Die Urologie
Info
Verfasst von:
Dorothea Rohrmann
Publiziert am: 11.12.2022

Prune-Belly-Syndrom

Der Begriff „Prune-Belly-Syndrom“ (PBS) bezeichnet eine Symptomentrias, die von Lungen- und Herz-Kreislauf-Missbildungen sowie von orthopädischen und gastrointestinalen Anomalien begleitet sein kann. Eine Aplasie oder Hypoplasie der Muskulatur der vorderen Bauchwand gibt dem Abdomen der betroffenen Kinder ein Aussehen, das an eine runzlige, getrocknete Pflaume erinnert. Bilateraler Kryptorchismus (intraabdominale Hodenlage) und ein fehlgebildeter Harntrakt mit dilatierten Ureteren, Megazystis und dilatierter prostatischer Urethra vervollständigen die klassische Trias. Die Ausprägung der Harntraktschädigung bestimmt die Prognose eines Patienten mit Prune-Belly-Syndrom. In der Betreuung der überlebenden Kinder stellt somit die Frage nach der Behandlung der Harntraktfehlbildung das zentrale Thema dar. Das Management eines Patienten mit PBS ist sehr umstritten. Es reicht von der rein konservativen Behandlung über die frühzeitige Harnableitung bis zur sofortigen umfassenden Rekonstruktion schon im Säuglingsalter. Wichtig ist es, durch die Behandlung Infektionen mit zusätzlicher Nierenschädigung zu verhindern und eine suffiziente Blasenentleerung zu gewährleisten.
Der Begriff „Prune-Belly-Syndrom “ (PBS) bezeichnet eine Symptomentrias, die von Lungen- und Herz-Kreislauf-Missbildungen sowie von orthopädischen und gastrointestinalen Anomalien begleitet sein kann. Eine Aplasie oder Hypoplasie der Muskulatur der vorderen Bauchwand gibt dem Abdomen der betroffenen Kinder ein Aussehen, das an eine runzlige, getrocknete Pflaume erinnert. Bilateraler Kryptorchismus (intraabdominale Hodenlage) und ein fehlgebildeter Harntrakt mit dilatierten Ureteren, Megazystis und dilatierter prostatischer Urethra vervollständigen die klassische Trias.

Definition

Der Begriff „Prune-Belly-Syndrom“ (PBS) bezeichnet eine Symptomentrias, die von Lungen- und Herz-Kreislauf-Missbildungen sowie von orthopädischen und gastrointestinalen Anomalien begleitet sein kann. Eine Aplasie oder Hypoplasie der Bauchwandmuskulatur gibt dem Abdomen der betroffenen Kinder ein Aussehen, das an eine runzlige, getrocknete Pflaume erinnert. Bilateraler Kryptorchismus und ein fehlgebildeter Harntrakt mit dilatierten Ureteren, Megazystis und dilatierter prostatischer Urethra vervollständigen die klassische Trias.

Erscheinungsformen

Das PBS weist eine Vielzahl von Erscheinungsformen auf. Bei einigen Kindern ist die Erkrankung so erheblich, dass die Nierenentwicklung in utero gestört ist und Oligohydramnion mit folgender Lungenhypoplasie und schließlich Abort oder Totgeburt daraus resultieren. In vielen Fällen bestehen ausgeprägte morphologische Veränderungen des ableitenden Harntraktes ohne Nierenfunktionsstörung, und diese Kinder können ohne einschneidende therapeutische Maßnahmen aufwachsen.
Einige Patienten haben die typischen radiologischen Zeichen im Bereich des Harntraktes ohne begleitenden Kryptorchismus oder ohne ausgeprägte Bauchwandanomalie. Bei weiblichen Neugeborenen findet sich gelegentlich eine Aplasie der Abdominalmuskulatur in Kombination mit Harntraktanomalien (Reinberg et al. 1991). Alle diese Fälle, in denen nur zwei von den drei klassischerweise betroffenen Systemen involviert sind, werden als „Pseudoprune“ bezeichnet.

Epidemiologie

Die Inzidenz des PBS wird mit 1 auf 35.000 bis 1 auf 50.000 Lebendgeborene angegeben und liegt damit etwa gleich hoch wie die der Blasenekstrophie. In Anbetracht des unterschiedlich stark ausgeprägten Erscheinungsbildes können diese Werte nur Schätzungen sein. Etwa 5 % der Betroffenen sind Mädchen.
Es bestehen Hinweise auf genetische Disposition. So wurde in einigen Fällen eine Mutation des HNF1 Gens gefunden (Granberg et al. 2012). Mehrere Autoren berichten über das familiär gehäufte Auftreten des PBS sowie beschreiben die Assoziation von PBS mit Trisomie 21 und 18, sahen zwei Geschwister mit Beckwith-Wiedemann-Syndrom und Prune-Belly-Syndrom. Obwohl dies Einzelfälle sind, sollten Eltern über das Risiko des wiederholten Auftretens aufgeklärt werden und Chromosomenanalysen bei PBS-Patienten durchgeführt werden.
Die Inzidenz von Zwillingsschwangerschaften ist bei PBS deutlich erhöht (1:23 für PBS, 1:80 für normale Zwillingsschwangerschaft). In der Mehrzahl der Fälle waren die Zwillingsgeschwister für PBS diskordant, und dies spricht gegen eine genetische Ätiologie. Die Ursache mag in solchen Fällen in der ungleichen Verteilung des Mesenchyms zu einem kritischen Zeitpunkt in der frühen Embryogenese zu suchen sein.

Embryologie

Die Ätiologie des PBS ist ungeklärt. Viele Theorien sind diskutiert worden, die sich im Wesentlichen auf vier Versionen beschränken:
1.
Ein intrinsischer Defekt im Bereich der Harntraktmuskulatur könnte für die Blasen- und Harnleiterdilatation verantwortlich sein. Die daraus resultierende Überdehnung des Abdomens während der Embryogenese würde zu einer schlaffen Abdominalwand führen. Die dilatierte Harnblase könnte den Deszensus der Hoden behindern.
 
2.
Das PBS könnte aus einer früh in der Embryogenese vorhandenen infravesikalen Obstruktion resultieren, die vorübergehender Natur ist und die Entwicklung des Harntraktes zu einem kritischen Zeitpunkt stört. Diese Theorie korreliert gut mit den morphologischen Veränderungen im Bereich der prostatischen Harnröhre und mit der Tatsache, dass in etwa einem Drittel der Totgeborenen milde Obstruktionen in der hinteren Harnröhre gefunden wurden.
 
3.
Ein primär myopathisch-dysplastischer Prozess wird von postuliert. Danach ist die Entwicklung des Mesenchyms in die quergestreifte Abdominalwandmuskulatur gestört, die aus den gleichen Somiten stammende Muskulatur der Blase und der distalen Ureteren entwickelt sich ebenso unzureichend. Diese Theorie kann nicht das Vorhandensein des Kryptorchismus erklären.
 
4.
Schuldigte eine unzureichende Regression des Dottersackes als verantwortlich für die Entwicklung des PBS an. Da der Dottersack im Verlauf der Embryonalentwicklung in die Bauchhöhle des Embryos einbezogen wird, würde ein großer Dottersack zur Distension des Abdomens führen und die Entwicklung der Abdominalwand stören.
 
Jede dieser Theorien erklärt einen Teil der beobachteten Pathologie. Möglicherweise sind multiple Faktoren involviert. Dafür sprechen Beobachtungen von sie sahen im Wesentlichen zwei Gruppen von Veränderungen bei histologischer Aufarbeitung der Blasen von PBS-Patienten. Ein Teil der Blasen wies eine erhebliche Verdickung der Blasenwand auf, die mit einer Obstruktion vereinbar ist; eine zweite Gruppe wies eine dünne Blasenwand mit vermehrtem Bindegewebs-gehalt auf, dies wäre mit einem Defekt der Mesenchymdifferenzierung vereinbar.

Symptome

Antenatale Diagnosestellung

Die Ultraschalluntersuchung während der Schwangerschaft wird heute routinemäßig durchgeführt. Sie ermöglicht die Feststellung einer von der Norm abweichenden Morphologie innerer Organe schon um die 15. Schwangerschaftswoche herum und wirft die Frage nach intrauteriner Manipulation auf. Eine beidseitige Dilatation des oberen Harntrakts in Kombination mit einer großen, sich nur unvollständig entleerenden Blase kann dabei auf ein PBS hinweisen, aber auch auf das Vorhandensein einer hinteren Harnröhrenklappe. Einige Untersucher haben intrauterine Interventionen wie die Einlage eines Shuntes zwischen der fetalen Blase und der Fruchthöhle vorgeschlagen, um eine Entlastung des Harntraktes zu ermöglichen und das vorhandene Oligohydramnion zu therapieren (McLorie et al. 2001). Andere empfehlen einen Schwangerschaftsabbruch.

Postnatale Präsentation

Das typische klinische Erscheinungsbild macht die Diagnosestellung normalerweise einfach. Diese Patienten sollten anfänglich streng überwacht werden, besonders hinsichtlich ihrer Lungen- und Nierenfunktion. Wir ziehen es vor, die Kinder zunächst nicht invasiver radiologischer Diagnostik zuzuführen, da eine Instrumentation leicht zu Infektionen des stagnierenden Systems führt. Eine unzureichende Blasenentleerung wird initial mit Blasenmassage behandelt.
Abdominalmuskulatur
Die Muskulatur der hinteren Abdominalwand entwickelt sich völlig normal. Die laterale und ventrale Muskulatur ist dagegen nur verdünnt oder sogar überhaupt nicht vorhanden. In einem Teil der Fälle liegt eine asymmetrische Ausprägung des Defektes vor. Der betroffene Anteil der Abdominalwand besteht aus Haut, Unterhaut und fibrösem Gewebe, das in ausgeprägten Fällen nur inselartig eingestreut unorganisierte Muskelfasern enthält. Der kraniale Anteil der Bauchmuskulatur ist normalerweise besser entwickelt als der kaudale, der Nabel wird durch den häufig intakten oberen Anteil des M. rectus abdominis nach kranial verzogen. Die Abdominalwand ist weich, innere Organe können mühelos getastet werden, die Darmperistaltik ist deutlich sichtbar.
Die Bauchhaut des Neugeborenen zeigt in den allermeisten Fällen eine typische Faltenbildung, die an eine getrocknete Pflaume erinnert (Abb. 1). Mit zunehmender Ausbildung des Subkutangewebes glättet sich die Haut, sodass der typische Aspekt nach dem 1. Lebensjahr verschwindet. In aufrechter Haltung haben diese Kinder später einen birnenförmigen, nach vorne ausladenden Bauch. Die Schwäche der Abdominalmuskulatur erschwert ihnen häufig, sich aus dem Liegen aufzusetzen. Die motorische Entwicklung kann verzögert sein. Der Defekt der Abdominalwand kann zu chronischer Obstipation führen und eine Neigung zu Infekten des Respirationstraktes bedingen.
Kryptorchismus
Bei Patienten mit einem PBS liegen beide Hoden intraabdominal, zumeist in der Höhe der Iliakalgefäße auf den Ureteren. Die Frage nach der Ursache des Maldeszensus ist unbeantwortet. Mechanische Faktoren wie die erheblich überdehnte Harnblase oder die fehlerhafte Entwicklung des Inguinalkanals werden angeschuldigt (Hadziselimovic 1983). Das Gubernakulum ist in seiner Struktur völlig normal, es ist jedoch verlängert. Der Nebenhoden ist häufig vom Hoden separiert, wie man dies auch bei anderen intraabdominal retinierten Hoden findet. Der Ductus deferens zeigt in einigen Fällen eine extrem verdickte Wand mit vermehrtem Kollagengehalt und nur rudimentären Muskelfasern, verschiedentlich werden atretische Anteile gesehen.
Die Histologie des kryptorchen Hodens ist günstig. Pak et al. (1993) verglichen Hodenbiopsien von Prune-Belly-Patienten mit denen anderer intraabdominaler Hoden und normal deszendierter Hoden. Die Veränderungen in Hoden von PBS-Patienten unterschieden sich nicht von denen anderer intraabdominal gelegener Hoden, insbesondere war die Stammzellanzahl im ersten Lebensjahr vergleichbar denen normaler Hoden. Andere Untersucher bestätigen diese Beobachtung (Hadziselimovic 1983). Es existieren eine Vielzahl von Berichten zur erfolgreichen Vaterschaft mittels ICSI (Fleming et al. 2013)
Das Risiko zur malignen Entartung scheint in der Gruppe der PBS-Patienten ähnlich hoch zu sein wie dasjenige der übrigen Patienten mit Kryptorchismus.
Harntrakt
Die Ausprägung der Harntraktschädigung bestimmt die Prognose eines Patienten mit Prune-Belly-Syndrom. Von den Betroffenen sterben etwa 20 % intrauterin oder unmittelbar postnatal wegen einer terminalen Niereninsuffizienz oder einer Lungenhypoplasie auf dem Boden eines Oligohydramnions. Weitere 30 % starben vor der Ära der antibiotischen Therapie und der Dialyse in den ersten zwei Lebensjahren an den Folgen der Niereninsuffizienz oder einer Urosepsis. Die moderne Medizin hat die Mortalitätsrate entscheidend gesenkt. In der Betreuung der überlebenden Kinder stellt die Frage nach der Behandlung der Harntraktfehlbildung das zentrale Thema dar.
Nieren
Die Nieren sind häufig dysmorph; es findet sich charakteristischerweise eine zystische Aufweitung der Kelche ohne Verschmälerung der Infundibula. Hinzu kommen Unregelmäßigkeiten der Nierenkontur und Rotationsanomalien. Die meisten Nieren weisen Zeichen einer Hypodysplasie auf. Diskutiert vier verschiedene potenzielle Mechanismen für die Entwicklung der Nierenschädigung.
Die Diagnose Nierendysplasie kann nur aufgrund histologischer Untersuchungen gestellt werden. Sie ist charakterisiert durch das Vorhandensein embryonaler Tubuli, Knorpel, Zysten und mesenchymalen Bindegewebes. In einer Serie postmortal untersuchter Nieren sah dysplastische Veränderungen in der Mehrzahl der Patienten. In einigen Fällen fand sich einseitig eine nahezu normale Nierenrinde und intaktes Mark mit ganz geringer Dysplasie, während die andere Niere eine ausgeprägte Dysplasie und Hypoplasie von Rinde und Mark aufwies. Nieren von Patienten, bei denen eine Urethralatresie vorlag, waren hypoplastisch, in der Konsistenz verdichtet und dysplastisch. Die Nierenveränderungen zeigen eine variable, oft nur segmental vorhandene Ausprägung, sodass Nierenbiopsien zu Fehlinterpretationen Anlass geben können.
Ureteren
Die Ureteren sind charakteristischerweise stark verlängert, geschlängelt und dilatiert, wobei der distale Anteil stärker betroffen ist. Die Diagnose PBS kann häufig anhand des Röntgenbildes allein gestellt werden. In einigen Fällen zeigt der mittlere Ureter eine segmentale Erweiterung. Sehr selten findet sich ein obstruiertes Uretersegment. Unter Durchleuchtung zeigt sich eine ineffektive Ureterperistaltik. Mit zunehmendem Wachstum des Patienten scheinen sich die Ureteren zu strecken, und die Transportfunktion wird besser. Die meisten Ureteren weisen einen vesikorenalen Reflux auf.
Histologische Untersuchungen der Harnleiterwand zeigen Fibrozyten und Kollagen mit in ungeordneter Form eingestreuter glatter Muskulatur. Die Differenzierung der Muskulatur in zirkulär und longitudinal verlaufende Schichten fehlt. An einigen Stellen findet sich eine Durchsetzung der gesamten Harnleiterwand mit dickem hyalinem Bindegewebe. Die Veränderungen sind im distalen Harnleiteranteil stärker ausgeprägt als im proximalen Bereich.
Blase
Die Blase bei PBS ist vergrößert und dünnwandig, aber nicht trabekuliert. Am Blasendom kann sich ein Pseudodivertikel dort finden, wo der Urachus ansetzt. Gelegentlich ist der Urachus offen, besonders bei Patienten mit Urethralatresie. Die Blasenkontur ist unregelmäßig, es können sich Divertikel finden. Der Trigonalbereich ist lang ausgezogen, die Ostien sind lateralisiert, ein vesikoureteraler Reflux findet sich in 75 % der Fälle.
Bei der histologischen Untersuchung zeigt sich, dass die Verdickung der Blasenwand durch Fibrozyten und Kollagen verursacht wird, die von glatter Muskulatur in ungeordneter Form durchsetzt sind. Das Muskelzellvolumen wurde meist unverändert gefunden, somit liegt keine Muskelhypertrophie vor beschrieben allerdings in Einzelfällen das Vorhandensein glattmuskulärer Hypertrophie und postulierten, dass in diesen Fällen eine infravesikale Obstruktion Ursache der Veränderungen sein könnte.
Die intravesikalen Drücke während der Miktion sind in der Regel normal (Snyder et al. 1976). Einige Patienten sind in der Lage, ihre Blase vollständig zu entleeren, bei vielen finden sich aber signifikante Restharnmengen. Dies mag Ausdruck einer gestörten Miktionsdynamik sein oder auf eine relative Ausflussobstruktion zurückzuführen sein. Bei der urodynamischen Untersuchung von 34 Patienten mit PBS zeigten sich drei Uroflowmuster:
  • normal initiierte und regelrecht ablaufende Entleerung,
  • verlängerte Miktion mit gleichförmig niedrigem Flow
  • und ein durch intermittierende Entleerung gekennzeichnetes Muster (Kinahan et al. 1992).
Beobachtete, dass einige Blasen mit zunehmendem Alter ihre Entleerungsfähigkeit verbessern.
Prostatische Harnröhre
Das Erscheinungsbild der prostatischen Harnröhre beim PBS ist charakteristisch. Ein weit offener Blasenhals geht in eine dilatierte prostatische Harnröhre über. Die membranöse Urethra ist normal. Gelegentlich lässt sich ein kleiner Utrikulus erkennen. Als Ursache für die Dilatation der hinteren Harnröhre wird das Fehlen von prostatischem Gewebe angegeben. Zusätzlich kommt sicherlich ein Fehlen der glatten Muskulatur hinzu, ähnlich der im oberen Harntrakt beobachteten. Die trichterartige Darstellung der Harnröhre und der Kalibersprung können im Miktionszystourethrogramm das Vorliegen einer Harnröhrenklappe vortäuschen. Klappen finden sich in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht, Obstruktionen im Bereich der membranösen Harnröhre sind durch Atresie oder Stenose verursacht. Bei sorgfältiger endoskopischer Untersuchung der prostatischen und membranösen Urethra zeigt sich bei einigen Patienten eine obstruktive Falte, die dadurch entsteht, dass der dilatierte proximale Anteil der Urethra über die membranöse Harnröhre fällt und diese teilweise okkludiert. Nannte diese Falte eine Typ-IV-Harnröhrenklappe und empfahl eine Inzision bei 12 Uhr.
Prostata
Die Prostata ist beim PBS unterentwickelt, sie weist nur wenige epitheliale Elemente auf (Popek et al. 1991). Vermutlich ist dies Folge einer gestörten Interaktion zwischen mesenchymalen und epithelialen Anteilen. Da sich jedoch ähnliche Störungen bei Patienten mit hinterer Harnröhrenklappe finden, könnte auch eine passagere infravesikale Obstruktion pathogenetisch eine Rolle spielen (Popek et al. 1991).
Die Beteiligung des Prostatasekrets an der Zusammensetzung der Samenflüssigkeit ist gänzlich unklar. Jedoch liegt es nahe zu vermuten, dass die unterentwickelte Drüse Ursache des geringen Ejakulatvolumens ist.
Vordere Harnröhre
Die vordere Harnröhre ist bei PBS-Patienten in der Regel normal ausgebildet. Gelegentlich findet sich im membranösen Anteil eine Stenose oder Atresie. Für das Überleben ist in diesem Fall im Allgemeinen ein offener Urachus notwendig.
Häufiger als bei jeder anderen Fehlbildung liegt eine Megalourethra vor (Mortensen et al. 1985). Hierbei werden zwei verschiedene Typen unterschieden:
Die spindelförmige Megalourethra ist die schwerere Form, sie ist durch das Fehlen aller drei Schwellkörper gekennzeichnet. Aufgrund des vollkommenen Fehlens sämtlicher mesodermaler Anteile besteht der Penis lediglich aus einer epithelialen Urethra, die von einer fibrösen Tunica albuginea umgeben ist.
Bei der kahnförmigen Megalourethra fehlt lediglich das Corpus spongiosum, sodass eine sackartige Erweiterung der vorderen Harnröhre resultiert.
Kroovand et al. (1982) beschrieben mildere Malformationen, wie die fusiforme Dilatation der Pars bulbosa und pendulans, mit nur unbedeutendem Krankheitswert. Der Penis der PBS-Patienten ist im Allgemeinen lang und schmal mit geringer dorsaler Kurvatur. Hypospadien kommen vor.
Begleitende Anomalien
Respiratorische Probleme
Kinder mit PBS können unter erheblichen respiratorischen Problemen leiden. Dies kann zum einen bedingt sein durch eine Lungenhypoplasie auf dem Boden eines Oligohydramnions, zum anderen durch assoziierte Wirbelsäulen- und Thoraxdeformitäten. In schweren Fällen von PBS kann die Lungenhypoplasie lebenslimitierend sein. Die meisten Patienten weisen zwar keine offenkundige Lungenfunktionsstörung auf, die Mehrzahl von ihnen zeigte aber bei Lungenfunktionstesten Zeichen restriktiver Ventilationsstörung. Dies muss bei der Planung operativer Eingriffe berücksichtigt werden.
Orthopädische Probleme
Die Inzidenz orthopädischer Missbildungen liegt zwischen 30 und 45 %, damit ist das Skelettsystem das am zweithäufigsten betroffene System nach dem Harntrakt. Es wird vermutet, dass das Oligohydramnion zu fetaler Kompression führt und in unterschiedlich ausgeprägten Druckatrophien resultiert. Diese können mild sein, beispielsweise in der Form ausgeprägter Grübchen an Ellbogen und Knie, häufig werden aber schwere Fehlbildungen, wie Klumpfüße, Hüftdysplasien, fehlende Gliedmaßen, Skoliose oder Thoraxdeformitäten gefunden.
Gastrointestinale Anomalien
Bei 20–30 % der Patienten werden Anomalien des Gastrointestinaltraktes gesehen. Die Mehrzahl von ihnen wie Malrotation, Volvulus, Atresien und Stenosen sind Folge unzureichender Fixierung des Mesenteriums an der hinteren Abdominalwand. Im gleichen Kausalzusammenhang werden Milztorsionen beschrieben. Gastroschisis, Omphalozele und Rektumatresie werden gesehen. Die chronische Obstipation der PBS-Patienten hat ihre Ursache vermutlich in der Präsenz einer schlaffen Abdominalwand; in einigen Fällen wurde auch ein Morbus Hirschsprung beschrieben.
Kardiovaskuläre Anomalien
In etwa 10 % der Fälle liegen Vorhof- oder Ventrikelseptumdefekte vor, Fallot-Tetralogien wurden gesehen. Diese und andere assoziierte Missbildungen stehen häufig in der Initialbehandlung des Prune-Belly-Patienten viel mehr im Vordergrund als die urologischen Fehlbildungen. Dies macht die individualisierte Betreuung jedes Patienten durch ein Spezialistenteam erforderlich.

Diagnostik

Ein Neugeborenes mit schlaffer Abdominalwand und beidseitigem Kryptorchisrnus sollte unter der Verdachtsdiagnose Prune-Belly-Syndrom auf Harntraktfehlbildungen hin untersucht werden. Die sorgfältige Palpation des Abdomens erlaubt typischerweise den Nachweis von Megaureteren und großer Harnblase, die Nierengröße kann evaluiert werden. Laboruntersuchungen sollten Serumelektrolyte, Harnstoff- und Kreatininwerte erfassen, ein Harnstatus und eine Urinkultur sollten zunächst ohne Instrumentation gewonnen werden.
Das Ausscheidungsurograrnm ist in der Erstdiagnostik vollkommen zugunsten einer Ultraschalluntersuchung vor und nach Miktion sowie einer nuklearmedizinischen Erfassung der Nierenfunktion verlassen worden. Das Miktionszystourethrogramm hat keinen Platz in der notfallmäßigen Diagnostik, es sollte, wenn überhaupt, nur unter völlig sterilen Bedingungen und nach Beginn einer antibiotischen Therapie durchgeführt werden. Eine iatrogene Infektion der dilatierten Hohlsysteme ist unbedingt zu vermeiden.

Therapie

Therapiekonzepte in der Behandlung der Prune-Belly-Patienten
  • Konservative Behandlung mit chirurgischer Intervention nur, wenn erforderlich
  • Frühe permanente Harnableitung mittels Ileumkonduits.
  • Hohe Loop-Ureterokutaneostomie oder Pyelostomie mit späterer Rekonstruktion des Harntraktes.
  • Nephrostomie mit späterer Rekonstruktion.
  • Sofortige Rekonstruktion des Harntraktes in der Neugeborenenphase ohne vorherige Harnableitung (Woodard und Parrott 1978).
Die in den frühen 50er-Jahren institutionalisierte sofortige Harnableitung geht von dem Konzept aus, dass die massive Dilatation des Harntraktes die Folge einer Obstruktion ist und dass der massive Reflux und die unvollständige Blasenentleerung zu zunehmender Nierenfunktionsstörung führen. Unserer Beobachtung nach ist die Dilatation des Harntraktes beim PBS nicht obstruktiv, der Reflux per se ohne Infektion führt nicht zu einer Nierenschädigung. Ein frühzeitiges Eingreifen in Form einer Harnableitung gefährdet unserer Ansicht nach das Gleichgewicht innerhalb des dilatierten Harntraktes, sodass in der Folge eine Rekonstruktion unvermeidbar wird. Wir geben diesen Kindern eine prophylaktische Antibiose und beobachten sie sorgfältig, in den ersten Lebenstagen sollten sich die Serumelektrolyte und harnpflichtigen Substanzen stabilisieren. Die Spontanmiktion wird beobachtet, falls nötig, wird die Blasenentleerung durch Blasenmassage unterstützt. Eine intermittierende Katheterisierung sollte unbedingt vermieden werden, falls nötig, ziehen wir die operative Anlage einer kutanen Vesikostomie vor. Eine hohe Ableitung ist nur sehr selten nötig. Kutane Ureterostomien sollten vermieden werden, da der obere Harnleiter in der Regel am wenigsten geschädigt ist und für später eventuell notwendige rekonstruktive Eingriffe geschont werden sollte. Eine Pyelostomie als hohe Harnableitung wäre vorzuziehen, wenn alle anderen Maßnahmen versagen.
Diejenigen, die für eine ausgedehnte, chirurgische Intervention in der neonatalen Periode plädieren, empfehlen dieses Vorgehen bei Patienten mit mäßiggradiger bis geringer Ausbildung der Harntraktveränderungen. Sie empfehlen die Exzision des distalen Ureters mit Modellage und Reimplantation der oberen, geringer betroffenen Ureteranteile in die Blase sowie zusätzliche Blasenreduktionsplastiken. Die Hoden werden ins Skrotum gebracht und pexiert. Die Resultate solchen extensiven Vorgehens weisen eine befriedigende Verbesserung der urographischen Morphologie auf. Für diese Patienten ist jedoch nicht das Ausmaß der Harntraktdilatation, sondern das Maß an renaler Dysplasie prognostisch entscheidend.
Wir schlagen in den meisten Fällen ein konservatives beobachtendes Verhalten vor. Dies beruht zum einen auf der Überzeugung, dass die Dilatation des Harntraktes bei PBS nicht auf Obstruktion beruht, wie dies bei hinteren Harnröhrenklappen der Fall ist. Hier liegt vielmehr ein angeborenes Fehlen von glatter Muskulatur in Nierenbecken, Harnleitern und Blase vor, das eine enorme Erweiterung des harnableitenden Systems erlaubt, aber in keiner Weise von einem pathophysiologisch bedeutsamen Druckanstieg begleitet ist. Sicherlich ist es verlockend, bei diesen Kindern mit ihren unter der dünnen Bauchwand leicht tastbaren Hohlsystemen den Harnabfluss durch einen chirurgischen Eingriff zu erleichtern. Man sollte dabei jedoch bedenken, dass technische Probleme infolge der Operation oder iatrogene Keimbesiedlung die oft schon ohnehin eingeschränkte Nierenfunktion zerstören können.
Infektionen
Infektionen des dilatierten, aber funktionell kompensierten Harntraktes stellen eine schwerwiegende Komplikation in der Betreuung des PBS-Patienten dar. Antibiotikagabe in der Neonatalperiode sowie eine Langzeitprophylaxe sollten daher in jedem Fall zum Einsatz kommen. Bei einer Urosepsis werden die bereits schlechte Harnleiterperistaltik und Blasenkontraktilität völlig zum Erliegen kommen, eine chirurgische Ableitung kann dann unumgänglich sein.
Blasenentleerung
Der Gewährleistung der Blasenentleerung kommt im klinischen Management des PBS eine Schlüsselrolle zu. Bei Neugeborenen und Säuglingen ist Blasenmassage eine sehr effiziente Form der assistierten Miktion. Dies ist alle 4–6 Stunden erforderlich, kann aber auch viel häufiger durchgeführt werden. Wenn Infektionen zum Eingreifen zwingen, ist die Anlage einer kutanen Vesikostomie indiziert. Nach dem Verschluss der Vesikostomie muss später eine effektive Blasenentleerung Ziel der Therapie sein. Der saubere intermittierende Katheterismus (CIC) kann zur Anwendung kommen, obwohl wir der Überzeugung sind, dass dadurch das Risiko der Infektion erhöht ist. Außerdem muss die Compliance des Patienten gewährleistet sein. Bei älteren Kindern stellt die Sphinkterotomie eine erfolgreiche Alternativbehandlung dar.
Kutane Vesikostomie
Wenn sich die Notwendigkeit zur Harnableitung ergibt, ziehen wir die Anlage einer kutanen Vesikostomie nach Blocksom vor. Diese Maßnahme dekomprimiert den gesamten Harntrakt in Form eines Pop-off-Mechanismus. Die Technik ist einfach: Über eine kleine Querinzision in der Mitte zwischen Nabel und Symphyse wird die Rektusfaszie freigelegt und exzidiert, der Blasendom wird mobilisiert und an der Rektusfaszie und Haut fixiert. Die Zystostomie sollte bei Patienten mit PBS etwas großzügiger angelegt werden als bei anderen Indikationen (28 Charr), da eine Stomastenose hier häufiger auftritt. Sofern notwendig, kann gleichzeitig ein Urachusdivertikel exzidiert werden. Der Urin drainiert in die Windeln, eine Kathetereinlage ist nicht erforderlich. Die Vesikostomie kann später problemlos wieder verschlossen werden.
Blasenreduktionsplastik
Bei einigen Patienten ist die Blase enorm groß, die Entleerung unregelmäßig und unvollständig. Einige Autoren empfehlen die Durchführung einer Volumenverkleinerung der Harnblase in der Hoffnung, eine Verbesserung der Blasenentleerung zu erreichen. In der Regel werden Blasendom und ein Urachusdivertikel, wenn vorhanden, exzidiert und die Blase in der Mittellinie wieder verschlossen empfehlen die Plikatur der Blasenwand anstelle einer Exzision, Hanna et al. (1977) exzidieren lediglich die Mukosa und doppeln den Detrusor durch Übereinanderschlagen der verbleibenden Muskularis. Nach unseren Erfahrungen ist durch die Blasenreduktionsplastik keinerlei signifikante Verbesserung der Blasenentleerung zu erzielen.
Sphinkterotomie
Obwohl die vordere und membranöse Harnröhre bei der Mehrzahl der PBS-Patienten normal ist, hat eine große Zahl von ihnen (30–50 %) Schwierigkeiten, die Blase zu entleeren. Die Inzision der membranösen Urethra kann die Blasenentleerung verbessern. Durch Erniedrigung des im Grunde normalen Blasenauslasswiderstandes kann der vermindert kontraktile Detrusor sich leichter entleeren. Sahen bei vier von fünf so behandelten Patienten eine gute Blasenentleerung, berichtet über eine deutlich verbesserte Urodynamik in der Mehrzahl seiner Patienten. Wir wenden dieses Verfahren in ausgewählten Fällen an, wobei es sich ausschließlich um ältere Kinder (7–15 Jahre) handelt.
Vordere Harnröhre
Das Prune-Belly-Syndrom kann mit Harnröhrenatresie oder Megalourethra verbunden sein. Beschreiben eine Technik zur sukzessiven Dilatation der hypoplastischen Harnröhre (PADUA), die auch bei einigen PBS-Patienten erfolgreich angewendet werden konnte. Mit großer Vorsicht wird ein Führungsdraht oder 3 Ch Ureterkatheter in die Blase eingeführt. Wenn dies gelungen ist, verbleibt dieser Katheter zunächst für 1–2 Wochen und wird dann sukzessive gegen einen Katheter größeren Durchmessers ausgetauscht, bis nach mehreren Monaten eine normal weite Urethra entstanden ist.
Die Therapie der Megalourethra beruht auf den Prinzipien der Hypospadiekorrektur.
Vesikoureteraler Reflux
Drei Viertel der Prune-Belly-Patienten weisen einen vesikoureteralen Reflux auf. Die Indikationsstellung zur Durchführung einer operativen Korrektur sollte jedoch anderen Richtlinien als die Behandlung eines primären Refluxes folgen. Bei Patienten mit PBS wird der Miktionsdruck nicht direkt auf das Nierenparenchym übertragen, da die dilatierten ableitenden Systeme über ihren großen Totraum den Druckanstieg abfangen. Zudem ist die Reimplantation technisch schwierig, wenn der Reflux behoben, aber nicht gleichzeitig eine Obstruktion geschaffen werden soll. Die schlechte Peristaltik dieser Ureteren führt dazu, dass nach Modellage des Harnleiters und Reimplantation funktionelle Stenosen entstehen, auch wenn die Anastomose nach normalen Kriterien weit sein dürfte.
Wenn die Indikation zur Operation gestellt wird, ist es sicherlich notwendig, den proximalsten Anteil des Ureters, der noch spannungsfrei zur Blase gebracht werden kann, für die Reimplantation zu verwenden. Die distalen Anteile sind vom muskulären Aufbau her am meisten dysplastisch und sollten reseziert werden. Wenn eine Kaliberreduktion erforderlich ist, ziehen wir die Plikatur der Harnleiterresektion vor. Bei unilateralem Reflux kann eine Transureteroureterostomie zum normalen Ureter sinnvoll ein. Ein Psoas-Hitch-Manöver wird empfohlen.
Versorgung der Bauchwand
Die schlaffe Abdominalwand bestimmt mit zunehmendem Wachstum das Aussehen der Kinder weniger als bei der Geburt. Trotzdem berichten einige Autoren von der psychologischen Belastung ihrer Patienten. Das Tragen eines Korsetts ist eine effektive Hilfsmaßnahme, jedoch kann auch eine operative Korrektur im Rahmen anderer Eingriffe, etwa einer Orchidopexie oder eines rekonstruktiven Eingriffs am Harntrakt, sinnvoll sein. Zwar berichtet, dass nach anfänglich gutem kosmetischem Ergebnis die Erschlaffung der Bauchdecken wieder zunimmt, und unsere eigenen Erfahrungen mit der Bauchwanddopplung über eine kraniokaudale Inzision waren unbefriedigend. Schlugen eine transversale, U-förmige Inzision mit Resektion der abnormalen Muskulatur unter Mitnahme von Haut und Peritoneum vor. Dieses Verfahren hat auch in unserer Klientel sehr gute kosmetische Resultate erzielt.
Ob die Bauchwandplastik Vorteile für die Harntraktfunktion bringt, muss dahingestellt bleiben. Zwar berichtet diesbezüglich Positives, jedoch wurden bei seinen Patienten gleichzeitig rekonstruktive Eingriffe am Harntrakt selbst durchgeführt. Sicherlich wird durch die Straffung der Abdominalwand den Patienten mit rezidivierenden Atemwegsinfektionen das Abhusten erleichtert.
Orchidopexie
Alle männlichen Patienten mit Prune-Belly-Syndrom haben beidseits nicht deszendierte Hoden. Eine frühe Orchidopexie wird dringlich empfohlen. Die Hoden finden sich normalerweise intraabdominal mit einem breiten Mesorchium über den Iliakalgefäßen, sie können aber an jedem Punkt entlang des physiologischen Deszensusverlaufes liegen. In einigen Fällen kann eine konventionelle Orchidopexie genügen, um diese Hoden nach skrotal zu bringen. Besonders in der Neonatalperiode kann eine transabdominale Orchidopexie mit retroperitonealer Mobilisation der A. und V. spermatica erfolgreich sein (Woodard und Parrott 1978); Fowler und Stephens (1959) beschrieben eine Technik, bei der die testikulären Gefäße durchtrennt werden und der Hoden allein durch über das Vas deferens und den peritonealen Umschlag einstrahlende Gefäße versorgt wird. Die Entscheidung, diesen Eingriff durchzuführen, muss früh im Operationsverlauf gestellt werden, da sonst bei der Freipräparation des Hodens eben diese Gefäße zerstört werden. Zweizeitige Verfahren mit Unterbindung der testikulären Gefäße und Orchidopexie nach einem 6-monatigen Intervall und eine Hodenautotransplantation an die epigastrischen Gefäße stellen Alternativverfahren dar. Auch der laparoskopische Zugang ist möglich und wurde von Philip et al. 2011 beschrieben.
Sexualfunktion und Fertilität
Woodhouse et al beschreiben bei erwachsenen PBS Patienten eine normale Erektionsfähigkeit, die meisten Patienten hatten einen normalen Orgasmus, dabei kam es jedoch nur bei einem von acht auch zu einer Samenemission, Die Untersuchung des Urines auf die Präsenz von Samen war negativ. Bisher wurde über keine spontan fertilen Patienten berichtet. Dies ist durch die geringe Qualität der Seminalflüssigkeit ebenso wie durch die abnormale Konfiguration von Prostata und Blasenhals zu erklären. Allerdings wurde bei den heute erwachsenen Patienten die Orchidopexie in der späten Kindheit oder der frühen Pubertät durchgeführt. Die Beobachtung, dass in den Hoden von PBS-Patienten Germinalzellen zu finden sind, lässt vermuten, dass eine frühe Orchidopexie das Fertilitätspotenzial erhöht. Inzwischen sind auch zahlreiche Fälle von Vaterschaft durch ICSI berichtet (Fleming et al. 2013).
Nierenversagen und Transplantation
Etwa 25–30 % der PBS-Patienten werden terminal niereninsuffizient. Dies ist zum einen durch die angeborene Nierendysplasie bedingt, wird aber zusätzlich durch erworbene Faktoren wie rezidivierende Harnwegsinfekte beeinflusst. Eine histologische Aufarbeitung durch Reinberg et al. (1991) zeigte, dass die Kinder, die ihre Niereninsuffizienz im Säuglingsalter entwickelten, ein höheres Maß an dysplastischen Veränderungen aufwiesen als diejenigen, die später niereninsuffizient wurden. In letzterer Gruppe überwogen Nierenschädigungen durch chronische Entzündung oder Refluxnephropathie. Dies betont einmal mehr, wie wichtig das Vermeiden von Harnwegsinfekten in der Behandlung der PBS-Patienten ist.
Beschrieben ihre Erfahrungen mit Nierentransplantationen in der Patientengruppe mit PBS. Es bestand kein signifikanter Unterschied bezüglich Mortalität, Transplantatüberleben und Transplantatfunktion im Vergleich zu anderen Patientengruppen. Diese Resultate stehen in Gegensatz zu den schlechten Erfahrungen derselben Autoren bei Patienten mit hinterer Harnröhrenklappe.
Schlussfolgerungen
Das Prune-Belly-Syndrom weist ein breites Spektrum von Fehlbildungen auf. Charakteristisch ist die Dilatation des Harntraktes als Folge einer Aplasie der glatten Muskulatur. Damit ist der Pathomechanismus grundsätzlich von dem bei supra- oder infravesikaler Obstruktion zu unterscheiden. Eine operative Korrektur ist bei diesem Krankheitsbild nur in ausgewählten Fällen indiziert. Die Harnstase im dilatierten Hohlsystem mit großem Totraumvolumen prädestiniert zu Infekten. Bei den heute zur Verfügung stehenden sehr wirksamen Antibiotika sollte eine konservative Haltung so lange wie möglich beibehalten werden können.
Unserer Erfahrung nach stellt Blasenmassage eine einfache und effiziente Maßnahme zur Gewährleistung der Blasenentleerung in der Neugeborenenperiode dar. Sollte eine Harnableitung wegen persistierender Infekte notwendig werden, so ist die semikontinente kutane Vesikostomie nach Blocksom der hohen Harnableitung unbedingt vorzuziehen. In der überwiegenden Zahl der Fälle sind rekonstruktive Operationen am Ureter nicht indiziert. Der Reflux stellt bei diesem Krankheitsbild wegen fehlender Drucksteigerung in den Nieren eine geringe Gefahr für die renale Einheit dar. Mit dem Eingriff wird häufig lediglich kosmetisch das Aussehen des Harntraktes normalisiert, wobei ein hohes Risiko für die Harntransportfunktion in einem unter Umständen gerade noch kompensierten System in Kauf genommen wird. Die zugrunde liegende Ursache, nämlich die Aplasie der glatten Muskulatur, wird damit nicht behoben.
Das Ausmaß der renalen Dysplasie ist in erster Linie maßgeblich für die Prognose des Patienten. Nach unserer Meinung bietet sich für diese Kinder dann die günstigste Perspektive, wenn man sich dazu entschließt, mehr und mehr einer konservativen Haltung den Vorzug zu geben und nur in ausgewählten Fällen chirurgisch vorzugehen.
Zusammenfassung
  • PBS: Trias Hypoplasie der Abdominalmuskulatur, Kryptorchismus beidseits, typische Harntraktanomalie.
  • Pseudo-Prune: Hypoplasie der Abdominalmuskulatur, typische Harntraktanomalie.
  • Primäre Nierenhypodysplasie.
  • Gestörte Blasenentleerung.
  • Keine Blasenauslassobstruktion!
  • Maturationsvorgänge führen zu spontaner Besserung.
  • Instrumentierung vermeiden.
Literatur
Fleming SD, Varughese E, Hua VK, Robertson A, Dalzell F, Boothroyd CV (2013) Normal live births after intracytoplasmic sperm injectito in a man with the rare condition of eagle-barrett syndrome. Fertil Steril 100(6):1532–1535CrossRef
Fowler R, Stephens FD (1959) The role of testicular vascular anatorny in the salvage of the high undescended testis. Aust N Z J Surg 29:92CrossRef
Granberg CF, Harrison SM, Dajusta D et al (2012) Genetic basis of prune belly syndrome: screening for HNF1B gene. J Urol 187(1):272–278CrossRef
Hadziselimovic F (1983) Cryptorchidism: management and implications. Springer, New YorkCrossRef
Hanna MK, Jeffs RD, Sturgess JM, Barkin M (1977) Ureteral structure and ultrastructure. Part 111. The congenitally dilated ureter(megaureter). J Urol 117:24CrossRef
Kinahan TJ, Churchill BM, McLorie GA et al (1992) The efficiency of bladder emptying in the prune belly syndrome. J Urol 148:600CrossRef
Kroovand RL, Al-Ansari RM, Perlmutter AD (1982) Urethral and genital malformation in prune belly syndrome. J Urol 127:94CrossRef
McLorie G, Farhat W, Khoury A, Geary D, Ryan G (2001) Outcome analysis of vesicoamniotic shunting in a comprehensive population. J Urol 166(3):1036–1040CrossRef
Mortensen PH, Johnson HW, Coleman GU et al (1985) Megalourethra. J Urol 134:358CrossRef
Nijman JM (2008) Urologie. Bohn Stafleu van Loghum, Houten
Pak LK, Ruchelii E, Ewalt D et al (1993) Testicular histology in prune belly syndrome: just another intraabdominal testis? J Urol 149:226 A
Philip J, Mullassery D, Craigle RJ, Manikandan R, Kenny SE (2011) Laparoscopic orchidopexy in boys with prune belly syndrome – outcome and technical considerations. J Endourol 25(7):1115–1117CrossRef
Popek EJ, Tyson RW, Miller GJ et al (1991) Prostate development in the prune belly syndrome (PBS) and posterior urethral valves (PUV): etiology of PBS – lower urinary tract obstruction or primary mesenchymal defect? Pediatr Pathol 11:lCrossRef
Reinberg Y, Manivel JC, Pettinato G et al (1991) Development of renal failure in children with the prune belly syndrome. J Urol 145:1017CrossRef
Snyder HM, Harrison NW, Whitfield HM, Williams DL (1976) Urodynamics in the prune belly syndrome. Br J Urol 48:663CrossRef
Woodard JR, Parrott TS (1978) Orchiopexy in the prune belly syndrome. Br J Urol 50:348CrossRef
Weiterführende Literatur
Sarhan OM, Al-Ghanbar MS, Nakshabandi ZM (2013) Prune belly syndrome with urethral hypoplasia and vesico-cutaneous fistula: a case report and review of literature. Urol Ann 5(4):296–298CrossRef
Stein R, Beetz R, Thüroff J (2012) Kinderurologie in Klinik und Praxis. Thieme, StuttgartCrossRef
Woods AG, Brandon DH (2007) Prune belly syndrome. A focused physical assessment. Adv Neonatal Care 7(3):132–143CrossRef
Zugor V, Scott GE, Labanaris AP (2012) The Prune belly syndrome: urological aspects and long-term outcomes of a rare disease. Pediatr Rep 4(2):e20CrossRef