Skip to main content
Die Urologie
Info
Verfasst von:
Philip Zeuschner, Stefan Siemer und Michael Stöckle
Publiziert am: 31.03.2022

Nierenspende und Transplantation

Minimal-invasive Operationstechniken finden in den letzten Jahren auch zunehmend bei der Nierenentnahme zur Lebendspende und Nierentransplantation Anwendung, die zu den technisch und psychologisch komplexesten Eingriffen der Urologie zählen. Bei der Donornephrektomie gelten minimal-invasive Techniken heute als Standard. Sie wird am häufigsten transperitoneal laparoskopisch durchgeführt, Roboter-assistiert sind mindestens gleichwertige Ergebnisse möglich. Demgegenüber konnte sich die rein laparoskopische Nierentransplantation nicht durchsetzen, was mit der nur eingeschränkten Beweglichkeit der Instrumente und der langen Lernkurve zu erklären ist. Die Roboter-assistierte Nierentransplantation hingegen hat sich in einigen spezialisierten Zentren etabliert und scheint der offenen Nierentransplantation bei der Lebendspende womöglich überlegen zu sein, wobei noch größere Fallzahlen mit längerem Follow-Up nötig sind.

Einleitung

Die Nierentransplantation bietet Patienten im Endstadium der terminalen Niereninsuffizienz eine längere Lebenserwartung und auch eine bessere Lebensqualität als die Dialyse (Collins et al. 2015). Bis vor wenigen Jahren war für die Durchführung einer Nierentransplantation nur der offene Zugangsweg verfügbar. Dieser Zugangsweg hat aber gerade in der Transplantationschirurgie größere Nachteile als bei anderen Operationen: Aufgrund der postoperativen Immunsuppression – im Regelfall auch noch verbunden mit einer ausgeprägten Multimorbidität – besteht ein signifikantes Risiko von Wundheilungsstörungen, nicht selten einhergehend mit Narbenhernien, deren Inzidenz mit 1,1 bis 7 % angegeben wird (Simson et al. 2018).
Als Risikofaktoren gelten neben der Immunsuppression die Wundinfektion, eine beeinträchtigte Gewebsqualität als Ergebnis des Grundleidens sowie das neuromuskuläre Trauma der offenen Operation, insbesondere durch die Notwendigkeit eines Retraktors (Ooms et al. 2016). Ähnliches gilt auch für Lymphozelen, eine relativ häufige Komplikation nach Nierentransplantation, deren Behandlung im Regelfall deutlich problematischer ist als die einer Lymphozele nach pelviner Lymphknotenentfernung (Golriz et al. 2017). Das Übergewicht vieler Transplantationspatienten potenziert solche Probleme. Auch wenn früher ein Body Maß Index (BMI) von über 35 als absolute Kontraindikation für eine Nierentransplantation angesehen wurde, gibt es hierzu in aktuellen Leitlinien keinen klaren Grenzwert mehr, es wird aber empfohlen, präoperativ das Körpergewicht zu reduzieren, um Komplikationen zu vermeiden (Werner et al. 2003; Hill et al. 2015; Lafranca et al. 2015; Lentine et al. 2017; Breda et al. 2019). Auch fettleibige Patienten werden im Zweifelsfall vom minimal-invasiven Zugang sehr profitieren, da das Risiko von Wundheilungsstörungen gerade bei dieser Patientengruppe deutlich reduziert werden kann.
Sowohl die Lebendspende-Nieren-Entnahme wie auch die Transplantation gehören technisch, nicht zuletzt aber auch psychologisch, zu den komplexesten Eingriffen in der Urologie: Die Entnahme erfolgt an einem gesunden Menschen, und man muss Nierenvene und Nierenarterie dicht bei ihrem Abgang bzw. ihrer Einmündung absetzen, damit am Transplantat ausreichend Strecke für den Wiederanschluss an die Durchblutung bleibt. Der Eingriff ist für den Spender sicher nicht risikolos, muss aber trotzdem so durchgeführt werden, dass jenseits der Organverlustes weiterer Schaden für den Spender zuverlässig vermieden wird.

Minimal-invasive Donornephrektomie

Minimal-invasive Nierenentnahmen werden inzwischen von fast allen Transplantationzentren angeboten, im Regelfall auf konventionell-laparoskopischen Weg, und gelten heute als operativer Standard. Die Donornephrektomie kann Roboter-assistiert vs. laparoskopisch, trans- vs. retroperitoneal, handassistiert vs. nicht handassistiert, als single site surgery im LESS-Verfahren (laparoendoscopic single site surgery) oder als NOTES (natural orifice transluminal endoscopic surgery) erfolgen. Ganz unabhängig davon müssen die Ergebnisse gut bis sehr gut sein, weil der Zugangsweg bei einem so problematischen Eingriff andernfalls nicht zu rechtfertigen wäre. Die eigene Klinik gehört seit 2010 zu den wenigen, die Roboter-assistierte Entnahmen durchführen. Um potenzielle Unterschiede zwischen der Laparoskopie und Robotik herausarbeiten zu können, wurden die Ergebnisse der Homburger Klinik mit denen der Urologischen Klinik der Charité vergleichend analysiert (Zeuschner et al. 2020a). Sowohl die 52 robotischen Donornephrektomien (RDN) als auch die 205 laparoskopischen Donornephrektomien (LDN) erfolgten transperitoneal ohne Handassistenz. Während die Grafts bei der Laparoskopie durch eine auf 5–6 cm vergrößerte laterale Trokareinstichstelle geborgen wurden, erwies sich beim robotischen Vorgehen der Pfannenstiel-Schnitt als sehr schmerzhaft für die Nierenspender, weswegen auf einen GelPOINT® Trokar (Applied Medical, Los Angeles, Kalifornien, USA) gewechselt wurde (s. Abb. 1). Auch die operative Versorgung der Nierengefäße war verschieden: während laparoskopisch Hem-O-Lok- (Teleflex Medical, Morrisvile, North Carolina, USA), Titanclips und Stapler zum Einsatz kamen, wurden bei der RDN aufgrund von Problemen mit Staplersystemen vorwiegend Hem-O-Lok- und Titanclips eingesetzt. Die Verwendung von Hem-O-Lok-Clips bei der minimal-invasiven Donornephrektomie ist seit einer Warnung der FDA im Jahr 2006 aus rechtlicher Sicht sehr komplex, weswegen sie nur unter Vorsichtsmaßnahmen und einer gesonderten Risikoaufklärung des Nierenspenders erfolgen sollten (Brunotte et al. 2020; Zeuschner et al. 2020c).
Trotz dieser technischen und methodischen Unterschiede waren die operativen Ergebnisse zwischen RDN und LDN vergleichbar und weder warme Ischämiezeit, intra- und postoperative Komplikationsrate noch Verweildauer verschieden. Gleiches galt auch für die Nierenfunktion von Spender und Empfänger im Follow-Up. Auch wenn in Meta-Analysen eine kürzere Operationszeit bei der LDN beschrieben wird, war diese beim Vergleich der Homburger und Berliner Daten nicht verschieden (Wang et al. 2019; Zeuschner et al. 2020a). Es ist jedoch zu beachten, dass die Operationsdauer der Donornephrektomie von sehr vielen Faktoren beeinflusst wird. So kann die Operationszeit bspw. dadurch verlängert werden, dass die dazugehörige Nierentransplantation simultan von einem zweiten Team in einem weiteren Operationssaal durchgeführt wird, und das eine Team auf das andere „warten“ muss. Insgesamt waren nicht der operative Zugangsweg, sondern Patienten- (Raucheranamnese) und Graft-spezifische (präoperative Nierenfunktion) Faktoren für die postoperative Nierenfunktion prädiktiv. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass die Donornephrektomie heute in erfahrenen Zentren sowohl robotisch als auch laparoskopisch sicher und mit exzellenten Ergebnissen durchgeführt werden kann.

Anfänge der minimal-invasiven Nierentransplantation

Die Beweglichkeit der Instrumente ist in der Laparoskopie im Vergleich zur Robotik deutlich eingeschränkt, was insbesondere Gefäßanastomosen erschwert. Aus diesem Grund stellt die Nierentransplantation auch für erfahrene laparoskopische Operateure heute noch eine sehr große Hürde dar. Nach den ersten erfolgreichen laparoskopischen (Auto)Transplantationen im Schweinemodell im Jahr 2001 dauerte es acht Jahre, bis 2009 die erste laparoskopische Nierentransplantation (LNTPL) i. R. einer Nierenlebendspende von Rosales et al. durchgeführt wurde (Meraney et al. 2001; Rosales et al. 2010). Kurze Zeit später folgten Berichte der ersten LNTPL mit Totspende-Organen (Modi et al. 2011). Dabei transplantierten Modi et al. jeweils beide Nieren vom selben Spender, die linke laparoskopisch, die rechte klassisch in offener Technik. Anastomosen- und Operationszeiten waren laparoskopisch deutlich länger, was sich auch in einer größeren Serie mit 72 LNTPL bestätigte (Modi et al. 2013). Möglicherweise infolge der längeren Lernkurve lag sogar ein Trend zu schlechterem Graftüberleben in der laparoskopischen Gruppe vor. Letztlich hat sich die laparoskopische Nierentransplantation bis heute nicht durchsetzen können und wird von nur sehr wenigen Zentren mit einer ausgesprochen hohen laparoskopischen Expertise angeboten.
Die technische Entwicklung der Roboter-assistierten Nierentransplantation (RNTPL) begann 2002 mit der Beschreibung einer Roboter-assistierten Gefäßanastomose im Rahmen einer Nierentransplantation durch Hoznek et al. (2002). Die erste rein robotische Nierentransplantation wurde 2010 von Giulianotti et al. in den USA durchgeführt (Giulianotti et al. 2010). In diesen Anfangsjahren wurde insbesondere die Kühlung der Niere für die Zeitdauer der Gefäßanastomose als Herausforderung empfunden. Man hatte Sorge, dass sich die komplett nach intrakorporal verbrachte Niere schneller aufwärmt als bei der offenen Technik und dadurch Schaden nehmen könnte. Menon et al. entwickelten in der Folge eine standardisierte Technik mit transperitonealem Zugang und regionaler Kühlung des Transplantats (Menon et al. 2014). Die Autoren betonten, dass sich die RNTPL als eine sichere Technik mit einer Reihe von Vorteilen zu erweisen schien, darunter eine niedrige intra- und postoperative Komplikationsrate und bessere kosmetische Ergebnisse. Durch die überragenden Sichtverhältnisse erwarteten sie auch bessere funktionelle Ergebnisse aufgrund besserer und subtilerer Gefäß- und Ureteranastomosen.
In Europa wurde die erste RNTPL von Boggi et al. als Hybrid-Operation mit robotisch-assistierten Gefäßanastomosen und offener ureterovesikaler Anastomose durchgeführt (Boggi et al. 2011). Die beiden ersten reinen RNTPL erfolgten fast zeitgleich in Frankreich und Spanien durch Doumerc et al. und Breda et al. (Doumerc et al. 2015; Breda et al. 2016). Auf der Erfahrung von Breda et al. aufbauend formierte sich Ende 2015 ein europäisches Netzwerk aus zunächst acht Kliniken innerhalb der European Robotic Urology Section (ERUS) der European Association of Urology (EAU). Diese bieten die RNTPL an und sammeln ihre Ergebnisse in einer gemeinsamen Datenbank zur wissenschaftlichen Auswertung der Erfahrungen. Diesem Netzwerk gehören mit den Urologischen Universitätskliniken Halle und Homburg/Saar auch zwei deutsche Kliniken an.
Die deutsche Historie Robotisch-assistierter Nierenlebendspende-Transplantation begann im Januar 2016 mit einem Trainingskurs am Institut ORSI in Gent/Belgien: Eine Reihe interessierter Zentren mit Erfahrung in der Nierentransplantation wie auch in der Roboter-assistierten Chirurgie trainierten unter Anleitung von Alberto Breda den Eingriff am Schwein. Aus den Erfahrungen dieses Kurses entwickelten dann die beiden genannten urologischen Universitätskliniken ihr eigenes Programm zur Durchführung von Nierenlebendspende-Transplantation am Menschen. Die beiden ersten RNTPL in Deutschland fanden im Juni 2016 an der Urologischen Universitätsklinik Homburg/Saar statt, kurz darauf startete auch die Urologische Universitätsklinik Halle (Zeuschner et al. 2020b). Die Zusammenarbeit zwischen den Zentren erwies sich als ausgesprochen fruchtbar und vorteilhaft. An beiden Kliniken fanden die allerersten Eingriffe jeweils in Anwesenheit von Alberto Breda statt. Beide Zentren besuchten sich in der frühen Lernphase bei allen Eingriffen gegenseitig, sodass man die Möglichkeit hatte, aus den Anfangsproblemen, sicher auch aus den Fehlern des jeweils anderen Zentrums möglichst viel zu lernen, um dadurch die frühe Lernphase bei einem nicht ganz so häufig durchgeführten Eingriff möglichst zu optimieren.

Europaweite Erfahrungen in der RNTPL

Das aus acht Kliniken bestehende ERUS-Netzwerk hat 2018 die Ergebnisse der ersten 120 europaweit Roboter-assistierten Nierentransplantationen publiziert (Breda et al. 2018). Erfreulicherweise wurden keine Grad IV- und Grad V-Komplikationen registriert. Aufgrund einer Arterienthrombose mussten 3 (2,5 %) Transplantate wieder entfernt werden. Wegen Nachblutungen wurden 5 (4,2 %) Revisionseingriffe durchgeführt. Die Rate an schwerwiegenderen Komplikationen lag mit insgesamt 6,02 % in einem Bereich, den man auch nach offenen Nierentransplantationen erwarten würde. Da in diesen Ergebnissen die kompletten Lernkurven von acht verschiedenen europäischen Kliniken enthalten sind, erschienen die Ergebnisse sehr ermutigend und zukunftsträchtig. Darüber hinaus ist die fast komplette Elimination von Lymphozelen, die nur noch in einem einzigen Fall (0,8 %) beobachtet worden ist, als weiterer und sehr relevanter Vorteil hervorzuheben. Der mittlere Blutverlust lag bei 150 ml. Interessanterweise fand sich kein Zusammenhang zwischen der Erwärmungszeit, also dem Zeitraum zwischen dem Einbringen des Transplantats in die Bauchhöhle bis zur Freigabe der Blutperfusion und der postoperativen Nierenfunktion (beim Vergleich von Zeiten unter 48 min versus 48–55 min versus mehr als 55 min). Zu betonen ist auch, dass in dieser Serie eine Handvoll RNTPL von Totspendern eingeschlossen sind.
Noch im gleichen Jahr veröffentlichte dieselbe Gruppe die 12-Monatsergebnisse der ersten 83 von inzwischen 148 Patienten aus der europäischen Gesamtserie (Territo et al. 2018). Es war bei den bereits erwähnten drei Transplantat-Verlusten geblieben. An Langzeitkomplikationen waren bei 83 Patienten mit einer Nachbeobachtungszeit von ≥ 12 Monaten nur eine Ureterenge aufgetreten (1,2 %), die interventionell behandelt werden konnte, sowie eine antibiotisch behandelte Transplantat-Pyelonephritis (1,2 %). Das mittlere Serum-Kreatinin war mit 130 μmol/l (66–244) weitgehend unverändert gegenüber dem am postoperativen Tag 30 gemessenen Wert von 132 μmol/l (70–582). Die geschätzte glomeruläre Filtrationsrate lag nach 12 Monaten bei 57,4 ml/min (28–97) im Vergleich zu 54 ml/min (0–107) am postoperativen Tag 30. Diese Ergebnisse sind mit denen der offenen Operationstechnik vergleichbar, für die beispielsweise Nierenarterienstenose-Raten zwischen 1 % und 25 % beschrieben werden (Dimitroulis et al. 2009; Redfield et al. 2016). Auch die Ureterstenose-Rate von 1,2 % ist vergleichsweise niedrig im Vergleich zu offen operierten Patienten, bei denen solche Stenosen in 0,6 bis 10,5 % der Fälle beschrieben werden (Breda et al. 2019). Narbenhernien wurden in keinem Fall beobachtet. Die beiden Veröffentlichungen der europäischen Gruppe wurden auf den EAU-Kongressen 2018 und 2019 als beste klinisch-wissenschaftliche Arbeiten des jeweiligen Jahres ausgezeichnet. Auch das kürzlich veröffentlichte Update des ERUS-Netzwerks mit inzwischen 291 RNTPL bestätigte die exzellenten operativen Ergebnisse (Musquera et al. 2020).

Deutsche Erfahrungen

Die urologische Universitätsklinik Halle hat die Ergebnisse ihrer ersten 21 Patienten nach Roboter-assistierten Nierenlebendspende-Transplantationen im Jahr 2019 veröffentlicht (Pein et al. 2019). Es ist in keinem Fall zu einer Grad IV- oder Grad V-Komplikation gekommen, es gab auch keine Transplantatverluste. Gleiches trifft auch für die 20 Patienten zu, die in Homburg/Saar bis Ende 2020 roboter-assistiert transplantiert worden sind. Langzeitkomplikationen sind bisher keine aufgetreten (medianes Follow-Up: 2 Jahre, Range 0,1–4). Abb. 2 zeigt den Zeitverlauf der Nierenfunktion bei den Organ-Empfängern in Homburg/Saar nach RNTPL.
Für die Roboter-assistierte Nierenlebendspende-Transplantation können also Ergebnisse dokumentiert werden, die günstiger zu sein scheinen als bei der offenen Operation: Nach drei Transplantat-Verlusten in der ganz frühen Phase der Lernkurve der europäischen Gesamtgruppe sind weitere Transplantatverluste bisher nicht mehr beobachtet worden. Auch eine komplexe Gefäßversorgung stellt für die Roboter-assistierte Transplantation keine prinzipielle Kontraindikation dar: Innerhalb der europäischen Gesamtserie konnte für Nieren mit komplexer Gefäßanatomie gezeigt werden, dass die Ergebnisse nicht schlechter sind als bei einfacher Gefäßversorgung, wobei alle Doppelarterien ex vivo miteinander vereinigt wurden, so dass bei der Transplantation jeweils nur eine Arterienanastomose genäht werden musste (Siena et al. 2018). Dies steht im klaren Gegensatz zur laparoskopischen Nierentransplantation, die als ungleich anspruchsvoller anzusehen ist, eine längere Lernkurve hat und sich nicht durchsetzen konnte.
Eine wesentliche Erkenntnis war die Tatsache, dass Aufwärmzeiten um 60 Minuten dem Transplantat kurz- und mittelfristig offensichtlich nicht schaden. Nur bei der allerersten in Homburg durchgeführten RNTPL war es zu einer verzögerten Transplantatfunktion gekommen, die nach Ausschluss anderer Ursachen nur auf die relativ ausgeprägte Unterkühlung des Empfängers durch die lokale Eiskühlung des Transplantats zurückgeführt werden konnte. Nachdem ein Fall beobachtet wurde, bei dem es selbst nach einer Aufwärmzeit von fast 90 Minuten zu einer sofortigen Transplantatfunktion gekommen war, wurde die lokale Eiskühlung schrittweise reduziert, weil sie offenkundig mehr zu schaden als zu nutzen schien. Inzwischen wird die Niere nur noch in eine relativ gut abdichtende Kompresse verpackt, in die auch eine knappe Handvoll geschabtes Eis gegeben wird. Auf die zusätzliche Gabe von Eis in das OP-Feld wird nun vollständig verzichtet. Das Wissen, dass beim Nähen der Gefäßanastomosen nicht jede Minute zählt, hat dem Eingriff relativ viel von seinem psychologischen Druck genommen. Die Regel lautet inzwischen: „Sorgfalt vor Geschwindigkeit“. Das mag dazu beigetragen haben, dass im Homburger Kollektiv keiner der Patienten einer postoperativen Intervention bedurfte, und dass der Blutverlust 100 ml nie überstieg. Es gab sogar Einzelfälle, bei denen überhaupt kein Blutverlust messbar war.
Es sollte aber nicht vergessen werden, dass hiermit insbesondere Lebendspende-Transplantationen gemeint sind. Die Transplantation von postmortal entnommenen Nieren an Wartelisten-Patienten stellt eine völlig andere Herausforderung dar, speziell in Deutschland. Aufgrund langer Wartezeiten entwickeln die meisten Patienten unter jahrelanger Dialyse eine ausgeprägte Atherosklerose, die für eine Roboter-assistierte Nierentransplantation als absolutes Ausschlusskriterium anzusehen ist: Man muss sich darauf verlassen können, dass die Gefäßklemmen zuverlässig schließen, da eine vorübergehende manuelle Gefäßkompression bei massiver arterieller Blutung schwierig bis unmöglich wäre. Wenn in einem Land wie Spanien inzwischen auch die ersten robotischen Transplantationen von Verstorbenennieren durchgeführt werden, sollte man aus deutscher Perspektive bedenken, dass dort die durchschnittlichen Wartezeiten um zwei Jahre liegen im Gegensatz zu den in Deutschland inzwischen erreichten acht Jahren – vielleicht ein weiterer Denkanstoß, dass die Transplantationsgesetzgebung in Deutschland fernab von zeitgemäß sein könnte. Und das betrifft keineswegs nur die Frage der Ablehnungs- oder Zustimmungsregelung. Es gibt in Spanien auch Programme, die in Deutschland unter Strafe stehen. Dazu gehört beispielsweise die Transplantation von Organen herztoter Spender („Non heart beating donors“) ebenso wie ein nationaler Cross-over-Lebendspende-Pool für blutgruppenungleiche Lebendspender. Es existiert auch die altruistische Lebendspende zwischen Personen, die einander nicht familiär verbunden sind. Fast schon überflüssig zu erwähnen, dass es für Lebendspender, sollten sie selbst je dialysepflichtig werden, eine bevorzugte Transplantatzuweisung gibt. Die spanischen Transplantationsprogramme folgen dem obersten Prinzip, dass ein Mensch nur so kurz wie irgend möglich von der Dialyse abhängig sein sollte.

Zusammenfassung

  • Sowohl die Lebendspende-Nieren-Entnahme wie auch die Nierentransplantation gehören technisch und psychologisch zu den komplexesten Eingriffen in der Urologie.
  • Bei der Nierenentnahme zur Nierenlebendspende sind minimal-invasive Operationsverfahren heute Standard, sie wird am häufigsten laparoskopisch transperitoneal durchgeführt.
  • Die Roboter-assistierte Donornephrektomie bietet im Vergleich dazu mindestens gleichwertige Ergebnisse.
  • Bei der Nierentransplantation haben minimal-invasive Operationsverfahren das offene Vorgehen bis heute nicht ersetzen können.
  • Die laparoskopische Nierentransplantation hat sich aufgrund der nur eingeschränkten Beweglichkeit der Instrumente nicht etabliert, im Gegensatz dazu hat sich die Roboter-assistierte Nierenlebendspende-Transplantation (RNTPL) in spezialisierten Zentren als sicher mit guten funktionellen Ergebnissen erwiesen.
  • Die RNTPL scheint der offenen Operation bei der Lebendspende sogar überlegen zu sein, die Vorteile sollten in den nächsten Jahren durch ein längeres Follow-Up noch deutlicher evident werden.
Literatur
Breda A, Budde K, Figueiredo A, Lledó García E, Olsburgh J, Regele H (2019) EAU guidelines on renal transplantation EAU Guideliense Office, Arnhem
Boggi U, Vistoli F, Signori S, D’Imporzano S, Amorese G, Consani G, Guarracino F, Melfi F, Mussi A, Mosca F (2011) Robotic renal transplantation: first European case. Transpl Int 24(2):213–218CrossRef
Breda A, Gausa L, Territo A, Lopez-Martinez JM, Rodriguez-Faba O, Caffaratti J, de Leon JP, Guirado L, Villavicencio H (2016) Robotic-assisted kidney transplantation: our first case. World J Urol 34(3):443–447CrossRef
Breda A, Territo A, Gausa L, Tugcu V, Alcaraz A, Musquera M, Decaestecker K, Desender L, Stockle M, Janssen M, Fornara P, Mohammed N, Siena G, Serni S, Guirado L, Facundo C, Doumerc N (2018) Robot-assisted kidney transplantation: the European experience. Eur Urol 73(2):273–281CrossRef
Brunotte M, Rademacher S, Weber J, Sucher E, Lederer A, Hau H-M, Stolzenburg J-U, Seehofer D, Sucher R (2020) Robotic assisted nephrectomy for living kidney donation (RANLD) with use of multiple locking clips or ligatures for renal vascular closure. Ann Trans Med 8(6):305CrossRef
Collins AJ, Foley RN, Gilbertson DT, Chen SC (2015) United States renal data system public health surveillance of chronic kidney disease and end-stage renal disease. Kidney Int Suppl (2011) 5(1):2–7CrossRef
Dimitroulis D, Bokos J, Zavos G, Nikiteas N, Karidis NP, Katsaronis P, Kostakis A (2009) Vascular complications in renal transplantation: a single-center experience in 1367 renal transplantations and review of the literature. Transplant Proc 41(5):1609–1614CrossRef
Doumerc N, Roumiguie M, Rischmann P, Sallusto F (2015) Totally robotic approach with transvaginal insertion for kidney transplantation. Eur Urol 68(6):1103–1104CrossRef
Giulianotti P, Gorodner V, Sbrana F, Tzvetanov I, Jeon H, Bianco F, Kinzer K, Oberholzer J, Benedetti E (2010) Robotic transabdominal kidney transplantation in a morbidly obese patient. Am J Transplant 10(6):1478–1482CrossRef
Golriz M, Klauss M, Zeier M, Mehrabi A (2017) Prevention and management of lymphocele formation following kidney transplantation. Transplant Rev (Orlando) 31(2):100–105CrossRef
Hill CJ, Courtney AE, Cardwell CR, Maxwell AP, Lucarelli G, Veroux M, Furriel F, Cannon RM, Hoogeveen EK, Doshi M, McCaughan JA (2015) Recipient obesity and outcomes after kidney transplantation: a systematic review and meta-analysis. Nephrol Dial Transplant 30(8):1403–1411CrossRef
Hoznek A, Zaki SK, Samadi DB, Salomon L, Lobontiu A, Lang P, Abbou CC (2002) Robotic assisted kidney transplantation: an initial experience. J Urol 167(4):1604–1606CrossRef
Lafranca JA, IJermans JNM, Betjes MG, Dor FJ (2015) Body mass index and outcome in renal transplant recipients: a systematic review and meta-analysis. BMC Med 13:111CrossRef
Lentine KL, Kasiske BL, Levey AS, Adams PL, Alberu J, Bakr MA, Gallon L, Garvey CA, Guleria S, Li PK, Segev DL, Taler SJ, Tanabe K, Wright L, Zeier MG, Cheung M, Garg AX (2017) KDIGO clinical practice guideline on the evaluation and care of living kidney donors. Transplantation 101(8S Suppl 1):S1–S109PubMed
Menon M, Sood A, Bhandari M, Kher V, Ghosh P, Abaza R, Jeong W, Ghani KR, Kumar RK, Modi P, Ahlawat R (2014) Robotic kidney transplantation with regional hypothermia: a step-by-step description of the Vattikuti Urology Institute-Medanta technique (IDEAL phase 2a). Eur Urol 65(5):991–1000CrossRef
Meraney AM, Gill IS, Kaouk JH, Skacel M, Sung GT (2001) Laparoscopic renal autotransplantation. J Endourol 15(2):143–149CrossRef
Modi P, Pal B, Modi J, Singla S, Patel C, Patel R, Padhy S, K. T, Patel K, Rizvi J, Sharma S, Sharma V, Modi M, Shah VR, Trivedi HL (2013) Retroperitoneoscopic living-donor nephrectomy and laparoscopic kidney transplantation: experience of initial 72 cases. Transplantation 95(1):100–105CrossRef
Modi P, Rizvi J, Pal B, Bharadwaj R, Trivedi P, Trivedi A, Patel K, Shah K, Vyas J, Sharma S, Shah K, Chauhan R, Trivedi H (2011) Laparoscopic kidney transplantation: an initial experience. Am J Transplant 11(6):1320–1324CrossRef
Musquera M, Peri L, Ajami T, Breda A, Campi R, Tugcu V, Decaestecker K, Stockle M, Fornara P, Doumerc N, Vigues F, Barod R, Desender L, Territo A, Serni S, GrazianoVignolini S, Sahin P, Zeuschner NB, Alcaraz A (2020) Robotic assisted kidney transplantation: update from the ERUS series. BJU Int 127(2):222–228
Ooms LS, Verhelst J, Jeekel J, Ijzermans JN, Lange JF, Terkivatan T (2016) Incidence, risk factors, and treatment of incisional hernia after kidney transplantation: an analysis of 1,564 consecutive patients. Surgery 159(5):1407–1411CrossRef
Pein U, Girndt M, Markau S, Fritz A, Breda A, Stockle M, Mohammed N, Kawan F, Schumann A, Fornara P, Weigand K (2019) Minimally invasive robotic versus conventional open living donor kidney transplantation. World J Urol 38(3):795–802
Redfield RR, Scalea JR, Zens TJ, Muth B, Kaufman DB, Djamali A, Astor BC, Mohamed M (2016) Predictors and outcomes of delayed graft function after living-donor kidney transplantation. Transpl Int 29(1):81–87CrossRef
Rosales A, Salvador JT, Urdaneta G, Patino D, Montlleo M, Esquena S, Caffaratti J, Ponce de Leon J, Guirado L, Villavicencio H (2010) Laparoscopic kidney transplantation. Eur Urol 57(1):164–167CrossRef
Siena G, Campi R, Decaestecker K, Tugcu V, Sahin S, Alcaraz A, Musquera M, Territo A, Gausa L, Randon C, Stockle M, Janssen M, Fornara P, Mohammed N, Guirado L, Facundo C, Doumerc N, Vignolini G, Breda A, Serni S (2018) Robot-assisted kidney transplantation with regional hypothermia using grafts with multiple vessels after extracorporeal vascular reconstruction: results from the European association of urology robotic urology section working group. Eur Urol Focus 4(2):175–184CrossRef
Simson N, Parker S, Stonier T, Halligan S, Windsor A (2018) Incisional hernia in renal transplant recipients: a systematic review. Am Surg 84(6):930–937CrossRef
Territo A, Gausa L, Alcaraz A, Musquera M, Doumerc N, Decaestecker K, Desender L, Stockle M, Janssen M, Fornara P, Mohammed N, Siena G, Serni S, Sahin S, Tugcu V, Basile G, Breda A (2018) European experience of robot-assisted kidney transplantation: minimum of 1-year follow-up. BJU Int 122(2):255–262CrossRef
Werner W, H S, Schubert J (2003) AWMF-Leitlinie Nierentransplantation der Deutschen Gesellschaft für Urologie. AWMF-Leitlinien-Register Nr. 043/023 Nr. 043/023
Wang H, Chen R, Li T, Peng L (2019) Robot-assisted laparoscopic vs laparoscopic donor nephrectomy in renal transplantation: a meta-analysis. Clin Transpl 33(1):e13451CrossRef
Zeuschner P, Hennig L, Peters R, Saar M, Linxweiler J, Siemer S, Magheli A, Kramer J, Liefeldt L, Budde K, Schlomm T, Stöckle M, Friedersdorff F (2020a) Robot-assisted versus laparoscopic donor nephrectomy: a comparison of 250 cases. J Clin Med 17(3):e2258
Zeuschner P, Siemer S, Stockle M (2020b) Robot-assisted kidney transplantation. Urol A 59(1):3–9CrossRef
Zeuschner PS, Stöckle S, Saar M (2020c) Die ersten 50 roboter-assistierten Donornephrektomien. Urol A 59(12):1512–1518