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Die Urologie
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Publiziert am: 07.09.2022

Sinus urogenitalis, Anomalien des weiblichen Genitales und gynäkologische Probleme in Kindesalter und Pubertät

Verfasst von: Anne-Karoline Ebert
Die Persistenz des Sinus urogenitalis mit unvollständiger Trennung von Urethra und Scheide tritt bei ätiologisch komplett unterschiedlichen Anomalien auf. Entsteht der Sinus durch Androgeneinfluss wie bei Varianten der Geschlechtsentwicklung, so entwickelt sich die weibliche Urethra normal und erreicht die Klitoris, ohne dass die Sphinkterfunktion beeinträchtigt ist. Kommt der persistierende Sinus im Rahmen einer nicht erfolgten Trennung von Rektum, Scheide und Harntrakt in der frühen Embryonalperiode zustande, so bestimmen neben der Kloakenpersistenz vor allem die neurogenen Komorbiditäten Verlauf und Outcome. Die isolierte Form der Sinuspersistenz ohne Zeichen einer Maskulinisierung und ohne anorektale Anomalie resultierend aus einer fehlenden Reabsorption des distalen Sinus ist sehr selten.
Fehlbildungen des weiblichen Genitales sind meist durch Inspektion im Kindesalter erkennbar, bleiben aber in ihrer funktionellen Bedeutung klinisch oft inapparent. Mit Ausbleiben der Menarche bzw. im Rahmen der Abklärung eines unerfüllten Kinderwunsches wird die Diagnose gestellt. Selten kommt es durch Ausbildung einer Hämatometra zu einer akuten Abdominalsymptomatik. Ein vergleichsweise häufiges gynäkologisches Problem in der Kindheit stellen entzündliche Veränderungen wie die Vulvovaginitis dar und müssen bei dysurischen Beschwerden zur Harnwegsinfektion differenzialdiagnostisch abgegrenzt werden. Vulvovaginitiden im Kindesalter sind meist unspezifisch und können mit einfachen Hygienemaßnahmen sowie der Therapie evtl. zugrundeliegender Darm- und Blasenentleerungsstörung erfolgreich behandelt werden

Sinus urogenitalis

Embryologie

Im Embryo mündet der primitive Dickdarm in die Kloake, von welcher ventral ein blind endendes Divertikel ausgeht, die sog. Allantois, deren unterer Anteil eng mit der weiteren Entwicklung des Harntraktes verbunden ist. Mit zunehmender Proliferation des urorektalen Septums werden nachfolgend Darm und Allantois voneinander separiert. In einem 8 1/2 bis 9 Wochen alten weiblichen Embryo sind Urogenital- und Intestinaltrakt komplett getrennt. Der kraniale Anteil der Allantois obliteriert zum Urachus, der mittlere Anteil entwickelt sich zur Blase und der distale Anteil bildet den Sinus urogenitalis. Finden nun die kaudalen, miteinander fusionierten paramesonephrischen Gänge (sog. Müller-Gänge), die den Uterovaginalkanal bilden, Anschluss an den Sinus urogenitalis, so wird dort das Wachstum zweier Epithelknospen induziert, die nachfolgend zu einer soliden Zellplatte, der Vaginalplatte werden. Somit bildet sich die Vagina im oberen Teil aus der uterovaginalen Anlage, während sie im unteren Teil dem Sinus urogenitalis entstammt, von dem sie durch das Gewebe der Vaginalplatte in Vagina und Urethra separiert wurde.
Wichtig
Diese besondere Entwicklungsgeschichte macht deutlich, dass einer Persistenz des Sinus urogenitalis ätiologisch unterschiedliche Ursachen zugrunde liegen können. So beruht bei Varianten der Geschlechtsentwicklung die Sinuspersistenz auf Androgeneinflüssen, während Störungen in der früheren Embryonalperiode, die zu einer nicht erfolgten Trennung von Rektum, Scheide und Harntrakt führen, in einer Kloakenpersistenz resultieren. Die isolierte Form der Sinuspersistenz ohne Zeichen einer Maskulinisierung und ohne anorektale Malformation resultierend aus einer fehlenden Reabsorption des distalen Sinus ist sehr selten. Durch die unvollständige Trennung von Vagina und Urethra entsteht ein gemeinsamer Kanal, in den die Vagina auf unterschiedlicher Höhe einmündet.

Epidemiologie

Die Inzidenz des isolierten persistierenden Sinus urogenitalis ist unklar. In der Literatur steht die isolierte Sinuspersistenz in der Häufigkeit weit hinter der mit Varianten der Geschlechtsentwicklung oder Kloakenpersistenz vergesellschafteten Sinuspersistenz. Isolierte Anomalien des weiblichen Meatus wie die weibliche Hypospadie oder ein „meatal web“ oder „covered meatus“ durch eine Hymenalpersistenz sind wahrscheinlich als Minorformen der Sinuspersistenz zu bezeichnen. Sie sind extrem selten von klinischer Relevanz und entstehen bei unvollständiger Ausdifferenzierung des Sinus urogenitalis Anfang des zweiten Trimenons (Elder 1993; van Bogaert 1992). Das adrenogenitale Syndrom (AGS) als häufigste Ursache einer Sinuspersistenz tritt mit einer Inzidenz von 1:15.000 Lebendgeborenen auf (Yerkes und Rink 2009). Die Kloakenfehlbildung als schwerste Anomalie im Spektrum anorektaler Malformationen ist mit einer Inzidenz von 1:50.000–100.000 Lebendgeburten ebenfalls selten. Dabei unterbleibt die Trennung von Scheide, Urethra und Rektum, weshalb alle drei Strukturen in einen gemeinsamen Kanal am Perineum drainieren. Die persistierende Kloake ist zudem mit Anomalien des Harntraktes, des Genitaltraktes (Uterus und Zervix), der Wirbelsäule, der Extremitäten und des kardiovaskulären Systems z. B. als VACTERL-Assoziation vergesellschaftet (Warne et al. 2011).

Diagnostik

Klinische Untersuchung

Ein persistierender Sinus urogenitalis kann bei der klinischen Untersuchung vermutet werden, wenn bei der Inspektion des Genitale nur eine einzige Öffnung im Vestibulum erkennbar ist. Des Weiteren besteht der Verdacht bei einem nicht eindeutigen äußeren Genitale und einer anorektalen Malformation. Präpartal wird ein Verdacht auf Kloakenpersistenz sonografisch geäußert, wenn bei weiblichen Feten beidseits Hydronephrosen und bei fehlender Blase eine zystische Läsion im Becken sichtbar ist. Nach der Geburt wird das Genitale inspiziert und bei nicht eindeutiger Geschlechtszuordnung leitliniengerecht abgeklärt (Kap. „Varianten der sexuellen Differenzierung/DSD“). Wichtig ist neben der Beurteilung des Vestibulums, die Größe der Klitoris respektive des Phallus sowie deren/dessen Position zu den Labioskrotalfalten, das Vorhandensein von Labia minora, zudem die Perineal-, Anogenital- und Sakralregion. Bei tiefem Confluens im Bereich des Perineums kann ein vergleichsweise unauffälliges äußeres weibliches Genitale mit einer einzigen Öffnung sowie einem lediglich hoch ansetzenden Perineum zu sehen sein. Dauerndes Urintröpfeln kann beobachtet werden, zudem kann eine Verhalt-bedingte abdominelle Distention tastbar sein. Je nach Lokalisation der Obstruktion entsteht entweder ein Hydrometrokolpos oder eine volle Blase mit beidseitiger Harntraktdilatation.

Labor

Fehlbildungen des äußeren Genitales bedürfen einer leitliniengerechten Abklärung (Kap. „Varianten der sexuellen Differenzierung/DSD“). Da mögliche klinische Symptome Harnwegsinfektionen oder Harntransportstörungen einschließen, sind ein Urinstatus und bei beidseitiger Harntraktdilatation neben der Sonografie die Bestimmung des Serumkreatinins sinnvoll.

Bildgebung

Als Initialdiagnostik ist ein transabdominaler Ultraschall mit einem hochauflösenden Linearschallkopf, evtl. auch ergänzt durch eine transperineale Darstellung ausreichend (Riccabona et al. 2014). Das Kind sollte für die Untersuchung gut hydriert, die Blase gut gefüllt sein. Daher kann es sinnvoll sein, über einen dünnlumigen Katheter die Blase mit warmer Kochsalzlösung zu füllen, um simultan Harntrakt und inneres Genitale beurteilen zu können. Gelingt die Einlage eines transurethralen Blasenkatheters nicht, wird die Blase suprapubisch punktiert. Sonomorphologisch begutachtet werden das innere Genitale, der obere Harntrakt, die Nebennieren und die untere Wirbelsäule inklusive Myelon.
Zur Abklärung und ggf. Operationsplanung eignet sich die Miktionszystourethrographie (Abb. 1), die heute auch bei entsprechender Erfahrung des Untersuchers als Miktionsurosonographie mit Ultraschallkontrastmittel (MUS) von perineal aus durchgeführt werden kann. Weitere Diagnostika wie z. B. die die fluoroskopische oder Ultraschall-Genitographie werden in Anwesenheit der OperateurIn im Einzelfall hilfreich sein. Meist wird die OperateurIn eine Zystoskopie und Vaginoskopie intraoperativ durchführen, um anhand der Länge des sog. „common channel“ die geeignete Operationstechnik festzulegen. Bei Kloakalen Malformationen mit rektaler Fistel bildet insbesondere bei älteren Kindern das mit vaginaler Füllung durchgeführte MRT den externen Sphinkter bzw. Beckenboden gut ab (Riccabona et al. 2014). Bei Kloakenfehlbildungen wird nach Peña die Länge des „common channel“ (<3cm oder >3cm) bestimmt, was für die Planung der Rekonstruktion essenziell ist.

Differenzialdiagnose

Bei dauerndem Urintröpfeln muss an eine extraurethrale Harninkontinenz, wie eine uni- bzw. bilaterale Ureterektopie, oder eine strukturelle Harninkontinenz wie bei der Epispadie gedacht werden. Bei der seltenen weiblichen Epispadie (Inzidenz in Europa 1/1300 000, Cervellione 2015), sieht man neben einem kurzen Perineum und einem unauffälligen Scheideneingang vor allem eine klaffende Urethra und eine bifide Klitoris.

Therapie

Trotz unterschiedlicher zugrunde liegender Ätiologien haben die Rekonstruktionsmethoden des Sinus urogenitalis eine Trennung von Urethra und Scheide ggf. auch dem Rektum zum Ziel. Für klinische asymptomatische Kinder gibt es keine Empfehlung hinsichtlich eines optimalen Operationszeitpunktes (Oppelt et al. 2020). Bei symptomatischen Kindern muss zunächst die Obstruktion mittels Drainagen bzw. einem Blasenhautstoma oder Vaginostomie beseitig werden (Oppelt et al. 2020). Bei fehlendem Anus wird die Kloakenfehlbildung zunächst postpartal mittels protektiver Kolostomie versorgt; eine definitive Rekonstruktion erfolgt nach Stabilisierung des Neugeborenen.
Hinsichtlich der Rekonstruktion eines Sinus urogenitalis bei einem nicht eindeutigen Genitale (z. B. adrenogenitales Syndrom) wird auf Kap. „Varianten der sexuellen Differenzierung/DSD“ verwiesen.
Die Länge des urogenitalen Sinus (tiefes oder hohes Confluens) bestimmt die Operationsmethode (Abb. 2). Bedeutend ist zudem die Länge der Urethra proximal des Sinus und die Komorbidität einer anorektalen Malformation (Peña 1997; Ludwikowski et al. 1999; Ludwikowski und González 2013).
Ist der urogenitale Sinus kurz (<3 cm), wird der Introitus vaginae in der Regel mittels invertiertem U-förmigem perinealem Vollhautlappen nach Fortunoff rekonstruiert. Diese Prozedur eröffnet oder erweitet den urogenitalen Sinus, ohne das Confluens selbst zu verändern.
Bei einem Sinus >3 cm wurden früher vaginale Durchzugsoperationen indiziert, bei welchen die Scheide komplett oder partiell von der Urethra separiert wurde. Als Komplikationen traten urethrovaginale Fisteln, Stenosen von Vagina oder Urethra bzw. anatomisch oder neurogen bedingte Harninkontinenz auf. Zusätzlich musste der Vaginaleingang mit Hautlappenplastiken erweitert oder die Scheide partiell mit Darm ersetzt oder verlängert werden. Funktionell schlüssig wurde das übrige mit Mukosa ausgekleidete Sinusgewebe für die Rekonstruktion des hinteren Scheidengewölbes anstelle eines perinealen Schwenklappens benutzt (Gosalbez et al. 2005). Diese Zusammenhänge sind wichtig, weil Kliniker im Langzeitverlauf mit derartig rekonstruierten Patientinnen konfrontiert sind.
Im Jahre 1997 publizierte Pena eine zirkumferrente En-bloc-Mobilisation von Urethra und Vagina, die totale urogenitale Mobilisation (TUM) (Peña 1997) (Abb. 3), die von perineal oder posterior sagittal durchgeführt werden kann. Bei der persistierenden Kloake kann diese Mobilisation mit einem abdominalen Eingriff kombiniert werden. Gute kosmetische Ergebnisse, eine untangierte urethrovaginale Durchblutung sowie eine verringerte Operationszeit sind besondere Vorteile dieser Methode. Bedenken bestehen bei dieser Technik in Hinblick auf eine Dissektion der anterioren Oberfläche der proximalen Urethra oberhalb des pubourethralen Ligamentes in Hinblick auf eine mögliche Verletzung der Innervation und des urethralen Sphinkterapparates. Rink et al. propagierten daher für kürzere Sinus die weniger invasivere partielle urogenitale Mobilisation (PUM) (Rink et al. 2006). Hierbei werden die Blasenhals- und Klitorisinnervation nicht tangiert, zudem bleibt die Verankerung des pubourethralen Ligamentes bestehen. Zwar wurde die TUM initial für die Kloakenfehlbildung mit kurzem Kanal (weniger als 2,5 cm) von Pena eingeführt, doch wird sie heute nahezu für das komplette Spektrum mit persistenter Kloake und langem Kanal, einfacher Sinuspersistenz und bei AGS angewandt (Ludwikowski et al. 1999).
Ältere Mädchen mit einer weiblichen Hypospadie haben häufiger Harninkontinenzsymptome und eine störende Harnstrahlabweichung über den Toilettensitz hinaus. Bei über der Hälfte kann urodynamisch ein Miktionsfehlverhalten im Sinne einer Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination nachgewiesen werden. Besteht nach Urotherapie das störende Symptom fort, kann je nach Ausprägungsgrad der hypospade Harnröhrenbefund auch operativ korrigiert werden (van Bogaert 1992; Hoebeke et al. 1999).

Verlauf, Nachsorge und Prognose

Die Variabilität der Anatomie und die zugrunde liegenden (Co-)Pathologien haben wie auch chirurgische Komplikationen Einfluss auf die Blasenfunktion. Schon aufgrund der Seltenheit der Anomalie sind Langzeitergebnisse in Hinblick auf die Blasen- und Genitalfunktion insgesamt, im Besonderen aber nach den neueren Rekonstruktionstechniken spärlich vorhanden.
Patientinnen mit kurzem Confluens erreichen bessere Kontinenzraten. Nach TUM/PUM werden Kontinenzraten von 96 % bei AGS und 89,5 % bei Kloakenpersistenz berichtet (Palmer et al. 2012; Matsui et al. 2009). Bei komplexen Fehlbildungen besteht ein Risiko für Blasenfunktionsstörungen bis hin zur Notwendigkeit, postoperativ einen intermittierenden Selbstkatheterismus dauerhaft durchzuführen. Zudem können je nach Kollektiv und Voroperationen zusätzlich kontinenzschaffende Operationen in bis zu 46 % der Fälle nötig werden. Im Erwachsenenalter finden sich im Kollektiv des AGS eine klinisch relevante Urgeinkontinenz in 68 % und eine Stressinkontinenz in 47 % (Davies et al. 2005). Eine urologische Langzeitbetreuung ist daher anzuraten.
Hinsichtlich der Genitalfunktion hatten die meisten erwachsenen Betroffenen eine normale Vagina, 57 % waren sexuell aktiv, 50 % ohne weitere chirurgische Maßnahmen (Warne et al. 2011). Das Auftreten von Vaginaleingangsstenosen aber sollte langfristig beobachtet werden, möglicherweise können zusätzliche posteriore Hautlappen bzw. eine omegaförmige Hautlappenkonfiguration das Stenoserisiko minimieren. Bei ausbleibender Menstruation sollte an (Re-)Stenosierungen gedacht werden.
Unklar lässt die Literatur das Auftreten von Dyspareunien, vaginaler Sensibilität bzw. sexueller Zufriedenheit. Im Kollektiv der persistierenden Kloake zeigten 75 % eine normale Uterusfunktion zur Pubertät (Warne et al. 2011). Ein Abschätzen der Fertilität und einer Schwangerschaftschance bleibt schwierig. Empfehlungen zur Betreuung Schwangerer mit ehemals persistierendem Sinus urogenitalis gibt es nicht.

Anomalien des weiblichen Genitales

Fehlbildungen des weiblichen Genitales sind im Kindesalter meist durch Inspektion erkennbar, bleiben aber in ihrer funktionellen Bedeutung oft klinisch inapparent. Erst mit Ausbleiben der Menarche bzw. im Rahmen der Abklärung eines unerfüllten Kinderwunsches wird die Diagnose gestellt. Selten kommt es bei genitalen Anomalien zu einer Abflussstörung mit Mukokoplos und nach der Menarche durch Ausbildung einer Hämatokolpos oder Hämatometra zur akuten Abdominalsymptomatik.

Epidemiologie

Anomalien des weiblichen Genitales werden nach der anatomisch deskriptiven VCUAM-Klassifikation (Vagina- Cervix- Uterus- Adnexe- Malformation) beschrieben (Oppelt et al. 2005).
Zumeist retrospektive Studien fanden je nach Selektionskriterien, Untersuchungsmethoden und klinischen Fragestellungen unterschiedliche Inzidenzen genitaler weiblicher Anomalien. Eine länderübergreifende Metaanalyse erhob in der Allgemeinbevölkerung eine Prävalenz von 0,5 % (Nahum 1998). Im selektionierten Patientengut infertiler Frauen jedoch lag die Inzidenz uteriner Fehlbildungen bei bis zu 13 % (Oppelt et al. 2020). Fehlbildungen des weiblichen Genitale werden aufgrund potenzieller Fertilitätseinschränkung oft erst im Erwachsenenalter klinisch relevant und/oder haben Einfluss auf das geburtshilfliche Management.
Genitale Anomalien können genetisch und/oder multifaktoriell bedingt sein, weshalb auf syndromale Merkmale geachtet werden sollte. Eine genetische Abklärung ist bei isolierten Müller-Gang-Fehlbildungen meist entbehrlich, sollte jedoch bei V. a. komplexe Syndrome durchgeführt werden. Da 30 % der gynäkologischen Fehlbildungen assoziierte Harntraktanomalien, aber auch Anomalien des Skelettes (Skoliose) und z. B. Leistenhernien aufweisen, sollte eine Sonografie des Harntraktes im Rahmen abklärender Untersuchungen nicht vergessen werden (Oppelt et al. 2020).

Diagnostik

Die Inspektion des weiblichen Genitale gehört grundsätzlich zur Untersuchung des Neugeborenen und jedes Mädchens mit und ohne klinische Symptome. Dabei beurteilt man in der sogenannten Froschhaltung unter Separation und Traktion der Labien den Introituseingang. Zudem sollte auf den Anus, das Perineum, die Klitoris sowie postpartal den weißlichen Fluor neonatalis geachtet werden. Ein fehlender weißlicher Fluor neonatalis kann auf eine Abflussbehinderung oder Anlagestörung wie Uterus- und/oder Vaginalaplasie oder Hymenalatresie hinweisen. Bei Verdacht auf eine komplexe Fehlbildung insbesondere bei uneindeutigem äußeren Genitale wird die entsprechende leitliniengerechte interdisziplinäre Diagnostik und Beratung eingeleitet (Kap. „Varianten der sexuellen Differenzierung/DSD“). Zur Abklärung des inneren Genitales stehen die transabdominale Sonografie bei gefüllter Blase oder auch die perineale oder translabiale Sonografie im Vordergrund. In den ersten Lebensmonaten können Uterus und Ovarien aufgrund der maternalen Hormonstimulation gut beurteilt werden. Erst in der präpubertären Phase ist nach einer Latenzzeit wieder eine ausreichende Darstellung möglich. Vor komplexen operativen Rekonstruktionen kann ein MRT auch bei kleineren Kindern und Neugeborenen hilfreich sein, komplexe anatomische Zusammenhänge zu klären. Dabei sind spezielle kindgerechte Untersuchungstechniken und die Füllung aller Köperöffnungen z. B. mit Ultraschallgel bzw. physiologischer NaCl-Lösung zur besseren Abgrenzung sinnvoll. Assoziierte Anomalien z. B. des Darmes, Skelettes oder Harntraktes werden leitliniengerecht abgeklärt. Bei Anomalien des oberen Harntraktes wie einer Nierenagenesie sollte nach gehäuft auftretenden Vaginal- bzw. Uterusfehlbildungen gesucht werden. Bei einer Obstruktion z. B. aufgrund einer Vaginalatresie kann ausgetretenes Uterussekret als Aszites sonografisch sichtbar sein.

Therapie und Differenzialdiagnostik

Anomalien der Vulva

Introitusstenose
Introitusstenosen können angeboren oder erworben sein und treten meist im Rahmen von komplexen Fehlbildungssyndromen wie bei der klassischen Blasenekstrophie (Abb. 4), beim AGS oder der Kloakenfehlbildung auf. Die Korrekturprinzipien richten sich nach der zugrundeliegenden Pathophysiologie. So vorhanden wird ortsständiges Gewebe genutzt, um den Scheideneingang zu erweitern (Fortunoff-Plastik). Problematisch ist dies beim kurzen Perineum, weshalb sich da laterale Lappen bewährt haben.
Labiale Fusion (erworbene Hymenalverklebung)
Die labiale Fusion (erworbene Hymenalverklebung) entsteht meist nach der Minipubertät im zweiten Lebensjahr durch entzündliche Irritation des nicht mehr östrogenisierten Labienepithels (Oppelt et al. 2020) (Abb. 5). Die Inzidenz variiert je nach Klinik bzw. untersuchtem Kollektiv zwischen 0,6 und 3 %, jedoch werden auch Häufigkeiten bis zu 38 % berichtet (van Eyk et al. 2009). Häufig ist die labiale Fusion ein Zufallsbefund bei klinisch asymptomatischem Kind. 80 % dieser Zufallsbefunde verschwinden innerhalb eines Jahres durch adäquate Genitalhygiene (reines Wasser, keine Feuchttücher, Lotionen oder Salben), so dass der Fokus hier auf der Prävention und der konservativen Therapie liegt. Eine topische östrogenisierende Therapie (Estriol) ist nur bei Symptomatik, z. B. Nachtröpfeln oder irritativen Symptomen bzw. gestörtem Abfluss nötig. Ohne adäquate Pflege der Genitalregion ist das Rezidivrisiko hoch; dies gilt insbesondere für eine operative Lösung oder Spaltung der Fusion, weshalb diese wann immer möglich vermieden werden sollte.

Anomalien der Vagina

Hymenalatresie
Eine komplette oder inkomplette Hymenalatresie entsteht durch inkomplettes oder fehlendes Einreißen des mesenchymalen Gewebes zwischen Vaginalplatte und Sinus urogenitalis und tritt mit einer Inzidenz von 1:2000 Mädchen auf (Oppelt et al. 2020). Die Harnröhre bleibt untangiert und mündet orthotop. Der Hymenalring ist normal konfiguriert. Bereits postpartum kann eine Intervention bei gespanntem Hymen und sonografischem Verhalt (Hämatokolpos/Hämatometra) indiziert sein. Kleinkinder können beim Mukokolpos auch klinisch unauffällig bleiben. Bei älteren Mädchen treten im Verlauf Bauchschmerzen oder eine akute Abdominalsymptomatik auf. Idealerweise sollte eine einfache Inzision entweder direkt postpartal oder nach der Thelarche und vor der zu erwartenden Menarche erfolgen, da zu diesem Zeitpunkt durch die Östrogenisierung die Gewebeelastizität besser und damit eine Heilung optimal abläuft.
Vaginalatresie und Vaginalhypoplasie
Vaginalatresie und Vaginalhypoplasie zeigen sich durch eine primäre Amenorrhö in der Pubertät. Bei unauffälligem inneren Genitale und daher normalem Zyklus kommt es zur Hämatometra mit Bauchschmerzen und abdominaler Distension im Sinne eines akuten Abdomens. Bei koexistenter Vaginal- und Uterusaplasie liegt meist ein Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom (MRKHS) vor. Nach entsprechender Umfelddiagnostik und differenzierter Beratung der Betroffenen können die therapeutischen Optionen des Scheidenersatzes individuell angepasst werden. Grundsätzlich unterscheidet man operative bzw. nichtoperative Dehnungsverfahren ortsständiger oder verbrachter semielastischer Ersatzgewebe oder einen kompletten Scheidenersatz z. B. durch Darmanteile. Die Dehnungsverfahren setzen eine hohe Motivation der Patientin über eine lange Therapiedauer voraus. Die potenziellen operativen Komplikationen wie Haut(lappen)nekrosen, Granulom- oder Fistelbildungen, aber auch die eingeschränkte Lubrifikation der Neovagina, Schleimsekretion einer Darmvagina oder eine erhebliche Schrumpfungstendenz eingebrachter nicht hormonabhängiger Gewebe können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Scheidenersatztherapie ist eine ausgewiesene operative Expertise und eine zugewandte Langzeitbetreuung in einem erfahrenen Zentrum.
Vaginalseptum
Vaginalsepten werden nach ihrem Obstruktionsgrad in inkomplette oder komplette sowie entsprechend ihrer Ausrichtung zum Vaginalschlauch in longitudinale bzw. transversale Scheidensepten eingeteilt. In über 80 % treten assoziiert uterine Fehlbildungen auf (Oppelt et al. 2020). Ein isoliertes longitudinales Scheidenseptum stellt meist kein Konzeptions-, Koitus- oder Abflusshindernis dar und ist damit für das Kindes- und Jugendalter nicht relevant. Vor einer vaginalen Geburt sollte die operative Korrektur diskutiert werden, um Geburtsverletzungen zu vermeiden. Durch eine partielle kaudale Fusion der Müller-Gänge und damit einer Uterusduplikatur kann ein partielles longitudinales Septum zur relevanten Abflussbehinderung einer Scheidenanlage im Sinne eines Muko- bzw. Hämatokolpos, auch Hämatometra führen. Zusammen mit einer ipsilateralen Nierenanomalie (meist Nierenagenesie auf Seiten der obstruierten Hemivagina) liegt ein OHVIRA oder Herlyn-Werner-Wunderlich Syndrom vor. Die Resektion der Septen sollte immer auf Scheidenmuskelniveau erfolgen, um einer Wulstbildung und damit zukünftigen Schmerzen beim Geschlechtsverkehr vorzubeugen.

Anomalien der Zervix

Zervixaplasie
Eine Zervixaplasie kann isoliert oder kombiniert mit anderen Müller-Gangs-Fehlbildungen auftreten, wobei eine primäre Amenorrhö oder zyklische Unterbauchschmerzen aufgrund eines Sekretverhaltes mögliche Symptome sind. Die operative Therapie so möglich soll den Abfluss gewährleisten; meist sind komplexe Rekonstruktionen der assoziierten Fehlbildungen notwendig.

Anomalien des Uterus

Uterusseptum und Uterusduplikatur
Uterusanomalien resultieren aus einer Fusionsstörung der Müllerschen Gänge und betreffen aufgrund des gleichen embryologischen Ursprungs oft auch den proximalen Vaginalanteil. Uterussepten und Uterusduplikaturen wie Uterus bi- oder unicornis erfordern nur bei auftretender Sterilität oder zur Reduktion der Abort- und Frühgeburtenrate eine operative Behandlung im gebärfähigen Alter, im Jugendalter bleiben sie oft klinisch asymptomatisch. Die Datenlage zur möglichen Effektivität einzelner Eingriffe muss individuell mit der betroffenen Patientin unter Abwägen der Risiken besprochen werden.

Anomalien der Adnexe

Anomalien der Adnexe
Kongenitale Fehlbildungen der Adnexe sind selten und bedürfen bei Unilateralität keiner Behandlung. Eine kausale Therapie gibt es nicht; bei ovarieller Insuffizienz ist eine Hormonsubstitution indiziert.

Verlauf, Nachsorge und Prognose genitaler Anomalien

Die Nachsorge der konservativ oder operativ behandelten Anomalien erfolgt individuell. Einfach zu korrigierende Anomalien wie die Hymenalatresie benötigen bei einem geringen Restenoserisiko keine spezifische Nachsorge, so der Eingriff in einer Phase mit guter Östrogenisierung erfolgte. Bei der erworbenen labialen Fusion muss wegen eines hohen Rezidivrisikos weiterhin konsequent auf eine adäquate Genitalhygiene (Wasser, keine Feuchttücher, keine Seife oder Salben) geachtet werden. Patientinnen mit Vaginal- und/oder Uterusanomalien bedürfen gerade in der sensiblen Phase der Pubertät einer langfristigen und einfühlsamen Nachbeobachtung. Es besteht jedoch Einigkeit darüber, dass nach der Pubertät bei ausreichender Östrogenisierung und kooperativer Mitarbeit der Patientin Langzeitkomplikationen eher selten sind. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Fertilität, körperliche und sexuelle Beschwerden sowie mögliche Einschränkungen des Selbstwertgefühls müssen einfühlsam registriert, interdisziplinär abgeklärt und wenn möglich behandelt werden. Patientinnen mit ovarieller Insuffizienz benötigen ebenso eine Langzeitbetreuung. Der Übergang in die Erwachsenengynäkologie sollte geebnet sein (Transition).

Häufiges gynäkologisches Problem in der Kindheit: die Vulvovaginitis

Von hoher klinischer Relevanz in Kindheit und Pubertät sind Vulvovaginitiden, vor allem weil sie als wichtige Differenzialdiagnose bei dysurischen Beschwerden bedacht werden müssen. Ab der Pubertät bzw. der Aufnahme des Geschlechtsverkehres werden auch sexuell übertragbare Erkrankungen relevant, die analog des Erwachsenenalters diagnostiziert und therapiert werden.

Epidemiologie

Über Inzidenz und Altersverteilung entzündlicher Genitalveränderungen ist bei präpubertären Mädchen wenig bekannt (Van Eyk et al. 2009; Rome 2012). Vulvovaginitiden treten ausschließlich in der nicht östrogenisierten Phase auf. Prädisponierend sind eine dünne und atrophische Scheidenmukosa und die Tatsache, dass die Labien den Scheideneingang nicht komplett bedecken, was das infantile weibliche Genitale empfindlich gegenüber mechanischen und irritativen Reizen macht. Weitere unterhaltende Faktoren sind funktionelle Darm- und Blasenentleerungsstörungen sowie unnötige Antibiotikagaben im Vorfeld.
Wichtig
Sicher selten, aber von erheblicher Relevanz ist ein möglicher sexueller Missbrauch, an den bei genitalem Juckreiz und Schmerzen, Genitalhautveränderungen sowie Ausfluss immer gedacht werden muss. Bei Verdacht auf Missbrauch sind entsprechende Kinderschutzmaßnahmen leitliniengerecht einzuleiten. Auf die Bedürfnisse adoleszenter Mädchen sollte einfühlsam eingegangen werden. Bei zweifelhaften Genitalbefunden sollte zudem eine kinder- oder jugendgynäkologische sowie dermatologische Expertise eingeholt werden.

Diagnostik

Klinische Untersuchung

Neben einer ausführlichen Anamnese inklusive Stuhl- und Miktionsverhalten steht die klinische Inspektion des äußeren Genitale im Vordergrund. Häufige Symptome der Vulvitis bzw. Vulvovaginitis sind vaginaler Ausfluss, Juckreiz, Dysurie, seltener Blutung und Schmerzen. Das aufgrund vaginaler Missempfindung erhöhte afferente Impulslevel kann zu einer Darm- und Blasenentleerungsstörung führen oder eine bereits bestehende Entleerungsstörung unterhalten. Über einen möglichen zeitlich-kausalen Verlauf gibt es kaum Kenntnisse. Bei entsprechender vaginaler Schmerzsymptomatik sollte immer eine Schmerztherapie verordnet und eine Obstipationsneigung sowie Harnverhalten erfragt und ggf. konsequent therapiert werden.
Eine besondere Herausforderung ist sicherlich die Untersuchung und adäquate Beratung Adoleszenter. Neben dem Tanner-Stadium sollte die Klitorisgröße begutachtet werden, da Veränderungen auf eine ovarielle oder androgenassoziierte Störung hindeuten könnten. Hautläsionen wie Follikulitiden, Papeln, Pusteln, Warzen, Ulzerationen und traumatische Lazerationen sollten beachtet werden. Beim schon populären Rasieren des Schamhaares können Follikulitiden oder auch epidermale Erosionen und eingewachsene Haare auftreten, daher sollte die „trockene“ Rasur im Gespräch angeraten werden. Auch genitale Piercings können entzündliche oder allergische Probleme bereiten. Geschwollene Leistenlymphknoten als mögliches Zeichen einer Sexuell Transmitted Diseases (STD), wie Herpes, humane Papillomaviren, Syphilis und Dellwarzen, müssen erkannt werden. Dabei sollen geschlechtsaktive Jugendliche entsprechend den Empfehlungen der Erwachsenenmedizin diagnostiziert und therapiert werden.

Labor

Vaginale Abstriche sind nur hilfreich bei anamnestischem V. a. beta-hämolysierende Streptokokken. Ein mikrobiologischer Keimnachweis anderer Keime im Scheidenabstrich bestätigt nicht notwendigerweise eine vaginale bakterielle Infektion. Auch ein Candida albicans Nachweis ist schwierig zu interpretieren. Abnahmebedingt können pathologische Urinbefunde im Sinne von Bakteriurien oder steriler Pyurie auftreten. Bei schon kontinenten Kindern sollte zum Ausschluss einer Harnwegsinfektion ein sauber gewonnener Mittelstrahlurin untersucht werden, nachdem der Vaginaleingang mit Schleimhautdesinfektionslösung gereinigt wurde. Bei kleineren Kindern ist bei entzündetem Genitale ein suprapubischer Blasenpunktionsurin vorzuziehen, da Beutelurine per se in sehr hohem Maße falsch-positive Befunde liefern.

Differenzialdiagnose

Neben Vulvovaginitiden kommen Wurmerkrankungen, Fremdkörper und dermatologische Erkrankungen wie ein Lichen sclerosus, ein atopisches Ekzem oder eine Psoriasis in Frage. Bei letzteren Hauterkrankungen ist eine spezifische Diagnostik, Therapie und ggf. Langzeitbetreuung im Falle des Lichen sclerosus dringend angeraten. Fremdkörper sind selten und können durch die perineale Sonografie erkannt oder von rektal getastet werden. Im Zweifelfall kann eine Vaginoskopie in Narkose Klärung und Therapie bringen. Entzündliche Veränderungen der im posterioren Vestibulum gelegenen Bartholin- oder paraurethral gelegene Skene-Drüsen führen erst ab der Pubertät zu Schwellung, Schmerzen und eitrigem Ausfluss und müssen oft operativ drainiert werden. Ein ähnliches klinisches Bild können extrem seltene Harnröhrendivertikel oder ein Urethralprolaps machen. Vaginale Blutsekretionen können selten auch durch Tumoren wie ein Rhabdomyosarkom verursacht sein.

Therapie, Verlauf und Prognose

Die meisten Vulvovaginitiden (bis 80 %) in der Kindheit sind unspezifisch und lassen sich durch einfache Hygienemaßnahmen, einer Pflege des Genitales mit Wasser und ggf. einer intravaginalen Estriolgabe therapieren. Entscheidend für den Verlauf ist eine adäquate Aufklärung der Eltern, zudem hilft auch eine Therapie der oft koexistenten Blasen- und Darmentleerungsstörung. Nur beim Nachweis beta-hämolysierender Streptokokken ist eine antibiotische Therapie notwendig. Antimykotische Salben haben aufgrund des zu erwartenden Keimspektrums im Kindesalter keinen Platz in der Initialtherapie der Vulovaginitis. Jugendliche und sexuell aktive Mädchen sollen nach den Empfehlungen der Erwachsenmedizin behandelt werden. Sollte trotz rationaler Therapie keine Besserung der Symptome, insbesondere eines therapieresistenten vaginalen Ausflusses, eintreten, ist eine kinder- oder jugendgynäkologische Konsultation dringend angeraten werden.

Zusammenfassung

  • Die embryologisch inkomplette Trennung des Sinus urogenitalis in Urethra und weiblichen Genitaltrakt ist eine seltene urogenitale Fehlbildung.
  • Persistenz des Sinus urogenitalis resultiert aus fehlender Reabsorption des distalen Sinus, durch Alteration der Septierung wie bei der Kloakenfehlbildung oder durch exo- oder endogenen Androgeneinfluss.
  • Ziel der operativen Rekonstruktion: Separation von Vagina und Harnröhre und Erhaltung ihrer physiologischen Funktion.
  • Operationstechnik: Aktuell wird die totale urogenitale Mobilisation (TUM), eine En-bloc-Mobilisation von Urethra und Vagina, mit guten kosmetischen Ergebnissen und geringer Komplikationsrate bevorzugt. Für die Rekonstruktion des Scheideneingangs wird ortsständiges Gewebe entweder als Schwenklappen oder das Sinusgewebe selbst genutzt.
  • Langzeitverlauf abhängig von initial gewählter Rekonstruktionstechnik sowie von zugrunde liegender (Co-)Pathologie. Kompetente Langzeitbetreuung essenziell wie bei anderen urogenitalen Fehlbildungen.
  • Fehlbildungen des weiblichen Genitales sind im Kindesalter häufig klinisch inapparent, und werden erst mit Eintritt in die Pubertät durch Ausbleiben der Menarche oder im Rahmen abklärender Untersuchungen eines unerfüllten Kinderwunsches offensichtlich.
  • Wichtig sind eine klare anatomische Beschreibung der Anomalie sowie eine kindgerechte Diagnostik entsprechend den aktuellen Leitlinien. Genetische Abklärung ist bei isolierten Müller-Gang-Fehlbildungen meist entbehrlich, sonografische Abklärung des Harntraktes wird empfohlen.
  • Entzündliche Genitalveränderungen (Vulvovaginitiden) sind meist unspezifisch und können mit einfachen Hygienemaßnahmen sowie der Therapie evtl. zugrundeliegender Darm- und Blasenentleerungsstörung erfolgreich behandelt werden.
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