Verlaufsformen
Ciprofloxacin1
500–750 mg 2 × tgl.
7–10
+++
++
+
++
Levofloxacin
750 mg 1 × tgl.
5
+++
++
+
++
Cefpodoxim-Proxetil
200 mg 2 × tgl.
10
+++
++
+
+++
Cefibuten7
400 mg 1 × tgl.
10
+++
++
+
+++
Initiale parenterale Therapie bei schweren Verlaufsformen
Nach Besserung kann bei Erregerempfindlichkeit eine orale Sequenztherapie mit einem der oben genannten oralen Therapieregime eingeleitet werden. Die Gesamttherapiedauer beträgt 1–2 Woche, daher wird für die parenteralen Antibiotika keine Therapiedauer angegeben.
Mittel der 1. Wahl
Ciprofloxacin
400 mg (Bjerklund Johansen et al. 2010)-3 × tgl.
 
+++
++
+
++
Levofloxacin
750 mg 1 × tgl.
 
+++
++
+
++
Ceftriaxon1,4
(1)-2 g 1 × tgl.
 
+++
++
+
+++
Cefotaxim2
2 g 3 × tgl.
 
+++
++
+
+++
Mittel der 2. Wahl
Amoxicillin/Clavulansäure2,3
2,2 g 3 × tgl.
 
++
+
+++
+++
15 mg/kg 1 × tgl.
 
++
++
++
+(+)
5 mg/kg 1 × tgl.
 
++
++
++
+(+)
Cefepim1,4
(1)-2 g 2 × tgl.
 
+++
++
+
+++
Ceftazidim2
(1)-2 g 3 × tgl.
 
+++
++
+
+++
Ceftazidim/Avibactam
2,5 g 3 × tgl.
 
+++
+++
++
+++
Ceftolozan/Tazobactam
1,5 g 3 × tgl.
 
+++
+++
++
+++
Piperacillin/Tazobactam1,4
4,5  3 × tgl.
 
+++
+++
++
+++
Ertapenem4,5
1 g 1 × tgl.
 
+++
+++
++
+++
Imipenem/Cilastatin4,5,1
1 g/1 g 3 × tgl.
 
+++
+++
++
+++
Meropenem4,5,6
1 g 3 × tgl.
 
+++
+++
++
+++
1Niedrige Dosierung untersucht, hohe Dosierung von Experten empfohlen.
2Nicht bei akuter unkomplizierter Pyelonephritis als Monosubstanz untersucht.
3Hauptsächlich für Gram-positive Erreger.
4Gleiches Protokoll für akute unkomplizierte Pyelonephritis und komplizierte Harnwegsinfektionen (Stratifikation nicht immer möglich).
5Nur bei ESBL-Resistenzen >10 %.
6Nur hohe Dosierung untersucht.
7In Deutschland nicht mehr im Handel.
Zeichenerklärung
Eradikation
Empfindlichkeit
Kollateralschaden
Sicherheit/Geringe Nebenwirkungen (UAW)
+++
>90 %
>90 %
Wenig Selektion multiresistenter Erreger, wenig Resistenzentwicklung gegenüber der eigenen Antibiotikaklasse
Hohe Sicherheit, geringe UAW
++
80–90 %
80–90 %
Wenige Selektion multiresistenter Erreger, Resistenzentwicklung gegenüber der eigenen Antibiotikaklasse
Schwere UAW möglich
+
<80 %
<80 %
Selektion multiresistenter Erreger, Resistenzentwicklung gegenüber der eigenen Antibiotikaklasse
n. a.
Allgemein sind bei der Auswahl eines Antibiotikums zur Therapie einer Harnwegsinfektion folgende Kriterien zu berücksichtigen (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-044l_S3_Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf):
  • individuelles Risiko des Patienten
  • Erregerspektrum und Antibiotikaempfindlichkeit
  • Effektivität der antimikrobiellen Substanz
  • Auswirkungen auf die individuelle Resistenzsituation beim Patienten (Kollateralschaden) und/oder die Allgemeinheit (epidemiologische Auswirkungen)
  • Beachtung der Grundprinzipien des Antibiotic Stewardship (ABS) (S3-Leitlinie Strategien zur Sicherung rationaler Antibiotika-Anwendung im Krankenhaus AWMF-Registernummer 092/001 2021)
Cave: Regelmäßige epidemiologische Untersuchungen zur Erregerempfindlichkeit sollten orts- und zeitnah durchgeführt werden, da die Erregerempfindlichkeit sowohl regional variieren als sich auch über die Zeit ändern kann.
Da die Erregerempfindlichkeit/-resistenz sowohl von Escherichia coli als auch dem gesamten Spektrum bei Pyelonephritis gegen Cotrimoxazol - und damit auch gegen Trimethoprim – in Deutschland bereits hoch ist, sollte Cotrimoxazol nicht mehr zur empirischen Therapie der Pyelonephritis eingesetzt werden. Cotrimoxazol kann aber als orale Sequenztherapie nach initialer parenteraler Therapie in Erwägung gezogen werden, wenn die Erreger als Cotrimoxazol-empfindlich getestet wurden. Trimethoprim wurde in diesem Zusammenhang nicht untersucht (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-044l_S3_Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf).
Zur oralen oder initialen parenteralen empirischen Therapie der akuten unkomplizierten Pyelonephritis können in Deutschland noch die Fluorchinolone empfohlen werden, wobei eine sorgfältige Beobachtung der Resistenzentwicklung dafür die Voraussetzung sein muss. Nicht zuletzt auch aus diesem Grund (Verhinderung einer Resistenzentwicklung) werden – abweichend von den zugelassenen Dosierungen – hierfür nur solche Fluorchinolone empfohlen, die ausreichend hoch dosiert werden können, nämlich Ciprofloxacin 500 mg bis 750 mg 2 × täglich und Levofloxacin 500 mg bis 750 mg einmal täglich.
Nach erfolgreicher Therapie mit typischem Verlauf ohne Verdacht auf komplizierende Faktoren sind eine klinische Untersuchung und ein Urinstatus ausreichend, wobei der prädiktive Wert des Urinstatus in dieser Situation bislang nicht ausreichend untersucht ist (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-044l_S3_Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf). In den Fällen, bei denen nach 3 Tagen keine deutliche klinische Besserung auftritt, sollte die Urinkultur wiederholt und nach komplizierenden Faktoren gesucht werden. Falls keine komplizierenden Faktoren vorliegen, handelt es sich möglicherweise um einen resistenten Erreger. Das Antibiotikum sollte gewechselt werden, wenn das Ergebnis der Urinkultur vorliegt und entsprechend testgerecht weiter behandelt werden kann. Eine Wiedervorstellung innerhalb von 24 bis 48 Stunden sollte sichergestellt sein.
Neben der antimikrobiellen Therapie haben, insbesondere bei schweren Verlaufsformen der Pyelonephritis, entsprechende Begleitmaßnahmen einen wichtigen Stellenwert: Analgesie, ausreichende Flüssigkeitszufuhr und stuhlregulierende Maßnahmen.

Akute, komplizierte Pyelonephritis

Akute komplizierte obere Harnwegsinfektionen sind von unkomplizierten Formen zu differenzieren; das Risiko für die Entstehung einer Urosepsis ist erhöht. Tab. 1 gibt eine Übersicht zu den möglichen komplizierenden Faktoren. Mögliche Ursachen einer zugrunde liegenden Obstruktion umfassen u. a.: Nephrolithiasis (65 %) (s. Abb. 3), Tumore (21 %), Schwangerschaft (5 %), Fehlbildungen (4 %) sowie Funktionsstörungen des unteren Harntrakts (2 %).
Das Spektrum verursachender Uropathogene ist breiter als bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen und es bestehen häufig bereits antimikrobielle Resistenzen.
Bei komplizierten Harnwegsinfektionen zählen – in der Reihenfolge ihrer Prävalenz – zu den häufigsten Erregern: Escherichia coli, Enterococcus spp., Klebsiella pneumoniae, Candida spp., Staphylococcus aureus, Proteus mirabilis, Pseudomonas aeruginosa und Streptokokken der Gruppe B (GBS) (Kranz et al. 2020; Flores-Mireles et al. 2015). Besteht der Verdacht auf eine komplizierte Pyelonephritis, ist es wichtig, dass möglichst rasch durch entsprechende bildgebende Verfahren, z. B. Sonographie oder CT/MRT, abgeklärt wird, ob anatomische bzw. funktionelle Anomalien vorliegen, die eine rasche und gezielte urologische Behandlung erforderlich machen. Zu den kausalen Therapiemaßnahmen einer komplizierten Pyelonephritis zählen:
  • Desobstruktion mit sekundärer Beseitigung des Abflusshindernisses
  • Drainage und/oder Herdsanierung bei Abszessen/nekrotischem Material,
  • Einliegende Katheter und Harnleiterschienen: Wechsel oder Entfernung unter antibiotischer Therapie (Vahlensieck 2014).
Begleitend sollten Risikofaktoren optimiert werden: Alkoholismusentzug, Diabetestherapie optimieren, Anpassen einer immunsuppressiven medikamentösen Therapie falls möglich und Senkung eines erhöhten Harnsäurewerts.
Die optimale antimikrobielle Therapie der komplizierten Pyelonephritis hängt u. a. von der Schwere der Erkrankung, der lokalen Resistenzsituation sowie Wirt-spezifischen Faktoren (wie beispielsweise Allergien) ab. Grundsätzlich kann eine parenterale Therapie mit Amoxicillin plus Aminoglykosid, Cephalosporinen der zweiten Generation plus Aminoglykosid oder Cephalosporinen der dritten Generation initiiert werden. Eine testgerechte Umstellung/Deeskalation nach Erhalt des Antibiogramms sollte im Sinne des Antibiotic Stewardship erfolgen (S3-Leitlinie Strategien zur Sicherung rationaler Antibiotika-Anwendung im Krankenhaus AWMF-Registernummer 092/001 2021).

Chronische Pyelonephritis (CP)

Eine exakte Definition der chronischen Pyelonephritis existiert nicht. Es handelt sich meist um eine schubweise verlaufende entzündliche Nierenparenchymdestruktion, die mit einer verringerten Parenchymdicke und Schrumpfnierenbildung oder mit kortikalen Narben über deformierten, verplumpten Nierenkelchen als Infektfolge einhergeht. Eine Unterscheidung von kongenital dysplastischen Nieren ist dabei oft nicht möglich. Asymptomatische Verläufe ohne feststellbare bakterielle Infektion sind häufig, in diesem Zusammenhang wird von einer abakteriellen Pyelonephritis gesprochen.
Bei einmaligem Auftreten einer akuten unkomplizierten Pyelonephritis stellt der Übergang zu einer chronischen Pyelonephritis eine Rarität dar. Zu den Risikofaktoren, die mit der Entstehung einer chronischen Pyelonephritis assoziiert sein können, zählen u. a.: rezidivierende akute Pyelonephritiden, vesikoureteraler Reflux (Refluxnephropathie), dauerhaft bestehende Harnabflussstörungen, neurogene Blasenfunktionsstörungen, angeborene Nierenfehlbildungen, dauerhafte Fremdmaterialien wie DJ-Schienen oder Katheter oder ein geschwächtes Immunsystem, z. B. bei Diabetikern.

Klinik

Klinisch verläuft die chronische Pyelonephritis in Abwesenheit einer akuten Infektion meist asymptomatisch. Sie kann zudem mit einer uncharakteristischen Symptomatik einhergehen: u. a. Abgeschlagenheit, rasche Ermüdbarkeit, dumpfer Flankenschmerz, arterielle Hypertonie sowie Übelkeit und Erbrechen.
Auf Zeichen einer Niereninsuffizienz (Polydipsie, Ödeme etc.) und eines sekundären Hypertonus (Sehstörungen, Kopfschmerzen, Müdigkeit) ist zu achten. Diese können als Folge einer bilateral ausgeprägten Narbenbildung mit einhergehender Fibrose auftreten.

Diagnostik

Labor
    • Leukozyturie, Nitrit positiv, Proteinurie und selten Leukozytenzylinder,
    • geringes spezifisches Gewicht (1008–1012; Isosthenurie = Harnstarre, fehlende Kompensation der Harnkonzentration auch bei Durst bzw. Flüssigkeitsüberladung durch Niereninsuffizienz).
  • Blut:
    • Elektrolyte: vermehrter Verlust an Wasser und Natrium,
    • Erhöhung der Retentionswerte,
    • Verringerung der Nierenclearance (insbesondere bei bilateralem Befall).
Sonographie
Sonographisch kann meist eine hypoplastische Niere mit deutlich reduziertem Parenchymsaum und narbigen Einziehungen über den verplumpten Nierenkelchen dargestellt werden. Im Falle eines vesikoureteralen Refluxes kann zudem ein deutlich ampulläres Nierenbecken nachgewiesen werden.
Bildgebende Verfahren
Im Rahmen einer (Nativ-)CT oder MRT gelingt es meist, die Ursachen einer chronischen Pyelonephritis zu identifizieren (Nephrolithiasis, Harnabflussstörungen etc.). Das Ausscheidungsurogramm wird heutzutage nur noch selten bei dieser Indikation eingesetzt.
Miktionszysturethrogramm
Ein MCU wird zum Nachweis eines vesikoureteralen Refluxes als Ursache fokaler Nierennarben und rezidivierender Harnwegsinfektionen durchgeführt.
Nierenfunktionsszintigraphie ( 99m Tc-MAG-III-Clearance)
Sie wird zur Dokumentation der Restfunktion der betroffenen Niere(n) (Isotopen-Clearance) eingesetzt.

Therapie

  • Bei Zufallsbefund und einseitigem Befall ist meist keine Therapie notwendig,
  • Nephrektomie: Bei einer Nierenfunktion von ≤10–15 % in der Isotopen-Clearance und bei rezidivierenden Infektionen oder einseitiger Schrumpfniere mit renalem Hypertonus.
  • Therapie der Niereninsuffizienz bzw. der Risikofaktoren (Hypertonus, Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörung, Adipositas, Hyperurikämie).
  • Bei Keimnachweis sollte eine testgerechte antimikrobielle Behandlung erfolgen.

Sonderformen der Pyelonephritis

Xanthogranulomatöse Pyelonephritis

Definition und Pathogenese
Die xanthogranulomatöse Pyelonephritis, erstmals 1916 durch Schlaghaufer beschrieben, stellt eine seltene, chronische bakterielle, destruierende Entzündung der Nieren dar, deren Pathogenese bis zum heutigen Tag nicht eindeutig geklärt ist. Überwiegend tritt sie einseitig auf (1 % bilateral) und führt zu einer meist diffusen Entzündungsreaktion an der betroffenen Niere. Hierbei wird das Nierenparenchym zerstört und durch gelblich imponierende (xanthomatöse) Granulome ersetzt. Nach Malek wird diese Sonderform der Pyelonephritis in drei verschiedene Stadien unterteilt (Malek und Elder 1978):
  • Stadium I: Auf die Niere beschränkt (nephritisch), 20–64 % der Fälle
  • Stadium II: Beteiligung des perirenalen Fettgewebes (perinephritisch), 14–70 % der Fälle
  • Stadium III: Ausgeprägte pararenale Beteiligung mit Vorliegen einer Infiltration des Retroperitoneums (paranephritisch), 10–36 % der Fälle
Epidemiologie
Mit einer Inzidenz von 1,4/100.000 Einwohnern pro Jahr handelt es sich bei der xanthogranulomatösen Pyelonephritis um ein seltenes Krankheitsbild (Parsons et al. 1983). Sie wird bei 0,6–8 % aller wegen entzündlicher Veränderungen durchgeführten Gewebeproben detektiert (Vahlensieck et al. 1988). Das Durchschnittsalter liegt zwischen dem 4. und 6. Lebensjahrzehnt, wobei Frauen mit 70–90 % deutlich häufiger betroffen sind (Brown et al. 1996). Kinder sind in ca. 10 % der Fälle betroffen.
Histologie
Histologisch zeigen sich zelluläre Infiltrate aus lipidreichen Makrophagen (Xanthomzellen/Schaumzellen), Granulozyten, Lymphozyten sowie Plasmazellen. Aufgrund des Fettgehaltes kann eine Differenzierung zum hypernephroiden klarzelligen Nierenzellkarzinom anspruchsvoll sein (Grainger et al. 1982). Zudem sind häufig Einblutungen mit Hämosiderinablagerungen nachweisbar. Es kann ein diffuser, fokaler oder segmentaler Befall vorliegen.
Klinik
In der Anamnese lassen sich in fast 80 % chronisch rezidivierende Harnwegsinfekte finden. Betroffene klagen über Flankenschmerzen (60–97 %), Fieber und Schüttelfrost (58–86 %), Gewichtsabnahme (24–64 %), Symptome einer Harnwegsinfektion (30–73 %), Appetitlosigkeit und Übelkeit (22–67 %) sowie eine Fistelbildung zu Haut, Darm, Bronchien, Pankreas, Milz und den großen Gefäßen (12 %). Selten sind symptomlose Fälle bis auf einen reduzierten Allgemeinzustand. Auch können Transplantatnieren betroffen sein. Klinische Befunde sind ein palpabler Flankentumor (29–68 %), Harnsteine (35–100 %, in bis zu 34 % Ausgusssteine) und Diabetes mellitus (Eastham et al. 1994).
Diagnostik
Labor
Urin:
  • Makrohämaturie (10–33 %),
  • Mikrohämaturie (50 %),
  • Leukozyturie (57–100 %)
  • Proteinurie (60–80 %),
  • Nitriturie
  • positive Urinkultur (65–69 %; meist Proteus spp. oder E. coli, 6 % Candida spp.);
Blut:
  • Senkungsbeschleunigung (74 %),
  • Anämie (57–63 %),
  • Leukozytose (41–57 %),
  • pathologische Leberwerte (25–50 %), postoperativ meist reversibel. Der Zusammenhang konnte bislang nicht abschließend geklärt werden.
  • Erhöhung der Retentionswerte (selten, da meist einseitiger Befall);
Sonstiges:
positive Biopsien (Histologie und Bakteriologie),
intraoperative Wundabstriche oder Abszesseiterkulturen (80–96 % positiv).
Sonographie
Sonographisch ist die betroffene Niere oftmals vergrößert, das Nierenbeckenhohlsystem ektatisch und steintragend (bis zu 83 %, davon etwa 50 % Ausgusssteine). Das Echomuster der xanthogranulomatösen Herde gleicht dem normalen Nierenparenchym, zentral liegt häufig ein großer echoarmer Bezirk vor.
Ein Tumorverdacht besteht sonographisch in 67 % der Fälle, vor allem bei fokalem oder segmentalem Befall. Die xanthogranulomatöse Pyelonephritis kann aber auch mit einer unauffälligen Sonographie (17 %) einhergehen.
CT
Häufig zeigen sich eine große Nierenraumforderung, welche der originären Nierenkontur entspricht (38 %) sowie Verkalkungen und/oder Konkremente (63 %) (s. Abb. 4). Das Nierengewebe ist durch multiple wasserdichte Raumforderungen ersetzt, die den dilatierten Kelchen und Abszesshöhlen entsprechen. Bei Kontrastmittelaufnahmen zeigen die Wände dieser wasserdichten Raumforderungen eine starke Kontrastverstärkung, während der Inhalt im Unterschied zu Tumoren oder anderen Nierenentzündungen keine oder nur eine verzögerte Veränderung erfährt. Im Falle einer extrarenalen Ausdehnung ist diese in der CT gut nachweisbar. Bei 10 % sind Lufteinschlüsse ohne klinische Zeichen einer emphysematösen Pyelonephritis zu sehen.
MRT
Die im Nierenparenchym um das Nierenbecken liegenden Xanthomherde stellen sich in der T1-Wichtung mit nativ peripher und zentral hypointensem und inhomogenem Signal als Hinweis für die Nekrose dar. In der T2-Wichtung zeigt sich entsprechend zentral ein inhomogen angehobenes Signal mit peripher eher hypointensem Signal (Hallscheidt et al. 2002). Zur Beurteilung der renalen Herde ist die MRT gleichwertig mit der CT, weist aber bei der Abgrenzung der extrarenalen Ausbreitung Vorteile auf.
Therapie
Operative Verfahren
  • Nephrektomie bei diffusem Befall und/oder Tumorverdacht (92,7 %), in ausgesuchten Fällen bei sehr erfahrenen Operateuren auch laparoskopisch bzw. robotisch-assistiert mit erhöhter Konversionsrate gegenüber einfacher Nephrektomie bei nicht entzündlichen Ursachen (s. Abb. 5).
  • Organerhaltende Operationen bei präoperativ durch bildgebende Verfahren erkannter segmentaler xanthogranulomatöser Pyelonephritis (7,0 %), in <10 % der Fälle umsetzbar.
  • Perioperative antibiotische Behandlung (Aminopenicillin/β-Laktamase-Inhibitor oder Cephalosporin der Gruppe 2 und 3a ± Aminoglykosid oder Fluorchinolon mit hoher renaler Ausscheidung).
Konservative Verfahren
Bei inoperablen Patienten oder Ablehnen einer Operation, insbesondere bei fehlendem Fieber oder bilateralem Befall, in 0,3 % der Fälle.
In der Regel protrahierte antibiotische Therapie 3–10 Wochen, dabei Auftreten von chronischen Verläufen mit rezidivierenden Fieberschüben und Fistelbildungen möglich (Vahlensieck 2014).

Emphysematöse Pyelonephritis

Die emphysematöse Pyelonephritis gehört zu den potenziell lebensbedrohlichen Komplikationen bei Diabetes mellitus und anderen immunsupprimierenden Erkrankungen (Shokeir et al. 1997). Bei der emphysematösen Pyelonephritis tritt eine Gasbildung im Hohlraumsystem und/oder Nierengewebe sowie gelegentlich eine Pneumaturie auf. In der Weltliteratur wurden etwa 800 Fälle mit einer hohen Mortalitätsrate von ca. 7–43 % beschrieben, weswegen einer frühzeitigen und exakten Diagnosestellung mittels bildgebender Verfahren zur Einleitung einer effektiven Therapie ein besonders hoher Stellenwert beigemessen werden sollte. Als häufigste ursächliche Erreger wurden E. coli und Klebsiella beschrieben, die Glucose zu CO2 verstoffwechseln und so zur Gasbildung im Harntrakt führen. Charakteristischerweise tritt innerhalb der ersten drei Tage der Therapie keine Besserung ein. Die antimikrobielle Behandlung erfolgt wie bei einer komplizierten Pyelonephritis. Wichtig ist die supportive Therapie der Schwerkranken (Flüssigkeitszufuhr, Elektrolytausgleich, Schmerztherapie, Kreislaufstabilisierung) sowie eine optimale Diabeteseinstellung und die Beseitigung einer Obstruktion. Bei bilateralem Befall (in 10 %) muss die Funktion beider Nieren überprüft und ggf. gesichert werden. Bei mangelndem klinischem Ansprechen (persistierende Gasansammlung im Parenchym, fehlende Besserung der Harnausscheidung nach 48 Stunden trotz suffizienter Drainage) auf die konservative Therapie sollte eine Nephrektomie (bei bis zu 93 % in den Fallserien) erfolgen (Vahlensieck 2014).

Mögliche Komplikationen der Pyelonephritis

Abszedierung

Bei einem Nierenabszess (kortikomedullärer Prozess) oder Nierenkarbunkel (kortikaler Prozess, Erstbeschreibung 1891) handelt es sich um eine Ansammlung von Pus innerhalb des Nierengewebes. Als Ursache kommen vor allem Gram-negative Mikroorganismen (67 %, E. coli, Klebsiella, Proteus spp.) in Frage. Gram-positive Staphylokokken (33 %) (v. a. Staph. aureus) führten über eine hämatogene Ausbreitung vor allem in der präantibiotischen Ära zur Ausbildung von Nierenabszessen. Heutzutage finden sich diese oftmals bei Drogenkonsumenten oder immunsupprimierten Patienten (Dialysepatienten, intensivmedizinisch versorgte Patienten). Das Durchschnittsalter bei Auftreten beträgt 53 Jahre, das Verhältnis Frauen zu Männern 5:1. Nierenabszesse können in allen Altersgruppen klinisch manifest werden, doch nimmt die Inzidenz mit dem Alter zu (Comploj et al. 2013). Sie entstehen vorzugsweise aszendierend als Folge einer Pyelonephritis, bei vorbestehender Obstruktion eines Tubulus, Nierensteinen oder vesikorenalem Reflux, in Einzelfällen auch nach Radiofrequenzablation eines Nierentumors, selten bilateral. Die Mortalität liegt bei ca. 8 %.
Die Entstehung eines Nierenabszesses wird durch komplizierende Faktoren begünstigt:
  • bei Diabetes mellitus (44 %) (3,8-faches Risiko gegenüber Gesunden),
  • bei Harnstau (25 %),
  • bei Urolithiasis (26 %),
  • nach urologischer Voroperation (25 %),
  • bei rezidivierenden Harnwegsinfektionen (23 %),
  • bei Immunsuppression (12 %),
  • bei neurogener Harnblasenfunktionsstörung,
  • in der Schwangerschaft,
  • bei Nierentraumata und Missbildungen (Zystennieren).

Klinik

Die Diagnosestellung ist häufig durch unspezifische Symptome erschwert. Klinisch können folgende Symptome imponieren:
  • Fieber, Schüttelfrost;
  • Flankenschmerz;
  • Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust;
  • Allgemeines Krankheitsgefühl, Übelkeit, Brechreiz
  • gelegentlich palpabler Flankentumor und -rötung;
  • sekundäre Endophthalmitis (verschwommenes Sehen) oder andere Zeichen einer Sepsis
Typische Zeichen einer akuten Harnwegsinfektion können bei Vorliegen einer Abszedierung aber auch gänzlich fehlen. Eine verzögerte Diagnosestellung kann sich im höheren Alter, bei fehlendem Flankenklopfschmerz oder Niereninsuffizienz ergeben. Eine Prognoseverschlechterung ist im Alter >65 Jahre, bei Thrombozytopenie und fehlender Drainage zu erwarten.
Cave:
Unspezifische Symptome können zu einer verzögerten Diagnosestellung und Einleitung der Therapie führen.

Diagnostik

Anamnese
Bei hämatogener Streuung Gram-positiver Erreger ist insbesondere nach Hautkarbunkeln, intravenösem Drogenmissbrauch sowie Entzündungsherden in Mund, Lunge und Harnblase 1–8 Wochen vor der Entdeckung des Abszesses zu fragen.
Labor
  • Blutbild, Gerinnung, CRP, Procalcitonin, Retentionswerte, Elektrolyte;
  • Cave: Sepsisparameter:
    Leukozytose,
    Quick-Abfall,
    Thrombozytenabfall,
    CRP-Erhöhung,
    Erhöhung der Retentionsparameter,
    Elektrolytentgleisung;
    Blutkulturen (in ca. 20 % Erregernachweis)
Urin:
  • Pyurie und Bakteriurie nur bei Verbindung des Abszesses zum ableitenden Harntrakt (fehlt bei 25–30 %, vor allem bei hämatogen bedingten Abszedierungen
  • Cave: Anaerobier (12 %, nicht in Routinebakteriologie) und Pilze (1 %, ggf. nicht in Routinebakteriologie).
Sonographie
Ein uneinheitliches Bild ist typisch für den Nierenabszess, es kann sich um eine solide oder zystische Struktur handeln, die hypo- oder hyperechogen zur Darstellung kommt (s. Abb. 6).
Die Niere kann vergrößert, die Kontur schwer abgrenzbar und verwaschen sein. Bei größeren Abszedierungen kann ein Sedimentationsphänomen (schwebende Strukturen) auftreten. Bei Lufteinschlüssen kann ein starkes Echo mit Schallschatten nachgewiesen werden. Meist besteht eine perifokale Hyperperfusion. Die Atemverschieblichkeit der Niere ist oftmals aufgehoben. Eine Begleitobstruktion oder kausale Faktoren wie Nierensteine lassen sich häufig darstellen.
Die Differenzialdiagnose zwischen Tumor und Abszess ist trotz Dopplersonographie (fehlende Durchblutung bei Abszess) nicht immer möglich. Mithilfe der Sonographie kann im Bedarfsfall zudem die Steuerung einer interventionellen Punktion erfolgen.
CT/MRT
Die CT und MRT gelten als sensitivste bildgebende Verfahren zur Bestimmung der Abszessausdehnung (s. Abb. 7 und 8). Initial zeigen sich bildmorphologisch eine Nierenvergrößerung und fokale Herde mit fehlender Kontrastmittelaufnahme, bei länger bestehenden Nierenabszessen zusätzlich ein fibrotischer Wall um den Abszess sowie Flüssigkeitsspiegel und Septierungen.
Bei chronischen Verläufen sind zusätzlich eine Verdickung der Gerota-Faszie, eine Streifenstruktur des perinephritischen Fettgewebes und eine entzündliche Ringstruktur mit gesteigerter Kontrastmittelaufnahme um den Abszess (durch vermehrt einsprossende Blutgefäße) charakteristisch.
Differenzialdiagnosen umfassen: Infizierte Zysten, Abszess in zystischem Tumor und Tuberkulose.
Im MRT ist typischerweise eine intensitätsabgeschwächte, inhomogene Raumforderung bei T1-Wichtung und eine gesteigerte Signalintensität bei T2-Wichtung zu sehen. Eine Abszessruptur ist besser mit der MRT als mit der CT darstellbar.
Szintigraphie mit 111 Indium-markierten Leukozyten
In Einzelfällen bei klinisch persistierendem Verdacht auf Nierenabszess ohne Darstellung in der CT/MRT sinnvoll.

Therapie

Der Beseitigung einer zugrunde liegenden Obstruktion kommt ein großer Stellenwert zuteil. Die Therapie sollte in Abhängigkeit der Größenausdehnung und des Allgemeinzustandes des betroffenen Patienten erfolgen (s. Abb. 9):
  • Abszesse <3 cm Größe: Zunächst abwartendes Verhalten unter parenteraler antibiotischer Therapie
  • Abszesse von 3–5 cm Größe bei Immunschwäche oder mangelnder Besserung unter antimikrobieller Therapie: Perkutane Entlastung inkl. mikrobiologischer Untersuchung, sonst wie <3 cm Größe
  • Abszesse >5 cm Größe: Perkutane Abszessdrainage, chirurgische Sanierung (perkutane Drainage, Nierenfreilegung mit Abszessausräumung, Nephrektomie (s. Abb. 10)).
  • Bei vermuteter hämatogener Streuung (Gram-positive Staphylokokken):
    • Penicillinase-resistente Penicilline,
    • als Alternative (z. B. bei Penicillinallergie): Cephalosporine oder Vancomycin
  • Therapie Gram-negativer Erreger mit:
    • Cephalosporinen der Gruppe 3 oder
    • Acylureidopenicillinen mit β-Laktamase-Inhibitor oder
    • Aminoglykosiden oder
    • Fluorchinolonen mit hoher renaler Ausscheidung,
    • Behandlung fortführen, bis der mikrobiologische Befund eine gezielte Weiterbehandlung ermöglicht.
  • Regelmäßige Überprüfung des Therapieverlaufs mittels bildgebender Verfahren, Dauer insgesamt 4–6 Wochen.
  • Bei fehlendem Ansprechen trotz testgerechter antibiotischer Therapie, Resistenzentwicklung des Erregers oder perirenaler Ausdehnung der Erkrankung: chirurgische Sanierung (32 % perkutane Drainage, 8 % offen chirurgische Drainage, 23 % Nephrektomie).
  • Regelmäßige Nachkontrolle mit Bildgebung, bis Abszess verschwunden ist, Abklärung kausaler Ursachen (Vahlensieck 2014).

Peri- und paranephritische Abszedierung

Definition und Pathogenese

Unter einem perinephritischen Abszess versteht man eine Eiteransammlung zwischen der Nierenkapsel und der perirenalen Faszie (Gerota-Faszie). Sie ist Folge eines Abszess-Durchbruchs durch die Nierenkapsel. Gelegentlich kann ein perinephritischer Abszess auch durch eine direkte Keimabsiedlung entstehen (Steiß et al. 2014).
Ein paranephritischer Abszess umfasst eine Ansammlung von Pus, die jenseits der Gerota-Faszie (Retroperitoneum) gelegen ist. Jene paranephritischen Abszesse sind eine Maximalvariante des perinephritischen Abszesses oder können auch primär bei entzündlichen Erkrankungen des Darms, der Pankreas oder Pleura entstehen.
Die vormals dominierenden Gram-positiven Erreger werden heute nur noch bei etwa 5–12 % der Abszesse detektiert, Enterobacterales bei etwa drei Viertel der Patienten. 36–63 % der betroffenen Patienten leiden unter Diabetes mellitus, 19–50 % unter einer Nephrolithiasis, 33 % weisen urologische Voroperationen auf, 17 % haben eine Nierenbeckenkelchektasie, 15 % beklagen rezidivierende Harnwegsinfektionen und 13 % der Patienten sind immunsupprimiert.

Klinik

Peri- und paranephritische Abszesse führen meist zu uncharakteristischen Symptomen bei den betroffenen Patienten. Appetitlosigkeit, Flanken- oder Abdominalschmerz, prolongiertes Fieber mit/ohne Schüttelfrost sowie Unwohlsein können zu den Symptomen zählen. Aufgrund der Reizung des M. iliopsoas kann eine Schonhaltung mit Beugung im Hüftgelenk vorliegen. In sehr ausgeprägten Fällen können eine Schwellung und Rötung der Flanke mit lumbaler Skoliose auftreten.

Diagnostik

Laborchemisch wird bei Verdacht auf einen peri- oder paranephritischen Abszess auf Parameter einer Entzündung oder eines Nierenversagens geachtet. Bis zu 25 % der Urinuntersuchungen sind unauffällig. Der ursächliche Erreger wird bei etwa 1/3 der Fälle durch eine Urinkultur und bei weniger als der Hälfte durch eine Blutkultur entdeckt.
Die Diagnosestellung erfolgt durch eine Sonographie und/oder weiterführende bildgebende Verfahren (CT und/oder MRT). Ist die Niere bei tiefer Inspiration fixiert, so kann ein perinephritischer Abszess vermutet werden. In der Sonographie zeigt sich typischerweise eine echoarme liquide Formation an das Nierenparenchym angrenzend oder bereits übergreifend. Zur Beurteilung der Ausdehnung sollte stets eine CT oder MRT erfolgen.

Therapie

Therapeutisch ist zumeist eine parenterale antimikrobielle Therapie in Kombination mit einer chirurgischen Sanierung (perkutane Abszessdrainage, Nierenfreilegung mit Abszessausräumung oder Nephrektomie) indiziert.
  • Kalkulierte Antibiotikatherapie mit:
  • Cephalosporinen der Gruppe 3,
  • Acylureidopenicillinen plus β-Laktamase-Inhibitor,
  • Aminoglykosiden oder
  • Fluorchinolonen mit hoher renaler Ausscheidung,

Renale Papillennekrose

Pathogenese

Aufgrund der langsamen Perfusion ist das Nierenmark bei Ischämien besonders für Gewebsnekrosen der Papillen anfällig. Wichtigste Ursachen einer renalen Papillennekrose sind Diabetes mellitus und Analgetikaabusus. Phenacetin als wichtigstes auslösendes Analgetikum ist außer Handel, Paracetamol in Kombinationen mit Acetylsalicylsäure oder Salicylaten als Ursache der renalen Papillennekrose belegt. Die Bedeutung der renalen Infektionen bei renalen Papillennekrose wird kontrovers beurteilt: 67 % der Patienten weisen eine akute oder chronische Harnwegsinfektion auf, 22 % dieser Patienten weisen eine Harnwegsinfektion und renale Papillennekrose auf, bei 78 % liegen Harnwegsinfektionen, renale Papillennekrose und eine oder mehrere weitere Risikofaktoren vor (s. Übersicht). Insbesondere verkalkte renale Papillennekrosen nach Proteusinfektionen können rezidivierende Infektionen begünstigen und zu einer Obstruktion führen.
Ursachen der renalen Papillennekrose:

Klinik

Das akute Krankheitsbild zeigt sich mit Nierenkoliken, Niereninsuffizienz, Anurie bei bilateralem Befall und ggfs. Sepsis; auch ein Zufallsbefund ist bei asymptomatischen Patienten möglich. Bei einigen Patienten kommt es zu einem wiederholten Abgang von nekrotischem Material mit dem Urin.

Diagnostik

Labor
  • Nüchternblutzucker, HbA1c,
  • Retentionswerte,
  • obligat: Urinkultur,
  • Urinzytologie: Bei renaler Papillennekrose im Rahmen eines Analgetikaabusus (zum Ausschluss eines Urothelkarzinoms).
Sonographie
  • Ggf. Darstellung eines deformierten Nierenbeckenkelchsystems und nekrotischer Papillen mit oder ohne Verkalkungen.
Endourologische Diagnostik
  • Bei renaler Papillennekose im Rahmen eines Analgetikaabusus zur Frühdiagnose von Urothelkarzinomen (mit Zytologie).

Therapie

  • Renale Papillennekrose im Rahmen eines Analgetikaabusus: Durch Einstellen des Missbrauchs kann eine Stabilisierung erreicht werden.
  • Vorbeugung einer Niereninsuffizienz durch frühzeitige antibiotische Therapie bei symptomatischen Harnwegsinfektionen und Sanierung einer renalen Obstruktion durch in den Harnleiter abgegangene nekrotische Papillen.
  • Optimierung des Blutzuckers bei Vorliegen eines Diabetes mellitus.
  • Akute Obstruktionen mit Koliken sind unter Notfallbedingungen zu behandeln.

Malakoplakie

Neben zahlreichen anderen Organen tritt diese seltene chronische Entzündung mit weichen („malakos“) gelbweißen bis braunen Knoten von 3–4 cm Durchmesser auch in der Niere auf. Histologisch weisen sie große Histiozyten (Von-Hansemann-Zellen) und kleine basophile Kalziumphosphatablagerungen (Michaelis-Gutmann-Körper) auf. Betroffen sind meist Patienten über 50, häufiger Frauen als Männer (4:1). Die Klinik ist nicht spezifisch, es kann gelegentlich ein Flankentumor palpiert werden. 40 % der Patienten haben ein Immundefizit, die Mortalität liegt bei bis zu über 50 %.
Zur antibiotischen Therapie werden intrazellulär wirksame Fluorchinolone mit hoher renaler Ausscheidung über 4 Wochen bis 6 Monate und alternativ Cotrimoxazol (2-mal 0,96 g/Tag), Tetracycline (2-mal 0,1 g Doxycyclin/Tag) oder ggf. Tuberkulostatika (1-mal 0,6 g Rifampicin/Tag) eingesetzt. Zusätzlich können Vitamin C (0,5 g/Tag) und Cholinergika (Bethanecholchlorid, 4-mal 25 mg/Tag) über 4 Wochen bis 6 Monate zur Normalisierung der Phagozytenfunktion verwendet werden. Nephrektomie oder Nierenteilresektion bei einseitigem Befall und progredienter Erkrankung trotz konservativer Therapie sind die operativen Methoden der Wahl (Vahlensieck 2014).

Nierentuberkulose

Die Tuberkulose (TBC) stellt weltweit eine der häufigsten Infektionskrankheiten dar. Gemäß der WHO (World Health Organization)-Statistik aus dem Jahr 2018 erkranken jährlich ca. 10 Millionen Menschen weltweit an Tuberkulose und ca. 1,6 Millionen versterben daran (https://www.who.int/tb/publications/factsheet_global.pdf?ua=1).
Schätzungsweise sind weltweit rund 1,8 Milliarden Menschen mit Mycobacterium tuberculosis infiziert (Houben und Dodd 2016).
In Deutschland wurden im Jahr 2019 4791 Tuberkulosen registriert, was einer Inzidenz von 5,8 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner entspricht. Nach einer deutlichen Zunahme im Jahr 2015 waren die Zahlen erstmals 2017 wieder rückläufig und stagnierten 2018. Im Jahr 2019 ist eine deutliche Abnahme zu beobachten, die Inzidenz ist gegenüber dem Vorjahr um 12,8 % gesunken (RKI). Im Jahr 2019 gab es hierzulande 1321 Fälle (27,8 %) mit extrapulmonaler Manifestation, davon 56 Fälle mit Urogenitaltuberkulose UGT (1,2 %) (RKI-Bericht zur Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland für 2020). Im Gegensatz zu den Ländern mit niedriger TBC-Inzidenz (z. B. Deutschland) steht in Ländern mit hohen Neuerkrankungsraten an TBC die Urogenitaltuberkulose an erster Stelle der extrapulmonalen Manifestationen (RKI-Bericht zur Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland für 2020; Lenk 2011).

Ätiologie und Pathogenese

Neben Mycobacterium tuberculosis (häufigster Erreger) kommen als Erreger einer TBC weitere Erreger des Mycobacterium-tuberculosis-Komplexes (M. bovis, M. africanum, M. microti und M. canetti) in Frage. Der Befall der Nieren erfolgt im Rahmen der Streuung in andere Organe meist Jahre oder Jahrzehnte nach der Erstinfektion in Lunge oder Darm (Rohmilch) (postprimäre Exazerbationstuberkulose). In Ländern mit hoher Durchseuchung mit TBC kann die Latenzzeit deutlich kürzer sein.
Die Nieren und Harnleiter sind bei der Urogenitaltuberkulose am häufigsten betroffen. Bei Männern mit TBC-Epididymitis und häufigen symptomlosen TBC-Veränderungen am oberen Harntrakt sollte immer der obere Harntrakt mit bildgebenden Verfahren abgeklärt werden (Lenk 2011).

Klinik

Unspezifische Symptome erschweren insbesondere in der Frühphase der Erkrankung die Diagnosestellung. Eine gezielte Anamnese ist deshalb besonders wichtig.
Wichtig: Risikofaktoren für Nierentuberkulose: Anamnestische TBC oder „feuchte Rippenfellentzündung“, TBC in der Familie.
Leitsymptome bei Nierentuberkulose sind Nachtschweiß, subfebrile Temperaturen, rezidivierende Flankenschmerzen und Hämaturien. 20 % der Patienten mit Urogenitaltuberkulose haben keinerlei Beschwerden.

Diagnostik und Differenzialdiagnose

Die Diagnose einer Tuberkulose wird durch den Nachweis der Erreger mit mikroskopischen, kulturellen oder molekularbiologischen Verfahren sichergestellt. Der Nachweis einer Immunantwort ermöglicht nicht die Diagnose einer Tuberkulose. Interferon-γ-Release-Assays (IGRA) und Tuberkulin-Hauttest (THT) können allenfalls eine umfassende Diagnostik ergänzen. Als alleinige Untersuchung sind sie nicht geeignet, eine Tuberkulose sicher zu beweisen oder auszuschließen (AWMF S2k Leitlinie Tuberkulose im Erwachsenenalter).
Merke: Der Nachweis von Tuberkulosebakterien ist nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) meldepflichtig.
Goldstandard der Diagnostik stellt weiterhin der kulturelle Nachweis dar (z. B. auf Löwenstein-Jensen-Medium). In der Regel beträgt die Kultivierungszeit bis zu einem positiven Ergebnis mit den modernen Verfahren etwa ein bis drei Wochen. Nur bei negativen Untersuchungsergebnissen muss die Gesamtkulturzeit von acht Wochen, bei keimarmen und schwierig zu gewinnenden Proben bis zu 12 Wochen, abgewartet werden (AWMF S2k Leitlinie Tuberkulose im Erwachsenenalter). Nukleinsäure-Amplifikationstechniken wie die PCR ermöglichen einen TBC-Nachweis in wenigen Stunden, wobei ihr Stellenwert aus urogenitalen Sekreten noch nicht abschließend geklärt ist. Entscheidend ist in jedem Fall die Resistenzbestimmung der Mykobakterien zur Therapiekontrolle.
Bei Verdacht auf Urogenitaltuberkulose wird vorzugsweise der Morgenurin (30 ml) nach Einschränkung der Flüssigkeitszufuhr am Vorabend untersucht (Mikroskopie, Kultur, PCR) (Lenk 2011; https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/020-019l_S2k_Tuberkulose_im_Erwachsenenalter_2017-11.pdf). In allen unklaren Fällen sind Biopsien des betroffenen Organs indiziert (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/020-019l_S2k_Tuberkulose_im_Erwachsenenalter_2017-11.pdf).
Der Urinbefund bei Verdacht auf eine Urogenitaltuberkulose ist charakteristisch: In 70 % der Fälle besteht eine „sterile Leukozyturie“ (Leukozyturie bei fehlendem Nachweis eines Erregers in der Standardurinkultur).
Histologie
In Biopsien und operativ entnommenem Gewebe kann eine Urogenitaltuberkulose sowohl histologisch (verkäsende Nekrosen in Epitheloid-/Riesenzellgranulomen) als auch durch Erregernachweis (z. B. Ziehl-Neelsen Färbung, PCR auf M.-tuberculosis-Komplex) nachgewiesen werden.
Bildgebende Diagnostik
Die Sonographie kann erste wichtige Hinweise auf das Vorliegen einer Urogenitaltuberkulose geben (Schrumpfnieren, unregelmäßige Nierenoberfläche, echoreiche Areale, [partiell] dilatiertes Nierenbeckenkelchsystem, s. Abb. 11).
Nach wie vor spielt das Ausscheidungsurogramm (AUG) insbesondere bei Frühformen der Urogenitaltuberkulose eine wichtige Rolle, ggf. ergänzt durch eine retrograde Ureteropyelographie (Übersicht, s. Abb. 12). CT und MRT sind bei dieser Indikation weniger geeignet (s. Abb. 13) (Lenk 2011).
Typische Befunde der Ausscheidungsurographie und retrograden Ureteropyelographie bei Nierentuberkulose:
  • Niere: Destruktionen, Stenosen, Stauung
    • Stadium 1: parenchymatös-ulzerös
    • Stadium 2: ulzerös-kavernös
    • Stadium 3: Pyonephrose und Kittniere (s. Abb. 14)
  • Harnleiter: Enge (s. Abb. 15)
    • (Perlschnurartige) Destruktionen, „Gänsegurgel-Harnleiter“

Therapie

Bei der Therapie der Urogenitaltuberkulose sollten einige Grundprinzipien gemäß der aktuellen AWMF S2K-Leitlinie „Tuberkulose im Erwachsenenalter“ beachtet werden (Tab. 3):
Sorgfältige Anamneseerhebung zu:
• Tuberkulosevorerkrankung
• Tuberkulosevorbehandlung (verwendete Medikamente, Dauer, Ergebnis)
• Kontakt zu Tuberkulosekranken
• Begleiterkrankungen
• Immunsuppression durch Medikamente oder weitere Erkrankungen
• Begleitmedikation
• Alkohol- und Drogenanamnese
• Risikofaktoren für das Vorliegen einer resistenten Tuberkulose (Herkunft, Vorbehandlung, Kontakt zu resistentem Tuberkulosefall oder zu Risikogruppen)
Diagnostik:
• HIV-Testung anbieten, ggf. Hepatitisserologie
• Bakteriologische Diagnostikmöglichkeiten ausschöpfen; Einsatz von molekularbiologischen Schnellresistenztestverfahren bei Verdacht auf das Vorliegen von Medikamentenresistenzen
• Immer kulturelle Sicherung mit phänotypischer Resistenztestung anfordern
Therapieplanung:
• Interaktionen und potentielle unerwünschte Wirkungen der Tuberkulose-Medikamente berücksichtigen
• Nutzung von länderspezifischen Informationen zur Resistenzsituation z. B. von WHO/ECDC/RKI
• Therapieplanung durch oder unter Begleitung eines in der Tuberkulose-Therapie erfahrenen Arztes/Zentrums
• Einschätzung der Patientenmitarbeit (direkt überwachte oder unterstützte Therapie indiziert?)
• Sorgfältige Aufklärung der Patienten, ggf. unter Nutzung fremdsprachlichen schriftlichen Materials, Sprachmittler; Ansprechbarkeit auch unter Therapie
• Sorgfältige Dokumentation der Therapie und des Verlaufs (Therapiepass)
• Einsatz von fixen Medikamentenkombinationen prüfen
• Kommunikation mit dem zuständigen Gesundheitsamt: Meldepflicht (Erkrankung, Therapieabbruch und -verweigerung, Tod); Information über Entlassung aus dem Krankenhaus; Unterstützung bei der Ermittlung von Kontaktpersonen; Mitteilung der Resistenz- und Therapieergebnisse; Information über relevante Änderungen (z. B. Wegzug, mangelnde Patientenmitarbeit etc.); Absprache bei überwachter Therapie
Medikamentöse Therapie
Nach wie vor erfolgt bei der Urogenitaltuberkulose eine Kombinationsbehandlung mit 3–4 Antituberkulotika (Çek et al. 2005). Dabei werden die wirkungsstärksten Antituberkulotika Isoniazid (INH), Rifampicin (RMP) und Pyrazinamid (PZA) eingesetzt. Streptomycin (SM) oder Ethambutol (EMB) und seltener Protionamid (PTH) werden als 4. Substanz genutzt. Körpergewicht und Nierenfunktion (SM, EMB) bestimmen die Dosierung der Medikamente (s. Tab. 4). Die Einnahme erfolgt in der Regel als Einmaldosis morgens. Ein gängiges Therapieschema bei unkomplizierter TBC und UGT einschließlich empfohlener Kontrollen der potenziellen Nebenwirkungen gibt Abb. 16 wieder. Zusätzlich Vitamin B 6 und Urikostatika wie Allopurinol verringern die Neurotoxizität von INH und eine potenzielle Hyperurikämie durch Zellzerfall. Wichtige Nebenwirkungen sind in Tab. 4 aufgeführt.
Tab. 4
Antituberkulotika mit wichtigen Nebenwirkungen
Antituberkulotikum
Dauer der Anwendung
Potenzielle Nebenwirkungen
Isoniazid (INH)
6 Monate
Leberschäden
Periphere Neuropathie
Rifampicin (RMP)
6 Monate
Thrombopenie, Leberschaden, Nierenversagen
Ethambutol (EMB)
2 Monate
Optikusatrophie, Netzhautschäden, Neuritis
Pyrazinamid (PZA)
2 Monate
bei 4-fach-Kombination
Leberschäden
Streptomycin (SM)
Second line
Gehör-, Gleichgewichtsstörungen
Protionamid (PTH)
Second line
Leberschäden
Bei zunehmender Resistenzentwicklung gegenüber Antituberkulotika und häufiger Komorbidität mit HIV-Infektionen sowie reduzierter Immunkompetenz müssen aktuell häufiger alternative Therapieschemata mit längerer Therapiedauer und alternativen Therapieregimen eingesetzt werden. Die hier genutzten Second line-Medikamente wie z. B. Ethionamid, Protionamid oder Fluorochinolone weisen allerdings eine niedrigere Effektivität bei höherer Toxizität auf (Lenk 2011).
Operative Therapie
Neben der medikamentösen Therapie der Nierentuberkulose kommen operative Eingriffe bei den folgenden Situationen und Komplikationen zum Einsatz:
  • Endourologische oder operative Entlastung einer Harnstauung (z. B. Doppel-J-Katheter, Nephrostomie, Harnleiterteilresektion, Harnleiterneueinpflanzung).
  • Nephrektomie (ca. 25 % aller Patienten mit UGT) bei funktionsloser, häufig geschrumpfter Niere mit Hypertonus oder Pyonephrosen mit und ohne Harnsteinbildung (Lenk 2011).
Merke: Vor chirurgischer Intervention – außer vor der Einlage einer Harnleiterschiene – sollte eine antituberkulöse Therapie über vier Wochen verabreicht werden (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/020-019l_S2k_Tuberkulose_im_Erwachsenenalter_2017-11.pdf).

Renale Aktinomykose und Nocardiose

Fakultativ anaerobe, Gram-positive Aktinomyzeten existieren als stäbchenförmige Saprophyten im Gastrointestinaltrakt und der Vagina. Aerobe, pleomorphe Nocardien mit ähnlichem histologischem Bild gelangen exogen durch Erd- oder Staub-verschmutzte Wunden, Dornen- bzw. Stachelstiche oder nach Operation in den Körper. Beide Erregergruppen führen zu chronisch indurierten Entzündungen mit Abszess- und Fistelbildung. Häufigste Form der Aktinomykose (auch Strahlenpilzerkrankung genannt) ist die kutanofasziale Aktinomykose, z. B. nach zahnärztlicher Behandlung, es folgen die thorakale und die abdominopelvine Form. Nur einige wenige Fälle von metastatischen renalen Abszessen und renoenteralen Fisteln bei Aktinomykose und Nocardiose wurden bisher in der Literatur berichtet.
Risikofaktoren sind Intrauterinpessare, Diabetes mellitus, Immunsuppression und Steroide.
Meist erfolgt die Diagnose histologisch nach Nephrektomie wegen Tumorverdachts. Die klinischen Symptome entsprechen denen bei Nierenabszess (Schmerzen, Fieber, nächtliches Schwitzen, Gewichtsabnahme), außerdem können sezernierende Fistelgänge zur Haut, Nierenvenenthrombosen und ein palpabler Nierentumor auftreten.
Mikroskopisch lassen sich gelbe Drusen in infiziertem Gewebe oder Eiter als charakteristisch und beweisend für Aktinomykose nachweisen. Der konventionelle kulturelle Nachweis erfolgt aus Eiter, Fistelsekret, Urin oder Punktionsmaterial (7–14 Tage bebrüten), im Direktpräparat kann eine Polymerase-Kettenreaktion (PCR) durchgeführt werden.
Die Nephrektomie ist Therapie der Wahl bei renalem Befall mit möglichst weitgehender Entfernung von infiziertem Gewebe bei retroperitonealer Ausbreitung bzw. Fisteln.
Die medikamentöse Therapie der Aktinomykose gibt Tab. 5 wieder (Begleitflora berücksichtigen!). Nach Akuttherapie kann eine Rezidivprophylaxe über 6 Monate mit Amoxicillin/Clavulansäure sinnvoll sein
Tab. 5
Medikamentöse Kombinationstherapie der abdominalen Aktinomykose
Grundtherapie
Kombinationsmedikation je nach Begleitflora der bakteriellen Kultur
- Amoxicillin/Clavulansäure
- Acylureidopenicilline
- Carbapenem
- Clindamycin (Anaerobier, Staphylokokken, Streptokokken)
- Metronidazol (Anaerobier)
- Aminoglykoside (Enterobakterien, Pseudomonas spp.)
- Vancomycin (Methicillin-resistenter S. aureus)
Medikamentöse Therapie der Nocardiose:
  • Amikacin 1 g/Tag i. v. (Talserumspiegel ≥2 mg/l) plus Imipenem/Cilastin 4-mal 1/1 g/Tag i. v. über 2–4 (bis 6) Wochen.
  • Bei mangelnder Verträglichkeit oder Wirkung Ersetzen von Imipenem/Cilastin durch Amoxicillin/Clavulansäure 3-mal 0,5/0,125 g/Tag p.o. oder Ceftriaxon 2 g/Tag i. v.

Renale Mykosen

Epidemiologie

Symptomatische Harnwegsinfektionen werden je nach Setting in 2–15 % der Fälle durch Pilze verursacht. Bei Systemmykosen kommt es in etwa 20–30 % der Fälle zur Beteiligung des Urogenitaltraktes (fortgeschrittene disseminierte Mykosen: Mortalität bis zu 100 %).
Die steigende Inzidenz der Urogenitalmykosen beruht vor allem auf einer sich verändernden Patientenklientel: Zunehmende Anzahl von immunsupprimierten und/oder permanent Katheter-versorgten Patienten sowie von Patienten im fortgeschrittenen Lebensalter. Als weitere Risikofaktoren sind Diabetes mellitus, eine kürzlich stattgehabte Breitspektrum-Antibiotikatherapie sowie die Nierentransplantation zu nennen (Hof 2017).
Zirka 3 % der unselektionierten Urine, die von ambulanten und stationären Patienten bei Verdacht einer Harnwegsinfektion untersucht wurden, enthielten Sprosspilze in erheblicher Anzahl (Hof 2017). Insbesondere konnten hierbei Stämme von Candida (ca. 90 %) (C. albicans gefolgt von C. glabrata und anderen Hefen) nachgewiesen werden. Seltener werden Schimmelpilze oder Erreger von Systemmykosen wie Kryptokokken gefunden (Hof 2017).
Die Bedeutung einer Candidurie – selbst in hohen Keimzahlen – wird kontrovers diskutiert. Wichtig erscheint hierbei eine Differenzierung in asymptomatische Kolonisierung vs. symptomatische Mykose.
Merke: Eine Kontamination durch beispielsweise Vorliegen einer Vaginalmykose sollte in jedem Fall durch eine erneute Urinkontrolle ausgeschlossen werden.

Definition und Pathogenese

Zu den Risikofaktoren einer renalen Mykose zählen:
  • Stoffwechselstörungen,
  • Drogen,
  • Immunsuppression wie z. B. bei HIV-Infektion, Neutropenie, Frühgeburtlichkeit, Diabetes mellitus,
  • Harntraktanomalien (Obstruktion, Reflux), Z. n. Operation
  • Besiedelung von Haut, Mund, Gastrointestinaltrakt und Vagina mit Pilzen,
  • Exposition aus der Umgebung,
  • Fremdmaterialien, (Dauerkatheter, Harnleiterschiene, perkutane Nierenfistel),
  • antibiotische Vorbehandlung.
Der Infektionsweg ist hämatogen im Rahmen einer generalisierten Mykose oder aszendierend (primär Candida) aus exogenen oder körpereigenen Reservoirs bei auf den Harntrakt beschränkten Mykosen.
Bei prolongierten Verläufen ist eine Nierendestruktion möglich. Die Übersicht listet verschiedene Formen renaler Mykosen auf.
Formen renaler Mykosen:
  • Renaler Abszess oder Pyelonephritis
  • Perinephritischer Abszess
  • Harnstauungsniere
  • Papillennekrose
  • Pilzball (Zusammenballung von Pseudomyzelien)
  • Pyocalix
  • Nierenarterienthrombose (durch gefäßokkludierendes Pilzmaterial)
  • Pilzaneurysma (durch Pilzembolus, nach Fungämie bei Arteriosklerose oder vorbestehendem Aneurysma) der Nierenarterie.

Klinik

Die Klinik ist nicht von bakteriell bedingten Harnwegsinfektionen zu unterscheiden. Lokal aszendierende oder durch Streuung bei Systemmykose entstandene Mykosen unterscheiden sich ebenfalls klinisch nicht voneinander. Bei Systemmykosen ist auf Zeichen der Infektion anderer Organe zu achten. Weitere Symptome sind: Fieber, Flankenschmerzen, Hämaturie, bei beidseitigem Auftreten Oligo- oder Anurie. Bei Nierenmykosen ist vereinzelt ein palpabler Flankentumor bei perinephritischem Abszess oder Renomegalie zu finden.

Diagnostik

Labor
Urinuntersuchung:
  • ≥104 KBE/ml,
  • Hyphen, Pseudomyzelien, Sporenbildung,
  • Pilzzylinder oder spontan abgegangene Pilzbälle sind beweisend für eine Urogenitalmykose,
  • Erregerdifferenzierung und Resistenztestung (unterschiedliche Sensibilität auf verschiedene Antimykotika, zunehmende Resistenzen).
  • bei Verdacht auf eine renale Mykose: Pilzkulturen aus Urin, Blut, Sputum, intraoperativen Abstrichen oder Abszesseiter.
Serologische Verfahren:
Bildgebende Verfahren
Die bildgebenden Diagnoseverfahren liefern insgesamt nur unspezifische Hinweise, sind aber bedeutsam für die Verlaufsbeobachtung und eventuelle Operationsplanung.
Sonographie
Pilzbälle zeigen sich als solide, echoreiche Strukturen ohne Schallschatten. Gelegentlich Gas im Hohlraumsystem.
Ausscheidungsurographie (bei unklarem Sonographiebefund)
Befunde in der Ausscheidungsurographie sind: stumme Niere, Hohlraumruptur, Renomegalie, Kelchhalsenge, Nierenbeckenkelchdeformierung, Harnstauungsniere, Raumforderung bei Pilzbällen im Nierenbecken, gelegentlich Verkalkungen. Differenzialdiagnostisch sind bei diesen Veränderungen Tumoren, Harnsäuresteine, Tuberkulose, Gerinnsel, Papillennekrose oder Debris zu berücksichtigen.
CT
Die CT dient der Darstellung der Ausdehnung bei Verdacht auf perirenalen Abszess durch Pilze sowie zum Tumorausschluss.
Endourologie
Bei unklaren Befunden zur Darstellung von Pilzbällen und/oder wenn die weiteren bildgebenden Verfahren in ihrer Aussage nicht eindeutig sind (s. Abb. 17).
Nierenfunktionsszintigraphie mit 99mTc-MAG-III
Ermöglicht die Beurteilung der Erhaltungswürdigkeit einer massiv infizierten Niere (Isotopenclearance).

Therapie

Bei der Therapie renaler Mykosen stehen lokale sowie systemische Antimykotika zu Verfügung (s. Tab. 6). Bei Vorliegen einer asymptomatischen Kolonisierung kann es bei Schleimhaut-traumatisierenden Eingriffen zu einer Verschleppung von Pilzen – analog den bakteriellen Erregern – kommen, sodass die Einleitung einer Therapie hier sinnvoll erscheint.
Tab. 6
Therapieoptionen bei Candidurie (Hof 2017)
Substanz
Dosierung
Limitation
0,6 mg/kgKG konventionelles Amphotericin B i. v. entweder nur einmalig; oder bei urologischen Manipulationen 3 Tage zuvor und danach; Blasenspülung
Niedriger pH, C. glabrata, C. krusei, C. lusitaniae, Trichosporon spp.
Fluconazol
400 mg p. o. pro Tag für 4 Wochen
Biofilm; niedriger pH, C. glabrata, C. krusei, Trichosporon spp.
4 × 25 mg/kg i. v. pro Tag für 2 Wochen
Toxizität, Interaktionen, Resistenzentwicklung
Nitroxolin
3 × 250 mg p. o. pro Tag für 5 Tage
-
Merke: Parenchymale Pilzinfektionen bedürfen einer gezielten Therapie mit Antimykotika, die ausreichende Wirkspiegel im Gewebe erreichen.
Lokale Antimykotika
Bei Mykosen der Nieren (Candidosen, Aspergillosen) ohne Parenchymbeteiligung: über eine perkutane Nephrostomie Instillation von 50 mg Amphotericin B in 1l sterilem Wasser oder 5 %-iger Dextrose lichtgeschützt über 24 h; systemische Absorption oder Toxizität tritt nicht auf. Die Behandlung wird 4 Tage bis 9 Monate bzw. bis zum Nachweis von 2 sterilen Pilzkulturen mit einer Erfolgsquote von 80–92 % fortgesetzt (Pappas et al. 2016), eventuell begleitende systemische Therapie mit Fluconazol oder Amphotericin mit oder ohne 5-Flucytosin und Spülungen mit NaCl 0,9 % oder Streptokinase.
Systemische Antimykotika
Systemische Verabreichung von Antimykotika bei Hinweisen auf eine invasive Urogenitalmykose:
  • Amphotericin B: Dosis 0,5–1,5 mg/kg KG/Tag; Infusion über 2–4 h; maximale Gesamtdosis von 4 g in mindestens 6 Wochen sollte nicht überschritten werden.
    1.
    5-Flucytosin: 100 mg/kg KG/Tag i. v. über 3–8 Wochen; Einzeldosen werden alle 4–6 h als Kurzinfusion verabreicht. Therapie sollte zeitlich begrenzt werden wegen möglicher Toxizität auf Leber und Knochenmark. Vorwiegen fungistatische Aktivität.
     
    2.
    Fluconazol (Azol): saniert nach oraler oder i. v. -Gabe, zweimal täglich in einer Dosierung von 200–400 mg über 7–14 Tage verabreicht, bei 94–95 % der Candiduriefälle und vielen anderen Urogenitalmykosen. Empfindlichkeit und Wirkung können durch Begleitmedikation mit Ibuprofen verbessert werden (Costa-de-Oliveira et al. 2015)
     
  • Reservepräparate bei systemischen Mykosen mit renaler Beteiligung (aber unzureichender renaler Ausscheidung):
    • Itraconazol (Azol) bei Aspergillus, Blastomyces, Coccidioides, Histoplasma und Sporotrichosis,
    • Voriconazol (Azol) bei Aspergillus und gegen Fluconazol resistenten Candidosen,
    • Caspofungin (Echinocandin) bei gegen Triazole und Amphotericin resistenten Aspergillosen und Candidosen.
    • Der Einsatz weiterer neu entwickelter Antimykotika bei renalen Mykosen wie z. B. Posaconazol kann noch nicht beurteilt werden.
Invasive Therapie
  • Begleitende Anomalien des Harntraktes sollten operativ behandelt werden.
  • Bei Harnstauungsnieren durch Pilzbälle sollte eine Harnableitung mittels innerer oder äußerer Harnableitung erfolgen.
  • Bei Pilzbällen ohne Rückbildungstendenz, doppelseitigem Befall oder einer bedrohlichen Situation ist die operative Entfernung (endourologisch oder offen-operativ) des Pilzmaterials obligat.
  • Bei völlig destruierter Niere ist bei einseitigem Befall die Nephrektomie angezeigt.
  • Etwa die Hälfte der Patienten mit Nierenmykosen muss operativ versorgt werden (Vahlensieck 2014).

Parasitosen

Ein parasitärer Befall des oberen Harntraktes tritt insgesamt selten auf. Die Echinokokkose ist die häufigste renale Parasitose, wobei der Mensch hier als Fehlwirt mit dem Larvenstadium befallen wird. Die in Tab. 7 dargestellten renalen Parasitosen wurden bisher beobachtet. Der Befall der Niere mit Echinococcus (s. Abb. 18) kann zu einer Makrohämaturie (35 %) und Flanken- (35 %) bzw. Oberbauchschmerzen und Koliken führen. Selten tritt Fieber (9 %) und eine Ruptur der Niere (3 %) auf. Die Zysten selbst können in das Nierenbecken, das Retroperitoneum oder das Peritoneum rupturieren. Auch wurde über eine Chylurie oder den Abgang von Teilen der multilamellären Membran (Patient gibt den Abgang von traubenschalenähnlichem Material an) berichtet. Bei geringfügigen Einrissen der Zystenkapsel können immer wieder allergische Reaktionen wie Urtikaria, Pruritus und eine Eosinophilie auftreten. Bei Zystenruptur kann ein tödlicher allergischer Schock sowie eine miliare Aussaat mit zahlreichen sekundären Echinococcus-Blasen auftreten. Diagnostisch können Würmerköpfe und Häkchen bei Kontakt zum ableitenden Harntrakt im Urin gefunden werden. In der Bildgebung finden sich (gekammerte) Zysten, z. T. mit manchmal auch tumorverdächtigen soliden Anteilen. Eine Eosinophilie liegt bei 10–67 % vor. Es ist eine operative, wenn möglich organerhaltende, Therapie angezeigt. Falls die Echinokokkose präoperativ erkannt wird, kann der Zysteninhalt abgesaugt und die Zyste mehrmals mit 5–20 %-iger Kochsalzlösung, 96 %-igem Alkohol, Zuckerlösung, 0,5 % Silbernitrat, Wasserstoffsuperoxid oder 2–10 %-iger Formalinlösung irrigiert werden (Vahlensieck Jr und Schmitz 1999).
Tab. 7
Symptomatische Parasitosen der Niere (Vahlensieck Jr und Schmitz 1999)
Erkrankung
Erregergruppe
Häufigkeit
Vorkommen
Einzeller, Flagellat
Sehr selten
Weltweit
Paragonimiasis
Würmer, Trematode
Sehr selten
Ostasien
Würmer, Trematode
Sehr selten
Afrika, Vorderasien
Echinokokkose
Würmer, Cestode
Öfter
Weltweit
Madenwurmbefall
Würmer, Nematode
Sehr selten
Weltweit
Riesennierenwurmbefall
Würmer, Nematode
Selten
Weltweit
Spulwurmbefall
Würmer, Nematode
Sehr selten
Weltweit
Fliegenmadenbefall
Arthropoden, Insekten
Sehr selten
Weltweit
Merke: Dem RKI ist gemäß § 7 Abs. 3 IfSG der direkte oder indirekte Nachweis von Echinococcus sp. nichtnamentlich zu melden.

Virale Nephritiden

Als Erreger viraler Nephritiden kommen vor allem das Adenovirus (ADV) (tubulointerstitielle Nephritis bei Nierentransplantierten), das BK-Virus (BKV, humanes Polyomavirus 1) (Tubulusnekrosen bei Nierentransplantation), das Hantaan-Virus (HTV) (Nephropathia epidemica), das Humanes-Immundefizienz-Virus (HIV) (fokale segmentale Glomerulosklerose) sowie das Zytomegalievirus (CMV) (hämorrhagische interstitielle Nephritis) infrage. Die Patienten sind häufig immunsupprimiert (ADV, BKV, CMV). Bei einigen dieser Infektionen kann Cidofovir eingesetzt werden (ADV, CMV), bei HIV erfolgt die erfolgreiche Suppressionstherapie mithilfe einer antiretroviralen Kombinationstherapie. Bei BKV (Vermeidung der Schmier- und Tröpfcheninfektion) und HTV (kein Kontakt mit Wildnagetieren) steht die Prophylaxe im Vordergrund (Vaucher und Paduch 2010).

Weitere Sonderformen der Niereninfektion

Bezüglich Raritäten wie eosinophiler Pyelonephritis, entzündlicher Pseudotumor der Niere oder heute extrem selten auftretender Nierengumme bei Lues wird auf die weiterführende Literatur verwiesen (Vahlensieck 2014).

Verlauf, Nachsorge und Langzeitprophylaxe

Nach Abschluss der akuten Behandlung ist bei rezidivierenden Pyelonephritiden (≥3/Jahr) und nach schweren Verläufen der Pyelonephritis einschließlich Urosepsis eine stationäre Rehabilitation bzw. Anschlussheilbehandlung sinnvoll (siehe Kap. Rehabilitation urogenitaler Infektionen).
Eine Suppressionsbehandlung bei bakterieller Persistenz ist eher nicht sinnvoll. Alternativ ist eine antimikrobielle Langzeitprophylaxe bei häufigen Infektionsrezidiven zu diskutieren. Bei rezidivierenden Pyelonephritiden ist der Erfolg einer antibiotischen Langzeitprophylaxe bei Schwangeren (keine Rezidive bis zur Entbindung) und bei vesikoureterorenalem Reflux belegt. Zu Details der antibiotischen Langzeitprophylaxe siehe Kap. Blasen- und Harnröhreninfektionen (Vahlensieck 2014; Köhler et al. 2001; Sandberg et al. 1991).

Zusammenfassung

  • Infektionen des oberen Harntraktes umfassen ein heterogenes Spektrum: Akute sowie chronische, unkomplizierte wie auch komplizierte, bakterielle, virale, mykotische und parasitäre Erkrankungen werden voneinander differenziert.
  • Zu den häufigsten Erregern unkomplizierter wie auch komplizierter bakterieller Infektionen zählen uropathogene Escherichia coli (UPEC).
  • Symptomatik der akuten unkomplizierten Pyelonephritis: Neben Algurie, imperativem Harndrang, Pollakisurie und Schmerzen oberhalb der Symphyse (Symptome einer akuten unkomplizierten Zystitis) treten Flankenschmerzen, klopfschmerzhafte Nierenlager und/oder Fieber (>38 °C) auf. Bei verwirrten, immunsupprimierten oder hyposensiblen Patienten (z. B. Diabetiker, Patienten mit Rückenmarkverletzungen) können charakteristische Symptome fehlen.
  • Diagnostik der akuten unkomplizierten Pyelonephritis: Symptom-bezogene ärztliche Untersuchung, Urindiagnostik inkl. Urinkultur, Sonographie der Nieren und Harnblase zum Ausschluss komplizierender Faktoren.
  • Therapie der akuten unkomplizierten Pyelonephritis: Die Grundprinzipien des Antibiotic Stewardship sollten berücksichtigt werden. Bei der Auswahl eines geeigneten Antibiotikums gilt es, das individuelle Risiko des Patienten, das Erregerspektrum und Antibiotikaempfindlichkeit, die Effektivität der antimikrobiellen Substanz, unerwünschte Arzneimittelwirkungen sowie Auswirkungen auf die individuelle Resistenzsituation beim Patienten (Kollateralschaden) und/oder die Allgemeinheit (epidemiologische Auswirkungen) zu berücksichtigen.
  • Infolge einer Pyelonephritis können u. a. rezidivierende/chronifizierende Verläufe, Abszedierungen (u. a. peri- und paranephritisch) und renale Papillennekrosen auftreten.
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