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Die Urologie
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Publiziert am: 17.12.2022

Nuklearmedizin der Niere, des Retroperitoneums und der Harnblase

Verfasst von: Gregor Schweighofer-Zwink, Silke Haim, Werner Langsteger und Mohsen Beheshti
Das Kapitel behandelt die nuklearmedizinischen Diagnosemöglichkeiten unterschiedlicher Nephropathien. Am häufigsten sind dabei sicher die dynamische und statische Nierenszintigrafie, die bei verschiedenen klinischen Fragestellungen eingesetzt werden, vertreten. Der Nachweis von obstruktiven Veränderungen, Parenchymdefekten, die Kalkulation der seitengetrennten Nierenfunktion (split function), die Verlaufskontrolle nach Transplantation oder der Ausschluss einer renalen Ursache einer Hypertension sind hier nur exemplarisch als klinische Fragestellung aufgeführt.
Im Unterschied zu anderen Diagnosemöglichkeiten bietet die nuklearmedizinische Untersuchung die Möglichkeit die seitengetrennte Clearance der einzelnen Niere exakt darzustellen. Dies ist oftmals vor geplanten Tumoroperationen oder zur Beurteilung der Restaktivität bei Schrumpfnieren von großem klinischem Interesse. Eine weitere wichtige Indikation ist die Beurteilung des Harnabflusses bei Erweiterungen der ableitenden Harnwege. Auch können über direkte und indirekte Methoden Aussagen zum vesikuurethralen Reflux getroffen werden. In diesem Kapitel werden die Untersuchungsmodalitäten und die eingesetzten Tracer detailliert erläutert.
Der Nachweis eines primären Nierenzellkarzinoms und Harnblasenkarzinoms mittels 18F FDG PET-CT Untersuchung ist eingeschränkt. Die physiologische Ausscheidung des Radiopharmakons über die Nieren führt zu einer niedrigen Sensitivität und Verlässlichkeit in der Beurteilung des Primärtumors. Dennoch kann die 18F FDG PET-CT eine wichtige Rolle für die Diagnose von Fernmetastasen und die postoperative Überwachung von fortgeschrittenen Nieren- und Harnblasentumoren spielen.
Multiple neue molekulare Ansätze (z. B. über Girentuximab, Bevacizumab, PSMA, FLT, FAPI u. a. m.) werden auf ihre Wertigkeit in der Bildgebung von Nierenzelltumoren überprüft.

Konventionelle Nierenszintigrafie

Einleitung

Die Erfassung der Nierenleistung ist eines der ältesten Anwendungsgebiete von Radioisotopen in der nuklearmedizinischen Diagnostik. Sie wurde in den späten 70er-Jahren als nicht invasive Methode zur Diagnostik und Kontrolle von Uropathien entwickelt (Blaufox 1989).
Die anfänglich eingesetzte radiojodmarkierte Hippursäure weist aufgrund der beinah vollständigen tubulären Sekretion nahezu ideale pharmakokinetische Eigenschaften auf. Aufgrund dieses biologischen Ausscheidungsverhaltens gilt O-Jod Hippursäure (OJH) nach wie vor als Goldstandard in der Nuklearmedizin zur Clearancebestimmung (Darstellung des gesamten renalen Plasmaflusses). Der Nachteile dieser Methode ist die Markierung mit Radiojod (Strahlenbelastung durch Beta-Komponente bei Jod 131 verbunden mit langer Halbwertszeit bzw. eingeschränkte Verfügbarkeit von alternativ verwendbarem Jod 123).
Der wichtigste Fortschritt für die breite Verfügbarkeit der Nierenszintigrafie war die Entwicklung eines Tc-99m markierbaren Tracers der in hohem Ausmaß tubulär sezerniert wird und damit ebenso eine zur Hippursäure vergleichbar hohe renale Clearance aufweist. Die Markierung mit Tc-99m verbesserte die Bildqualität der Nierenszintigramme, da Tc-99m durch seine geringe Photonenenergie (140 keV) ideal mit der Gammakamera darstellbar ist. Die fehlende Beta Komponente und die deutlich kürzere Halbwertszeit von 6 Stunden, führte zu einer insgesamt deutlich verringerten Strahlenbelastung im Vergleich zu Radiojod markierten Substanzen. Verglichen mit OJH ist bei gleicher injizierter Aktivität die Strahlenbelastung der Nieren (Organdosis) um einen Faktor 3,6 und das „Effektive Dosisäquivalent“ um den Faktor 6,2 niedriger, letzteres beträgt bei Anwendung von 100 MBq Tc-99m MAG3 ca. 0,8 mSv (Bubeck et al. 1987).
Es gibt verschiedene nuklearmedizinische Methoden um die Nieren zu untersuchen, wobei sowohl verschiedene Untersuchungsformen als auch unterschiedliche Radiopharmaka zur Verfügung stehen. Die jeweilige Fragestellung bestimmt die Untersuchungsart, den Untersuchungsablauf und das erforderliche Radiopharmakon.
Prinzipiell ist methodisch die dynamische von der statischen Nierenszintigrafie zu unterscheiden. Bei der dynamischen oder Perfusionsnierenszintigrafie werden die physiologische Durchblutung, die Sekretionsleistung und die Exkretion seitengetrennt beurteilt, zusätzlich kann die Clearance als quantitativer Parameter bestimmt werden. Der Nachweis geringfügiger Funktionsbeeinträchtigungen gelingt mit dieser Methode noch bevor die Konzentration harnpflichtiger Substanzen im Blut erhöht ist.
Bei der statischen Szintigrafie wird die Morphologie des funktionsfähigen Nierengewebes (Lage, Form und Größe) sowie etwaige Anomalien und Parenchymdefekte infolge entzündlicher, vaskulärer oder raumfordernder Prozesse einige Stunden nach Tracerapplikation dargestellt.

Nierenperfusions- und Nierenfunktionsszintigrafie

Radiopharmaka

Zur nuklearmedizinischen Diagnostik und Beurteilung der Sekretion stehen vier Radiopharmazeutika zur Verfügung: Mit Radiojod markierte Hippursäure, Tc-99m Mercaptoacetyltriglycin (MAG3) und Tc-99m Ethylen-dicystin (EC) werden überwiegend tubulär sezerniert sowie Tc-99m Diethylen-triamin-penta-acetat (DTPA). Letzteres wird in der Beurteilung der glomerulären Filtration eingesetzt. Aufgrund der höheren Clearance der tubulär extrahierten Radiopharmaka und einem damit einhergehenden besseren Nieren zu Hintergrund Verhältnis, sollten die tubulär extrahierten Radiopharmaka dem rein glomerulär filtrierten DTPA vorgezogen werden. Vor einer Nierenlebendspende sowie nach erfolgter Nierentransplantation kann DTPA eingesetzt werden, wenn die objektive Bestimmung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) benötigt wird (Piepsz et al. 1998; Dubovsky et al. 1999).
MAG3 ist das mit Abstand am häufigsten eingesetzte Radiopharmakon in der Nierendiagnostik. Nach intravenöser Applikation wird der Tracer in der Niere nahezu vollständig tubulär sezerniert und mit geringer parenchymaler Retention über den Urin ausgeschieden. In einem einzigen Untersuchungsgang können damit Nierenperfusion, tubuläre Sekretion und Exkretion beurteilt werden.

Ablauf

Das Prinzip der Nierenperfusions- und Nierenfunktionsszintigrafie ist denkbar einfach. Eine harnpflichtige Substanz wird radioaktiv markiert und intravenös appliziert. Die Anflutung, Akkumulation und Ausscheidung über die Niere werden bildlich dargestellt und können seitengetrennt ausgewertet werden. Bis auf das Achten auf eine adäquate Hydrierung ist keine besondere Vorbereitung des Patienten erforderlich. Diese erfolgt üblicherweise unmittelbar vor der Untersuchung (5–10 ml Flüssigkeit/kg Körpergewicht oral oder i.v. (Taylor et al. 2018)) um die Ausscheidung und damit verbundene Bildqualität und Aussagekraft der Untersuchung zu optimieren.
Die Untersuchung wird üblicherweise im Liegen durchgeführt. Bei Verdacht auf Wanderniere kann eine zusätzliche Untersuchung im Sitzen notwendig sein. Der Patient wird, nachdem er die Blase entleert hat, in Untersuchungsposition gebracht (Rückenlage oder sitzend) und die Kamera positioniert, sodass sich beide Nieren und die Harnblase im Blickfeld befinden. Die Aufnahmen werden bei normaler Nierentopografie von dorsal angefertigt.
Die Herausforderung bei Kindern besteht darin, ein ruhiges Liegen für die Untersuchungsdauer von ca. 30 Minuten zu gewährleisten und somit Bewegungsartefakte zu vermeiden. Aus diesem Grund wird die Untersuchung an vielen Abteilungen unter Sedierung des Kindes durchgeführt. An anderen Abteilungen hat sich die Fixation mittels einer Vakuummatratze am wachen Kind bewährt und etabliert. Meistens ist jedoch die Ablenkung und Beschäftigung mit Spielsachen oder einem Film, der während der Untersuchung vorgespielt wird, ausreichend (Mandell et al. 1997; Gordon 1998).
Die Aufnahme startet mit der i.v. Bolusinjektion des Radiopharmakons (z. B. MAG3). Die erforderliche Aktivitätsmenge wird üblicherweise dem Körpergewicht angepasst (Lassmann et al. 2009; Stabin und Gelfand 1998).
Die Aufnahme der Bilder erfolgt in einem dynamischen Modus mit üblicherweise 10 s Aufnahmezeit pro Bild für insgesamt 30 Minuten.
Bei den Harnabfluss betreffenden Fragestellungen kann zusätzlich Furosemid i.v. zur forcierten Diurese bereits vor dem Start der Untersuchung als auch während der Untersuchungssequenz verabreicht werden. Damit kann eine Abflussverzögerung (sog. funktionelle Harntransportstörung/Dilatationen des Abflusstraktes) von einer organisch fixierten und somit klinisch funktionell relevanten Obstruktion unterschieden werden. Je nach abteilungsüblichem Untersuchungsprotokoll und Fragestellung kann die Verabreichung von Furosemid entweder bereits 15 Minuten vor Untersuchungsbeginn (F−15), bei Untersuchungsbeginn (F+0) oder nach Verabreichung des Radiopharmakons (z. B. F+2−20) erfolgen.
Die Auswertung der Bilder erfolgt semiquantitativ. Dazu werden „region of interests“ (ROIs) über beide Nieren und der Hintergrundaktivität eingezeichnet und daraus eine Zeit- Aktivitätskurve erstellt = Nephrogramm (Abb. 1).
Zur Clearancebestimmung werden an ein bzw. besser zwei Zeitpunkten der Untersuchungssequenz (z. B. 20 und 40 Minuten nach Tracerapplikation) 2–5 ml venöses Blut entnommen und die Tracerkonzentration in counts/ml/min bestimmt. Zur Quantifizierung der Ganzkörper Clearance wird eine Ganzkörperkurve bzw. eine repräsentative extrarenale Teilkörperkurve erstellt. Die Eichung dieser Kurve erfolgt mittels Bestimmung der Tracerrestaktivität in der entnommenen Blutprobe (Taylor 2014). Mithilfe der Nephrogramme wird die prozentuale Seitenverteilung der Nierenclearance berechnet und es kann in Folge eine seitengetrennte Clearanceleistung üblicherweise genormt auf 1,73 m2 Körperoberfläche errechnet werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die absolute Clearance alters- und geschlechtsabhängig ist (Abb. 2).
Das Funktionsverhältnis rechts zu links wird bis zu einer Abweichung ±5 % von 50 % als im Normbereich gewertet = (Funktionsanteil von 45–55 %).
Das Nephrogramm lässt sich in 3 Kurvenabschnitte (Funktionsphasen) unterteilen: Anflutung (Perfusion), Sekretion (Parenchymphase) und Exkretion (Harnabfluss) (Abb. 3).

Normalbefund

Der Tracer flutet normalerweise gleichzeitig in der Aorta und in den Nieren an. In der Sekretionsphase kontrastieren sich zeitgleich beide Nieren homogen und ohne kortikale Parenchymdefekte. In dieser Zeit (zwischen der 45. und 120. Sekunde nach Tracerinjektion) werden auch die seitengetrennten Funktionsanteile ermittelt. Dazu wird die Fläche unter der Ganzkörper- und Zeitaktivitätskurve der jeweiligen Niere bestimmt und deren Verhältnisse zueinander errechnet. Anschließend erfolgt der intrarenale Transit, in dem der Tracer aus dem Parenchym ausgewaschen und im Nierenbeckenkelchsystem gesammelt wird. Das Nierenbeckenkelchsystem entleert sich in die Harnblase, wobei eine Traceranreicherung in der Harnblase normalerweise spätestens 5 Minuten nach Tracerapplikation zu beobachten ist (Abb. 4).

Beurteilung

Die Beurteilung erfolgt zunächst visuell, wobei einerseits die Bildsequenz selbst als auch der zeitliche Aktivitätsverlauf im Nephrogramm, dargestellt als Kurve, begutachtet werden. Bei einer gesunden Niere zeigt sich in der Perfusionsphase ein steiler Anstieg der Kurve. Der Peak (Aktivitätsmaximum – Tmax) wird in der Sekretionsphase (= intrarenaler tubulosekretorischer Transport – 1.–4. Minute nach Tracerinjektion = p.i.) erreicht. In der anschließenden Exkretionsphase (Abtransport/Abfluss des Harns aus dem Nierenbecken entlang der ableitenden Harnwege üblicherweise ab 4.–6.Minute p.i.) beginnt der Kurvenabfall. Zum Endpunkt der Untersuchung sollte lediglich eine geringe Restaktivität im Nierenbecken nachweisbar sein, die Kurve nähert sich nach einem üblicherweise exponentiellen Abfall wieder der x-Achse (Abb. 5).
Bei Nierenfunktionsstörungen kommt es zu typischen Änderungen im Kurvenverlauf (Abb. 6).
A: unauffälliger Kurvenverlauf. B: eingeschränkte Nierenfunktion, im Vergleich zum Normalbefund zeigt sich initial ein geringer Kurvenanstieg und anschließend ein horizontaler Kurvenverlauf. C: Kletterkurve bei Abflussstörung; im Vergleich zum Normalbefund zeigt sich bis zum Endpunkt der Untersuchung ein Anstieg der Kurve aufgrund der fehlenden Ausscheidung. D: bei einer funktionslosen Niere entspricht der Kurvenverlauf in etwa der Ganzkörperkurve (Hintergrund) initial geringer Anstieg der Perfusion entsprechend, anschließend nähert sich die Kurve der X-Achse. Imp. = Impulsrate, min = Minute
Akut aufgetretene Harnabflussstörungen sind meist symptomatisch, chronische Obstruktionen verlaufen hingegen klinisch oft oligosymptomatisch bis stumm und sind somit häufig ein sonografischer Zufallsbefund z. B. im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung/Sonografie des Abdomens aus anderer Indikation heraus oder aber auch im Rahmen des intrauterinen Organscreenings (Abb. 2). Aufgabe der Szintigrafie ist es, eine funktionell wirksame Obstruktion als Ursache der sonografisch detektierten Nierenbecken-/Ureterdilatation nachzuweisen bzw. auszuschließen. Eine klinisch relevante Obstruktion ist im Nephrogramm am veränderten Kurvenverlauf und am fehlenden bzw. zumindest deutlich verzögerten Kurvenabfall, insbesondere im Vergleich zur gesunden Niere, erkennbar. Ob eine Obstruktion zusätzlich bereits zu einer Funktionseinschränkung der betroffenen Seite geführt hat, lässt sich durch die seitengetrennte Funktionsberechnung (split function) beurteilen. Sonografisch dilatierte Nierenbecken bzw. Harnleiter können jedoch auch einen unauffälligen Kurvenverlauf im Nephrogramm zeigen. Die Ursache der Dilatation ist dann nicht durch eine Obstruktion bedingt (Abb. 7).

Nierenarterienstenose

Die Nierenarterienstenose ist eine mögliche Ursache der Bluthochdruckerkrankung (sekundäre Ursache bei 1–2 % aller Hypertoniker) (Herrmann und Textor 2018).
Die Frage, ob eine Nierenarterienstenose funktionell über das Renin-Angiotensin-Aldosteron System ursächlich für eine Hypertonie ist, lässt sich mit 2 dynamischen Nierenszintigrafien, eine vor und eine nach Gabe eines ACE-Hemmers (meist Captopril – rasche Bioverfügbarkeit, kurze Halbwertszeit), beantworten (Abb. 8).
Eine Nierenarterienstenose führt zu einem verminderten intrarenalen Perfusionsdruck und damit zu einer erhöhten Reninfreisetzung am juxtaglomerulären Apparat. Das freigesetzte Renin aktiviert die Renin-Angiotensin-Aldosteron-Kaskade, dies bewirkt eine arterielle Vasokonstriktion und eine gesteigerte renale Natriumretention. Diese Effekte führen zu einer Blutdruckerhöhung (Prigent und Chaumet-Riffaud 2014).
Wird dieser Kompensationsmechanismus durch die Gabe eines ACE Hemmers (z. B. 25–50 mg Captopril) ausgeschalten, zeigt sich im Vergleich zu einer davor durchgeführten „Basisuntersuchung“ ohne ACE-Hemmer eine pathologische Funktionskurve im Nephrogramm (Verminderung des Funktionsanteils der betroffenen Niere im Seitenvergleich und verzögerter intrarenaler Transit des Tracers) (Becker 1991; Vasbinder et al. 2001; Otto 1999).
Dieser ursprünglich als pathophysiologisch und funktionell nachvollziehbarer und somit breit im Alltag einsetzbarer Ansatz, hat sich jedoch aus Mangel klinischer Konsequenzen im Langzeitverlauf der Betreuung von Patienten mit (renovaskulärem) Hypertonus nicht bewährt. Auch gab es neue pathophysiologische Erkenntnisse, welche die alleinige Rolle des RAAS kritisch hinterfragen. Die Beurteilung geht derzeit weg von der reinen Diagnose einer renovaskulären Hypertonie hin zum Gesamtbild einer arteriosklerotischen renovaskulären Erkrankung. Die initiale bildgebende Diagnostik auf das Vorliegen einer Nierenarterienstenose bzw. Durchblutungsproblematik der Nieren obliegt dem Ultraschall sowie der CT- bzw. MR-Angiografie inklusive MR-Sequenzen abhängig vom Oxygenierungslevel im Nierenparenchym (BOLD-Sequenzen = blood oxygen level dependend). Nur bei bestimmten Fragestellungen im Verlauf der Erkrankung und ggf. im Rahmen der Planung von invasiven Interventionen besteht derzeit eine Spezialindikation zur Durchführung der dynamischen Nierenszintigrafie insbesondere, zur Bestimmung der seitengetrennten Funktionsanteile (Herrmann und Textor 2018; Chrysoula et al. 2020).

Transplantatniere

Die dynamische kombinierte Perfusions-/Funktionsszintigrafie kann im Rahmen der Verlaufskontrolle der Funktion der Transplantatniere eingesetzt werden und hilft in der Differenzialdiagnose zwischen Abstoßungsreaktion, akuter tubulärer Nekrose und vaskulären Komplikationen. Auch Ureter-Leckagen können durch Nachweis einer Tracerakkumulation außerhalb der ableitenden Harnwege nachgewiesen werden (Hamscho et al. 2005; Hilson et al. 1978).
Die Komplikationen nach Nierentransplantation sind meist in ihrem zeitlichen Auftreten (z. B. akute Abstoßungsreaktionen frühestens 5–7 Tage bis zu 3 Monate postoperativ) typisch, weshalb das Szintigramm unbedingt im Kontext der Klinik (Alter des Transplantats, Beschwerdebild des Patienten) zu interpretieren ist. Unterschieden werden können dabei folgende Untersuchungsergebnisse:
  • Fehlende Perfusion als Hinweis für einen kompletten Gefäßverschluss („leere Nierenloge“).
  • Reduzierte Perfusion aufgrund eines Tubulusschadens mit deutlich verzögertem oder fehlendem intrarenalen Tracertransit.
  • Unauffällige Perfusion bei deutlich reduzierter Sekretion in der frühen postoperativen Phase als Zeichen eines Transplantatversagens.

Statische Nierenszintigrafie

Radiopharmaka

Tc-99m Dimercaptosuccinylsäure (DMSA) ist ein Tracer der tubulär fixiert wird. Nierenanomalien (hypoplastische bzw. dystope Nieren, Doppelanlage, Hufeisennieren, Beckenniere, usw.) lassen sich in Bezug auf Lage, Ausdehnung und seitenanteilige Funktion sehr gut beurteilen und bereits kleine Parenchymdefekte und post-pyelonephritische Veränderungen sind mit einer sehr hohen Sensitivität darstellbar.

Ablauf

Zwei Stunden nach körpergewichtadaptierter intravenöser Injektion von DMSA werden zweidimensionale Aufnahmen von ventral und dorsal und gegebenenfalls zusätzliche Aufnahmen mit hochauflösenden Kollimatoren (sog. Pinholekollimator) und/oder eine dreidimensionale SPECT Akquisitionen angefertigt. Auch bei dieser Untersuchung ist es sehr wichtig, dass die Patienten ruhig liegen um Bewegungsartefakte zu vermeiden. Auch hier hat sich für Säuglinge und Kinder die Verwendung einer Vakuummatratze bewährt, eine Sedierung ist meist nicht erforderlich (Mandell et al. 1997).

Normalbefund

Beurteilung

Die Beurteilung erfolgt visuell, wobei die Größe, Lage sowie Form der Nieren über die Traceranreicherung im Nierenparenchym (homogen, inhomogen, Minderspeicherungen bis Speicherdefekte) beurteilt werden. Die Funktionsanteile der rechten bzw. linke Niere (split function) werden idealerweise aus den Aufnahmen von ventral und dorsal durch Bildung des geometrischen Mittels errechnet. Die split function kann mit der DMSA Methode insbesondere bei einem verminderten/niedrigen Funktionsanteil exakter berechnet werden als in der MAG3 Szintigrafie (Abb. 9).
Umschriebene Parenchymerkrankungen (Entzündungen, Tumoren oder Zysten) führen zu Minderspeicherungen in der DMSA Szintigrafie. Durch die Quantifizierung des Ausmaßes der Minderspeicherung und der dadurch verbliebenen seitenanteiligen Funktion lässt sich die Auswirkung der Erkrankung oder aber auch die Auswirkung einer Operation auf die zukünftige Funktion beurteilen (Clarke et al. 1996). (Abb. 10)

Refluxprüfung

Indirekte Radionuklidmiktionszystourethrografie

Eine Indikation für die Untersuchung besteht bei Verdacht auf vesikoureteralen Reflux (VUR), z. B. bei rezidivierenden Harnwegsinfekten oder auch zur Verlaufskontrolle. Die Spezifität beträgt zwar 100 %, die Sensitivität ist jedoch deutlich geringer, da der Reflux oft nur intermittierend auftritt und somit dem Szintigramm entgehen kann.
Diese Untersuchung ermöglicht die Diagnose eines VUR ohne Blasenkatheterisierung, kann direkt an die MAG3 Nierenfunktionsszintigrafie ohne zusätzliche Strahlenbelastung angeschlossen werden und ist nicht invasiv. Die indirekte MCU erlaubt eine Beurteilung unter physiologischen Bedingungen, allerdings nur während der Miktionsphase und nicht wie bei der direkten MCU auch in der Füllungsphase. Die Untersuchung wird bei auftretendem Harndrang durchgeführt und in einer dynamischen Sequenz mit kurzen Einzelaufnahmen können kleine Refluxmengen, die nur kurze Zeit in Ureter oder Nierenbeckenkelchsystem verbleiben, detektiert werden. Die Untersuchung ist jedoch erst ab einem Alter, bei dem die Blase auf Kommando entleert werden kann, sinnvoll.

Direkte Radionuklidmiktionszystourethrografie

Der Tracer wird (z. B. MAG 3) wird über einen Blasenkatheter instilliert, das Volumen für die Blasenfüllung wird dazu aus einer Formel berechnet, welche Alter, Größe, Gewicht und Geschlecht des Probanden berücksichtigt. Nach abgeschlossener Blasenfüllung erfolgt ein Pressversuch und anschließend wird die Miktion durchgeführt. Eine Beurteilung und Prüfung auf Reflux ist damit auch während der Füllungsphase und des Pressversuchs möglich. Damit lässt sich im Vergleich zur indirekten MCU die Anzahl der falsch negativen Befunde verringern, da ein Reflux isoliert nur in der Füllungsphase oder während des Pressversuchs auftreten kann. Die Untersuchung wird in einer dynamischen Sequenz mit kurzen Einzelaufnahmen durchgeführt um auch kleine Refluxmengen erfassen zu können (Abb. 11).

PET – CT

Die Positronenemissionstomografie (PET) in Kombination mit Computertomografie (CT) hat in den letzten Jahren erhebliche gerätetechnische und radiopharmakologische Weiterentwickelungen erfahren. In dieser Kurzübersicht werden Grundlagen der molekularen Bildgebung des Nierenzellkarzinoms und des Harnblasenkarzinoms mit PET/CT bezüglich Radiophamakologie und klinischer Aussagekraft zusammengefasst.

Nierenzellkarzinom

Der Nachweis eines primären Nierenzellkarzinoms mittels PET-Untersuchung ist insofern eingeschränkt, da die Großzahl der verwendeten Radiopharmaka renal ausgeschieden wird. Weiterhin zeigen Nierenzellkarzinomzellen häufig keinen, wie sonst für viele andere Malignome typisch gesteigerten Glukosestoffwechsel.
In den ersten Studien wurde berichtet, dass die diagnostische Genauigkeit von Tumorzellcharakteristika, Differenzierung und Wachstumsbedingungen abhängt. In der Diagnostik der Raumforderungen in den Nieren verursacht FDG-PET eine hohe Rate von falsch-negativen Befunden und führt zu einer Sensitivität, Spezifität und diagnostischen Genauigkeit von 47 %, 80 % und 51 % im Vergleich zur CT mit einer diagnostischen Genauigkeit von 83 % (Abb. 12).
Im Gegensatz war die diagnostische Genauigkeit für die Detektion der Fernmetastasen 94 % für FDG-PET versus 89 % für CT (Aide et al. 2003). In einer anderen Studie wurden für die Diagnostik eines suspekten oder bekannten Nierenzellkarzinoms insgesamt 90 FDG-PET-Untersuchungen durchgeführt (Kang et al. 2004). Die Autoren fanden eine Sensitivität von 60 % für FDG-PET versus 91,7 % für CT. Mehrere andere PET Radiopharmaka, wie zum Beispiel 89Zr-Bevacizumab oder 124J-Giruntuximab bzw. auch 18F-FLT, 18F-Cholin bzw. 68Ga-PSMA und zuletzt auch 68Ga-FAPI, wurden zur Diagnostik und Evaluierung des Nierenzellkarzinoms erprobt. Eine robuste Unterscheidung zwischen dem Primärtumor und dem gesunden Nierenparenchym gelingt jedoch keinem dieser neuen Ansätze. Die Stärke der PET liegt im Aufspüren bzw. im Ausschluss von Fernmetastasen oder aber auch in der Detektion von Lokalrezidiven nach vollständiger Entfernung der gesamten betroffenen Niere (Lindenberg et al. 2019; Kratochwil et al. 2019).
Einige dieser zu FDG-alternativen Ansätze bieten zusätzlich die Möglichkeit eines theragnostischen Ansatzes. Der gewählte Stoffwechselweg kann nicht nur zur Diagnostik verwendet werden (über Markierung mit einem zur Bildgebung geeigneten Radionuklid) sondern potenziell auch zur Therapie von fortgeschrittenen Erkrankungen genützt werden (Markierung mit einem Radionuklid mit Beta-Minus-Komponente z. B. 131-J oder 177-Lu) (Farolfi et al. 2020).

Blasenkarzinom

Mehr noch als beim Prostata- und Nierenzell-Karzinom führt die Ausscheidung von FDG durch die Nieren zu einer signifikanten Limitation der FDG-PET für die Diagnostik des primären Blasenkarzinoms. Die metabolischen Informationen der FDG-PET können jedoch als Ergänzung zur morphologischen Information einer CT die präoperative diagnostische Genauigkeit deutlich verbessern (Drieskens et al. 2005). Auch beim Blasenkarzinom ist die Stärke der FDG-PET/CT die Detektion von Rezidivformationen nach erfolgter Zystektomie sowie die Detektion und das Therapiemonitoring von Sekundärblastomen. Neue Traceransätze mittels 11C-Acetate bzw. 11-C oder 18F-Cholin werden auch hier verfolgt um alternative Bildgebungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen (Kim 2020).

Zusammenfassung

  • MAG3 Nierenszintigrafie ist die mit Abstand am häufigsten eingesetzte Untersuchung zur Beurteilung der Ausscheidungsfunktion der Nieren inklusive Harnabfluss.
  • DMSA Szintigrafie zeigt eine hohe Wertigkeit in der Beurteilung der „split function“, und von Nierenparenchymerkrankungen (Entzündungen, Tumoren oder Zysten).
  • 18F FDG PET-CT kann eine wichtige Rolle für die Diagnose von Fernmetastasen und die postoperative Überwachung von fortgeschrittenen Nieren- und Harnblasentumoren spielen.
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