Skip to main content
Die Urologie
Info
Publiziert am: 11.12.2014

Maligne Tumoren der Harnblase

Verfasst von: Christian Bolenz und Thomas Martini
Das Urothelkarzinom ist der häufigste maligne Tumor der Harnblase. Es kann als reines urotheliales Karzinom auftreten oder zusätzliche atypische Wachstums- und Differenzierungsmuster aufweisen. Primäre maligne Harnblasentumoren können jedoch auch nichturothelialen Ursprungs sein oder als sekundäre Tumoren im Sinne einer Metastasierung durch Primärtumoren anderer Organe auftreten. Nichturotheliale Harnblasenkarzinome sind häufig mit einer schlechten Prognose assoziiert, die Therapie der Wahl ist in den meisten Fällen die radikale Zystektomie. Multimodale Therapieansätze könnten die Prognose der Patienten verbessern, jedoch bleibt deren Rolle aufgrund der spärlichen Datenlage zu diesen selteneren Tumoren bisher ungeklärt.

Einteilung

In der Harnblase treten maligne Tumoren epithelialen und mesenchymalen Ursprungs auf. Etwa 95 % aller malignen Tumoren der Harnblase gehen vom Übergangsepithel (Urothel) aus, dementsprechend werden sie als Urothelkarzinome bezeichnet. Zur Einteilung maligner Harnblasentumoren, Tab. 1.
Tab. 1
Einteilung maligner Harnblasentumoren (mod. nach der WHO-Klassifikation von 2004, (Eble et al. 2004))
   
Differenzierungs-/Wachstumsmuster
Primärtumoren
Urotheliale Tumoren
Urothelkarzinom
- Plattenepitelial
- glandulär
- trophoblastisch
- klarzellig
- nestartig
- mikrozystisch
- mikropapillär
- lymphoepitheliomartig
- lymphomartig
- plasmazytoid
- sarkomatoid
- riesenzellartig
- fettzellig
- undifferenziert
 
Nichturotheliale Tumoren
Plattenepithelkarzinom
- ohne Schistosomiasis
Glanduläre Karzinome
 
 
- Nicht-Urachuskarzinom
- Unspezifisch
- enteral
- muzinös
- siegelringzellig
- klarzellig
- hepatoid
- Mischformen
Neuroendokrine Tumoren
- Kleinzelliges Karzinom
- Karzinoidtumor
Diverse seltene Tumoren
- Sarkom
- Lymphom
Sekundäre Tumoren/Metastasen
  
- Abhängig vom Primärtumor (meist Adenokarzinome)
Sowohl das Urothelkarzinom als eigene Entität als auch seltenere Formen maligner Harnblasentumoren zeigen ein sehr heterogenes tumorbiologisches Verhalten sowie ein unterschiedliches Ansprechen auf Therapien. Primärtumoren der Harnblase sind von Harnblasenmetastasen, die die Harnblase sekundär befallen, zu unterscheiden. Die häufigsten Primärlokalisationen maligner Tumoren anderer Organe, die zu Harnblasenmetastasen führen, sind die Prostata, das Kolon sowie die inneren weiblichen Genitalorgane. Auch Primärtumoren der Lunge, der weiblichen Brust, der Nieren und des Magens können in die Harnblase metastasieren. Eine Untersuchung von insgesamt 5.533 Harnblasenpräparaten nach einer operativen Entfernung hat ergeben, dass es sich bei 2,3 % der Tumoren um sekundäre Neoplasien der Harnblase handelt (Bates und Baithun 2000).
Häufigkeit maligner Tumoren der Harnblase
  • Primäre maligne Harnblasentumoren: in absteigender Häufigkeit Urothelkarzinom, Plattenepithelkarzinom, Adenokarzinom, neuroendokrines Karzinom sowie weitere seltene Formen.
  • Sekundäre maligne Harnblasentumoren (Harnblasenmetastasen): meist Adenokarzinome; entsprechende Primärtumoren im Kolon bzw. Rektum, der Prostata und der Cervix uteri.

Urotheliale Neoplasien

Urotheliale Neoplasien sind die häufigsten malignen Harnblasentumoren und bilden eine sehr heterogene Gruppe. Sie weisen ein unterschiedliches Malignitätspotenzial auf. Das Urothelkarzinom ist die häufigste urotheliale Neoplasie. Mehr als 95 % aller Harnblasenkarzinome sind Urothelkarzinome oder verschiedene Varianten davon. Obwohl nahezu alle Karzinome der Harnblase ursprünglich vom Urothel ausgehen, ist die spezifische Pathogenese verschiedener Varianten oder Subformen mit partieller oder kompletter nichturothelialer Differenzierung weitgehend unklar. Während nichtinvasive Tumoren meistens transurethral endoskopisch behandelt werden können, besteht die Therapie muskelinvasiver maligner Harnblasentumoren unabhängig von ihrer Morphologie in einer kompletten Resektion mittels radikaler Zystektomie und pelviner Lymphadenektomie. Die Rolle neoadjuvanter oder adjuvanter Therapien könnte die Prognose verbessern, diese werden bisher selten durchgeführt.
Wichtig
Trotz unterschiedlicher Pathogenese und Tumorbiologie besteht die Therapie der Wahl der verschiedenen Varianten bzw. Subformen muskelinvasiver Harnblasenkarzinome in der möglichst frühzeitigen radikalen Zystektomie mit bilateraler pelviner Lymphadenektomie.
Das Urothel kann zahlreiche nicht maligne Veränderungen aufweisen, wie z. B. Denudierungen, entzündliche Reaktionen und Hyperplasien:
  • Reaktive Urothelveränderungen sind Folge einer Urozystitis, die z. B. nach einer Instillationstherapie mit BCG, einer intravesikalen Chemotherapie oder nach einer Radiotherapie entstehen können (Gaisa und Lindemann-Docter 2013).
  • Bei einer Hyperplasie ist das Urothel verdickt und weist mikroskopisch in der Regel mehr als 10 Zellschichten auf. Die Zellarchitektur zeigt keine malignen Veränderungen.
  • Die urotheliale Dysplasie hingegen ist gekennzeichnet durch eine transformierte Architektur des Urothels, die typische Zellschichtung geht verloren, während das Urothel in seiner Dicke meistens nicht verändert ist. Da die Urothelzellen bei einer Dysplasie maligne Charakteristika (z. B. irreguläre Zellkerne) zeigen können, werden Dysplasien auch als intraurotheliale Low-grade-Läsionen bezeichnet.
  • Die histomorphologischen Übergänge zu einem Carcinoma in situ (CIS) sind fließend, während bei einem CIS eindeutige nukleäre Atypien vom High-grade-Typ vorliegen müssen.
Morphologisch werden nichtinvasive Urothelveränderungen in flache und papilläre Läsionen unterteilt. Flache Läsionen wiederum können in oben genannte entzündliche Veränderungen, in Low-grade-Neoplasien (Dysplasien) und in High-grade-Neoplasien (Carcinoma in situ, CIS) unterteilt werden. In einem CIS bestehen instabile Zell-Zell-Verbindungen, sodass die Zellen abschilfern und im Urin nachgewiesen werden können. Dies ist ein Grund für die relativ hohe Sensitivität der Urinzytologie beim Vorliegen eines CIS.
Anhand ihres Differenzierungsgrades können die Urothelkarzinome ebenfalls unterteilt werden. Es gelten ein 3-stufiges Grading-System (G1-G3) der WHO von 1973 sowie parallel ein im Jahr 2004 überarbeitetes 2-stufiges System (low grade und high grade). Letzteres basiert auf der zunehmenden Erkenntnis, dass es genetisch stabile und genetisch instabile Urotehlkarzinome gibt:
  • High-grade-Tumoren zeigen häufig p53-Mutationen mit nachfolgenden chromosomalen Aberrationen.
  • Genetisch stabilere Low-grade-Neoplasien sind eher durch eine Deletion des Chromosoms 9 und FGFR(fibroblast growth factor receptor 3)-Mutationen charakterisiert und zeigen keine wesentlichen chromosomalen Veränderungen (Gaisa und Lindemann-Docter 2013). Sie ähneln den urothelialen Ursprungszellen und sind zytomorphologisch oft nur schwer erfassbar.
  • Zusätzlich beschreibt die WHO-Klassifikation von 2004 die neue Entität der papillären Urothelneoplasie mit geringem Malignitätspotenzial (low malignant potential, PUNLMP). Diese Läsionen zeigen papillär konfigurierte Urothelzellen ohne zytomorphologische Malignitätskriterien. Sie sind dennoch nicht als komplett benigne Läsionen anzusehen und zeigen eine Rezidivrate von 27–47 % sowie eine Progression bis zum invasiven Karzinom in 4–8 % der Fälle (Gaisa und Lindemann-Docter 2013).
Bei einer eindeutigen Stromainfiltration liegt ein invasives Urothelkarzinom vor. Dieses kann entweder aus einem papillären Urothelkarzinom oder aus einem CIS entstehen. Das Tumorstadium nach der TNM-Klassifikation beschreibt die Infiltrationstiefe des Urothelkarzinoms. Weiterführende Informationen zur Einteilung des Urothelkarzinoms und eine detaillierte Klassifikation, Kap. Urothelkarzinom der Harnblase: Klassifikation.

Urothelkarzinome mit zusätzlichen Differenzierungskomponenten

Urothelkarzinome zeigen häufig weitere nichturotheliale Differenzierungskomponenten.
Eine teilweise plattenepitheliale Differenzierung wird bei mehr als der Hälfte der Fälle diagnostiziert (Lopez-Beltran et al. 2007). In 16 % der Fälle zeigt sich zusätzlich eine drüsenartige (glanduläre) Differenzierung (Chang et al. 2012). Diese Entitäten werden in der Regel wie reine Urothelkarzinome behandelt, obwohl sie schlechter auf eine Chemo- oder Strahlentherapie ansprechen (Logothetis et al. 1988). Weitere seltener auftretende Komponenten von Urothelkarzinomen sind das kleinzellige Karzinom der Harnblase sowie unterschiedliche spezifische Wachstumsmuster, wie z. B. die sog. Nested-Variante . Dabei handelt es sich um ein invasives Urothelkarzinom mit unterschiedlich großen nestförmigen, vermeintlich harmlosen Wachstumsmustern. Sie treten v. a. im höheren Lebensalter auf. Morphologisch ist diese Variante von gutartigen Pathologien wie bei einer Urocystitis cystica nur schwer zu unterscheiden. Entscheidende Diagnosekriterien stellen die Invasion der Muscularis propria oder eine Gefäßinvasion dar. Daher ist eine korrekte histopathologische Diagnose oft erst an tiefen Biopsien möglich. Bezüglich des lokalrezidivfreien und krankheitsspezifischen 10-Jahres- Überlebens zeigt sich bei diesem Wachstumsmuster kein signifikanter Unterschied zum herkömmlichen Urothelkarzinom der Harnblase (Gaisa und Lindemann-Docter 2013). Die mikropapilläre Variante des Urothelkarzinoms ist hingegen meistens hoch aggressiv und morphologisch durch traubenförmige Tumorzellverbände mit umgebenden Spalträumen sowie durch zahlreiche Lymph- und Blutgefäßeinbrüche charakterisiert. Ein häufiges Vorkommen wird bei älteren Männern beschrieben, wobei die Diagnose meist bereits im muskelinvasiven Stadium erfolgt. Kennzeichnend ist ein schlechtes Ansprechen auf eine intravesikale Chemotherapie, weshalb die Durchführung einer möglichst frühzeitigen radikalen Zystektomie empfohlen wird (Black et al. 2007). Zu den weiteren möglichen Varianten eines Urothelkarzinoms zählen die kleintubulären, mikrozystischen, fettreichen, klarzelligen, plasmazytoiden, sarkomatoiden sowie riesenzellartigen Wachstumsmuster. Spindelzellige und sarkomatoid differenzierte Urothelkarzinome enthalten eine epitheliale und eine mesenchymale Komponente. Sie treten als Zwischenformen und bevorzugt in polypoider Form bei Männern über 60 Jahren auf und zeigen häufig einen großen Durchmesser mit ausgedehnten Nekrosearealen (Gaisa und Lindemann-Docter 2013). Sie sind häufig hoch aggressiv und die Prognose der betroffenen Patienten ist schlecht. Urothelkarzinome mit einer sarkomatoiden Differenzierung müssen von Karzinosarkomen differenziert werden. Des Weiteren ist differenzialdiagnostisch darauf zu achten, dass nicht maligne, sarkomatoide Reaktionen durch chronisch-entzündliche Veränderungen des Urothels auftreten können, sowie nach ausgedehnten operativen Interventionen, sofern diese innerhalb von 6 Monaten vor der Diagnosestellung durchgeführt wurden.

Nichturotheliale Neoplasien

Nichturotheliale maligne Harnblasentumoren haben eine niedrige Prävalenz. Die Inzidenzraten dieser Tumoren liegen bei 3–7 % aller Harnblasenkarzinome (Ploeg et al. 2010; Zhang et al. 2011). Die häufigsten Subgruppen bilden
  • das Plattenepithelkarzinom,
  • das Adenokarzinom
  • sowie kleinzellige neuroendokrine Tumoren der Harnblase (Tab. 1).
Die Inzidenzrate der kleinzelligen Harnblasenkarzinome nahm innerhalb der letzten 3 Jahrzehnte gering zu, während das Auftreten der anderen Subtypen abnahm (Abb. 1). Aufgrund der Seltenheit dieser Tumoren und des Fehlens prospektiver Studien konnten bisher kaum standardisierte Therapien etabliert werden. Generell scheint die Prognose der betroffenen Patienten schlechter zu sein als bei Vorliegen eines Urothelkarzinoms (Ploeg et al. 2010). Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass Patienten mit nichturothelialen Harnblasenkarzinomen zum Zeitpunkt der Diagnose häufig lokal fortgeschrittene Tumoren aufweisen.
Plattenepithelkarzinom
Von den nichturothelialen Subtypen der malignen Harnblasentumoren tritt das Plattenepithelkarzinom am häufigsten auf (Abb. 2). In Mitteleuropa findet es sich bei weniger als 5 % aller Harnblasenkarzinome. Deutlich höher sind die Raten jedoch in Teilen des mittleren Ostens sowie in Afrika. Der Hauptgrund für die höhere Prävalenz ist eine endemische Verbreitung der Infektion mit Schistosomen. Das Plattenepithelkarzinom aufgrund einer Schistosomiasis wird in Ägypten am häufigsten beobachtet (Ghoneim et al. 1997). Der Parasit deponiert seine Eier in der Harnblasenwand. Die dadurch ausgelöste Entzündungsreaktion prädisponiert die Patienten für das Auftreten eines Plattenepitelkarzinoms. Das Durchschnittsalter zum Zeitpunkt der Diagnosestellung liegt bei 46 Jahren. Die Erkrankung tritt somit etwa 10–20 Jahre früher auf als Plattenepitelkarzinome, die nicht mit einer Bilharziose assoziiert sind (El-Boulkany et al. 1972a). Leider finden sich überwiegend lokal fortgeschrittene Tumoren. Trotz radikaler Zystektomie erreicht nur etwa ein Viertel der Patienten ein Langzeitüberleben über 5 Jahre nach der Operation. Der Einsatz neoadjuvanter Therapien (Radiatio oder Chemotherapie) könnte die Prognose verbessern, jedoch fehlen noch überzeugende Daten, die deren standardisierte Durchführung rechtfertigen.
Das Plattenepithelkarzinom der Harnblase, das nicht mit einer Bilharziose assoziiert ist, wird bei bis zu 5 % der Patienten, die radikale zystektomiert werden, beobachtet. Der Anteil an Patienten mit einem Urothelkarzinom, das eine zumindest partielle plattenepitheliale Differenzierung zeigt, ist jedoch höher. In den USA erkranken Patienten mit neurogenen Blasenentleerungsstörungen aufgrund von Rückenmarkserkrankungen am häufigsten an dieser Entität. Als Risikofaktoren gelten in solchen Fällen chronische Harnwegsinfekte im Rahmen rezidivierender Zystitiden meist aufgrund einer Dauerkatheterversorgung, Harnblasensteine oder Harnblasendivertikel (Cohen et al. 2000). Obwohl die Inzidenz von Plattenepithelkarzinomen bei Patienten mit neurogener Blasenentleerungsstörung bei <1 % liegt, wird eine engmaschige Beobachtung dieser Patienten insbesondere bei Dauerkatheterversorgung oder bei Vorhandensein zusätzlicher Risikofaktoren, wie z. B. einer Raucheranamnese, empfohlen.
Cave
Im Falle des Auftretens einer Mikro- oder Makrohämaturie muss ein Harnblasenkarzinom ausgeschlossen werden.
Die reinen Plattenepithelkarzinome der Harnblase haben eine schlechte Prognose. Die meisten Patienten versterben innerhalb von 1–3 Jahren. Dies ist bedingt durch einen hohen Anteil bereits lokal fortgeschrittener Tumoren bei der Diagnosestellung sowie durch eine damit zusammenhängende hohe Lokalrezidivrate nach einer operativen Therapie (Jones et al. 1980).
Adenokarzinom
Adenokarzinome sind die zweithäufigste Entität nichturothelialer Harnblasenkarzinome. Sie können in
  • primäre Adenokarzinome,
  • und sekundäre Adenokarzinome (Metastasen) unterteilt werden.
Primäre Adenokarzinome der Harnblase sind eine Folge metaplastischer Veränderungen des Urothels, die unter anderem durch chronisch-irritative Reize und Entzündungen verursacht werden. Die Tumoren können unterschiedlich differenziert und schleimbildend sein (Abb. 3). Selten lässt sich ein siegelringzellartiges Aussehen beobachten. Klarzellige Adenokarzinome können ihren Ursprung auch in Endometrioseherden haben und gleichen ihrer Morphologie nach den entsprechenden Anteilen des weiblichen Genitaltraktes. Adenokarzinome können außerdem in Harnableitungen sowie in mit Darm augmentierten Harnblasen auftreten. Ein sehr hohes Risiko für die Entwicklung eines primären Adenokarzinoms der Harnblase haben Patienten mit einer Blasenextrophie.
Eine seltene Differenzialdiagnose des Adenokarzinoms der Harnblase ist das nephrogene Adenom. Dieser nicht primär maligne Tumor findet sich gelegentlich nach ausgeprägten Manipulationen, Steinbildung oder Vorbehandlungen in der Harnblase, wie z. B. nach Instillationstherapie mit BCG. Da nephrogene Adenome zystoskopisch maligne papilläre Tumoren imitieren können und im Blaulicht fluoreszieren, erschweren sie bei einer photodynamischen Diagnostik die Interpretation der Befunde und tragen zu einer erhöhten Rate falsch-positiver Befunde bei.
Urachuskarzinome sind ebenfalls selten und treten bei weniger als 1 % aller Harnblasentumoren auf. Die in der Regel jüngeren Patienten (Durchschnittsalter bei Diagnosestellung etwa 50 Jahre) haben meist eine schlechtere Prognose als jene mit einem Urothelkarzinom der Harnblase oder jene mit primärem Adenokarzinom. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass die Symptomatik aufgrund der primär extravesikalen Tumorlokalisation häufig erst in fortgeschrittenen Tumorstadien auftritt und die Diagnose spät gestellt wird (Abb. 4). Es existieren verschiedene Klassifikationssysteme für das Urachuskarzinom. Die Stadien reichen von einer Begrenzung des Tumors auf die Schleimhaut des Urachus (Stadium I) bis hin zum Vorliegen regionaler Lymphknoten- oder Fernmetastasen (Stadium IV) (Sheldon et al. 1984). Die Therapie der Wahl in nicht fernmetastasierten Stadien ist chirurgisch. Es sollte eine komplette Resektion des Nabels inklusive der dorsal anliegenden Rektusfaszie sowie je nach Ausdehnung des Befundes eine partielle oder radikale Zystektomie mit einer pelvinen Lymphadenektomie durchgeführt werden.
Neuroendokrine Tumoren
Neuroendokrine Tumoren treten ebenfalls als eigene Entität sowie in Zusammenhang mit anderen Formen von Harnblasenkarzinomen auf.
Die häufigste Unterform dieser Gruppe ist das kleinzellige Karzinom, das vom Urothel ausgeht und häufig hoch aggressiv ist (Abb. 5). Nur in etwa einem Drittel der Fälle tritt das Karzinom als rein kleinzelliges Karzinom auf (Black et al. 2007). Es ist bisher nicht eindeutig geklärt, aus welchem Zelltyp es ausgeht. Möglicherweise bilden neuroendokrine Stammzellen oder dendritische Zellen die Vorläuferzellen, die eine maligne Transformation durchlaufen. Manche kleinzellige Tumoren zeigen einen Mischtyp mit charakteristischen Zellen eines Urothelkarzinoms innerhalb desselben Tumors. Häufig besteht bereits in einem frühen Stadium ein invasives Karzinom mit einer Muskelinvasion der Harnblasenwand. Wenn ein kleinzelliges Karzinom histopathologisch gesichert ist, sollte an eine mögliche Metastasierung gedacht und das Vorhandensein eines möglichen Primärtumors in anderen Organen ausgeschlossen werden. Mögliche Lokalisationen des Primärtumors sind die Prostata sowie die Lunge (Swanson et al. 1988). Für kleinzellige Karzinome der Harnblase wurde eine neoadjuvante Strategie in kurativer Intention postuliert (Sved et al. 2004). Nach Durchführung einer neoadjuvanten Chemotherapie kann entschieden werden, ob der Tumor in der Harnblase durch eine partielle oder radikale Zystektomie chirurgisch therapiert wird. Eine lokale Therapie erscheint insbesondere bei den Patienten sinnvoll, die auf eine neoadjuvante oder Chemotherapie angesprochen haben bzw. keinen Progress unter der Chemotherapie gezeigt haben. Mit diesem Konzept wurden Heilungsraten von bis zu 65 % der Patienten beschrieben. Diese liegen deutlich höher als das mittlere Überleben von etwa 13 Monaten nach alleiniger lokaler Therapie.
Maligne Tumoren des Bindegewebes können ebenfalls in der Harnblase auftreten. Innerhalb dieser Gruppe sind Sarkome der Harnblase die häufigsten Harnblasentumoren nichtepitehlialen Ursprungs. Etwa die Hälfte der Harnblasensarkome sind Leimyosarkome. Außerdem finden sich seltener Rhabdomyosarkome, Angio-, Osteo und Karzinosarkome (Parekh et al. 2002):
  • Das Leiomyosarkom als häufigster mesenchymaler Tumor der Harnblase bei Erwachsenen tritt bei Männern etwa doppelt so häufig auf wie bei Frauen. Zystoskopisch erscheint der Tumor als suburothelialer Knoten oder als ulzerierende Raumforderung. Histopathologisch zeigen sich spindelzellartige Differenzierungen in parallelen Bündeln. Leiomyosarkome der Harnblase erfordern eine radikale operative Therapie. Die krankheitsspezifische 5-Jahres-Überlebensrate beträgt etwa 62 % (Rosser et al. 2003).
  • Rhabdomyosarkom e der Harnblase können in jeder Altersgruppe vorkommen. Am häufigsten treten sie jedoch bei jungen Kindern auf. Diese embryonalen Rhabdomyosarkome bei Kindern produzieren typischerweise polypoide Läsionen des Harnblasenbodens. Es gehen charakteristische chromosomale Abberationen mit diesem Tumor einher (z. B. Verlust des Chromosoms 11p). Rhabdomyosarkome sind hoch aggressiv. Sie sprechen nur schlecht auf eine Radio- oder Chemotherapie an. Die Prognose ist generell schlecht. Eine radikale chirurgische Therapie ist bei lokal begrenzten Sarkomstadien erforderlich.
  • Karzinosarkom e der Harnblase sind ebenfalls hoch aggressive Tumore, bestehend aus einer Mischform mesenychmaler und epithelialer Komponenten. Es handelt sich um rasch wachsende Neoplasien. Die epitheliale Komponente besteht meistens aus einem Urothelkarzinom, Plattenepithelkarzinom oder Adenokarzinom. Die mesenchymale Komponente kann verschiedene Sarkomanteile beinhalten. Diese Tumorentitäten treten selten auf. Der Altersgipfel liegt bei Männern zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr.
Das häufigste Erstsymptom der Bindegewebstumoren ist analog zum Urothelkarzinom der Harnblase eine schmerzlose Makrohämaturie. Grundsätzlich ist die Prognose dieser Entitäten trotz aggressiver Therapie (radikale Zystektomie, Radiatio und/oder Chemotherapie) schlecht (Lopez-Beltran et al. 1998).
Sehr seltene maligne Harnblasentumoren
  • Pseudotumor
  • Lymphom
  • Nichtepitheliale Tumoren: Neurofibrom, Phäochromozytom
  • Plasmozytom, Myoblastom, Chorionkarzinom, Dottersacktumor

Zusammenfassung

  • Das Urothelkarzinom ist der häufigste maligne Harnblasentumor.
  • Nichturothelkarzinome können als Primärtumoren oder sekundäre Harnblasentumoren im Sinne einer Metastasierung in der Harnblase auftreten.
  • Das Plattenepitelkarzinom ist der häufigste maligne, nichturotheliale Primärtumor der Harnblase.
  • Eine chronische Entzündung der Harnblase, z. B. durch eine Infektion mit Schistosomen oder eine chronische Irritation bei Dauerkathererableitung ist prädisponierend für die Entwicklung eines Plattenepithelkarzinoms.
  • Die radikale Zystektomie ist die Therapie der Wahl für die meisten Patienten mit einem nichturothelialen Harnblasenkarzinom unabhängig von dessen Ätiologie. Die Rolle neoadjuvanter oder adjuvanter Therapien ist unklar.
  • Bei Patienten mit einem Urachuskarzinom sollte eine En-bloc-Resektion des Nabels, des gesamten Urachus mit den dorsalen Anteilen der Rektusfaszie sowie eine partielle oder radikale Zystektomie durchgeführt werden.
  • Bei Vorliegen nichturothelialer Harnblasenkarzinome (insbesondere beim Adenokarzinom und kleinzelligen Tumoren) sollte zum Ausschluss einer Metastasierung eine Primärtumorsuche mit entsprechender Bildgebung erfolgen.
Literatur
Amin MB1, McKenney JK, Paner GP, Hansel DE, Grignon DJ, Montironi R, Lin O, Jorda M, Jenkins LC, Soloway M, Epstein JI, Reuter VE (2013) ICUD-EAU International Consultation on Bladder Cancer 2012: Pathology. Eur Urol 63(1):16–35. doi:10.1016/j.eururo.2012.09.063. Epub 2012 Oct 5.
Bates AW, Baithun SI (2000) Secondary neoplasms of the bladder are histological mimics of nontransitional cell primary tumours: clinicopathological and histological features of 282 cases. Histopathology 36:32–40CrossRefPubMed
Black PC, Brown GA, Dinney CP (2007) Clinical and therapeutic significance of aberrant differentiation patterns in bladder cancer. Expert Rev Anticancer Ther 7:1015–1026CrossRefPubMed
Chang WC, YH C, Pan CC (2012) Prognostic significance in substaging of T1 urinary bladder urothelial carcinoma on transurethral resection. Am J Surg Pathol 36:454–461CrossRefPubMed
Cohen SM, Shirai T, Steineck G (2000) Epidemiology and etiology of premalignant and malignant urothelial changes. Scand J Urol Nephrol Suppl 205:105–115CrossRefPubMed
Eble JN et al (2004) World Health Organisation classification of tumours. Tumours of the urinary system and male genital organs. IARC Press, Lyon, S 90–109
El-Boulkany MN, Ghoneim MA, Mansour MA (1972b) Carcinoma of the bilharzial bladder in Egypt. Clinical and pathological features. Br J Urol 44:561–570CrossRefPubMed
El-Boulkany MN, Ghoneim MA, Mansour MA (1972a) Carcinoma of the bilharzial bladder in Egypt. Clinical and pathological features. Br J Urol 44:561–570CrossRefPubMed
Gaisa Nt, Lindemann-Docter K (2013) [Non-invasive and invasive urothelial tumours: special challenges in uropathological diagnostics]. Der Urologe. Ausg. A 52:949–957
Ghoneim MA, El-Mekresh MM, El-Baz MA et al (1997) Radical cystectomy for carcinoma of the bladder: critical evaluation of the results in 1,026 cases. J Urol 158:393–399CrossRefPubMed
Jones MA, Bloom HJ, Williams G et al (1980) The management of squamous cell carcinoma of the bladder. Br J Urol 52:511–514CrossRefPubMed
Logothetis CJ, Johnson DE, Chong C et al (1988) Adjuvant cyclophosphamide, doxorubicin, and cisplatin chemotherapy for bladder cancer: an update. J Clin Oncol Off J Am Soc Clin Oncol 6:1590–1596
Lopez-Beltran A, Pacelli A, Rothenberg HJ et al (1998) Carcinosarcoma and sarcomatoid carcinoma of the bladder: clinicopathological study of 41 cases. J Urol 159:1497–1503CrossRefPubMed
Lopez-Beltran A, Requena MJ, Alvarez-Kindelan J et al (2007) Squamous differentiation in primary urothelial carcinoma of the urinary tract as seen by MAC387 immunohistochemistry. J Clin Pathol 60:332–335PubMedCentralCrossRefPubMed
Parekh DJ, Jung C, O'Conner J et al (2002) Leiomyosarcoma in urinary bladder after cyclophosphamide therapy for retinoblastoma and review of bladder sarcomas. Urology 60:164CrossRefPubMed
Ploeg M, Aben KK, De Hulsbergen-Van KC et al (2010) Clinical epidemiology of nonurothelial bladder cancer: analysis of the Netherlands Cancer Registry. J Urol 183:915–920CrossRefPubMed
Rosser CJ, Slaton JW, Izawa JI et al (2003) Clinical presentation and outcome of high-grade urinary bladder leiomyosarcoma in adults. Urology 61:1151–1155CrossRefPubMed
Shanks JH und Iczkowski KA (2009) Divergent differentiation in urothelial carcinoma and other bladder cancer subtypes with selected mimics. Histopathology. 54(7):885–900. doi:10.1111/j.1365-2559.2008.03167.x. Epub 2008 Oct 30.
Sheldon CA, Clayman RV, Gonzalez R et al (1984) Malignant urachal lesions. J Urol 131:1–8PubMed
Sved P, Gomez P, Manoharan M et al (2004) Small cell carcinoma of the bladder. BJU Int 94:12–17CrossRefPubMed
Swanson PE, Brooks R, Pearse H et al (1988) Small cell carcinoma of urinary bladder. Urology 32:558–563CrossRefPubMed
Zhang Y, Zhu C, Curado MP et al (2011) Changing patterns of bladder cancer in the USA: evidence of heterogeneous disease. BJU Int 109:52–56PubMedCentralCrossRefPubMed