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Die Urologie
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Publiziert am: 25.09.2022

Maldescensus testis und Leistenhernie

Verfasst von: Raimund Stein und Nina Younsi
Mit einer Inzidenz von bis zu 4 % bei reifen Neugeborenen ist der Hodenhochstand eine der häufigsten kongenitalen Anomalien. Bei Frühgeborenen steigt die Inzidenz auf bis zu 30 %. Im Rahmen der „Minipubertät“ kommt es innerhalb der ersten drei Monate bei bis zu 70 % der Jungen noch zu einem spontanen Deszensus des Hodens – dies ist nach den 6. Lebensmonat (bei Frühgeborenen gilt das korrigierte Lebensalter) unwahrscheinlich. Bleibt der Hodenhochstand unbehandelt, kann daraus eine Verminderung des Fertilitätspotenzials sowie ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines malignen Hodentumor im betroffenen Hoden resultieren.
Eine zeitnahe Diagnose mit korrekter Unterscheidung zwischen Pendel-, Gleit-, Leisten- oder Bauchhoden sowie die adäquate Therapie sollte idealerweise bis zum Ende des ersten Lebensjahres bzw. spätestens nach 18 Monaten erfolgt sein.
Bis zu 4 % der Neugeborenen haben eine angeborene indirekte Leistenhernie mit konsekutiver, teils nur intermittierend bestehender Hydrozelenbildung. Bei einer asymptomatischen Hydrozele als Folge eines persistierenden offenen Processus vaginalis ohne sonografisch detektierbaren Darmvorfall in den Bruchsack (indirekte Hernie/kommunizierende Hydrozele) kann zunächst abgewartet werden, da dieser bis Ende des 2. Lebensjahres obliterieren kann. Die operative Korrektur kann entweder über einen Leistenschnitt oder laparoskopisch assistiert erfolgen.

Maldescensus testis

Testiculos habet et bene pendentes – eine korrekte Lage der Hoden war auch schon im Mittelalter von Bedeutung. Als Maldescensus testis wird der nicht korrekt erfolgte Deszensus des Hodens beschrieben; weitere Synonyme sind Hodenhochstand oder auch Kryptorchismus, wobei dies im strengeren Sinne den verborgenen (nicht tastbaren) Hoden meint.

Epidemiologie

In der Literatur wird eine Inzidenz zwischen 1,8 bis 4,8 % bei reifen Neugeborenen angegeben; in ca. 11–34 % liegt ein bilateraler Hodenhochstand vor (Hutson et al. 2016). Die Inzidenz von ca. 20–30 % bei Frühgeborenen (<2500 g Geburtsgewicht) mit einer Bilateralität von ca. 50–75 % zeigt, dass der Deszensus des Hodens eine Funktion der Zeit ist (Hutson et al. 2016). Innerhalb der ersten drei bis maximal sechs Lebensmonate kommt es bei bis zu 70 % der Säuglinge zu einem spontanen Deszensus des oder der Hoden, sodass am Ende des 1. Lebensjahres noch bei ca. 1–1,6 % der Kinder einen Hodenhochstand besteht (Ludwikowski et al. 2016).

Ätiologie und Folgen

Bezüglich des normalen Deszensus sei auf das Kap. „Embryologie des Urogenitalsystems“ verweisen. Kommt es zu einer Störung des normalen Deszensus, so kann ein Maldescensus testis und seine Varianten entstehen. Die Ursachen dieser Störungen sind bis heute nicht eindeutig geklärt. Wie bei fast allen multifaktoriellen Genesen spielen Umweltfaktoren, eine genetische Disposition sowie epigenetische Effekte eine Rolle (Hutson et al. 2016; Barthold und Hagerty 2020). Es sind mehr als 500 Syndrome mit > 400 Gen-Loci beschrieben, die mit einem Hodenhochstand assoziiert sein könnten (Barthold und Hagerty 2020). Letztlich kommt es während der Schwangerschaft zu einer Störung bzw. Veränderung des hormonellen Haushaltes und der hormonalen Achse. Dies kann als Hinweis auf einen androgenabhängigen Deszensus der Hoden gewertet werden (Hutson et al. 2016). Im Rahmen der „Minipupertät“ mit Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse und passagerem Anstieg des Testosterons kommt es bei bis zu 70 % der bei Geburt vorhandenen Hodenhochstände noch zu einem spontanen Deszensus (Ludwikowski et al. 2016). Allerdings kommt es bei bis zu 1,6 % der Jungen zu einer sekundären Aszension der initial deszendierten Gonade (Acquired cryptorchidism) (Hutson et al. 2016; Barthold und Hagerty 2020). Hierbei scheinen Jungen mit einem Pendelhoden ein erhöhtes Risiko zu haben. Ob es sich um eine eigene Entität oder um eine späte Ausprägung eines kongenitalen Maldeszensus handelt, wird kontrovers diskutiert. Einige Studien zeigten, dass ein ähnlicher histologischer Schaden wie beim primären Hodenhochstand vorliegen kann (Hutson et al. 2016; Barthold und Hagerty 2020; Haid et al. 2019).
In der westlichen Welt werden ca. 1,4–3,8 % der Jungen wegen eines Hodenhochstandes operiert. Somit stellt der Hodenhochstand die häufigste Indikation zu einem operativen Eingriff in der Kinderurologie dar (Hutson et al. 2016; Barthold und Hagerty 2020; Haid et al. 2019). Eine Alteration der Fertilität und ein erhöhtes Malignitätsrisiko zählen zu den potentiellen Spätfolgen eines primären Hodenhochstandes, insbesondere wenn er nicht adäquat und zeitgerecht behandelt wurde (Barthold und Hagerty 2020; Lee und Coughlin 2001; Lee et al. 2000; Pettersson et al. 2007).
In den ersten Lebensmonaten kommt es zu einer Umwandlung der Gonozyten in die dunklen (adulten) Spermatogonien (im englischen „dark spermatogonia“). Bei Jungen mit einem Hodenhochstand kommt es zu einer Verzögerung der Maturation bzw. zu einer fehlenden Umwandlung der Gonozyten. Dies zeigt sich bereits in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres (Hutson et al. 2016; Barthold und Hagerty 2020; Huff et al. 2001). Um einer Reduktion des Keimzellenpools entgegenzuwirken sollte eine frühzeitige Korrektur des Hodenhochstandes erfolgen. Aus diesem Grunde empfehlen die meisten Leitlinien die Einleitung und den Abschluss der Therapie ab dem 6. bis zum 12. bzw. spätestens 18. Lebensmonat (Ludwikowski et al. 2016; Kolon et al. 2014; Radmayr et al. 2016; Ritzen et al. 2007; Braga et al. 2017).
Die aktuell verfügbaren Daten zeigen, dass die Fertilität bei einem Hodenhochstand in der Vorgeschichte – insbesondere bei Männern mit einem bilateralen Maldeszensus – deutlich beeinträchtigt sein kann, was sich auch in verminderten Vaterschaftsraten widerspiegelt. Beim einseitigen Hodenhochstand deuten die Parameter in den Spermiogrammen ebenfalls ein erhöhtes Risiko für eine verminderte Fertilität an; dies wird aber nicht durch die aktuell vorhandenen Daten zu Vaterschaftsraten unterstützt (Barthold und Hagerty 2020; Schneuer et al. 2018).
Weiterhin ist das Risiko für die Entstehung eines malignen Hodentumors bei Männern mit einem Hodenhochstand in der Vorgeschichte um das 2- bis 5 fache erhöht (Barthold und Hagerty 2020). Die Hodenlage (intraabdominell versus Leistenhoden), Leistenhernie, weitere Fehlbildungen des äußeren Genitale (z. B. Hypospadien), Frühgeburtlichkeit oder auch ein veränderter Karyotyp (z. B. 45X/46,X delY(q21), 46XY/47,XYY) sind weitere zusätzliche Risikofaktoren bei Jungen mit einem Hodenhochstand (Hutson et al. 2016; Barthold und Hagerty 2020).

Einteilung und Formen

Bei Hodenhochstand erfolgt zunächst klinisch die Einteilung in im Rahmen der körperlichen Untersuchung tastbare und nicht tastbare Hoden. Ca. 75–80 % der nicht deszendierten Hoden sind in den verschiedenen – meist älteren Studien – tastbar; 60–70 % der Jungen haben einen unilateralen Hodenhochstand, wobei die rechte Seite etwas bevorzugt ist (Barthold und Hagerty 2020). Ist der Hoden tastbar, kann er entweder dystop – d. h. auf dem vorgegebenen Weg ins Skrotum liegen geblieben sein oder aber er liegt ektop – d. h. das Gubernakulum inseriert nicht im Skrotum (Abb. 1). Die häufigste ektope Lage ist suprafaszial-inguinal zwischen der Scarpa- und der Faszie des M. obliquus externus. Sehr selten werden präpenil-, perineal- oder femoral-ektope Hoden beobachtet.
Der Hoden ist wie oben beschrieben bei ca. 15–25 % primär nicht tastbar. Der oder die Hoden können hierbei intraabdominell oder direkt vor den inneren Leistenring (25–50 %) liegen; sie können atroph sein (vanishing testis (15–40 %)) oder auch aufgrund des Körperbaus, der Größe des Hodens oder der fehlenden Kooperation bzw. Compliance des Patienten (10–30 %) primär nicht getastet werden (Barthold und Hagerty 2020). Ein Monorchismus wird bei bis zu 4 % und ein Anorchismus bei deutlich weniger als 1 % der Jungen mit Maldescensus testis beschrieben (Hutson et al. 2016; Barthold und Hagerty 2020).
Vier weitere Formen des Hodenhochstandes müssen unterschieden werden:
Bei einem Gleithoden lässt sich der Hoden bei der klinischen Untersuchung vor dem äußeren Leistenring oder auch im Leistenkanal tasten. Er kann mühelos mit den Fingern in das Skrotum luxiert werden, gleitet allerdings nach dem Loslassen sofort wieder zurück in seine dystope Lage (Merksatz: „Der Hoden gleitet einem aus den Fingern.“). Gleithoden bedürfen einer Therapie.
Im Gegensatz dazu lässt sich der Pendelhoden zwar ebenfalls problemlos in das Skrotum luxieren, jedoch verbleibt er dort solange bis er durch den Kremasterreflex wieder nach inguinal luxiert wird. Der Pendelhoden bedarf zunächst keiner Therapie, muss im Verlauf jedoch beobachtet werden, da sich ein sekundärer Hodenhochstand entwickeln kann.
Ein sekundärer Aszensus/Hodenhochstand liegt vor, wenn der Hoden bei Geburt bzw. in den ersten sechs Lebensmonaten im Skrotum lokalisiert war und es erst im weiteren Wachstumsverlauf zu einer „Aszension“ gekommen ist.
Von diesen Formen muss der iatrogene, sekundäre Hodenhochstand als Komplikation nach Herniotomien im Säuglingsalter unterschieden werden.

Diagnostik

Bei der Anamnese sollte folgendes erfasst werden: Frühgeburtlichkeit, Exposition der Mutter gegenüber potenziellen Noxen, die auf den Hormonhaushalt einen Einfluss gehabt haben können, Familienanamnese, Lage der Hoden bei Geburt, vorangegangene Operationen und bisher erfolgte Therapien bezüglich des Hodenhochstandes. Die körperliche Untersuchung sollte in warmer und ruhiger Umgebung, im Beisein der Eltern, entspannter Atmosphäre und mit warmen Händen erfolgen. Am besten sitzen die Kinder zunächst im Schneidersitz oder auf dem Schoss eines Elternteils. Hierdurch kommt es meist zu einer Entspannung der Bauchmuskulatur und ein vorher nicht tastbarer Hoden lässt sich ins Skrotalfach luxieren. Ergänzend wird anschließend versucht, ob der Hoden im Liegen im Verlauf seines natürlichen Deszensus zu palpieren ist (Abb. 2). Die Diagnose eines Leistenhodens ist bei einem gut entwickelten Säugling meist einfach. Die Unterscheidung eines therapiebedürftigen Gleithodens von dem nur beobachtungswürdigen Pendelhoden dagegen ist deutlich schwieriger. Ein Pendelhoden per se stellt keine echte Anomalie dar, sondern ist „lediglich“ eine Reaktion (Kontraktion der Kremasterfasern) auf externe (z. B. Kälte, kalte Hände) oder interne (z. B. Stress, Angst) Reize. Aufgrund des nicht unerheblichen Risikos (bis zu 1/3 der Fälle) (Kolon et al. 2014), dass sich bei Größenwachstum des Jungen aus dem nicht behandlungsbedürftigen Pendelhoden ein Gleit- bzw. Leistenhoden entwickelt, sind regelmäßige Kontrollen beim Kinderarzt bzw. durch die Eltern empfohlen.
Ist der Hoden nicht oder nur fraglich tastbar, sollte ergänzend ein Ultraschall erfolgen. Allerdings spiegeln sich in den verschiedenen Leitlinien auch die sozio-ökonomischen Unterschiede bzgl. der empfohlenen Untersuchungen verschiedener Länder und Regionen wider (Ludwikowski et al. 2016; Kolon et al. 2014; Radmayr et al. 2016; Ritzen et al. 2007; Braga et al. 2017). In einer amerikanische Metaanalyse aus dem Jahre 2011 konnte gezeigt werden, dass die Sensitivität des Ultraschalles für den Abdominalhoden bei ca. 45 % und die Spezifität bei ca. 78 % liegt (Tasian und Copp 2011). Der Ultraschall wird in den USA, in Kanada und vielen europäischen Ländern von den Kinderradiologen durchgeführt. Weiterhin kostete der Ultraschall zur Hodensuche in den USA beispielsweise im Jahr 2011 zwischen 500 und 2000 USD, im Institut der Autoren sogar 2195 USD (Tasian und Copp 2011). In Deutschland erfolgt die Ultraschalluntersuchung in der Regel durch die/den kinderurologisch Tätige/n selbst und ist damit auch deutlich kostengünstiger. So wird auch in der deutschen Leitlinie der Einsatz des hochauflösenden Ultraschalls beim nicht tastbaren Hoden empfohlen (Ludwikowski et al. 2016) (siehe Abb. 4 und 5). Zeigt sich im Rahmen der Ultraschalluntersuchung ein eindeutiger Hoden (Abb. 3), bedarf es keiner Laparoskopie und die Orchidopexie erfolgt über einen inguinalen Zugang. Bei sehr adipösen, älteren Jungen kann eine MRT u. U. hilfreich sein, wenn weder ein Hoden zu tasten noch sonographisch darzustellen ist. Eine diagnostische Laparoskopie sollte auch bei MR-morphologisch nicht nachweisbarem Hoden erfolgen, da die Sensitivität des MRT nur ca. 80 % beträgt und ein intraabdomineller Hoden ausgeschlossen werden muss. Somit stellt das MRT eine teure Untersuchung da, die letztlich ohne Konsequenz für das weitere Vorgehen ist und u. U. auch noch eine Sedierung der Kinder bedarf.
Bei beidseitig nicht tastbaren und sonographisch nicht eindeutig detektierbaren Hoden muss vor jeder Intervention zunächst eine endokrinologische Abklärung erfolgen. Die Bestimmung von Inhibin B bzw. des Anti-Müller-Hormons (AMH) und/oder auch ein Stimulationstest mittels humanem Choriongonadotropin (hCG) geben Aufschluss über das Vorhandensein von funktionstüchtigem Hodengewebe. Die Bestimmung des tageszeitabhängigen Levels von Inhibin B (morgens am höchsten) sollte zusammen mit dem FSH und ggf. auch LH erfolgen. Die Bestimmung vom AMH dagegen ist tageszeitunabhängig. Sehr niedrige/nicht vorhandene Werte von AMH und Inhibin B sowie erhöhte Werte für FSH und LH sprechen am ehesten für eine Anorchie. Beim hCG-Stimulationstest wird zunächst morgens das basale Testosteron gemessen, im Anschluss werden 5000 IE/m2 KO hCG intramuskulär injiziert und drei Tage später erneut das Testosteron bestimmt. Ein Anstieg um das 10- bis 20 fache gilt als positiv und beweisend für das Vorhandensein von funktionellem Hodenparenchym (Kolon und Miller 2001). Weiterhin sollte eine Variante der Geschlechtsentwicklung (DSD, siehe auch Kap. „Varianten der sexuellen Differenzierung/DSD“ ausgeschlossen werden. Ergeben die Befunde einen männliches Karyotyp mit jedoch nicht funktionstüchtigem Hodengewebe (negativer hCG-Stimulationstest bzw. negatives Inhibin B und AMH mit erhöhtem FSH und LH) sollte eine diagnostische Laparoskopie zum sicheren Ausschluss von Hodengewebe diskutiert werden, da falsch negative Befunde u. U. möglich sein können.

Therapie

In den ersten sechs Monaten kann bei reifgeborenen Jungen zunächst zugewartet werden, da ein Deszensus bei ca. 50–70 % noch möglich ist. In den publizierten Leitlinien wird empfohlen die Therapie für den primären Hodenhochstand bis zum 12. Lebensmonat, spätestens jedoch bis zum 18. Lebensmonat abzuschließen (Ludwikowski et al. 2016; Kolon et al. 2014; Radmayr et al. 2016; Ritzen et al. 2007; Braga et al. 2017). Hintergrund ist u. a. die mit der Zeit abnehmende Anzahl der Keimzellen (siehe auch Abschn. 1.2). Die Therapie ist abhängig von der Diagnose bzw. genauen Lage der Hoden (Abb. 4 und 5).
Bei sekundär aszendierten Hoden sollte die operative Korrektur zeitnah nach der Diagnosestellung erfolgen, um mögliche Schäden zu reduzieren (Ludwikowski et al. 2016). Meistens ist es unbekannt, wie lange der Hoden schon dystop liegt.
Bei iatrogen aszendierten Hoden nach operativen Eingriffen sollte die Re-Operation frühestens nach sechs Monaten (besser neun bis maximal 12 Monaten) erfolgen. Aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Narbenbildung und Schwellung besteht zum einem das Risiko einer iatrogenen Schädigung des Samenstranges; zu zweiten können sich die meist unter Spannung stehenden Gefäße noch weiter regenerieren, sodass der Hoden danach spannungsarm in das Skrotalfach verlagert werden kann.
Die Therapie des postpubertär diagnostizierten Hodenhochstandes (Orchidopexie vs. Orchiektomie und ggf. Prothesenimplantation) sollte ebenfalls relativ zeitnah erfolgen, wobei hier eher die sozialen Komponenten (z. B. Angst vor Malignität/Kosmetik) als die funktionellen im Vordergrund stehen.
Das Ziel einer jedweden Therapie ist es die endokrine Funktion des Hodens und die Fertilität zu erhalten, das Risiko für eine maligne Entartung zu reduzieren und – last, but not least – ein gutes kosmetisches Resultat zu erzielen.

Konservative Therapie (Hormontherapie)

Ob ein Maldescensus testis mit einer Endokrinopathie assoziiert ist, wird seit Jahren diskutiert (Hutson et al. 2016; Ludwikowski et al. 2016; Barthold und Hagerty 2020); ein Konsensus wird hierbei wahrscheinlich nie gefunden werden. So zeigten einige Studien, dass die Plasmaspiegel für Testosteron und LH bei Jungen mit einem Hodenhochstand in den ersten vier Lebensmonaten deutlich niedriger sind als bei Jungen mit beidseits deszendierten Hoden. Verantwortlich hierfür ist u. a. das hCG der mütterlichen Plazenta (Hutson et al. 2016). Durch diese hormonellen Einflüsse kann es in den deszendierten Hoden zu einer Reifung der Gonozyten zu adulten dunklen Spermatogonien (Ad Spermatogonien/A dark Spermatogonien) kommen (siehe auch Abschn. 1.2). Zwei randomisierte Studien zeigten, dass durch eine neoadjuvante GnRH-Therapie eine Erhöhung der Anzahl Ad Spermatogonien pro Tubulus (Fertilitätsindex) erreicht werden konnte (Hutson et al. 2016; Ludwikowski et al. 2016; Barthold und Hagerty 2020). Durch das humane Choriongonadotropin werden die Leydigzellen stimuliert und es kommt zu einer Produktion von gonadalen Androgenen. Wenige Studien zeigten jedoch bei Patienten, die jenseits des 1. Lebensjahres therapiert wurden, eine erhöhte Inflammations- und Apoptoserate sowie deutlich kleiner Hoden im Erwachsenenalter. Studien vor dem 1. Lebensjahr stehen weiterhin aus.
Bei der Hormontherapie kann die Behandlung mit einem Gonadoliberin (GnRH bzw. LHRH) und/oder hCG erfolgen. Hierbei wird das GnRH über vier Wochen (3 × täglich 400 μg) per Nasenspraystoß verabreicht. In Deutschland werden hierzu in der Regel LHRH-Präparate als Nasenspray mit Dosieraerosol (z. B. Kryptocur®) eingesetzt, welche chemisch unverändertes GnRH enthalten. Aufgrund der kurzen Halbwertszeit (ca. 2–10 Minuten) wird die pulsatile Wirkung von endogenem LHRH imitiert. Hierdurch wird die Sekretion von LH (und FSH) stimuliert. Im Gegensatz dazu wirken GnRH-Analoga (z. B. Buserelin® etc.) aufgrund einer verlängerten Halbwertszeit als funktionelle Antagonisten, welche die Ausschüttung von Gonadotropinen vermindern. Die Begriffe GnRH und GnRH-Analoga werden teilweise synonym gebraucht, was jedoch ihrer Wirkungsweise nicht gerecht wird.
Gemäß der aktuellen deutschen AWMF-Leitlinie sollte bei Vorliegen eines Gleithoden die Option einer Hormontherapie innerhalb des 1. Lebensjahres mit den Eltern diskutiert bzw. diese angeboten werden.
Beim beidseitigen Hodenhochstand kann eine neoadjuvante GnRH-Therapie die Fertilitätschance u. U. verbessern. Auch dieses muss mit den Eltern diskutiert werden. Sie sollte jedoch nur im 1. Lebensjahr angeboten werden, da danach u. U. die bereits oben beschriebenen negativen Folgen der Hormontherapie im Sinne erhöhter Inflammations- und Apoptoserate mit einer konsekutiven Hypotrophie überwiegen.

Operative Therapie

Operative Therapie bei tastbaren und/oder sonographisch sicher detektierbaren Hoden
Skrotale Orchidofunikolyse und Orchidopexie
Beim Gleithoden und bei einer Lage im unteren Anteil des Leistenkanals hat sich der skrotale Zugang wie von Bianchi und Squire beschrieben als operativer Zugangsweg bewährt (Bianchi und Squire 1989). In Narkose wird die genaue Lage des Hodens bestimmt und ein hochskrotaler Schnitt gewählt. Es wird die gleiche Technik der kompletten Orchidofunikolyse angewandt wie bei einem inguinalen Zugang (siehe auch Kap. „Hodendystopie: Korrekturstrategien“). Ein offener Processus vaginalis kann ebenfalls mitverschlossen werden. Bei korrekt gewählter Indikation sind die Erfolgsraten des skrotalen Zugangs idem denen der inguinalen Orchidofunikolyse bei gleichzeitig geringerer Invasivität und Morbidität sowie verbesserter Kosmetik.
Inguinale Orchidofunikolyse und Orchidopexie
Bei einem hohen Leistenhoden bzw. einem am inneren Leistenring liegenden Hoden (im Ultraschall) sollte ein inguinaler Zugang erfolgen. Bezüglich der operativen Technik sei auf das Kap. „Hodendystopie: Korrekturstrategien“ verwiesen.
Komplikationen sind angeblich selten. In der letzten durchgeführten, bereits 25 Jahre alten Metaanalyse (vor der Zeit der routinemäßigen laparoskopisch assistierten Orchidopexie) zeigte Docimo, dass die Komplikationsrate (Hodenatrophie bzw. nicht skrotale Lage) in den vor 1995 publizierten Serien bei durchschnittlich ca. 15 % lag; bei einem intraabdominell gelegenen Hoden bei 24 % und beim Leistenhoden bei 10 % (Docimo 1995). In einer dänischen Serie von 2011 mit 418 Orchidopexien bei 356 Jungen lag die Atrophierate bei 1,9 % und 10,3 % der Hoden bedurften einer Re-Operation bei einem medianen Follow-up von einem Jahr. Insbesondere bei kleinen Kindern war die Komplikationsrate höher. Bei den 60 Jungen, die aufgrund eines sekundärer Aszension operiert wurden, war keine Re-Operation im Nachverfolgungsintervall notwendig (Thorup et al. 2011). Der Schlussfolgerung der Autoren, dass auch die Orchidofunikolyse bei kleinen Kindern eine gewisse Expertise erfordert, kann man sich nur anschließen.
Laparoskopische Techniken
Ist ein Hoden sonographisch gut am inneren Leistenring detektierbar, aber auch in Narkose nicht tastbar, kann sowohl eine offene als auch laparoskopische Orchidopexie erfolgen (Abb. 4 und 5) (Ludwikowski et al. 2016; Thorup und Cortes 2019). Zeigt sich während der offenen Operation, dass kein Hoden im Leistenbereich und auch retroperitoneal zu finden ist, sollte in der gleichen Narkose eine diagnostische Laparoskopie erfolgen, um einen weiter kranial gelegenen Abdominalhoden auszuschließen bzw. zu bestätigen (Stein et al. 2020).
Kann ein oder beide Hoden sonographisch nicht dargestellt und auch nicht in Narkose palpiert werden, so muss in der gleichen Narkose die laparoskopische Abklärung erfolgen (Stein et al. 2020).
Nach der sorgfältigen Palpation, Entleerung von Blase (Palpation oder Katheter) und Magen (Magensonde) erfolgt entweder infra- oder supraumbilikal die offene Insertion (Hasson- oder Bailez-Technik) eines 5 mm-Optik-Trokars mit 30°-Optik (Barthold und Hagerty 2020). Das Pneumoperitoneum sollte einen Druck von 8 bis maximal 12 mmHg haben.
Nun können sich abhängig vom intraoperativen Befund sechs verschieden Szenarien ergeben (Stein et al. 2020):
1)
Der Hoden liegt nahe am inneren Leistenring (Abb. 6). In diesem Fall kann – letztlich in Abhängigkeit von der Expertise des Operateurs – die laparoskopische Orchidofunikolyse und abschließend die Orchidopexie in einem Dartos-Pouch über einen skrotalen Zugang erfolgen. Alternativ ist die offene inguinale Orchidopexie über einen zusätzlichen Leistenschnitt möglich.
Für die einzeitige, laparoskopisch assistierte Orchidofunikolyse und Orchidopexie erfolgt die Insertion zweier weiterer Trokare im rechten und linken Unter- bzw. Mittelbauch (abhängig von der Größe des Kindes). Gefäße und Ductus deferens werden mobilisiert und das Gubernakulum durchtrennt. Der Hoden kann nun entweder durch den meist angelegten Leistenkanal mit Hilfe einer gebogenen Klemme oder eines Trokars ins Skrotum gebracht werden. Alternativ hat sich der Durchzug des Hodens in das Skrotum zwischen den lateral liegenden epigastrischen Gefäßen und der medialen Plica umbilicalis medialis bewährt, da hierdurch noch einmal etwas Länge (ähnlich dem Prentiss-Manöver bei der offenen Operation; siehe auch Kap. „Hodendystopie: Korrekturstrategien“) gewonnen wird. Der mittels einer leicht gebogenen Klemme nach außen gebrachten Hoden wird anschließend in einem Dartos-Pouch im Skrotum fixiert. Ein Verschluss eines offenen Processus vaginalis ist nach extensiver Mobilisation des Gubernakulums nicht notwendig (Barthold und Hagerty 2020).
 
2)
Ist der Hoden weiter entfernt vom inneren Leistenring gelegen (mehr als 2–4 cm – letztlich abhängig von der Größe des Kindes und der Einschätzung des Operateurs) und lässt er sich auch nicht gut auf die Gegenseite bringen, können bzw. müssen die testikulären Gefäße durchtrennt werden. Dies wurde erstmals 1959 von Fowler und Stephens beschrieben (Fowler und Stephens 1959). Heutzutage erfolgt die laparoskopische Durchtrennung der Gefäße in der Regel hodenfern (2–4 cm). In einer zweiten Operation ca. sechs Monate später kann der Hoden laparoskopisch mobilisiert werden, wobei das Peritoneum zwischen den durchtrennten Gefäßen und dem Ductus deferens intakt gelassen wird und der Hoden, wenn möglich auch unter Belassen der Gefäße im Gubernakulum durch den Leistenkanal in das Skrotum verlagert wird. Einige Autoren bevorzugen auch ein einzeitiges Vorgehen. Die Erfolgsraten liegen bei der offenen Variante bei ca. 74 %, beim einzeitigen laparoskopischen Vorgehen bei ca. 63 % und beim zweizeitigen laparoskopischen Vorgehen bei ca. 77 % (Barthold und Hagerty 2020). Alternativ haben Koff und Sethi die Durchtrennung der testikulären Gefäße unmittelbar am Hoden beschrieben und damit ähnliche Erfolgsraten erzielt (siehe auch Kap. „Hodendystopie: operative Konzepte“).
 
3)
Zeigen sich blind endende Gefäße und ein verdämmernder Ductus deferens – das Bild eines „vanishing testis“ -, ist der laparoskopische Eingriff beendet. Hier kann bei V. a. eine intrauterine Torsion eine prophylaktische Orchidopexie der Gegenseite diskutiert werden – wird jedoch in den Leitlinien nicht empfohlen, da die Pathologie der intrauterinen Torsion in der Regel eine andere ist als die der postpartalen Torsion (Ludwikowski et al. 2016).
 
4)
Findet sich keine Anlage eines Ductus deferens, von Testikulargefäßen oder eines Hodens bzw. Nebenhodens, liegt eine Hodenagenesie vor und der Eingriff kann ebenfalls beendet.
 
5)
Ductus und Gefäße ziehen in den Leistenkanal. In der Regel liegt in diesen Fällen ein atropher Hoden („nubbin“) vor, der meist kein Keimzellgewebe enthält, welches entarten könnte. Ob hier generell eine Freilegung mit Entfernung erfolgen sollte, wird kontrovers diskutiert (Ludwikowski et al. 2016). Da man in sehr seltenen Fällen trotzdem einen erhaltungswürdigen Hoden finden kann, sollte nach Meinung der Autoren immer eine Freilegung und je nach Befund ggf. eine histologische Untersuchung angestrebt werden.
 
6)
Bei beidseitigen hohen Abdominalhoden sollte zunächst nur eine Seite erfolgreich nach skrotal verlagert werden. Zeigt sich im zweiten Schritt der Operation auf der operierten Seite eine Atrophie des Hodens, so sollte eine Autotransplantation des weiterhin abdominell gelegenen Gegenhodens diskutiert werden (Stein et al. 2020).
 
Das letzte Szenario ist heutzutage extrem selten, da die Kinder in der Regel noch sehr klein sind und eine einzeitige laparoskopisch assistierte Orchidofunikolyse und Orchidopexie meistens auch auf beiden Seiten in Narkose möglich ist. Die Patienten mit einem beidseitigen Abdominalhoden sollten in Zentren mit entsprechender Expertise behandelt werden. Bei nicht eindeutig tastbaren und sonographisch nicht darstellbaren Hoden sollte ein operativer Eingriff nur dann erfolgen, wenn die intraoperative Möglichkeit der Laparoskopie gegeben ist.
Autotransplantation
Eine Autotransplantation, welche ein hohes Maß an Erfahrung mit mikroskopischen Gefäßanastomosen voraussetzt wird nur an wenigen Zentren weltweit durchgeführt (Barthold und Hagerty 2020).

Nachsorge

In der deutschen Leitlinie wird aktuell empfohlen im ersten postoperativen Jahr eine Nachsorge durchzuführen; zunächst nach zwei Wochen, dann vierteljährlich (Ludwikowski et al. 2016). Die Kontrollen können beim Kinderarzt, Hausarzt oder auch bei verständigen Eltern nach Meinung der Autoren durch diese selber erfolgen. Zeigt sich nach sechs Monaten eine nicht adäquate Lage, sollte die Wiedervorstellung beim Operateur bzw. einem Kinderurologen erfolgen. Ansonsten erfolgen die Kontrollen im Rahmen der regelmäßigen U- und J-Untersuchungen beim Kinderarzt. Eltern sollten über das leicht erhöhte Malignitätsrisikos und die mögliche Einschränkung der Fertilität, insbesondere beim bilateralen Hodenhochstand, hingewiesen werden. Weiterhin sollten die Jungen, welche aufgrund eines Hodenhochstands operiert wurden, zur Selbstuntersuchung ihrer Hoden ab dem 15. Lebensjahr angehalten und angeleitet werden. Über das zeitliche Intervall dieser Selbstinspektion gibt es aktuell keine Empfehlungen, jedoch sollte jede Veränderung Anlass für eine ärztliche Vorstellung sein (Barthold und Hagerty 2020). Wahrscheinlich ist eine monatliche Selbstuntersuchung ausreichend.

Kindliche Leistenhernie

Definitionen

Hernien (griechisch hernios = Knospe) sind Ausstülpungen des parietalen Peritoneums durch angeborene oder erworbene Lücken (Bruchpforten) in der Bauchwand. Die Hernie besteht aus dem Bruchsack und dem Bruchinhalt.
Die Leistenhernien werden in direkte und indirekte Hernien unterteilt; sie sind äußere Hernien.
Die direkte Leistenhernie wird auch mediale Leistenhernie genannt und ist eine erworbene Hernie. Die Bruchpforte liegt medial der Plica umbilicalis lateralis (epigastrische Gefäße) und ist im Kindesalter sehr selten.
Deutlich häufiger sind im Kindesalter die indirekten Leistenhernien. Hier liegt die Bruchpforte lateral der Plica umbilicalis lateralis (epigastrischen Gefäße). Durch den offenen Processus vaginalis peritonei kann es im Säuglings-, Kindes- und auch Jugendalter zur temporären Verlagerung von intraabdominalen Organen in den Bruchsack sowie zur Hydrozelenbildung kommen.
Eine Hydrozele ist eine Ansammlung von Flüssigkeit um den Hoden. Bei der kommunizierenden Hydrozele ist der Processus vaginalis offen, aber die Bruchpforte ist für die Hernierung von Darmschlingen zu eng (Abb. 7).

Prävalenz

0,8–4,4 % der Neugeborenen haben eine angeborene indirekte Hernie bzw. eine Hydrozele. Bei Frühgeborenen ist die Prävalenz deutlich höher. Die rechte Seite ist fast doppelt so häufig betroffen wie die linke; in 10–16 % liegt eine bilaterale Leistenhernie vor. Jungen sind 5- bis 8 mal häufiger betroffen als Mädchen (Stein und Schröder 2011).

Symptome und Diagnostik

Bei der asymptomatischen Leistenhernie findet sich eine passagere Schwellung im Bereich der Leiste, die bis ins Skrotum bzw. in die Labien reichen kann. Beim offenen Processus vaginalis mit Hydrozele kommt es zu einer zunehmenden Schwellung des Skrotums, insbesondere während des Tages. Der Flüssigkeitsinhalt lässt sich meist unter leichtem Druck in das Abdomen entleeren.
Circa 10–15 % der Kinder haben eine symptomatische Leistenhernie mit Einklemmung von Darm. Bei Frühgeborenen und innerhalb der ersten zwei Lebensmonate ist die Inzidenz einer symptomatischen Leistenhernie mit bis zu 30 % deutlich höher (Stein und Schröder 2011).
Bei der klinischen Untersuchung kann man gelegentlich den Darm tasten bzw. bei Anspannung der Bauchdecken eine Vorwölbung beobachten und palpieren. Findet man bei der klinischen Untersuchung einen unauffälligen Befund, so schließt das eine Hernie jedoch nicht aus. Hier ist die Anamnese führend. In jedem Fall sollte eine Sonographie erfolgen. Hier kann der Darm, die Hydrozele und meist auch der offene Processus vaginalis eindeutig dargestellt werden. Sie ist die diagnostische Methode der Wahl.

Therapie

Bei einer asymptomatischen Hydrozele ohne Darminhalt als Folge eines noch offenen Processus vaginalis (indirekte Hernie) kann zunächst abgewartet werden, da dieser bis Ende des 2. Lebensjahres obliterieren kann. Eine Indikation zur Operation besteht bei Persistenz über das 2. Lebensjahr hinaus. Die Operation kann entweder offen über einen Leistenschnitt oder laparoskopisch erfolgen. Bei den offenen Techniken wird der Bruchsack durchtrennt, teilweise abgetragen und verschlossen. Bei den Jungen hat sich die Technik nach Ferguson und McVay bewährt. Bei Mädchen wird entsprechend der Empfehlung von Bastianelli der ligierte Bruchsackstumpf unter dem Musculus obliquus internus fixiert. Bei den laparoskopischen Techniken wird der innere Leistenring durch eine nicht resorbierbare Naht verschlossen wird. Mittlerweile haben sich hier verschiedene Techniken etabliert (Esposito et al. 2016). In einer Metaanalyse aus dem Jahre 2019 zeigten sich keine wesentlichen Unterschiede zwischen den laparoskopischen und offenen Techniken in Bezug auf Rezidivrate, OP-Zeit und Hodenatrophie. Die laparoskopischen Techniken wiesen eine höher Wundinfektionsrate auf, die offen Techniken eine höhere Rate an iatrogenen Aszensus des Hodens. (Kantor et al. 2019).
Bei einer symptomatischen Leistenhernie sollte zunächst versucht werden, den Bruch zu reponieren und dann zeitnah operativ zu versorgen. Die Komplikationsrate ist bei der verzögerten Versorgung deutlich geringer als bei der akuten. Die operative Versorgung sollte dennoch zügig erfolgen, da es erneut zur Einklemmung kommen kann. Bei Frühgeborenen mit einer reponierbaren Leistenhernie sollte diese erst versorgt werden, wenn die Säuglinge in einem stabilen Zustand sind.

Intraoperative Besonderheiten

Neben Dünn- und Dickdarm, Appendix, Meckel-Divertikel und Omentum kann sich auch ein Teil der Blase, ein ventrikulo-peritonealer Shunt oder Dialysekatheter, Nebennierengewebe oder ein überzähliger Hoden im Bruchsack finden. Bei den Mädchen findet man in bis zu 4 % ein nicht reponierbares Ovar (davon ca. 25 % torquiert). Bei (phänotypischen) Mädchen kann überraschend ein Hoden im Bruchsack entdeckt werden. Hier handelt es sich um Patienten mit einem kompletten Androgeninsensitivitätssyndrom (siehe auch Kap. „Varianten der sexuellen Differenzierung/DSD“).
Bei Jungen mit einer Variante der sexuellen Differenzierung aufgrund mangelhafter Produktion von Anti-Müller-Hormon durch die Leydigzellen bzw. einem entsprechenden Rezeptordefekt können sich im Bruchsack persistierende Strukturen des Müller’schen-Gangs (Uterus und Tube) befinden („Hernia uteri inguinale“) (siehe auch Kap. „Varianten der sexuellen Differenzierung/DSD“).

Zusammenfassung

Hodenhochstand
  • 1,8–4,8 % der reifgeborenen männlichen Säuglinge haben einen Hodenhochstand, Frühgeborene in 20–30 %.
  • In den ersten sechs Lebensmonaten kann es bei bis zu 70 % zu einem spontanen Deszensus kommen, sodass am Ende des 1. Lebensjahres bei nur noch ca. 1–1,6 % einen Hodenhochstand vorliegt.
  • Bei nicht skrotaler Position besteht das Risiko für eine Einschränkung der Fertilität und ein erhöhtes Risikos für die Entwicklung eines malignen Hodentumors.
  • Beide Risiken sind zeitabhängig, d. h. je eher die Therapie erfolgt, desto weniger ausgeprägt sind die möglichen Spätfolgen.
  • Eine Therapie sollte zwischen dem 6. und 12., spätestens jedoch zum 18. Lebensmonat abgeschlossen sein.
  • Pendelhoden bedürfen im Gegensatz zum Gleithoden keiner Therapie. Sie sollten beobachtet werden, da ein erhöhtes Risiko für eine sekundäre Aszension besteht.
  • Die Inzidenz einer sekundären Aszension liegt bei ca. 1,5–1,6 %. Sie ist von der sekundären iatrogenen Aszension (z. B. nach Herniotomie) zu unterscheiden.
  • Der hochauflösende Ultraschall hat eine hohe Spezifität bei allerdings geringerer Sensitivität Er sollte beim nicht tastbaren Hoden eingesetzt werden.
  • Eine Hormontherapie kann bei einem Gleithoden mit dem Ziel des Deszensus im ersten Lebensjahr erfolgen.
  • Bei einem bilateralen Befund kann eine neoadjuvante GnRH-Therapie zu einer Verbesserung des Keimzellpools führen. Nach dem 1. Lebensjahr sollte keine Hormontherapie mehr durchgeführt werden.
  • Beim Gleit- bzw. tiefen Leistenhoden stellt der skrotale Zugang eine valide Alternative zum traditionellen inguinalen Zugang dar.
  • Beim nicht tastbaren und sonografisch nicht detektierbaren Hoden ist die Laparoskopie die Methode der Wahl zur Diagnostik und Therapie.
  • Eine Nachsorge sollte mindestens im ersten postoperativen Jahr erfolgen, um eine nicht adäquate Lage bzw. einen Re-Aszensus und/oder ein insuffizientes Hodenwachstum zu detektieren.
  • Ab dem 15. Lebensjahr sollten die Patienten zur regelmäßigen Selbstuntersuchung angehalten werden, um frühzeitig einen sehr selten auftretenden Hodentumor zu detektieren.
Kindliche Leistenhernie
  • Kindliche Leistenhernien werden in direkte und indirekte Hernien eingeteilt.
  • 0,8–4,4 % der Neugeborenen haben eine angeborene indirekte Hernie bzw. eine Hydrozele.
  • Bei der asymptomatischen Leistenhernie findet sich eine passagere Schwellung im Bereich der Leiste.
  • 10–15 % der Kinder haben eine symptomatische Leistenhernie mit Einklemmung von Darm oder anderen Strukturen.
  • Bei einer asymptomatischen Hydrozele als Folge eines noch offenen Processus vaginalis (indirekte Hernie) kann zunächst abgewartet werden, da dieser bis Ende des 2. Lebensjahres obliterieren kann, solange sich sonographisch kein vorgefallener Darm zeigt. Eine Indikation zur Operation besteht bei Persistenz über das 2. Lebensjahr hinaus.
  • Die Operation kann entweder offen über einen Leistenschnitt oder laparoskopisch erfolgen.
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