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Die Urologie
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Publiziert am: 14.09.2022

Operative Anatomie: Bauchraum, Retroperitonealraum, Darm

Verfasst von: Sergio Guzmán K. und Peter Alken
Dieses Kapitel beschreibt die Strukturen von Bauchraum, Retroperitoneum und Darm sowie die Besonderheiten der Zugänge bei urologischen Eingriffen.

Bauchraum

Der Bauchraum wird durch das Mesocolon transversum und das Colon transversum in Oberbauch und Unterbauch geteilt (Abb. 1).
Im Unterbauch liegt das große Netz (Omentum majus ) frei und mobil über dem ebenfalls mobilen Dünndarm und dem Kolonrahmen (Abb. 2 und 3). Nach vorangegangenen Laparotomien können Omentum, Dünndarm und mobile Abschnitte des Kolons untereinander und an sämtlichen Stellen des Abdomens fixiert sein, von der vorderen Bauchwand bis zu jedem beliebigen Ort auf dem Retroperitoneum.
Das Omentum majus geht von der großen Magenkurvatur aus und wird in dem Abschnitt bis zum Colon transversum als Lig. gastrocolicum bezeichnet (Abb. 4a). Es besteht aus einem vorderen und einem hinteren Blatt, zwischen denen ein häufig nur teilweise ausgebildeter freier Raum, der Recessus inferior der Bursa omentalis liegt (Abb. 4b). Das hintere Blatt ist dem Colon transversum avaskulär angeheftet. Das Lösen dieser Verbindungen zum Colon transversum öffnet die Bursa omentalis und den Zugang zum mittleren Retroperitoneum mit Truncus coeliacus, Pankreas, Nebenniere und oberen Nierenpol links (Abb. 5a, b).
Urologisch wichtig wird die vaskuläre Versorgung des Omentum majus (Abb. 4a), wenn es zur Abdeckung kritischer Operationsgebiete benutzt wird (retroperitoneale Anastomosen, Morbus Ormond, Fisteln im kleinen Becken): Es wird von den Vasa gastroomentales sinistra und dextra versorgt, die mit den Rami omentales ein vaskuläres Netzwerk mit Kollateralen bilden, die aber inkonstant ausgebildet sind. Mobilisiert und gestielt wird das Omentum – losgelöst vom Colon transversum – an den kräftigeren Vasa gastroomentales dextra (Abb. 6).

Retroperitonealraum und Darm

Der urologisch am häufigsten interessierende Retroperitonealraum (Abb. 7) ist von ventral her gesehen in 3 Bereichen nicht von den Bauchorganen direkt abgedeckt und dort durch einfache Inzisionen zugänglich:
1.
vom inneren Leistenring rechts nach kranial lateral des Colon ascendens und der rechten Niere bis über den rechten Nierenoberpol, das Ligamentum hepatorenale bis an und über die V. cava;
 
2.
vom inneren Leistenring links nach kranial lateral des Colon descendens und der linken Niere bis in die Nähe der linken Nierenmitte bis zum Ligamentum phrenocolicum;
 
3.
unter dem angehobenen Dünndarmkonvolut vom inneren Leistenring rechts nach kranial medial des Colon ascendens über V. cava und Aorta bis hoch zur Plica duodenojejunalis.
 
Über die dargestellten Bereiche ist in der Mehrzahl der urologischen Eingriffe ein guter Zugang in den Retroperitonealraum möglich.
Bei der retroperitonealen Lymphadenektomie (RPLA), Nebennierenprozessen oder Tumorthromben in der V. cava kann es erforderlich sein, den Zugang in den Retroperitonealraum des Oberbauchs zu erweitern. Die Wege gehen dann durch die Bursa omentalis oder über die Leberkuppe.
Der am weitesten kranial gelegene Retroperitonealbereich ist der Abschnitt zwischen Leber und Zwerchfell, durch den die V. cava superior in den Thoraxraum zieht. Sie ist dort, wo die Lebervenen einmünden, in die Leber eingebettet, aber selten ganz von Lebergewebe umgeben. Werden die bindegewebigen Verbindungen zwischen Leberkuppe und Zwerchfell – das Lig. triangulare dextrum, das Lig. coronarium und ggf. auch das kleinere Lig. triangulare sinistrum durchtrennt, wird die V. cava mit den üblicherweise 3 Lebervenen frei zugängig (Abb. 8a, b).
Unter dem Peritoneum liegt eine dünne Faszie, die den gesamten Retroperitonealraum, auch den nicht primär zugänglichen, inklusive der großen Gefäße und Gefäßabgänge überzieht. In Höhe der Nieren ist sie als Fascia praerenalis das vordere der beiden Blätter der Fascia renalis (Gerota-Faszie ), deren zweites, hinteres Blatt die kräftigere Fascia retrorenalis ist (Abb. 9).
Dieser, den Retroperitonealraum bedeckenden Faszie, liegt ventralwärts eine zweite Faszie gegenüber (nicht dargestellt in Abb. 9), die das Fettgewebe von lateral rechts unter dem Colon ascendens bis zur Radix mesenterii bedeckt. Der Darm kann deshalb in einem präformierten Spaltraum vom Retroperitonealraum abgehoben werden (Cattell-Manöver ) (Abb. 10a). Auch Duodenum und Pankreas sind so teilweise intraperitonealisierbar (Kocher-Manöver), so wie es ansatzweise für den Zugang zur V. cava bei der rechtsseitigen Nephrektomie nötig wird (Abb. 10b, c). Auch linksseitig ist eine ähnliche Mobilisation des Kolons möglich (Abb. 10d).
So kann das gesamte Darmkonvolut von der retroperitonealen Unterlage gelöst werden, bis es nur noch 5 Fixpunkte hat:
  • intestinal: kaudal das Rektosigmoid, kranial den Übergang vom Duodenum zum Pylorus;
  • vaskulär: median die Arteria mesenterica inferior, mediokranial den Truncus coeliacus und rechts kranial das Ligamentum hepatoduodenale mit V. portae, A. hepatica propria und Ductus choledochus.
Auch während der transperitonealen laparoskopischen Annäherung an das Retroperitoneum auf beiden Seiten ist es wichtig, die Ebene zwischen Peritoneum und Gerotafaszie zu erkennen. Durch Aufrechterhaltung einer Dissektion in dieser Ebene ist es möglich, sowohl die Nieren als auch die großen Gefäße weit freizulegen, wodurch Läsionen der vom hinteren Peritoneum bedeckten Organe wie des Duodenum rechts und der Pankreas links vermieden werden.
Die ausgiebige rechtsseitige Mobilisation ist dadurch möglich, dass die Gefäßversorgung der genannten Organe von einer Zentralregion, dem Truncus coeliacus bzw. der A. mesenterica superior ausgeht (Kap. „Operative Anatomie: Gefäße, Lymphsystem, Nerven“).
Alles ist entwicklungsgeschichtlich einfach verständlich (Abb. 11); die Darmabschnitte vom distalen Duodenum bis zum distalen Drittel des Colon transversum entstehen aus dem Mitteldarm. Die weiter distalen Darmabschnitte werden aus dem Enddarm gebildet mit der kürzeren, tiefer abgehenden A. mesenterica inferior, die die identische Mobilisation auf der linken Seite begrenzt, weil sie auch Sigma und oberes Rektum versorgt.
Im Prinzip wird nach Lösen vom Retroperitonealraum, Durchtrennung der Ligamenta hepatocolicum und phrenocolicum und Ablösen des Omentum vom Colon transversum der Zustand wie in Abb. 11 praktisch wiederhergestellt. Diese Möglichkeit ist operationstechnisch von Bedeutung, weil so der Zugang zum gesamten Retroperitonealraum frei wird, oder wenn größere Abschnitte des Colon descendens oder Sigma reseziert werden müssen, aber auch wenn einzelne Dickdarmabschnitte wie z. B. Zökum oder Transversum fernab von ihren ursprünglichen anatomischen Standorten zur Harnableitung eingesetzt werden sollen.

Zusammenfassung

  • Zugang zum Retroperitonealraum in 3 Bereichen, die nicht von den Bauchorganen direkt abgedeckt sind: vom inneren Leistenring rechts nach kranial lateral von Colon ascendens und rechter Niere bis über rechten Nierenoberpol, Ligamentum hepatorenale bis an und über V. cava; vom inneren Leistenring links nach kranial lateral von Colon descendens und linker Niere bis Nähe der linken Nierenmitte bis zum Ligamentum phrenocolicum; unter angehobenem Dünndarmkonvolut vom inneren Leistenring rechts nach kranial medial des Colon ascendens über V. cava und Aorta bis hoch zur Plica duodenojejunalis.
  • Darm: rechtsseitige Mobilisation (Cattell-Manöver).
Beim transperitonealen laparoskopischen Zugang ist es wichtig, die Ebene zwischen dem Peritoneum und der faszia Gerota zu erkennen, um Läsionen von Duodenum oder Pankreas zu vermeiden.
Literatur
Bachmann A et al (2005) Tumor nephrectomy with vena cava thrombus. BJU Int 95(9):1373–1384CrossRef
Tillmann BN (2005) Atlas der Anatomie des Menschen. Springer, Berlin/Heidelberg/New York
Zilles K, Tillmann BN (2010) Anatomie. Springer, BerlinCrossRef