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Die Urologie
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Publiziert am: 03.09.2022

Postoperative Nomogramme in der Nierentumorchirurgie

Verfasst von: Dogu Teber und Christina Engels
Die Vorhersage von Progression oder Überlebenswahrscheinlichkeit einer Karzinomerkrankung begleitet ärztliches Handeln täglich. Neben bekannten Vorhersagemodellen wie dem TNM System haben sich jedoch differenziertere Modelle etabliert – die Nomogramme. Sie dienen auch der Identifikation der Hochrisikopatienten, die im Rahmen der postoperativen Nachsorge besonderer Aufmerksamkeit bedürfen. Das vorliegende Kapitel erläutert Hintergrundwissen zur Entstehung und Funktion von Nomogrammen und stellt mit dem UCLA Integrated Staging System und dem Nomogramm des MSKCC zwei validierte Modelle vor.
Nomogramme stellen lineare grafische Darstellungen einer statistischen Funktion dar. Sie dienen als Vorhersagemodelle oder Werkzeuge, in die unterschiedliche klinische oder pathologische Variablen eingehen können. Welche Variablen dies sein können, wird anhand von Multivariat-Analysen und Cox-Regressionsanalysen ermittelt. Dabei wird die Güte eines Nomogramms anhand seines Konkordanz-Index (C-Index) gemessen. Ist ein Nomogramm zu 100 % in der Lage das Eintreten eines Ereignisses vorherzusagen, so beträgt der Konkordanz-Index 1. Ein C-Index von 0,5 kommt einer zufälligen Übereinstimmung gleich und ist gleichbedeutend einem nicht brauchbaren Vorhersagemodell. So spricht man bei einem C-Index zwischen 0,5–0,7 von einer geringen, bei einem C-Index von 0,71–0,9 von einer moderaten und bei >0,9 von einer hohen Genauigkeit eines Nomogramms. Darüber hinaus muss ein Nomogramm entsprechend des Vorhersagemodells einer internen Validation (Crossover-Validation bzw. Boot-Strapping) und einer externen Validation (Bestätigung der Ergebnisse durch andere Zentren) standhalten.
Betrachtet man eines der klassischen Vorhersagemodelle, nämlich die TNM-Klassifikation, so liegt der C-Index für die Nierenzellkarzinome im Stadium pT1a und pT1b bei 0,65 und ist damit als niedrig einzuschätzen. Aus dieser Erfahrung ergaben sich Überlegungen verschiedene weitere Variablen wie das progressionsfreie Überleben nach Nierenteilresektion oder radikaler Nephrektomie in die Einschätzung, miteinzubeziehen. So stellte man fest, dass das Vorhandensein von zentralen Nekrosen, aber auch der ECOG-Status des Patienten, für prognostische Progressions- oder Überlebensmodelle von besonderer Wichtigkeit sein können.
Im Folgenden sollen exemplarisch verschiedene Modelle vorgestellt werden, die in der Literatur häufiger zitiert werden. Allen Nomogrammen gemeinsam ist, dass sie das geeignetste Instrument zu sein scheinen, um high-risk Patienten zu identifizieren.

UISS (UCLA Integrated Staging System)

In diesem von Lam et al. von der UCLA-Gruppe veröffentlichten Algorithmus gehen verschiedene Faktoren, wie die TNM-Klassifikation, der Fuhrmann-Grad und der ECOG-Performance-Status, ein. Daraus leiten die Autoren drei Risikogruppen ab, deren tumorspezifische Überleben, Wahrscheinlichkeit der Entstehung eines Lokalrezidivs bzw. die Auftrittswahrscheinlichkeit von Metastasen, entsprechend der Jahre nach durchgeführter Nephrektomie, aus einer ergänzenden Publikation zu dieser Arbeit ablesen kann (Lam et al. 2005).
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt der von der Mayo-Klinik publizierte Algorithmus zur Einschätzung der Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Metastasen (Lam et al. 2005; Leibovich et al. 2003). Entsprechend den Kategorien TNM-Klassifikation, Tumorgröße (< oder >10 cm), Fuhrmann-Grade, Lymphknotenstatus und dem Vorhandensein von Nekrosen, werden entsprechend Punkte vergeben, die zu einem Score aufaddiert werden. So wird ein Gesamt-Score zwischen 0 und 2 als Niedrig-Risikogruppe eingeschätzt, ein Score zwischen 3 und 5 als mittleres und ein Score über 6 als hohes Risiko für das Auftreten von Metastasen eingeordnet. Diese Einteilung betrachtet allerdings hauptsächlich klarzellige Karzinome.
Das von Sorbbellini veröffentlichte Nomogramm des MSKCC (Abb. 1) betrachtet ebenfalls klarzellige Karzinome entsprechend dem Risiko für die Entstehung eines Tumorrezidives (Sorbellini et al. 2005). In diese grafische Darstellung gehen neben der TNM-Klassifikation (2002) auch die Tumorgröße (0 bis 22 cm), der Fuhrman-Grade, das Vorhandensein von Tumornekrosen und vaskulärer Invasion, die Präsentation des Tumors als inzidenteller Befund mit lokaler Symptomatik oder mit systemischer Symptomatik ein.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das Nomogramm von Karakiewicz et al, die in einer multiinstitutionellen Validation die TNM-Klassifikation, das Vorhandensein von Lymphknotenmetastasen oder Organmetastasen, Tumorgröße, Fuhrmann-Grad und die entsprechende Symptomatik des Patienten, entsprechend einem Punktesystem in die Wahrscheinlichkeit eines karzinomspezifischen Überlebens grafisch darstellen ließen (Abb. 2) (Karakiewicz et al. 2007). Karakiewicz konnte in seinem Nomogramm entsprechend der Jahre die Wahrscheinlichkeit für das karzinomspezifische Überleben ableiten. Methodisch gleichen sich beide Gruppen in der Durchführung von zunächst Univariat- und Multivariat-Analysen. Die signifikanten Parameter aus diesen Multivariat-Analysen werden dann in eine grafische Darstellungsform gebracht, die es dem Benutzer ermöglicht, in anwenderfreundlicher Weise sich einen schnellen Überblick über die Prognose des Patienten zu verschaffen.
All diesen Algorithmen gemeinsam ist das Bemühen individualisierte Nachsorge-Algorithmen zu entwickeln, die erneut als starke Empfehlung Eingang in die EAU Guidelines 2020 gefunden haben. Berücksichtigt werden muss in diesem Zusammenhang allerdings, dass insbesondere beim metastasierten Nierenzellkarzinom inzwischen multimodale Therapieansätze existieren. So führt eine aggressive Metastasenchirurgie bei singulären Lungen- oder Lebermetastasen zu sehr guten tumorspezifischen Überlebensraten, die einem großen (>10 cm) zentral-nekrotisierten aber nicht metastasierten Nierenzellkarzinom vergleichbar sein können. Dennoch haben diese Nomogramme ihren Platz um insbesondere bei einer geplanten Systemtherapie Risikogruppen vergleichbar und einschätzbar zu machen.

Zusammenfassung

  • Nomogramme stellen eine statische Funktion grafisch dar und fungieren so als Vorhersagewerkzeug.
  • Das UCLA integrated System und Nomogramm des MSKCC bilden Risikogruppen unter Einbeziehung verschiedenster Variablen.
  • Ziel der Verwendung von Nomogrammen kann beispielsweise eine individualisiertes Nachsorgeschema sein
Literatur
Karakiewicz PI, Briganti A, Chun FK et al (2007) Multi-institutional validation of a new renal cancer-specific survival nomogram. J Clin Oncol 25:1316CrossRef
Lam JS, Shvarts O, Leppert JT et al (2005) Postoperative surveillance protocol for patients with localized and locally advanced renal cell carcinoma based on a validated prognostic nomogram and risk group stratification system. J Urol 174:466CrossRef
Leibovich BC, Blute ML, Cheville JC et al (2003) Prediction of progression after radical nephrectomy for patients with clear cell renal cell carcinoma: a stratification tool for prospective clinical trials. Cancer 97:1663CrossRef
Sorbellini M, Kattan MW, Snyder ME et al (2005) A postoperative prognostic nomogram predicting recurrence for patients with conventional clear cell renal cell carcinoma. J Urol 173:48CrossRef
Weiterführende Literatur
Karakiewicz PI et al (2009) A preoperative prognostic model for patients treated with nephrectomy for renal cell carcinoma. Eur Urol 55:287CrossRef
Klatte T et al (2018) Prognostic factors and prognostic models for renal cell carcinoma: a literature review. World J Urol 36(12):1943–1952. https://​doi.​org/​10.​1007/​s00345-018-2309-4. Epub 2018 Apr 30
Lee BH et al (2018) Validation of a postoperative nomogram predicting recurrence in patients with conventional clear cell renal cell carcinoma. Euro Urol Focus 4(1):100–105. https://​doi.​org/​10.​1016/​j.​euf.​2016.​07.​006. Epub 2016 Jul 28
Raj GV et al (2008) Preoperative nomogram predicting 12-year probability of metastatic renal cancer. J Urol 179:2146CrossRef